Fesselflug-WM in Sebnitz

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Hallo,
ich war heute vormittag mal bei der Fesselflug-WM in Sebnitz (Sachsen) vorbeischauen und kann nur jedem, der die Möglichkeit hat sich das Ganze mal selbst anzuschauen. Es ist echt beeindruckend, wenn z.B. ein F2A-Modell in 1,5m über dem Boden mit 300km/h :eek: :eek: und einem Motorengeräusch, das irgendwie an StarWars (von der asymmetrischen Optik ganz abgesehen) erinnert in einem 36m-Kreis dahinpfeift. Die Bewerbe laufen noch bis Sonntag. Näheres findet man unter www.sebnitz-2002.de .

Friedmar
 
Hier ein Bericht des DAeC-Ciam Delegierten:

Gerhard Wöbbeking
Holstenstraße 108
22767 Hamburg

Fesselflug-Weltmeisterschaften 14. bis 21. Juli in Sebnitz
Das überragende Modellsportereignis des Jahres 2002

Eine der größten Modellflug-Weltmeisterschaften aller Zeiten: Über 600 Teilnehmer, Helfer und Juroren aus 34 Nationen waren in die sächsische Stadt Sebnitz gekommen. Deren DAeC-Club – mit Schwerpunkt Fesselflug – hatte sich seit Jahren auf das Großereignis gefreut und mit dem 50. Geburtstag des Vereins verbunden. Wie ehrgeizig das Ziel war, wurde allen erst klar, als es kein Zurück mehr gab. Mit überschwänglicher Herzlichkeit dankten begeisterte Teilnehmer aus China, Japan und Singapur, Neuseeland und Australien, Argentinien, Brasilien und Mexiko, Kanada und den USA sowie aus vielen europäischen Ländern für den irren Aufwand, der nötig war.

F2 „Control Line“ ist die zweitälteste Modellflugsparte der FAI. Sie ist eng mit der Entwicklung der Modell-Verbrennungsmotoren vor rund 70 Jahren verbunden. Weltmeisterschaften werden in vier Klassen ausgeflogen – mehr zu diesen Klassen im Sondertext. Die Steuertechnik durch einen einfachen Handgriff, von dem zwei Stahldrähte oder Stahllitzen zu einem Umlenkhebel im Modell gehen und das Höhenruder betätigen, hat sich nie verändert: Die Modelle fliegen im Kreis um den Piloten herum, der sich im Mittelpunkt mitdreht.

Umso mehr veränderten sich die Modelle. Sie wurden – sieht man von F2B (Kunstflug) ab - den zunehmenden Kräften der 2,5 ccm-Motoren angepasst. Ein komplexes Regelwerk sorgt für Fairness; es durchzusetzen bedarf es bei einer WM großer Stäbe von technischen Experten, von Juroren, Zeitnehmern und Helfern.

Als Fluggelände braucht man für eine WM vier glatte Asphaltringe von knapp 50 m Durchmesser, dazu noch Wiesengelände in der Größe eines Fußballfeldes. Die Stadt Sebnitz schuf auf einem kombinierten Sportgelände – auf dem das Vereinshaus steht – beinahe ideale Voraussetzungen. Der Stadtrat unter Leitung von Oberbürgermeister Mike Ruckh stand auch finanziell hinter dem gewaltigen Vorhaben, zusammen mit vielen Sponsoren. Den Organisatoren um den Vereinsvorsitzenden Ullrich Forkert gelang es, auch die schwierigsten Klippen der Wettbewerbe zu bewältigten, nicht zuletzt mit Hilfe von Freunden aus der nationalen und internationalen Fesselfluggemeinde. Das löste eine Begeisterung aus, wie sie bei Flugsportveranstaltungen auf großen Geländen nie spürbar ist.

Das begann schon am 14. Juli mit der Eröffnung auf dem Marktplatz in Sebnitz. Nahezu 4000 Sebnitzer feierten bei schönstem Wetter den Einmarsch der vielen Nationen, so dass DAeC-Präsident Gerd Allerdissen in seiner Rede ihnen gleich die erste Goldmedaille zusprach. Später waren die Tribünen an den Kreisen stets voll: Ein Fesselmodell im Flug ist eben kein kleiner Punkt am Horizont, sondern sehr präsent (auch durch seinen Motorenlärm).

Insgesamt gutes Wetter, ein entspannter Zeitplan und vorzügliche Trainingsmöglichkeiten zwischen den Wertungsflügen sorgten denn auch für überragende Leistungen. In beiden Geschwindigkeitsklassen wurden Weltrekorde geflogen; in Kunstflug und Fuchsjagd herrschte eine nie erlebte Leistungsdichte. Nur Experten und Jury vermochten hier noch Unterschiede zwischen den Piloten zu erkennen. Die deutschen Teilnehmer mussten sich mit mittleren Plätzen zufrieden geben; Fesselflug ist bei uns nicht sehr verbreitet. Erfreulich, dass dennoch in F2A (Speed) und F2B (Aerobatics) Renè Birnstein und Richard Kornmeier mit jeweils einem dritten Platz in der Juniorenwertung aufs Treppchen steigen konnten.

F2A Speed
Um die Geschwindigkeit etwas zu verringern, hatte die FAI die Leinenlänge neu festgelegt. Neun Runden = 1 km in rund 12 Sekunden, das ist gerade noch exakt mit der Hand zu stoppen und für den Piloten nach einigem Training ohne Drehwurm zu bewältigen. Favoriten unter den 53 Teilnehmern waren die Briten Peter Halman und Ken Morrissey sowie der Spanier Lluis Parramon. Entscheidend ist nicht nur der Pilot. Er beginnt erst dann einen von drei Wertungsflügen (Steuerhand in die drehbare Gabel im Zentrum des Kreises einlegen), wenn der Motor so läuft, dass er eine gute Chance für einen schnellen Flug sieht. Der Helfer, der den Motor anlässt und einstellt, trägt ebenfalls zum Erfolg bei. Was Wunder, dass die beiden erfahrenen Briten – die sich gegenseitig helfen - sofort mit Superzeiten starteten. Doch sie blieben unter der magischen 300 km/h-Marke, die der Spanier zweimal durchbrach. Mit 302,5 km/h heißt der neue und (alte) Weltmeister F2A Lluis Parramon. Noch nie flog ein Pilot mit 17,69 m-Leinen so schnell. Die Briten siegten wieder in der Teamwertung. Bester Junior war Hugh Simons aus Australien.

F2B Aerobatics
Im Kunstflug dominieren seit Jahren chinesische Piloten. Die Präzision ihres Flugstils ist unerreicht, und überzeugt immer wieder die Punktrichter. Dass Perfektion bei Pilot und Modell in der wiederkehrenden Gleichförmigkeit langweilig wirkt, spielt dabei keine Rolle.

Dem Reglement entsprechend absolvieren alle Piloten – es waren 86 – zwei Flüge; nur die 15 Piloten mit der jeweils besten Einzelleistung kommen weiter.

Die Spitzengruppe lag sehr eng zusammen, wenn auch Han Xinping – Weltmeister 2000 – wieder einmal mit 3077,5 Punkten die Nase vorn hatte. Uwe Degner (2967 Punkte) und World Cup-Gewinner Christoph Holtermann (2949,5) aus Deutschland verfehlten mit Platz 16 und 22 knapp das Finale. Überragend Vater und Sohn Beringer aus Frankreich, sowie William Werwage (USA).

Im Finale schob sich dann Jiri Vejmola aus Tschechien nach vorne. Han Xinping siegte dennoch mit der Summe von 6083,5 aus den beiden besten Finalflügen, vor Jiri Vejmola (6045) und William Werwage (6042). Die Franzosen eroberten Platz 2 im Team, hinter den Chinesen, vor den USA. Auch unter den 12 Junioren dominierte Li Wen aus China und gewann vor Robert Gruber (USA) und Richard Kornmeier (Deutschland).

F2C Teamrace
Nicht weniger als 42 Teams waren am Start fürs Mannschaftsrennen. Favoriten waren die Franzosen; sie hatten drei Teams und zusätzlich die Weltmeister von 2000, Jean Maret und Jean Paul Perret, gemeldet. Die schnellste Zeit in den Vorläufen erreichten Thierry Ougen und Roland Surugue; mit dem neuen Weltrekord von 3 min 10,1 sec für 10 km (= 100 Runden) qualifizierten sie sich für das Halbfinale, in dem sie sich noch einmal um 3/10 sec verbesserten (entspricht 189,67 km/h mit drei Tankstopps) . Bei ihnen stimmte einfach alles: ein groß gewachsener Pilot, der keine Probleme hatte, mit den schnellsten Teamrace-Modellen der WM zu überholen (nur oben, niemals unten gestattet), ein perfekter Mechaniker mit superkurzen Tankstopps. Im Finale dabei die Russen Yun Shabashov/ Serguei Moskalev und die Ukrainer Yuriy Bondarenko/ Semen Lerner, in den Semifinals jeweils 3 Sekunden langsamer als die Franzosen.

In den acht Halbfinal-Läufen waren fünf Teams für das jeweilige Rennen disqualifiziert worden – das Finale über die doppelte Entfernung (200 Runden/ 20 km) ein Desaster? Nein, ein perfektes Rennen! Zwar gingen alle drei Piloten bei der Suche nach Vorteilen bis an die Grenze (je zwei Verwarnungen durch den Rennleiter im Tower), doch keine Unsportlichkeit. Überraschend siegte das Team der Ukraine vor dem der Russen und vor den Franzosen mit 6 min 31,8 sec (entspricht 182 km/h mit 6 Tankstops) gegen 6 min 35,5 sec und 6 min 47,6. Thierry und Roland waren untröstlich: Ihr Motor war nicht richtig eingestellt und ließ sich während der Tankstopps auch nicht auf Leistung bringen.

Die beiden deutschen Teams landeten auf den Plätzen 39 und 41, in der Teamwertung gewann Russland vor Frankreich und Spanien.

F2D Combat
63 Teilnehmer bei einer Fuchsjagd – das gab es noch nie. Und das sind nur die Piloten! Sie brauchen jeweils zwei Mechaniker für die beiden Modelle, die pro Jagd erlaubt sind. Paarweise wird ausgelost; wer zwei Kämpfe verliert, scheidet aus. Unentschiedene Gefechte werden wiederholt (Reflight). Die Teams samt Helfern trugen in Sebnitz ihre Luftkämpfe außerhalb auf einer großen, sehr gut hergerichteten Wiese aus. Nur die Schlusskämpfe liefen vor mehr als tausend Zuschauern auf der zentralen Anlage. Favoriten gab es kaum. Die internationale Combat-Gemeinde ist eine Kultur für sich, die auch junge Frauen gut finden: fünf Pilotinnen waren dabei, zwei (Vitaly Snitko und Monique Wakkerman) schafften es bis Runde 4. Der Weltmeister von 2000, Stanislav Chornyy (Ukraine) war mit 19 anderen nach zwei verlorenen Jagden schon in Runde zwei ausgeschieden.

In der 7. Runde verlor Andreas Schwarz als bester Deutscher unglücklich seinen zweiten Kampf und schied aus (Platz 7). Lothar Hentschel hatte es zwei, Anja Möbius drei Runden zuvor erwischt. Den Sieg machten Michael Wilcox (USA), Boris Faizov (Russland) und Volodymyr Vesich (Ukraine) unter sich aus – in dieser Reihenfolge stiegen sie aufs Treppchen. Bester Junior war Cesar Picardo aus Spanien, auf dem 4. Platz u.a. Anja Möbius und Olga Soshnina (Ukraine). Die Teamwertung ging ebenfalls an die USA vor Russland und Belarus; Deutschland wurde zusammen mit Kanada 5.

Ob es je wieder Meisterschaften dieser Größenordnung gibt? Wird die erste Fesselflugweltmeisterschaft in Deutschland die letzte aller vier Klassen an einem Ort sein? Die FAI wird sich überlegen müssen, ob sie den gesamten Aufwand einem einzigen Veranstalter zumuten darf - wenn sie denn einen findet. Auch die RC-Klassen (F3) fliegen ihre Welt- und Kontinentalmeisterschaften nicht gemeinsam. Die Offiziellen aus den USA, die 2004 nach Muncie/ Indianapolis einladen wollen, machten nachdenkliche Gesichter. Die Leistung der Sebnitzer ist schwer zu wiederholen, noch schwerer zu überbieten. Mit dem DAeC zusammen haben sie Modellfluggeschichte geschrieben.

WM-Klassen im Fesselflug
F2A – Geschwindigkeit
Standardgemisch ohne Nitromethan und Beschränkung der Spannweite auf 100 cm sollten die Modellleistung beherrschbar halten. Der Flügel von ca. vier dm² (Gesamtfläche mind. 5 dm² bei einem 2,5 ccm-Motor) streckt sich nur auf der Innenseite und verkleidet so die Steuerdrähte auf einen Meter. Sie haben mehr Luftwiderstand als das Modell! Dessen Einblattpropeller vermag mit seiner hohen Steigung das Modell nur langsam zu beschleunigen; der Pilot muss nachhelfen durch „whipping“, Ziehen. Unglaublich, wie der Motor aufdreht, wenn sich das Modell vom Startwagen gelöst hat und Geschwindigkeit aufnimmt. Eine Klasse für Motorspezialisten.

F2B – Kunstflug
Hier dominieren die Ästheten. Zwar kann man auch mit einem einfachen Silhouettenrumpf bei einer WM erscheinen, doch die Modelle der Spitzenpiloten sind bildschöne Maschinen, die über viele Jahre in den Proportionen entwickelt oder manntragenden Flugzeugen nachempfunden wurden. Die großvolumigen Motoren (bis 10 ccm die Zweitakter, bis 15 ccm die Viertakter) brummen gut gedämpft. 16 Manöver, Start eingeschlossen, werden von den fünf Punktrichtern bewertet. Je nach Schwierigkeit gibt es Multiplikatoren; den größten (18) für zwei horizontale Achten, die eckig zu fliegen sind. Stunt-Modelle zeigen wie ihre flinken Brüder des Combat, dass Fesselflugmodelle nicht nur im Kreis, sondern auf einer Halbkugel fliegen!

F2C – Mannschaftsrennen
Das sollte im Teamrace besser unterbleiben; mehr als 6 m Höhe führen zur Disqualifikation. Die Selbstzündermotoren haben einen schneidenden Ton und sitzen in Nurflügelmodellen geringer Streckung mit dünnen Flügeln (ebene Platte). Vorgeschrieben ist ein Modellpilot, der in dem Rennflugzeug nach vorne sehen können muss! Auch auf Grund der engen Bestimmungen unterscheiden sich die 12 dm²-Fliegerchen kaum mehr als durch die Rumpffarben. Präzise gemessen wird der Tankinhalt: Er darf nur höchstens 7 ccm betragen, um die Tankstopps („pitstop“) zu erzwingen.
Damit es nicht zum Chaos kommt, wenn drei Piloten gleichzeitig im Kreis fliegen, dröhnen „warnings“ durch große Lautsprecher in das Rennen. „Whipping“ oder „blocking“ heißen die häufigsten, drei davon disqualifizieren vom laufenden „heat“.

F2D – Fuchsjagd
Auch hier sind die Modelle kaum voneinander zu unterscheiden. Sie sind extrem leicht und einfach gebaut, damit sie erstens wendig und zweitens leicht zu ersetzen sind. Der 2,50 m lange Streamer aus rotem oder blauen Krepp unterscheidet sie deutlich in der Luft. In der 4 Minuten dauernden Jagd kommt es darauf an, möglichst viele Schnitte („cuts“) mit dem Propeller am gegnerischen Streamer anzubringen, und dazu möglichst die gesamte Zeit in der Luft zu bleiben. Bei Kollisionen oder Steuerfehlern rennt ein Mechaniker zum geerdeten Modell außen um den Kreis herum, um es wieder anzuwerfen oder den Streamer am bereits startfertigen zweiten einzuhängen. Modelle dürfen zwar selbst nicht angegriffen werden – doch durch die starken 2,5 ccm-Motoren sind sie so schnell, dass auch die besten Piloten nur zu oft beide Flieger pro Kampf verbrauchen. Trotz strenger Bestimmungen nichts für schwache Nerven!
 
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