Erfahrungen mit Strafverfahren gegen Flugleiter

Jan

Moderator
Hallo,
wer weiß etwas über Vorfälle auf Modellflugplätzen, die zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung bzw. der fahrlässigen Tötung gegen den zum Zeitpunkt eines Schadensereignisses tätigen Flugleiter führten?

Ich wüsste gerne das Datum des Vorfalls, den Ort, den betroffenen Verein bzw. das betroffene Fluggelände, den ungefähren Hergang und den Ausgang des Ermittlungsverfahrens. Gerne auch anonymisiert per Mail an mich. Danke schon mal.
 

Jan

Moderator
...ich zitiere mal einen Link, den freundlicherweise Gernot (Dr. Fly) gefunden hat:

http://www.mbg-bocholt.de/images/MBG-Newsletter03-2002.pdf

Ich zitiere mal:

Hier eine interessante und für alle Modellflieger und Flugleiter wichtige Info:
Es geht um die Anklage eines Modellfliegers und des Flugleiters wegen fahrlässiger Tötung. Die Angeklagten wurden vom Rechtsanwalt Alfred Kreuzberg vertreten, beim dem einige von uns ihren Flugleiterschein gemacht haben. Dieser Fall zeigt beispielhaft, in welcher Form so ein Unfall gerichtlich behandelt wird. Für die
rechtliche Stellung von Flugleitern ist dieser Prozess von grunglegender Bedeutung.

Was war geschehen ?
SCHOPFHEIM (th). Wegen „fahrlässiger Tötung“ müssen sich zwei Modellflieger vor dem Schopfheimer Amtsgericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, durch ihr Verhalten
das Flugzeugunglück ausgelöst zu haben, das im Sommer 1997 dem Segelflieger Diethard Schaubhut und seiner 8-jährigen Tochter das Leben kostete.
Damals kollidierte ein Modellflugzeug mit dem Segelflugzeug des Schopfheimer Piloten. Das Segelflugzeug stürzte ab, die beiden Insassen kamen ums Leben. Das Unglück geschah gegen Ende eines Modellflugtags im Raum des Modellfluggeländes zwischen Schopfheim und Dossenbach. Dabei macht die Staatsanwaltschaft nicht nur den Piloten, der das Modellflugzeug steuerte, für das tragische Unglück verantwortlich – er soll seinen Flugsektor „pflichtwidrig verlassen“ haben. Vielmehr klagt sie nach Jahre langer, schwieriger Ermittlungsarbeit auch den verantwortlichen Flugleiter an, weil er seine Aufsichts- und Hinweispflicht verletzt haben soll.
Das Gericht hat sich auf einen langen Prozess eingestellt und drei Verhandlungstage angesetzt. Er beginnt am Montag um 9.30 Uhr, weitere Termine sind Dienstag, 4., und Mittwoch 5. Februar. Sechs Zeugen und ein Sachverständiger werden dazu gehört. Die Angehörigen
der beiden tödlich Verunglückten sind als Nebenkläger vertreten.
Das Urteil Badische Zeitung vom Dienstag, 26. März 2002 Modellflieger-Freispruch
"Zu viele Unsicherheiten": Modellflugpilot und Flugleiter nicht der fahrlässigen Tötung schuldig

SCHOPFHEIM (jac). Mit einem Freispruch für den Rheinfelder Modellflieger und den Flugleiter der
Modellfluggruppe Schopfheim, denen fahrlässige Tötung im Zusammenhang mit dem Absturz eines
Motorseglers am 3. August 1997 vorgeworfen wurde, endete gestern Abend der Segelfliegerprozess vor dem Amtsgericht Schopfheim. Bei dem tragischen Unfall kamen der Schopfheimer Pilot des Segelflugzeugs und seine kleine Tochter ums Leben. Für Richterin Broßmer gab es nach gründlicher Abwägung zu viele Unsicherheiten, so dass zu Gunsten der Angeklagten entschieden wurde. Die dritte Dimension habe die Beurteilung des Unfalls schwierig gemacht. Es handelte sich um den ersten Fall in Deutschland überhaupt, dass ein Modellflugzeug ein bemanntes Flugzeug zum Absturz brachte.
Zwar schloss sich die Richterin der Auffassung des Gutachters an, dass sich das Modellflugzeug außerhalb des genehmigten Flugsektors befand, weil innerhalb des Sektors keine Wrackteile lagen. Aber das Überschreiten des Sektors begründe keine Fahrlässigkeit, weil der Zweck
des Flugsektors nicht darin bestehe, einen Zusammenstoß mit bemannten Flugzeugen zu vermeiden. Da Flugzeuge den Modellflugplatz überfliegen dürfen, könne der für Modellflugveranstaltungen ausgewiesene Sektor, der in keinen Flugkarten eingezeichnet sei, keinen Schutz bieten. Die in der Genehmigung des Regierungspräsidiums festgelegte Pflicht, grundsätzlich bemannten Flugzeugen auszuweichen, könne nur bei ausreichender Reaktionszeit
geltend gemacht werden. Dass die aufgrund des
errechneten Kollisionspunktes angenommenen 5,4
Sekunden ausreichend waren, konnte aber nicht bewiesen werden, weil sich die Anflugrichtung des Motorseglers nicht genau ermitteln ließ. Zu viele Unbekannte bezüglich Anflugrichtung und Kollisionsort führten auch zum Freispruch des Flugleiters. Dieser hätte bei der Annahme,
dass das Segelflugzeug 170 Stundenkilometer schnell flog, höchstens neun Sekunden Reaktionszeit gehabt. Die Staatsanwältin siedelte den Fahrlässigkeitsvorwurf "im
ganz unteren Bereich" an, beantragte in ihrem Plädoyer jedoch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung. Mit dem Strafmaß orientierte sie sich an den bereits
ergangenen Strafbefehlen und forderte für den
Modellflieger 2250 Euro, für den Flugleiter 3200 Euro Geldstrafe. Aufgrund von Berechnungen des Gutachters sah sie es als erwiesen an, dass sich der Lenker des Flugmodells bei der Kollision mindestens 150 Meter außerhalb des Flugsektors befunden habe. Der Unfall sei vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Als Modellflieger habe man den Luftraum nicht gepachtet, sondern müsse damit rechnen, dass sich ein "manntragendes" Flugzeug nähert, zumal am Modellflugtag mehrere niedrig fliegende Segelflugzeuge gesichtet wurden. Der Modellflieger könne nicht darauf
vertrauen, dass ein Segelflieger die vorgeschriebenen 600 Meter Flughöhe einhält und müsse sich auch auf eine mögliche Mindestflughöhe von 150 Metern einstellen.

Mitverschulden des Piloten
Das Mitverschulden des abgestürzten, zu tief geflogenen Piloten schmälere die Verantwortung der Modellfliegers nicht. Die zu Grunde gelegten 5,4 Sekunden Reaktionszeit sah die Staatsanwältin als ausreichend an, um die
Fernbedienung zu betätigen. Ein "Schockzustand" könne nicht zur Entlastung angeführt werden.
Dem Flugleiter warf die Staatsanwaltschaft vor, den Motorsegler sogar noch gesehen, den Modellflieger aber nicht rechtzeitig gewarnt zu haben. Auch der Vertreter der Nebenklage ging von fahrlässiger Tötung aus. Er stellte die Frage, wie der Flugleiter ein 17,40 Meter großes
Flugzeug in 400 Meter Entfernung mit einem Modell
verwechseln konnte. Für den Anwalt, Bruder des
verunglückten Piloten, ist der Fall, wie er andeutete, mit dem Urteil des Amtsgerichts noch nicht abgeschlossen. Der von der Richterin in Frage gestellte Schutzzweck des Flugsektors wird womöglich noch eingehend rechtlich überprüft werden. Der Verteidiger des Flugmodell-Lenkers
forderte Freispruch. Die Schadensersatzfrage für
Hinterbliebene dürfe nicht dazu verleiten, "den Weg der Gerechtigkeit zu verlassen". Der Fall sei von großer Bedeutung für die Modellfliegerei in Deutschland und seit zwei Jahren Gegenstand von Schulungen. Der Anwalt sprach von einer "außerordentlich schwachen Ermittlungstätigkeit". Gefundene Wrackteile seien zum Teil nicht mehr zuzuordnen, Beweisstücke verschwunden. Der Gutachter habe sich unerlaubt als Ermittler betätigt. Glaubwürdig seien die Aussagen von Augenzeugen der Modellfluggruppe, dass sich das Flugmodell innerhalb des Flugsektors befunden habe. Aber diese Aussagen seien nicht bewertet worden. Das wichtigste Beweisstück, das den Kollisionspunkt erklären soll, sei nicht mehr vorhanden. Bei dem Teil, das an der nördlichsten Stelle in Richtung Flugplatz gefunden wurde, sei einmal von einem
Stofffetzen, ein anderes mal von Balsaholz die Rede gewesen.
Die "Fallout"-Theorie, dass eine Spur von Splittern auf die Absturzstelle hinweise, erkannte der Verteidiger nicht an, weil nach Aussage des Mandanten das Modell nach dem Zusammenstoß noch kurz weitergeflogen sei.
Unstimmigkeiten habe es auch wegen der Windrichtung gegeben. Der Kollisionspunkt lasse sich nicht bestimmen. Zugunsten des Flugleiters wurde angeführt, dass der Rumpf eines Motorseglers in 400 Meter Entfernung nur als
3,2 Zentimeter großes Teil wahrnehmbar sei. Für den Fall einer erwogenen Verurteilung hatte der Verteidiger 10 Hilfsbeweisanträge gestellt.
Der Verteidiger des Flugleiters hielt seinem Mandanten zugute, dass er sich gemäß seiner Aufgaben auch auf die Start- und Landebahn konzentrieren musste und den Blick nicht immer am Himmel haben konnte. Der Flugleiter habe
seine Sorgfaltspflicht erfüllt, aber der zu tief fliegende Motorsegler habe sich bewusst in Gefahr gebracht.
Als jemand der etwas davon versteht, kann ich nur sagen: Das war knapp. Hier war die Gefahr einer Verurteilung von Pilot UND Flugleiter sehr groß.
 

Jan

Moderator
Besonders spannend folgende im Plädoyer geäußerte Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft:

Der Modellflieger könne nicht darauf
vertrauen, dass ein Segelflieger die vorgeschriebenen 600 Meter Flughöhe einhält und müsse sich auch auf eine mögliche Mindestflughöhe von 150 Metern einstellen.
 
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