Die "Rhöndorf", Adenauers Tragschrauber-Flugboot

StephanB

Vereinsmitglied
Poetis mentiri licet!

Die „Rhöndorf“, Konrad Adenauers Tragschrauber-Flugboot

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Konrad Adenauer war von 1949 bis 1963 der erste deutsche Bundeskanzler nach dem zweiten Weltkrieg. Seine Regierungszeit war geprägt von der Maxime „Keine Experimente“, mit der er sich beispielsweise während des Bundestagswahlkampfes 1957 für den Erhalt des Erreichten und gegen seine politischen Gegner richtete, die Veränderungen und Weiterentwicklung des Staates forderten. Dieser Slogan hat ihm in der Geschichtsschreibung ein bestimmtes Image eingetragen: Bewahrend, behäbig, wenig innovativ. Das dies nicht berechtigt ist, habe ich bei Recherchen für ein neues Modell festgestellt und will hier davon berichten.
Der Privatmann Konrad Adenauer war nämlich ein durchaus experimentierfreudiger, wenn auch mit seinen Erfindungen wenig erfolgreicher Denker. Er erfand unter anderem das „Kölner Brot“, eine Art Roggenschwarzbrot, die „Kölner Wurst“, eine Sojawurst, des weiteren eine von innen beleuchtete Stopfkugel und eine besondere Ausgießtülle mit Abdeckklappe für Gießkannen. Alles bekannte Erfindungen, die man in diversen Quellen wiederfindet.
Seine private Affinität zur experimentellen Fliegerei und seine finanzielle und inspiratorische Beteiligung am Tragschrauber-Flugboot „Rhöndorf“ sind jedoch in Vergessenheit geraten.

Es gibt vermutlich mehrere Gründe, warum dies so ist:
1.) Politisch war es nicht gewollt. Die noch junge Bundesluftwaffe betrachtete sich als einzig legitimen Luft-Transporteur des Kanzlers und die Generalität zog daher hinter den Kulissen ihre Strippen, so dass es immer wieder zu kritischen Anfragen im Bundestag zu den privaten Flugeskapaden des Kanzlers kam.
2.) Das Flugboot war in seiner Auslegung als zweirotoriger Tragschrauber nicht wendig genug für das enge Rheintal, in dem es operierte. So kam es häufig zu haarigen Situationen, die natürlich der lokalen Bevölkerung nicht verborgen blieben.
3.) Dem Flugzeug waren nur wenige aktive Jahre beschieden. Während des Osterhochwassers 1959 riss sich in der Nacht auf Ostersonntag oberhalb des namensgebenden Liegeplatzes des Flugzeugs bei Rhöndorf am Rhein (Anmerkung: Wohnort Konrad Adenauer) ein mit Weinfässern beladener Nachen los und kenterte. Mehrere Weinfässer voll besten Rieslings trieben in der starken Strömung mit hoher Geschwindigkeit ab und beschädigten den Rumpf der Rhöndorf, worauf diese leck schlug. Das fahrlässigerweise innen nicht versiegelte Sperrholz, aus dem Teile des Rumpfes gebaut waren, verzog sich in der Folge dermaßen, dass an eine Überholung und Wiederindienststellung nicht zu denken war.

Grüße
Stephan
 

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StephanB

Vereinsmitglied
Die Vorgeschichte des Modells

Die Vorgeschichte des Modells

Die Vorgeschichte des Modells

Nach meinen Recherchen zu dem Nurflügel des preußischen Hauptmann Rumpelstoss suchte ich für meine frisch entflammte Liebe zur Wasserfliegerei eine neue Aufgabe. Ich setzte mit meiner Suche dort an, wo ich bei Hauptmann Rumpelstoss’ Nurflügel aufgehört hatte, in den deutschen Luftfahrt-Archiven der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Ich fand aber zunächst nichts Interessantes und begann, mich zu langweilen. Ich hatte inzwischen bereits die Weimarer Republik erfolglos hinter mir gelassen und in den Jahren des zweiten Weltkriegs gab es nur wenig ansprechendes Kriegsgerät zu finden.
Aber dann: In den ersten Berichten der noch jungen Bundesrepublik fand sich eine kleine Notiz zu einem ominösen Wasserflug-Tragschrauber namens „Rhöndorf“, der angabegemäß im Zusammenhang mit Konrad Adenauer zu stehen schien. Ich war elektrisiert. Das könnte doch was sein!
Konrad Adenauer wohnte in Rhöndorf am Rhein. Somit schien erklärbar, warum die Rede von einem Wasserflugzeug war. Die Notiz erschien mir als Ausgangspunkt für eine tieferhehende Recherche geeignet. Schnell machte sich aber Frust breit. Es war nichts weiter über das Flugzeug in Erfahrung zu bringen. Weder der Hersteller, noch Daten oder Beschreibungen. Nicht einmal Bilder. Also alles schon vorbei? Eine Sackgasse?
Ohne große Hoffnung fuhr ich schließlich zu Konrad Adenauers ehemaligem Wohnort Rhöndorf am Rhein und besuchte das dortige Museum im Konrad-Adenauer-Haus. Die kleine Chance bestand ja noch, dort eine Spur des Flugzeugs aufnehmen zu können. Aber auch dort Fehlanzeige. Gedanklich gab ich an diesem Tage das Projekt auf.
Da schönes Wetter war, setzte ich mich im Garten des Adenauer-Hauses auf eine Bank und genoss den herrlichen Blick auf den Rhein. Ein älterer Herr setzte sich zu mir und wir kamen ins Gespräch. Irgendwann erzählte ich ihm vom Grund meines Besuchs und er begann zu grinsen. Es stellte sich heraus, dass er als junger Mann Zeitzeuge von Adenauers privaten Flugeskapaden geworden war.
BINGO!
Wir sprachen an jenem Tag noch stundenlang über seine Erinnerungen und endeten nächtens in seinem privaten Weinkeller. Zurückblickend ein böser Fehler, aber ich bereue nichts! J Ich fuhr mit einem Taxi nach Hause.
In meinem Gepäck befanden sich ein alter bebilderter Zeitungsauschnitt und viele Seiten Notizen aus den Erinnerungen dieses Zeitzeugen. In den folgenden Wochen telefonierten wir noch häufiger und nach und nach fügten sich die Details aneinander, so dass schlussendlich der Bau des Modells angegangen werden konnte.

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Grüße
Stephan
 

StephanB

Vereinsmitglied
Der Bau des Modells

Der Bau des Modells

Der Bau des Modells

Eins vorneweg: Noch nie hat sich ein Flugmodell während des Aufbaus so sehr gegen mich gewehrt wie die „Rhöndorf“. Die Liste an Pleiten, Pech und Pannen ist lang. Sie beinhaltet unter anderem abgebrannte Regler, mysteriöse Motorstromwege über dünne Empfängerplatinenleiterbähnchen, einen Sturz vom Baubrett mit Leitwerksschaden, Servos die nicht zurückstellen wollten, eine Kabinenhaube, die sich auf keinen Fall tiefziehen lassen wollte und noch eine Reihe weiterer Erlebnisse. Die Gemischtbauweise aus verschiedenen Schäumen wie Styrodur und Depron erwies sich im Verlauf des Baus als nicht ausreichend stabil, da an dem Modell diverse Lasten punktuell in die Struktur eingeleitet werden müssen. So kam es, dass ich zunehmend Verstärkungen und Verstrebungen aus Holz und Carbon einbringen musste, die das Gesamtgewicht weit über die ursprüngliche Zielvorstellung hinaus getrieben haben. Mehr als einmal wollte ich das ganze Unterfangen abbrechen.
Aber, zwei gute Freunde aus dem Tragschrauberforum bei rcgroups, Alexander MacLeod-Thomson und David A. Ramsey gaben mir immer wieder seelischen Beistand und so ging es doch langsam voran. Alexander als Tragschrauberspezialist unterstützte mich immer wieder in Designfragen, während David mir mit ausgearbeiteten Detailzeichnungen zur Seite stand. Nicht unerwähnt sollen Dieter Gerblinger und Stefan Kroiss bleiben, die die Aluminium-Drehteile herstellten und die Rotorblätter frästen.

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Natürlich basiert das alles nur auf den wenigen Informationen, die noch zu bekommen waren. Nichtdestotrotz sind wir sicher, inzwischen recht nah am historischen Vorbild zu sein. Falls jemand weitere Informationen zur Original-„Rhöndorf“ beisteuern kann, bitte ich um Kontaktaufnahme.
Das Modell ist jetzt, da ich diese Zeilen tippe, noch nicht geflogen. Der Erstflug, so es denn zu einem solchen kommt, ist für das Wasserflugmeeting am Edersee Ende Mai 2010 vorgesehen. Drückt mir die Daumen!
 

StephanB

Vereinsmitglied
Daten und Bilder

Daten und Bilder

Poetis mentiri licet!

Daten:

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Noch ein paar Bilder:

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Kabine.JPG

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Grüße
Stephan
 
Suuuuuuuper Bericht Stephan,

bin begeistert, von der Idee ebenso, wie von der Ausführung. Und deine Recherche erst....................

Und wie fliegt sich das Teil? Naja, werd Adenauers Tragschrauber-Flugboot am Edersee bestaunen können. Wird mit Sicherheit ein Highlight werden.
Freu mich schon riesig, zum Glück dauert das nicht mahr allzu lange.


Gruß Jürgen
 
Cool, hab ich noch nicht gekannt... Sehr lustiges Ding, ausgefallenes Design, gut umgesetzt! Schon geflogen? Wie läuft das Abwassern?

mfg jochen
 

StephanB

Vereinsmitglied
Hi,
die "Rhöndorf" ist mangels großem Teich in meiner Nähe noch nicht geflogen. Die ersten Versuche finden am Edersee beim 4. Hessischen Wasserflugtreffen Ende Mai statt. Ich bin mir auch garnicht sicher, ob die Kiste fliegen wird. Es gibt eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten. Kommt sie auf Stufe und in die Gleitfahrt? Wird sich genügend Rotordrehzahl aufbauen? Wir werden sehen. :D
Grüße
Stephan
 
Absolut klasse!

Das Teil sieht einfach nur genial aus. Ich hoffe (in eigenem Interesse), dass du erst am Samstag am Edersee bist. Die ersten Versuche würde ich nämlich nur sehr ungern verpassen.

Hast du noch ein Foto von unten?

:) Dieter
 

StephanB

Vereinsmitglied
Hi Dieter,
ich komme Freitag nachmittag. Habe schnell noch ein Bild von unten gemacht.
Grüße
Stephan

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das is' ja'n Ding..

das is' ja'n Ding..

Hallo Stephan,

das ist ja ein ganz schöner Koffer. Sieht man so richtig erst auf dem letzten Bild im Vergleich mit dem Sofa.

Ich bin dann mal auch sehr gespannt wie sich das Modell auf dem Wasser benimmt.
Mein Gefühl sagt mir, dass es keine sehr ausgeprägte Gleitphase geben wird. Aber da lasse ich mich gern überraschen und freue mich auf das Ederseetreffen.

Herzlichst
Hilmar.
 

StephanB

Vereinsmitglied
Rhöndorf -> Koffer :-)

Rhöndorf -> Koffer :-)

Hi Hilmar,
Koffer triffts genau. Von Rotorspitze zu Rotorspitze sinds 2Meterfuffzich. Das Sofa ist ein wuchtiger Dreier. Ich war selten so gespannt auf einen Erst"flug" wie bei dieser Kiste. Fast schon eher angespannt...:)
Ich denk mir das so, daß zwei Mann die Rotoren per Finger auf Grunddrehzahl bringen, während das Modell in der Uferzone liegt. Dann sofort raus, ab gegen den Wind und Gas. Und dann hoffen... :D
Grüße
Stephan
 
Was du nicht alles denkst...:p

Du wirst schön gegen den Wind beschleunigen und schauen, ob die Rotoren von selbst auf Drehzahl kommen. Anschubsen von Hand kann allenfalls eine Rückfallebene sein...

Absolut gespannt
Dieter
 
klar, da bin ich dabei.
Ich hatte mir nach der herrlich erfrischenden Akku-Tauchaktion für Lutz im letzten Jahr ohnehin vorgenommen, mal mehr selber ins Wasser zu gehen. Diesmal aber mit meiner eigenen Schnorchelausrüstung und wasserdichter Kamera.

Ich kann Dir also gern von unten aus mit zwei spitzen Zeigefingern die Rotoren auf vier, fünf Touren bringen, aber...

...Dieter hat völlig Recht. Entweder, das Ding fliegt, oder es hat's nicht anders verdient. Fehlt noch, dass Du den Rotoren Hilfsmotoren zum Andrehen verpasst oder den Koffer gar mit 30 m Anlauf werfen musst.
;)


Wie's auch immer ausgeht,
ich freu' mich darauf Deine Konstruktion in Aktion zu sehen.


Herzlichst
Hilmar.
 

StephanB

Vereinsmitglied
Prima, Personalfrage geklärt.
Die Idee mit den Hilfsmotoren zum Andrehen ist übrigens garnicht schlecht. Das nennt man im Fachjargon "Pre-Rotator". Und damit haben wir auf der letzten Inter-Ex hervorragende Erfahrungen gemacht. Es war allerdings eine Sonderkonstruktion, der sogenannte "Liquid pre-rotator", siehe grüne Flasche.... :D
Grüße
Stephan

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StephanB

Vereinsmitglied
Spritzwasser?

Spritzwasser?

Hi,
was meint ihr, krieg ichs aufgrund der Form des Unterbodens beim Fahren mit Spritzwasser zu tun? Die Rotoren sind bezogen auf ihre Größe relativ leicht, aus gefrästem Balsa. Spritzwasser in den Rotorkreis dürfte ein Abheben wohl recht sicher verhindern.
Grüße
Stephan

@Jürgen: :D
 
Der gerade Unterboden schreit nicht gerade nach Spritzwasser. Mein Tipp:Entweder das Ding klebt am Wasser, weil die Adhäsion der großen planen Fläche zu groß ist oder es hebt völlig unspektakulär ab, falls der Auftrieb groß genug ist und das Wasser eine Abreißkante findet.
Mach dir jetzt mal keinen Kopf - wir werden das schon herausfinden.
:cool: Dieter
 

StephanB

Vereinsmitglied
Hi,
ja, in 2 Wochen wissen wir mehr. :) An die Luftschrauben habe ich noch garnicht gedacht. Die Motoren sind so tief angebracht, um großzügigen Abstand zu den Rotoren zu haben. Habs gerade gemessen, es sind 14 Zentimeter von Propellerspitze zur Rotorebene und nur 8 Zentimeter von Propellerspitze zum Rumpfboden. Davon kann man nochmal 1-2 Zentimeter abziehen, die die Rhöndorf zunächst an dieser Stelle ins Wasser einsinkt.
Grüße
Stephan
 
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