Thermik-Delta

Hallo allerseits!
Nachdem ich nun endlich auch das Thermikbuch für Modellflieger durchgelesen habe und in letzter Zeit auch durch dieses Buch inspirierte Beiträge zum Thema Thermikseglerauslegung im Forum kursierten, möchte ich auch mal meinen Senf (besonders sämig, da mit Gehirnschmalz :D !) dazugeben.

Die Überlegung ist: Je kleiner der mögliche Kurvenradius, desto mehr nutzbare Thermik, weil damit auch ein Minibart bzw. besonders nahe am aufwindstärksten Kernbereich gekreist werden kann.

Dazu benötige ich nun ein wendiges / gering gestrecktes Modell mit einem hohen Verhältnis von Maximalauftrieb zu Eigenmasse. Zusätzlich möchte unser Modell auch noch zügig Aufwindfelder durchqueren. Warum also nicht gleich ein Delta nehmen? Das ist sogar in großen Höhen noch mehr als nur ein Kreuzchen, nahezu unkaputtbar, hat massig internes Volumen, erspart Sonnen- und Regenschirm, schaltet mögliche Gegner schon vorzeitig durch totlachen aus...
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Starlet mod. aus dem Buch von Reinhard H.Werner (OK, ich gebe ja zu, dass dessen Seite auch bei mir inzwischen aufgrund des Alters etwas gilblich erscheinen.)

Das Problem: viele bisherige Deltas sind aus aerodynamischer Sicht fehlausgelegt, was bekanntlich bei entsprechender Motorisierung nicht so stark auffällt ;) Da sieht man teilweise dicke symmetrische Profile mit runden Nasen etc. Den Auftrieb bezieht ein Delta nun aber sinnvollerweise aus großen rotierenden Tütenwirbeln auf der Profiloberseite, die vor allem durch relativ spitznasige Profile und eine geringe Streckung ( kleiner 1) begünstigt werden. Dummerweise kann man sowas Vieldimensionales aber kaum rechnen, sofernman in diesem Leben jedenfalls noch mit Bauen anzufangen gedenkt.

Allerdings hat ein gewisser Herr Marchaj in anderem Zusammenhang (Krebsscherensegel) schon einmal Windkanalversuche an Deltas vorgenommen, die z.B. hervorgebracht haben, dass sich mit denen recht hohe Auftriebsbeiwerte erzielen lassen und dass eine Mischung aus linearer und parabelförmiger Nasenleiste günstiger ist als die traditionelle Dreiecksform. Militärs habe sich da sicherlich auch Gedanken gemacht, nur lassen die nicht immer jeder dran teilhaben und außerdem sind die auch eher an Überschall interessiert, der mir aus Lärmschutzgründen auf unserem Platz leider versagt ist :( .

Lange Rede, kurzer Sinn: Eine erste Skizze für einen lokalen E-Dauerflug-Pokal sieht so aus:

e-delta.gif


Die Masse könnte man mittels CfK-Rippen und großen Mengen Bespannfolie bei einer Speed-400/Getriebe-Motorisierung wohl auf 500-600g bringen. Als Profil ist sowas etwa 5% dickes wie ein AG09 mit leichtem S-Schlag angedacht
Klar, ist kein reiner Segler. Das mindert jedoch durch Einbau einer kräftigeren Motorisierung ggf. das Risiko eines völligen Fehlentwurfs :)

Was bleibt, sind viele Frage:

1. Spinnt der? Das klappt doch nie!
2. Rauhe oder glatte Oberfläche?
3.'Winglets' (sehen klasse aus, bei Tütenwirbeln überhaupt brauchbar) oder Zentralseitenleitwerk
4. Inwieweit verändert denn eine Wirbelumströmung das Profilmoment?
5. Was passiert bei leicht negativem Anstellwinkel? Springt da gleich ein negatives Tütenwirbelpaar an, das zu ungemütlichen Flugfiguren führt?

Bitte keine Antworten wie '42. Das stimmt immer, es ist nur die falsche Frage.', jedoch auch nicht fundierte Vermutungen und Spekulationen zur Leistungssteigerung am Delta sind durchaus erwünscht.

Friedmar Richter
 

Peter K

Vereinsmitglied
Hi Friedmar,

da bin ich echt gespannt, was bei diesem Entwurf rauskommt! Muss es denn gleich soooo extrem sein?

Was mir noch nicht klar ist: woher kommt die Streckenflugleistung zum schnellen, "verlustarmen" Durchqueren von Abwindfeldern?

[ 04. Januar 2003, 22:27: Beitrag editiert von: Peter K ]
 

Hans Rupp

Vereinsmitglied
Hallo Friedemar,

ich habe um 1975 ein erstes Hangflugdelta entwickelt. Hangflugdelta nenne ich es bewußt deshalb, weil am Hang die schon angesprochene äußerst bescheidene Streckenflugleistung weniger stört als in der Ebene.

Bei einer Gesamtfläche von rd. 60dm2 und 1,35m Spannweite, Ti 650mm, Ta 250mm (Streckung 3) und damals (Graupner Variprop Superhet, graue Servos...) rd. 1kg Abfluggewicht ergab sich eine Flächenbelastung von rd. 17gr/dm2. Profil war ein mod. E374symmetrisch innen wie aussen auf rd. 5cm Dicke gebracht. Wurde nur aus Baustyro gechnitten, das wir als Schüler auf Baustellen gesammelt haben (daher 5cm dick -> Plattendicke für Statik max. ausgenutzt).

Versuche habe damals ergeben, dass Ta nicht zu klein werden darf bzw. das Eck aussen nichts bringt. Dann läßt sich so ein Delta auf dem Bierdeckel kreisen. Strömungsabriß gibt es nicht. Übertreibt man tritt lediglich ein Schaukeln auf.

Mit der heutigen Ausführung (Spw. 1m, Ti 500mm, Ta 200mm, Profil MH45mod., 400-450gr. Gewicht, wovon etwa 150gr auf Blei/Akku in der Spitze entfallen, Flächenbelastung 12gr./dm2) sind die Streckenflugleistungen besser aber immer noch nicht gut geworden. Selbst HLGs wie die Höllein-Libelle kannst Du innen im Bart auskurbeln. Fluglageerkennung wird ab einer bestimmten Höhe schwierig. Leistung ist aber nur mit Schwerpuntklage weit hinten da und entsprechend muss das Delta immer gesteuert werden.

Fazit:
im Bart in guter Sichtweite haben alle anderen verloren, sonst immer das Delta. Das Zagikonzept ist allroundtauglicher. Trotzdem bleib ich meinen Deltas treu. Daher würden mich die Untersuchungen Marchaj's interessieren.

Wenn ich derzeit einen Nuri für einen E-Dauerflugpockel bauen würde, würde ich mich eher an einem Entwurf wie dem Hump orientieren. ( www.zanonia.de )

Aber nun zu Deinen Fragen:

1. Spinnt der? Das klappt doch nie!
Habe ich am Anfang auch immer gehört.

2. Rauhe oder glatte Oberfläche?
Habe bei meinen Deltas keinen Unterschied festgestellt. Ich flieg daher unbespanntes Styro, die Ästheten unter meinen Kumpel folienbespannt.

3.'Winglets' (sehen klasse aus, bei Tütenwirbeln überhaupt brauchbar) oder Zentralseitenleitwerk
Winglets waren immer Mist. Kosteten eher Leistung (vor allem beim "Schnellflug") und bewirkten in der Regel ein Pendeln um die Hochachse ab einer bestimmten Geschwindigkeit. Zentralleitwerk hat sich bewährt. Zur Not fliegen meine Deltas auch ohne (PeterK ist Zeuge). Ich fliege mit stumpf abgesägter Randbogenform mit leichter Vorspur (rd. 5mm)

4. Inwieweit verändert denn eine Wirbelumströmung das Profilmoment?
Keine Ahnung. Mein Delta unterschneidet bei meiner Schwerpunktlage ab einem bestimmten Punkt, läßt sich aber mit Höhe abfangen.

5. Was passiert bei leicht negativem Anstellwinkel? Springt da gleich ein negatives Tütenwirbelpaar an, das zu ungemütlichen Flugfiguren führt?
Bei meinen Deltas nicht. Aussenlooping geht aber genauso eng wie Innenlooping, nur aus dem "Stand" heraus.

Als Profil verwende ich derzeit ein MH45 mit 6% innen und 10% aussen.

Hans
 

jwl

User †
hallo 42

ein delta bringt seine beste leistung im speedlflug
geringer cw . im langsamflug ist es auch gut vom handling geringer kurverradius überziehsicher etc.
im langsamflug fehlt dir die steigzahl, im schnellflug fehlt dir die gleitzahl.

im speedflug ca 0.1 ist die gleitzahl vielleicht um zwei punkte höher das waere eine gleitzahl von etwa 6 (cwges 0.01666).

wo will man da hin fliegen? vor die füsse. wenn du jetzt versuchen willst diesen speed in höhe umzusetzten setzt du die kinetische energie in waerme um und nicht in die erhoffte potentielle energie um.

macht ja nichts die energie bleibt erhalten fragt sich nur in welcher form.

gruss jwl
 

speed

Vereinsmitglied
Friedmar,
ein Delta mit dieser geringen Streckung ist (leider) völliger Nonsens!!!
Du hast wahrscheinlich nicht die Möglichkeit eine komplette Polare, also Sinken und Gleiten über v zu rechnen und mit einem Standard Modell zu vergleichen, sonst wäre es Dir auch schon aufgefallen.
Solche einfache Programme sind teilweise auch zu kaufen (Gebr. Köhler ?).
Das Problem dabei ist der induzierte Widerstand:
cwi= ca**2/(pi*Streckung).
Jetzt rechne Dir mal diesen Wert für Dein Delta im Vergleich zum Profilwiderstand aus!
Das ist eine Sinkbombe!!

Gegenvorschlag: ich glaube, das ein Brettentwurf, ein Pfeilflügel oder ein Horten Konzept mit deutlich mehr Streckung eine bessere Lösung ergeben.

Denk mal drüber nach!
Siggi, Deine Meinung!

Otto
 
Friedmar,
eigentlich ist alles gesagt, aber noch ein Hinweis: Ein Thermik-Delta kann grundsätzlich wegen des cwi überhaupt nur dann funktionieren, wenn der Auftriebsbeiwert minimal ist!

Sprich: Nur mit minimaler Flächenbelastung ist das Konzept überhaupt denkbar. Dagegen spricht aber Dein Elektroantrieb und die 500-600g erst Recht! In dieser Form macht das Experiment überhaupt keinen Sinn. Über den Umweg minimaler ca-Werte ist der cwi vertretbar, dann bricht allerdings der Speed zusammen.

Der "klassische" Weg mit einem leichten gering gestreckten Brett käme Deiner Idee am nächsten, aber auch der wird mangels Flugleistung heutzutage nur noch selten beschritten. Ein hoch gestrecktes Brett mit Elektroantrieb ist ein sehr erfolgversprechender Weg. Ein solches Modell habe ich gebaut, leider bin ich aus Zeitgründen bisher nicht dazu gekommen, den Flieger zu beschreiben. Das hier ist ein Foto davon:

hs06_01.jpg


Dieser Rohbau wog 115g und flog als Thermik-Elektrobrett wirklich gut. Mit 650g Fluggewicht war es ein Floater mit (noch) guter Streckenperformance, bei 960g lag die Stärke ganz klar im schnellen Überbrücken großer Distanzen, bei noch guter Thermikleistung. Trotz der nur 2m Spannweite war dieses Modell eines meiner liebsten Modelle für den Allround-Thermikflug. Im engen Bart stieg der Flieger exzellent, insgesamt ein dynamischer Flieger mit hohem Spaßfaktor.
Siggi

[ 05. Januar 2003, 17:06: Beitrag editiert von: Hartmut Siegmann ]
 
Toll, so viele Antworten und alle für mich!
Was Ihr mir hauptsächlich sagen wollt, ist, dass der induzierte Widerstand ausschließlich vom Auftrieb abhängt, nicht aber von der Art und Weise auf die der Auftrieb (Tütenwirbel vs. 2-D-Umströmung) erzeugt wird.
Das hatte ich in meinem Idealismus mal wieder nicht bedacht.
Wenn, dann klappt das Konzept also nur, wenn man eher 200-300g Abflugmasse oder geringer anvisiert, was wiederum nur mit teuren Slowflyerkomponenten erzielbar ist. Schade, wäre eigentlich ganz lustig gewesen.
Ein hoch gestrecktes Delta extremer Pfeilung würde sicher auch zu Auftrieb durch rotierende Wirbel führen, bei den dann zu erwartenden strukturellen Problemen kann ich jedoch auch gleich einen normalen Pfeilflügler bauen.

Thema hochgestrecktes Brett: Tja, da fällt mir der kleine Brettnurflügel-Wurfgleiter eines Freundes ein, der sich an Forschungen im Bereich Bionik orientierte. Da gab es irgendwo mal Windkanalforschungen an ZICK-ZACK-förmigen extremen Turbulenzprofilen, wie sie an Insekten zu finden sind, um endlich herauszufinden, warum die Hummel oben bleibt (Vielleicht hat auch jemand die URL parat).
Jedenfalls flog das Nurflügelchen mit Balsabrett-Zick-Zack-Profil ganz passabel.

turbo.gif


Ich habe hier einfach mal in das Phoenix eine Zackenlinie reingemalt, wie sie sich einfach z.B. aus Balsa erstellen ließe (Optimierung der Zackenabstände wäre mit kleinen Gleitern noch vorzunehmen). Weil man hier keine zu geringe Re-Zahl fürchten braucht, lassen sich gigantische Streckungen bauen. Biegesteifigikeit ist damit sicher kein Problem, nur die Torsion wird einem wohl zu schaffen machen, weil es kaum umschlossenen Querschnitt gibt.

Friedmar

[ 05. Januar 2003, 20:39: Beitrag editiert von: Friedmar Richter ]
 

Hans Rupp

Vereinsmitglied
Hehe Siggi,

sieht nach einem Stück aus Deiner Balsaepoche aus, also knapp nach Aussterben der TipTip-Anlagen :D .

Gefällt mir.

Hans
 

speed

Vereinsmitglied
Hallo Johannes (jwl)
könntest Du Dein Programm nicht etwas erweitern, so dass man 10 bis 20 Stützpunkte für Gleiten und Sinken über v plotten kann.
Und als Kür: Möglichkeit zum Vergleich mit bewährten Konstruktionen, z.B. F3B, F3J, Handlauncher, CO5,usw.
Ich hatte die Page nicht mehr in Erinnerung, deine Überschlagsrechnung sagt aber mehr als 1000 Worte.
Gruß

Otto

[ 07. Januar 2003, 19:07: Beitrag editiert von: speed ]
 

jwl

User †
@speed:

>>>könntest Du Dein Programm nicht etwas erweitern, so dass man 10 bis 20 Stützpunkte für Gleiten und Sinken über v plotten kann.<<<

würde ich gerne tun leider habe ich dafür zur zeit keinen nerv dafür.

>>>Und als Kür: Möglichkeit zum Vergleich mit bewährten Konstruktionen, z.B. F3B, F3J, Handlauncher, CO5,usw.<<<

das könnte man tun waere ja nicht so aufwändig, leider habe ich keine zahlen für die ganzen flieger

>>>Ich hatte die Page nicht mehr in Erinnerung, deine Überschlagsrechnung sagt aber mehr als 1000 Worte.
Gruß<<<

danke
 
Danke an Johannes für die interessanten Links. Die kannte ich noch gar nicht.
Es gab aber noch irgendwo reale Windkanalforschungen (muss sogar in Deutschland gewesen sein) an so Zick-Zack-Profilen, wobei sich in den 'Einkerbungen' quasi ein Wirbelluftpolster bildet und das ganze für den rest der Strömung dann wieder wie ein 'echtes' Profil wirkt.

Friedmar
 

Hans Rupp

Vereinsmitglied
Hihi,

das SAL mit einem Delta möglich sein soll, haben auch viele nicht geglaubt. Und es geht doch ;) .

Und ausserdem habe ich selber für ein Brett und gegen ein Delta argumentiert. Und trotzdem werde ich noch Deltas fliegen wenn ich sie wegen Sehschwäche 3m groß bauen muss :D

Hans

[ 07. Januar 2003, 21:27: Beitrag editiert von: haru ]
 

speed

Vereinsmitglied
Friedmar,
ich kenne die Wellenprofile aus einem Bericht aus den Journal of Aircraft. Da wurden 20 verschiedene Profile bei Re= 4000 (!!!!)verglichen. Das ist mind. Faktor 10 unter unseren RC Rezahlen.
Die Knick, Wellenprofile profitieren nur von der Steifigkeit, deshalb findet man diese Version auch bei Insekten. Wesentlich besser war bei diesen Messungen die gewölbte ebene Platte!

Wenn jemand Interesse an dem Bericht hat, genügt eine kurze mail an mich!

Otto
 
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