Faserrichtung Holmverkastung?

Romain

Vereinsmitglied
Hallo,
wie sollten die Fasern bei der Holmverkastung verlaufen,vertikal oder horizontal(bei plan aufliegender Fläche)?
Wer kann weiterhelfen?
MfG
Romain
 

Konrad Kunik

Moderator
Teammitglied
Moin zusammen,

bei all meinen Baukästen und Modellen nach Bauplan mit Spannweiten von 1,30 bis 2,75 Metern habe ich bis jetzt Verkastungen nur vertikal vorgefunden.
 
Guten Tag zusammen,

eine Holmverkastung ohne Sperrholz (als mit Holz mit nur einer Faserrichtung) bitte grundsätzlich senkrecht ausführen.
 

Eckart Müller

Moderator
Teammitglied
Bei konventioneller Bausweise, d.h. oben und unten ein Holm z.B. aus Kiefernholz, wird der obere Holm auf Druck, der untere auf Zug beansprucht. Die Gefahr des Versagens betrifft die Gefahr des Ausknickens des Druckholms. Der knickt nun gerne nach innen. Dem soll die Holmverkastung entgegenwirken. Weil Balsa nun mal in Faserrichtung druckfester ist als quer zur Faserrichtung, wird die Holmverkastung aus Balsa zweckmäßigerweise mit senkrecht verlaufender Faser hergestellt.
 

Romain

Vereinsmitglied
Hallo an alle;
also ich hab' hier im Forum noch nie so viele Antworten in so kurzer Zeit erhalten,unglaublich :eek: :) !
Vielen Dank für die Erläuterungen!Dank Eckart verstehe ich nun auch warum das so ist und werde wohl in Zukunft nicht mehr ins Grübeln kommen.
MfG
Romain
 

Steffen

User
Moin,

Eigentlich soll ein Steg den Schub aus Querkraft übertragen. Dazu benötigt der Steg eine Faserrichtung von +-45°. Zusätzlich müssen die Gurtabtriebskräfte gehalten werden, dazu benötigt man vertikale Fasern. Die vertikalen Fasern sind normalerweis nicht unbedingt notwendig, weil die Gurtabtriebskräfte vom Biegeradius abhängig sind und dieser bei Modellen meistens recht groß ist.
Das Verhindern von Beulen bzw. Ausknicken des Gurtes ist die dritte Aufgabe. Dabei handelt es sich aber um ein Stabilitätsproblem (nicht im Sinne von stabil = fest sondern stabil = nicht labil)Dazu benötigt man jedoch keine Festigkeiten sondern nur eine Stützung.

Die nur vertikale Verwendung von Holz im Steg ist lediglich eine Bequemlichkeit, die jedoch akzeptabel ist, da bei nicht extremen Auslegungen (F3B, F5D o.ä.) die Querkrafte von den Gurten hinreichend getragen werden.

Idealer Leichtbau ist dies aber nicht.

Ciao, Steffen
 

Claus Eckert

Moderator
Teammitglied
Hallo Stefen,

sorry was ist da bequemer, wenn man die Holmverkastung aus Balsa vertikal macht? Geschnitten werden muss doch sowieso.

Nein, eine Holmverkastung aus Balsa, deren Faserverlauf gleich dem Faserverlauf der Holme und gleich dem Faserverlauf der Rippen ist (sollte man nicht vergessen), kann von der Wurzel bis zum TF-Ende der Länge nach aufsplittern. Das habe ich selber schon gesehen. Bei einem E-Segler nach einem Looping der, wegen brechender Tragfläche, nicht mehr zu Ende geführt werden konnte. :rolleyes:
 

Romain

Vereinsmitglied
Hallo,
@ Steffen:ich weiss nicht was du meinst da ich deine Begriffe nicht sicher einordnen kann;1.: ein Steg soll den Schub aus Querkraft übertragen .Meinst du mit Querkraft die Kraft die bei Eckarts Erklärung den "Druckholm" zum Zerbrechen bringt?Meinst du einen Steg zwischen den Holmen?2.: zusätzlich müssen die Gurtabtriebskräfte gehalten werden .Was sind "Gurdabtriebskräfte".Der Gurt ist doch sicher der verkastete Holm,oder?3.:Was ist denn idealer Leichtbau in deinen Augen(was den Holm angeht)?
Entschuldigung wenn ich hier dumme Fragen stelle,aber mich würde es schon interessieren warum,wieso,was ...u.s.w. :D
MfG
Romain
 

haschenk

User †
Hi Romain,

bei der "Querkraft" geht es um Folgendes:
Stelle dir einen senkrechten Schnitt durch den Holm vor. Hier müssen als Allererstes mal die gesamten (senkrechten) Auftriebskräfte des weiter außen liegenden Flügelteils durchgeleitet werden. Liegt dieser gedachte Schnitt z.B. ganz nah am Rumpf, dann ist das der halbe Auftrieb = halbes Gewicht. Das ist eigentlich so selbstverständlich, daß Nicht-Statiker im Regelfall garnicht drandenken.
Diese Schubkraft nennen die Statiker "Querkraft", weil sie quer zur Kragrichtung des Trägers wirkt.

Das wohl jedem bekannte "Biegemoment" an der Schnittstelle entsteht als Folge davon, daß die Auftriebskräfte einen Abstand zur Schnittstelle haben und damit zusätzlich ein Drehmoment erzeugen. Das Biegemoment wird in bekannter Weise als Zug- und Druckkräfte von den Holmgurten aufgenommen.

Die Querkraft (Schubbeanspruchung) wird durch den Holmsteg (oder andere Maßnahmen, s.u.) aufgenommen. Würde man das nicht vorsehen, würden sich die Holmgurte bei Beanspruchung Parallelogramm-artig gegeneinander verschieben.

Die Festigkeitslehre zeigt, daß jede Schubbeanspruchung im Werkstoff zwei senkrecht zueinander stehende Spannungen erzeugt. Die kann man sich wieder zusammengesetzt vorstellen, und die Resultierende liegt dann 45° schräg. Will man jetzt den Werkstoff optimal ausnützen, dann muß die Faserrichtung ebenfalls unter 45° schräg sein.

Sehr einleuchtend kann man sich das auch vorstellen, wenn man statt "flächenhaften" Holmstegen "konzentrierte" Diagonalleisten verwendet (was auch möglich ist). Daß diese diagonal und nicht senkrecht oder waagrecht verlaufen müssen, ist wohl jedem rein intuitiv schon klar. Hier ein Auszug aus einer ca. 90 Jahre alten Patentschrift von Hugo Junkers, der mit Rohren als Holmgurte und auch als "Diagonalen/Auskreuzungen" damals den ersten freitragenden Flügel realisiert hat:
1059974508.gif

Die diagonalen Rohre nehmen in beiden gezeigten Fällen im "Dreiecks-Verband" die Querkraft auf.

Die Faserrichtung der Verkastungs-Stege muß also im Idealfall unter 45° sein. Die Modellbauer und Baukastenhersteller lassen aber oft "fünfe gerade" sein, weil die dominierenden Kräfte und Beanspruchungen im Holm vom Biegemoment und nicht von der Querkraft herrühren. Ob man die Faserrichtung aus Einfachheitsgründen nun senkrecht oder waagrecht legt, ist zunächst egal, beidesmal ist sie um 45° falsch. Denkt man aber daran, daß die Stege auch eine "Abstandshalter-Funktion" haben und die Holmgurte vor dem Ausknicken bewahren, dann ist unter den "nichtidealen Versionen" die vertikale Faserrichtung die bessere Lösung.

Den Begriff "Gurtabtriebskräfte" kenne ich nicht; vielleicht kann das Steffen noch näher erklären.

Grüße,
Helmut
 

Romain

Vereinsmitglied
Aha!
Helmut,vielen Dank für die Erläuterungen,das ist jetzt schon viel klarer!Schade dass ich das nicht vorher gewusst habe sonst hätte ich meine neuen Holmverkastungen mit dem optimalen 45° Faserverlauf versehen(das wäre ja auch nicht mehr Arbeit gewesen!),oder ich hätte nur 45°-Stege zwischen die Holmen geklebt.
So wie es aussieht tragen Holm+Verkastung also auch nur unwesentlicht zur Torsionssteifigkeit bei(ich hatte nämlich auch da intuitiv einen Grund für den Faserverlauf vermutet)(oder sind das etwa die "Gurtabtriebskräfte"...?)
MfG
Romain
 

Eckart Müller

Moderator
Teammitglied
So wie es aussieht tragen Holm+Verkastung also auch nur unwesentlicht zur Torsionssteifigkeit bei...
Nö, das Gegenteil ist der Fall. Erst die Holverkastung ergibt mit der Nasenbeplankung die relativ torsionssteife "D-Box"!

1059983383.jpg


Der Holmsteg ist also unter dem Gesichtspunkt unverzichtbar.
 

Yeti

User
Moin!

Was man unter "Gurtabtrieb" versteht, soll die folgende Skizze zeigen:

1059984234.gif


Oben sieht man einen Holm im unbelasteten Zustand mit geraden Holmgurten.

Das untere Bild zeigt den Holm, der durch ein Biegemoment belastet ist (nach oben gebogen wird). Der obere Gurt erfährt dabei eine Druckbelastung und wird gestaucht, der untere Gurt wird auf Zug belastet und gedehnt. Infolge der Krümmung des Holms wird der obere Gurt jetzt nach unten und der untere nach oben ausweichen, d.h. die Gurte würden sich aufeinander zubewegen, wenn kein Steg dazwischen wäre.

Der Gurtabtrieb ist also eine Belastung, die aus der Verformung / Krümmung des Holms resultiert. Mit der primären Belastung durch die Querkraft hat es nichts zu tun.

Bei einem Rippenflügel, der nur vor dem Holm die von Eckart gezeigte D-Box aufweist, erfährt der Holmsteg auch die Torsionsbelastung. Bei einem Schalenflügel bekommt er davon nur wenig ab: der größte Teil der Schubbelastung durch die Torsion wird von der Flügelschale aufgenommen. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass die Flügelober- und -unterschale gut miteinander verbunden sind (Gewebeüberlappung an der Nase, Verklebung an der Hinterkante und ganz wichtig: im Bereich der Wölbklappen und Querruder ein Klappensteg, der Ober- und Unterschale miteinander verbindet und damit den Torsionsquerschnitt schließt.

Um nochmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Der Steg wird durch die Querkraft (Auftrieb) und bei einem D-Box Flügel durch die Torsion auf Schub belastet -> Am besten ist hier eine Faserausrichtung von +/-45°. Durch den Gurtabtrieb erfährt der Steg eine senkrechte Druckbelastung. Wenn man also keine diagonale Faserausrichtung verwenden kann oder will, sollten die Fasern zumindest senkrecht stehen, denn für die Schubbelastung ist es gleich schlecht, ob die Fasern senkrecht oder waagerecht liegen.

Gruß Yeti
 

haschenk

User †
Hallo zusammen,

einen habe ich noch:
Beim vth gibt es das Buch "Rippenflügel aus Faserverbund-Werkstoffen" von Stefan Dolch. Obwohl der Schwerpunkt des Buchs auf Herstellung und Einsatz von CFK-Rohrholmen liegt, kann ich es JEDEM Modellbauer sehr empfehlen.

Im einleitenden Kapitel werden alle hier schon gebrauchten Grundbegriffe wie Querkraft, Biegemoment, Torsion, D-Box usw. "Modellflieger-gerecht" besprochen und mit Zahlenbeispielen belegt. Dann natürlich Werkstoffeigenschaften, Beanspruchungen, Holmberechnung etc., und weitere Literaturhinweise.

S. Dolch, "Rippenflügel aus Faserverbund-Werkstoffen"
Verlag für Technik und Handwerk, Baden-Baden, 1996, 88 Seiten
ISBN 3-88180-083-2
Hat damals 24 DM gekostet.

Grüße,
Helmut
 

Romain

Vereinsmitglied
Hallo,
gut die Gurtabtriebskraft ist nun auch klar,SUPER! :)Die Experten in RCN sind ja doch unersätzlich!
Der Gurtabtrieb justifiziert also die senkrechten Fasern bei der Holmverkastung.
@ Eckart: du verpflanzt den verkasteten Holm nun gleich in den Kontext einer D-Box.Es leuchtet mir ein dass eine geschlossene D-Box zur Torsionssteifigkeit erheblich beiträgt.Ich hatte aber erstmal eher an einen verkasteten Holm "SOLO"gedacht(ohne Beplankung).Inwieweit dieser "Solo-Holm" Torsionssteifigkeit gewährleistet weiss ich nicht.
MfG
Romain
 

Yeti

User
Original erstellt von Romain:
Inwieweit dieser "Solo-Holm" Torsionssteifigkeit gewährleistet weiss ich nicht.
Hallo Romain!

Die Torsionssteifigkeit steigt mit dem Quadrat der umschlossenen Fläche. Ein Rohr mit doppeltem Durchmesser hätte also bei gleicher Wandstärke die 16-fache Torsionssteifigkeit (4-fache Fläche)².

Die maximale Querschnittsfläche, die einem bei einem Flügel zur Verfügung steht, ist die Querschnittsfläche des kompletten Profils. Bei langsamen Flugzeugen und/oder solchen mit dickem Profil reicht es oftmals, nur den Bereich vor dem Holm als Torsionsquerschnitt zu nutzen. Das nennt sich dann D-Box. Wenn der Holm alleine die Torsion aufnehmen soll, kannst du mal überlegen, wieviel mögliche umschlossene Fläche du ungenutzt lässt. Nehmen wir an, der Holm nimmt ein Fünftel des Querschnitts ein, dann hättest du gegenüber einem Schalenflügel nur 1/25 der Torsionssteifigkeit. Soviel Hochmodul-Kohlefasern kannst du gar nicht bezahlen, dass du das wieder ausgleichst. ;)

Jetzt hast du ja bisher noch nicht geschrieben, um was für ein Flugzeug es sich handelt, aber ich würde mal aus dem Bauch heraus behaupten: Alles was über einen langsamen Thermiksegler oder einen schwach motorisierten Trainer hinausgeht, braucht mindestens eine D-Box. Einbußen in der Flugleistung durch einen unter Last verwundenen Flügel sind eine Sache. Abrupte Änderungen der Flugeigenschaften, Flattern und Luftzerleger aufgrund fehlender Torsionssteifigkeit die andere...

Gruß Yeti

Oooops! Jetzt muss ich noch mal editieren. Die Torsionssteifigkeit nimmt zwar mit dem Quadrat der umschlossenen Fläche zu aber auch mit dem Kehrwert des Umfangs ab:

It = 4 * A² * t / U

A: umschlossene Fläche
t: Wandstärke
U: Umfang

Also sind die Zahlenbeispiele oben nicht richtig, da ich dort nur die Fläche betrachtet habe aber nicht die Änderung des Umfanges. Macht dann beim Rohr bei Verdoppelung des Durchmessers "nur noch" die 8-fache Torsionssteifigkeit ;) .

[ 04. August 2003, 23:27: Beitrag editiert von: Yeti ]
 

Eckart Müller

Moderator
Teammitglied
Kurze Lebensdauer?

Das muss nicht unbedingt sein. Mal von der statischen und dynamischen Festigkeit abgesehen, hast Du es in erster Linie mit Deinem Flugstil in der Hand, das Modell einige Jahre überleben zu lassen. Wenn Du das natürlich so machst, wie manche "Experten", aus 500m Höhe senkrecht runterheizen, um zu sehen, was spätestens beim 20m-Abfangbogen passiert, dann könntest Du unter Umständen Recht haben. :D :D ;)
 

Romain

Vereinsmitglied
Hallo,
@ Eckart:in 500 Meter Höhe werde ich von dem Modell
so wenig sehen dass ich gar nicht merke wenn es sich zerlegt :D .Notfalls kann ich mich ja dann auch mit dem Sender in die Wiese legen und mir vorstellen ich würde ein Modell steuern,da geht dann sicher nichts kaputt,ausser dass ich dann vielleicht bei einem virtuellen Looping aus Versehen den Knüppel am Sender ausreisse!
MfG
Romain
 

Romain

Vereinsmitglied
Hallo Yeti, vielen Dank für die ausgiebige Antwort!
Was du schreibst leuchtet mir ein.Das heisst aber auch dass mein aktuelles Projekt(etwa 650-700 gr,1 Meter Spannweite,die Fläche habe ich gerade bespannt) wahrscheinlich eine eher kurze Lebensdauer haben wird :( .Naja,aus Schaden wird man klug ...oder mal sehen wie lang das Ding dann überlebt.
MfG
Romain
 
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