Profil oder nicht

Ich schon wieder.

Nachdem ich mir die ganzen Anleitungen im Netz zum Bau profilierter Segel mal angeguckt habe, fange ich an, an meiner physikalischen Schulbildung zu zweifeln. Besonders die Anleitung mit dem Bau einer Prifilschablone aus einer gebogenen Sperholzplatte, auf der das Segel dann zusammengeklebt wird. Das ganze ist nur 1.dimensional gewölbt. (Im Gegensatz zum verkleben mit der Schildkröte) Wenn ich das Segel also auf dem Profil klebe habe ich trotzdem ein glattes Stück Stoff, da das Profil wie gesagt nur 1.dimensional ist.
Die andere Methode, das Verkleben mit Hilfe einer Schildkröte, erstellt zwar ein 2.dimensionales Profil, aber ich denke das ist zum segeln nicht unbedingt optimal.
Bitte klärt mich auf.
Ich kenne es nur von meinen Surfsegeln, das das die Segel alle Platt sind, und sich das Profil durch das Trimmen ergibt, und in erster Linie mit der Außenkontur des Segels zusammenhängt, was bei RC-Segeln ja auch relativ einfach zu bewerkstelligen wäre. Also warum das Verkleben auf irgendwelchen Profilen???
 

Niels

User
Hallo flatline!
Vielen Dank für den Anlaß für mein erstes Posting hier :)

Also: einfach nur auf einer in einer Richtung gewölbten Platte zu verkleben, macht in der Tat keinen Sinn, tatsächlich wird auch die Sperrholzkonstuktion so sein, daß sich eine bleibende "Beule" erstellen läßt. Deshalb sind es bestimmt zwei Sperrholzteile, die für sich gewölbt sind und gegeneinander ein ganz flaches V bilden (1-3° oder so), eben ganz ähnlich der Schildkröte.

Ein flaches Segel funktioniert natürlich auch, auf der Suche nach Leistung braucht man aber eine optimalere Lösung. Dabei geht es immer um den besten Kompromiss aus Speed und Höhe am Wind. Für ein wirklich optimales Profil muß man sich über die dessen Tiefe unterhalten, deren Position, die Krümmung am Profileingang ("entry") und noch ein paar andere Parameter, die zu den Geheimnissen der Segelmacher gehören. Dieses Profil muß am Fuß des Segels anders aussehen, als im oberen Bereich, wo andere Strömungsverhältnisse und Anforderungen bestehen. Und dabei soll das über den gesamten Windbereich möglichst gut funktionieren, jeweils mit den Trimmmöglichkeiten des Bootes.
Ein flaches Segel, dessen Profil nur über die Aussenkanten definiert wird, kann diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Mit ein paar Bahnen geklebt, lassen sich schon bessere Resultate erzielen. Die ganz optimale Lösung bieten räumlich über eine komplette Form verklebte Segel wie bespielsweise als 3DL von North, was aber nur eine Lösung für Regattayachten darstellt. Und wenn man die Segelentwicklung ernsthaft macht, dann muß man sich mit aerodynamischen bzw. mathematischen Fragestellungen beschäftigen, die sich gewaschen haben. Frag' die Jungs der Alinghi, die haben sich richtig viel damit beschäftigt...
Meine MM-Segel sind davon noch ziemlich weit entfernt. Vielleicht alles nicht so wichtig, wie gut mit dem Modell umgehen können, aber Basteln macht halt eben Spaß...
Es würde mich wundern, wenn ein Regatta-Surfsegel wirklich flach ist... ( Ist das so? keine Ahnung...) Die einzige (Groß-)Bootsklasse, die ein plattes Segel fährt, ist die der Laser. Man wollte das Segel möglichst preisgünstig erstellen, was aber dank One-Design-Politik völlig daneben gegangen ist. Mit vernünftigem Profil wäre das Boot schneller. Und Lasersegler hätten dann vielleicht auch von Trimm ein wenig mehr Ahnung :)

Ein wenig verständlich geworden? Ich wünsche viel Erfolg und Spaß bei Deinen Klebeversuchen.

Schöne Grüße an Eric, Dirk, Christian, Thomas und die anderen MM-Segler! Kann leider nicht in Holland dabei sein.... *heul* Viel Spaß!

Niels, der es immer auf seine Segel schiebt, wenn er hinterherfährt....

[ 11. Oktober 2003, 12:03: Beitrag editiert von: Niels ]
 
Puh, das ist ne ganze menge an Infos gewesen. Du scheinst dich ja ziemlich gut auszukennen. Nicht nur im Bereich Modell sondern auch bei den Großen. (Ich hoffentlich bald auch. Mach grad meinen Schein.)

ABER, ich habe ein Profil immer so verstanden, das Die Luft die Außen vorbei strömt einen längeren Weg zurücklegen muß, dadurch ein Unterdruck entsteht usw. Nun sind ja auch Tragflächen profiliert. Sozusagen das Paradebeispiel für Profile. Die sind doch aber auch nur 1 Dimensional. Bestes Beispiel, der Zuschnitt eine Modelsegler Tragfläche aus Styro mit hilfe eines Heißdrahtes und 2 Profilschablonen. Warum sollen dann Segel mehr dimensional sein und zum Beispiel eine leichte Blase bilden.

Daa einzige was ich mir vorstellen kann, ist das die Wirkung des Windes nicht nur über das Profil erziehlet wird, sondern auch über den Vortrieb, der durch den Wiederstand gegenüber dem Wind erziehlt wird. Ergo würden profilierte Segel erst ab einer gewissen Geschwindigkeit Sinn machen.

@ Niels: Nicht das der Eindruck entsteht, ich glaube dir nicht. Ich würde nur gerne verstehen warum es so ist.
Zu den Surfsegeln. Ich bin zwar seit ein paar Jahren nicht mehr gesurft, aber ich denke Die Segel sind immer noch platt. Das Profil entsteht durch die Latten (meist durchgelattet) und den Materialmix. (Forne weicheres Material, was unter Belastung ein Profil bildet) Wenn das ganze ordentlich getrimmt ist, bildet sich ordentlich Profil.
 

Gast_633

User gesperrt
>Warum sollen dann Segel mehr dimensional sein und zum Beispiel eine leichte Blase bilden.>

???. blase?? die segel sollen aussehen wie tragfluegel (es gibt ja versuche damit schon)
bei segeln kommt noch hinzu, das der wind ueber der wasseroberflaeche abgelenkt wird und einen etwas andere staerke und richtung hat als wieter oben. dadurch braucht das segel auch einen "twist", d.h. eine verdrehung des oberen teil des segels nach aussen hin.

das mit der klebeschablone hast du auch nicht richtig gesehen. ich denek du warst auch auf meiner seite und auch dort wird von 2-4 Grad neigung an der klebestelle gesprochen. schau doch auch mal die pdf files vom thomas dreyer an. alles zufinden bei mir auf der tipp seite. www.modellsegeln.net/tipp.htm

bin leider auch kein grosser theoretiker sondern schau vorallem bei anderen ab.
tu es auch und frag am wasser, denn anhand von beispielen ist es leichter zu verstehen.

andreas

[ 12. Oktober 2003, 20:39: Beitrag editiert von: andreas s. ]
 

Niels

User
Hallo nochmal.
Ich segel einfach ein paar Jahre und habe mich aus Spaß an der Freud mal eingelesen. Wünsche viel Spaß mit Deinem Segelschein.

Die ganze Vortriebsgeschichte ist nichts anderes als angewandte Tragflügeltheorie, und zwar in allen Geschwindigkeitsbereichen. Wir haben ein Profil, das mit einem bestimmten Anstellwinkel angeströmt wird und dabei Auftrieb und Widerstand erzeugt. Bei Segeln handelt es sich um ein asymetrisches, extrem "dünnes" Profil.

Die Frage, warum eine gebogene Platte zu diesem Zweck besser funktioniert als eine platte Platte ist wirklich nicht trivial. Das übliche Modell "Obenrum fließt schneller" ist hier nicht ganz passend. Man weiß, daß es funktioniert, eine einfaches Erklärungsmodell dafür zu finden, ist nicht so einfach.

Behaupten wir mal, die erzeugten Kräfte sind abhängig davon, wieweit der ursprüngliche Luftstrom abgelenkt wurde. (Energieerhaltung!)Wenn wir eine Platte mit Anstellwinkel haben, dann kann die Strömung um ein gewisses Maß abgelenkt werden. Nur halt eben nicht so weit, weil sonst die Luft nicht mehr um die vordere Kante fließen kann, also mit Wirbeln abreist. Mit einer Wölbung wird die Strömung besser herumgeführt, der Anstellwinkel kann ohne Abriss vergrößert werden. Der Ablenkung des Luftstroms wird größer, damit steigen die Kräfte des Profils an. Vielleicht zum Verständnis einfach mal ein paar Strömungslinien aufzeichnen.
Auftrieb entsteht durch Druckunterschiede. Auf der Luvseite "prallt" unsere Luft auf, deshalb Überdruck. Auf der Unterseite folgt die Strömung dem Profil, will aber aufgrunde des Masseträgheit eigentlich lieber gradeaus weiterfließen. Deshalb Unterdruck auf dieser "Saugseite".
Leider nicht so ganz griffig als Erklärung. Bernoulli muß nach wie vor auch gelten.
Mit zunehmendem Profil gilt folgendes:
Der maximal erreichbare Auftrieb nimmt zu (mehr Kraft).
Dieser wird bei höheren Anstellwinkel erreicht.
Das Verhältnis Auftrieb zu Widerstand nimmt ab (weniger Höhe am Wind)

Also: Segel relativ flach am Wind, Raumschots bauchiger. Die Modellboot-Lümmelbeschläge zu diesem Zweck finde ich ziemlich genial.

Versuche mit dicken Tragflügeln gibt es wohl seit 50 Jahren, aber nie mit durchschlagendem Erfolg. Auch bei den großen Kats fahren die drehbare Profilmasten, die aber gar nicht so viel der Segelfläche ausmachen. (Oder sind die beschränkt durch Klassenregeln?) Problem scheint die praktische Handhabbarkeit, die Trimmmöglichkeiten und das dynamische Verhalten zu sein. Ein dünner Mast biegt sich am Anfang der Bö weg, bei einem steifen Flügel (-mast) müßten wir eine Menge Schot rausgeben. Und es muß auch noch über einen weiten Windbereich funktionieren. Also noch viel Experimentierspaß für künftige Generationen :)

Die ganze Flügeltheorie finden wir auch unter Wasser an Rumpf und Kiel/Ruder, die uns die Gegenkräfte zu den Segelkräften erzeugen. Wegen dieser Abhängigkeiten und dann noch den Wellenerscheinungen durch die Wasseroberfläche sagen einige, Flugzeuge seien völlig simpel gegenüber Segelbooten.

@andreas: feine Seite, macht Lust auf Modellbau. Werde auch wieder was bauen, aber noch ist meine MM nicht optimal. IOM sieht schon gut aus...

Schöne Grüße,
Niels

[ 19. Oktober 2003, 12:43: Beitrag editiert von: Niels ]
 
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