Messerscharfe Endleiste?

Alt-F4

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Hallo,

mal eine Frage an die Aerodynamiker.

Bisher war ich immer der Ansicht, dass eine Endleiste möglichst dünn, am besten messerscharf sein soll. Steht ja auch so bei aerodesign.de

Jetzt habe ich aber von einem Fliegerkollegen gehört, dass eine 2-3mm dicke (eckige) Endleiste besser wäre. Hier im Forum wurde das in einem uralten Fred auch mal behauptet aber nicht begründet.

Was ist denn nun richtig?

:)

PS: Im konkreten Fall geht es um einen Scalesegler mit 4,5m Spannweite
 
Jetzt habe ich aber von einem Fliegerkollegen gehört, dass eine 2-3mm dicke (eckige) Endleiste besser wäre. Hier im Forum wurde das in einem uralten Fred auch mal behauptet aber nicht begründet.
Wenn dick, dann besser eckig als rund, wegen definierter Abströmung. ABER: So dünn wie möglich. Mit einer 3 mm dicken Endleiste verdoppelst Du mal locker die Dicke des turbulenten Totwassers hinter dem Flügel.
 
Man kann da wohl geteilter Meinung sein.
Ich erinnere mich nur an das Vorbild LS4, das ich damals ziemlich genau "unter die Lupe nahm", zwecks Nachbau.
Erstaunt stellte ich fest, dass die Endleiste wohl 8mm dick war, aber eckig.
Auch kam damals gerade F3J so richtig auf. Auch dort kam man teilweise von "messerscharf" ab.
Begründung: der geringfügig höhere Widerstand macht den höheren, erreichbaren Auftrieb mehr als wett.
Verständlich, denn dort hinten gibt es sowieso keine laminare Strömung mehr die "gestört" werden könnte.
Aber wahrscheinlich pendeln die Meinungen hin und her, wie bei Kreuz- gegen V-Leitwerke.
Gruss Jürgen
 

UweH

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Hallo, das ist letztlich keine Meinungsfrage sondern eine der Aerodynamik:p:D.
Die Form der Endleiste beeinfluß den Nachlauf und ich schreib es noch etwas drastischer als MarkusN: wenn dick, dann auf keinen Fall rund sondern immer mit eckigem Abschluß definierte Abrißkanten bilden. Bei bestimmten Profilen und besonders bei niedrigen Re-Zahlen kann eine dicke Endleiste Vorteile beim Maximalauftrieb und dem Widerstand im Langsamflug bringen. Z.B. die JW-Profile der EPP-Nurflügel sind aus bautechnischen Gründen mit dicker, eckiger Endleiste gerechnet, aber bei allem was schnell fliegen soll ist die scharfe Endleiste überlegen ;)

Gruß,

Uwe.
 

Alt-F4

User
Hallo,

und Danke für die Antworten bis jetzt.

Dass eine messerscharfe Endleiste grundsätzlich besser ist, war mir klar. Das erklärt sich auch dem Aerodynamiklaien fast schon von selbst.

Mir ging es primär darum, wann und vor allem warum eine dickere Endleiste (immer mit eckigen Kanten) besser sein kann.

Bei bestimmten Profilen und besonders bei niedrigen Re-Zahlen kann eine dicke Endleiste Vorteile beim Maximalauftrieb und dem Widerstand im Langsamflug bringen....
Jetzt kommen wir der Sache langsam näher. ;)

:)
 

CHP

User
Nach Gurney flap zu googlen erhellt auch vieles zum Thema Endleiste.


Hans

Ich habe gerade noch überlegt, ob ich den anfügen soll, aber eine extra dicke Endleiste würde wohl am ehesten einem doppelten gurney flap nach oben und unten gleichzeitig entsprechen.


Wenn Du EPP und ähnliches ausschliesst, mag das stimmen. Konstruktion ist nunmal meist ein Kompromiss aus verschiedenen Einflussfaktoren.

Dass eine reale Endleiste immer eine endliche Dicke hat dürfte klar sein. Dass sie für unsere Modellsegelflugzeuge zumindest so steif sein muß, dass keine nennenswerten aeroelastischen Effekte an ihr auftreten, ebenfalls.

Wenn man "messerscharf" auf EPP anwendet, dann würde wohl nicht viel mehr als eine flexible Folie als Endleiste übrig bleiben.
 
Ich habe gerade noch überlegt, ob ich den anfügen soll, aber eine extra dicke Endleiste würde wohl am ehesten einem doppelten gurney flap nach oben und unten gleichzeitig entsprechen.
Und genau solches findest Du z.B. am Seitenruder von modernen manntragenden Kunstflugmaschinen.
Die werden schon einen Grund haben.
 

UweH

User
Wenn man einen größeren maximalen Auftriebsbeiwert braucht, dann geht das nur über die Auslegung des Profils!

Ja, zum Beispiel mit solchen Profilen die speziell für diesen Zweck mit dicker Endleiste gerechnet wurden z.B. Wortmann FX77-Serie oder Eppler E862-E864.

Zugegeben, das ist im Modellbaubereich wenig relevant und wird mehr bei Windkraftanlagen benutzt, aber bei langsamen Thermikseglern können die Wirbelstrecken im Nachlauf einer dicken, eckigen Endleiste weniger Widerstand haben als die abgelösten Wirbel hinter einer messerscharfen Endleiste. Leider werden diese günstigen regelmäßigen Wirbelstrecken schon bei relativ kleinen Re-Zahlen stark turbulent und der Vorteil ist dahin, aber das "niemals" ist nicht gerechtfertigt. Grenzschichteffekte sind nicht unbedingt intuitiv einzuschätzen ;)

Ich versuche im Modellflug aber auch nicht die Effekte einer dicken Endleiste positiv auszunutzen und mach meine so dünn wie von der Struktur her möglich :rolleyes:

Gruß,

Uwe.
 
@ MarkusN :
das war 1985! Und bestimmt eine der ersten LS4.
Wahrscheinlich wurde da bis heute einiges geändert.
Gruss Jürgen
 

UweH

User
Wenn Du das nachweisen kannst, dann nehme ich alles zurück!

Das ist zwar nicht genau das was ich als "Nachweis" suche :(, aber es geht um das Prinzip das hinter dem Effekt steht, dass manche Profile mit dicker Endleiste gerechnet werden:

Wikipedia zur Kármánnschen Wirbelstraße schrieb:
Die Wirbel entstehen an der linken und rechten Seite des umströmten Körpers. Ihr Drehsinn ist entgegengesetzt zueinander. Die Strömung zwischen ihnen verläuft in Richtung zum umströmten Körper, also gegenläufig zur äußeren Strömung. Dieses Muster ist noch stabil bis zu Reynoldszahlen von rund 10.000. Danach wird das Strömungsfeld turbulent. Außerhalb der turbulenten Zone kann die Strömung laminar abfließen. Dadurch verringert die Zone den Strömungswiderstand des Körpers.

Quelle: Kármánnsche Wirbelstraße

Früher gab es Thermiksegler mit Turbulenzdraht vor der Nasenleiste die den Effekt der Widerstandsverringerung bei kleinen Re-Zahlen ausgenutzt haben indem sie eine über den Flügel laufende Karmannsche Wirbelstraße erzeugten. Die hat auch weniger Widerstand als die vermeindlich laminare Strömung, die bei Re unter 80 000 meist nicht mehr laminar ist. Die Grenzschicht ist immer Teil des Profils und je kleiner Re ist umso größer wird ihr Einfluß auf die Profilform und dazu gehört auch die Nachlaufströmung hinter der Endleiste. Der Effekt ist meist störend, aber in bestimmten Fällen kann man sich ihn zunutze machen, z.B. bei kleinen Re-Zahlen. Auch die aktuellen nachlaufoptimierten Profilentwürfe der manntragenden Segler beeinflußen das Abwindfeld durch eine spezielle Profilform um Widerstand zu sparen. Die Profile mit Knick auf der Oberseitenkontur kurz vor der Endleiste sehen für uns Modellfliegeraugen dann reichlich seltsam aus ;)

Gruß,

Uwe.
 
Und genau solches findest Du z.B. am Seitenruder von modernen manntragenden Kunstflugmaschinen.
Die werden schon einen Grund haben.

Ja - der Grund ist jedoch ein anderer:
Relativ dicke Profile, wie sie besonders bei Leitwerken von Kunsflugmaschinen eingesetzt werden, haben keine besonders guten "Rückstelleigenschaften" - das heißt, sie zentrieren sich nicht exakt wenn man den Knüppel bzw. die Pedale losläßt. Grund ist die relativ dicke turbulente Genrschichtab dem Ruderscharnier. Gerade ein Kunsflieger will jedoch absolut exakt zentrierte Ruder, wenn sein Knüppel/Pedale kräftefrei ist.

Deshalb dickt man die Endleiste wieder etwas keilförmig auf - durch die in die Grenzschicht reichenden Keile wird das Ruder exakt zentriert.

Seitenruder von Gfk-Segelflugzeugen sind aus demselben Grund (dicke Profile, große Rudertiefe) teilweise ähnlich gebaut - bei denen setzt man dann hinter das eigentliche Profil noch eine dünne Fahne mit gleichbleibender Profildicke (ca. 3-4mm), die zwei bis drei Zentimeter tief ist.


Andreas
 
Früher gab es Thermiksegler mit Turbulenzdraht vor der Nasenleiste die den Effekt der Widerstandsverringerung bei kleinen Re-Zahlen ausgenutzt haben indem sie eine über den Flügel laufende Karmannsche Wirbelstraße erzeugten.

Einspruch, Euer Ehren. ;)
Die Karmansche Wirbelstraße zeichnet sich dadurch aus, daß die Drehachse der Wirbel parallel zum Hindernis (dem Draht) steht. das heiße, es träfe nur ein einziger rotierender Wirbel, dessen Drehachse in Spannweitenrichtung verläuft, dessen Rotationsrichtung jedoch nicht definiert ist, auf die Profilnase.
Kann so nicht funktionieren. :)


Der Turbulenzdraht bei sehr kleinen Re-zahlen hat vielmehr die Aufgabe, von vorneherein die Grenzschicht auf dem Profil zu verwirbeln - eine turbulente Grenzschicht neigt erheblich weniger dazu, Ablöseblasen zu bilden. Die sind das Hauptproblem bei niedrigen Re-Zahlen - sie verursachen erheblich mehr Widerstand als turbulente Grenzschicht.
Durch Verwirbeln der Grenzschicht wählt man also das kleinere Übel.

Man kann das auch wunderbar durch rauhe Flügeloberfläche erreichen (das ist der Grund, warum manche Segler nach dem Re-Finish trotz der neuen speigelblanken Oberfläche schlechter fliegen - man hat turbulente Strömung gegen den größeren Widerstand einer Ablöseblase eingetauscht...).



Auch die aktuellen nachlaufoptimierten Profilentwürfe der manntragenden Segler beeinflußen das Abwindfeld durch eine spezielle Profilform um Widerstand zu sparen. Die Profile mit Knick auf der Oberseitenkontur kurz vor der Endleiste sehen für uns Modellfliegeraugen dann reichlich seltsam aus ;)

Man hat das auch im Modellflug probiert - das war das berüchtigte DU86-084/18 (aerodynamisch übrigens ein direkter Abkömmling der Profile der echten DG-600, deren Profil nebenbei die gleichen Probleme wie das DU86-084/18 hat). Luc Boermans hat damals die laminare Lauflänge etwas übertrieben...



Die "echten" Segler haben im Gegensatz zu Modellen den großen Vorteil, daß man den optimalen Anstellwinkel sehr präzise einhalten kann - deshalb sind ihre Profile so optimiert, daß die laminare Strömung bis zum Scharnier der Wölbklappe (mittlerweile sogar bis auf die Wölbklappe, über 90% der Flügeltiefe!) läuft. Nachteil ist, daß man die Wölbklappen ständig der aktuellen Flächenbelastung, Geschwindigkeit und g-Belastung nachführen muß.

Die Profilkontur im Bereich vor und in der Wölbklappe selbst ist so ausgelegt, daß im Schnellflug (negativer Wölbklappenausschlag, niedriger Anstellwinkel) die Profilunterseite knickfrei ist (auf der Oberseite der Wölbklappe wird dabei eine definierte Ablöseblase in etwa ab dem Klappenspalt in Kauf genommen, auf der Unterseite wird sie durch Blasturbulatoren bzw. Zackenband verhindert), und im Langsamflug (Wölbklappe nach unten ausgeschlagen) ist die Oberseite knickfrei (die Unterseite ist dabei durch den großen Anstellwinkel ohnehin praktisch komplett laminar).



Andreas


p.s.

Das DU86-084/18funktioniert übrigens hervorragend - es ist das Wingletprofil von nahezu allen manntragenden Segelflugzeugen (http://www.as-sailplanes.de/galerie/typen_galerie/25_e_data.htm).

Stabile Anstellwinkel und große Re-Zahlen...
 

CHP

User
Schade, dass ich meinen Post nicht schneller editiert habe.

Ich frage mich echt, warum solche Diskussionen immer so ausarten müssen.

Im konkreten Fall geht es um einen Scalesegler mit 4,5m Spannweite

Das war der Ausgangspunkt.

Alt-F4 wollte wissen, ob nun

a) eine scharfe Endleiste oder
b) eine extra dicke Endleiste

zu bevorzugen ist.

Man kann sich nun viel über Seitenruder, Windturbinen, super niedrige Reynoldszahlen, bei denen man mit ekeligen Ablöseblasen zu kämpfen hat, und andere Spezialfälle unterhalten, aber darum ging es nicht.

Meine Aussage war, dass für seinen Anwendungsfall "absolut niemals" die dicke Endleiste der scharfen vorzuziehen ist.

Warum ist das der Fall?

Weil eine fette Endleiste den Nachlauf ruiniert.
 
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