Hi Wolli,
wie professionell hättest du's denn gerne?
1. Nehmen wir die Kunststoffwerkstatt eines großen deutschen Luft- und Raumfahrt- Forschungszentrums, in der vornehmlich Windkanalmodelle gebaut werden. Die Jungs bauen mit beeindruckender Sorgfalt und Genauigkeit und benutzen zum Gewebe schneiden eine Schere. Ausgehärtete Gewebe-Überstände an der Formkante werden z.T. mit einer Art Oberfräse passend gefräst. Kilopreis des fertigen Modells: fast unbezahlbar, dafür eine Genauigkeit bei Klebespalten, Faserwinkeln und Bauteildicken (Faservolumengehalt), die man eigentlich nur aus der Metallbearbeitung gewohnt ist.
2. Oder der Flügelbau eines großen Segelflugzeuges: Das Gewebe wird mit einer Schere zugeschnitten. Kilopreis der fertigen Struktur ca. 400,- EUR (bei "normalen" Segelflugzeugen, bei denen es nicht auf das letzte Gramm ankommt wegen nicht ganz so extremer Sorgfalt noch die Hälfte; Gewebezuschnitt auch mit der Schere). Für Klebewinkel (+/-45°), die aus vielen Einzelstreifen zusammengestückelt werden müssten, werden z.T. auch fertige Gewebebänder eingesetzt, die von der Rolle bereits die gewünschte Faserorientierung aufweisen. Wer sowas beim Modellbau nutzen möchte, sollte allerdings aufpassen, welche Schlichte bei der Herstellung dieser Bänder (gilt auch für Gewebeschläuche) aufgebracht wurde. Auch bei Epoxischlichten gibt es Unterschiede, die sich vor allem bei der Dauerfestigkeit der Teile zeigen.
3. Rotorblattherstellung für Windkraftanlagen: Sowas wird so konstruiert, dass man kein Gewebe zuschneiden muss, sondern alles so passt, wie es von der Rolle kommt. Bei 3,50m Profiltiefe muss man das sowieso aus mehreren Bahnen zusammensetzen. Was hinterher übersteht, wird am ausgehärteten Bauteil abgetrennt. Kilopreis der Blattstruktur: 13 EUR. Rationalisierung vor allem beim Tränken des Gewebes (Tränkvorrichtungen). Auf diese Weise erzeugen diese Profis ein ganzes Rotorblatt an einem Tag (über 5 Tonnen GfK täglich, die Hälfte davon Fasern).
4. Großflugzeugindustrie (z.B. Airbus-Seitenleitwerke): Hier kommen ausschließlich Prepregs (vorgetränkes Gewebe oder Gelege, das tiefgekühlt eine Weile lagerfähig ist und erst unter hohem Druck und hohen Temperaturen im Autoklaven aushärtet) zum Einsatz. Kilopreis hier: ca. 2000,- EUR für ein fertiges SLW. Zum Teil werden die Prepregs (pre-impregnated) mit NC-gesteuerten Tape-Legemaschinen in die Form gelegt oder NC-gesteuert ausgeschnitten. Mit dem Wasserstrahl kann man nur ausgehärtete Teile beschneiden. Für Prepregs ist es so eine Art oszillierendes Messer. Trockenes Gewebe kann man damit aber nicht zuschneiden, da sich die Fasern verziehen würden.
5. Massenproduktion für die Sportartikel und Automobilindustrie: Hier werden z.T. sogenannte Preforms eingesetzt. Das heißt, dass sämtliches Gewebe für das Bauteil schon fertig zugeschnitten und in die entsprechende Form vernäht ist. Diese Preforms werden dann im Injektionsverfahren, bei dem das Harz unter Druck in einer beidseitigen Form in das Gewebe eingespritzt wird, getränkt und unter hohem Druck und hohen Temperaturen ausgehärtet (Taktzeiten unter 10 min.).
Fazit: Erst bei hohen Stückzahlen oder hohen Anforderungen an die Reproduzierbarkeit der Bauteilqualität lohnt sich der Einsatz von automatisierten Verfahren. Das ist immer mit immensen Investitionskosten verbunden, so dass die Profis, die es mit eher kleinen Stückzahlen zu tun haben, auch zur Schere greifen, um das Gewebe zuzuschneiden. Die Möglichkeiten für eine rationellere Fertigung beschränken sich hier eher auf das Tränkverfahren und die Wahl geeigneter Halbzeuge, mit denen sich Verschnitt und auch unnötige Überlappungen (=Gewicht) sparen lässt.
Gruß Yeti