Frage zur Höhenrudergeometrie

hi,

heute habe ich eine zerstörte HR-Hälfte nachgebaut, und da kam mir folgende Frage:

Warum baut man die HR nicht so hoch gestreckt wie die Tragflächen? Ich denke, da sind doch viel weniger Lasten drauf als auf der TF - oder täusche ich mich da? Was ist denn in einem heftigen Abfangbogen los - wieviel Kräfte wirken da auf das HR ein?

Oder ist es ein völlig anderer Grund: Wenn keine Randwirbel auftreten, ist hohe Streckung nicht sinnvoll, weil der Gesamtwiderstand dann doch steigt? Aber dann wären ja evtl. quadratische HR ganz gut, wenn man nicht so viele Massen bewegen müsste? :rolleyes:

Und eigentlich ist mir klar, dass die Tragflächen geometrisch etc. noch die nächsten 1000 Jahre verbessert werden - aber die HR? Warum waren die LS1-HR gepfeilt bzw. was erhofften die Erbauer damals? Warum haben manchen HR (DG-1000 glaube ich, oder war es der Nimbus4?) ein Mehrfachtrapez? Müsste nicht eigentlich das finale optimale HR-Design schon längst gefunden sein?

Danke für die hoffentlich folgende Erleuchtung

Bertram
 

documa

User
Selbst so ein kleiner Tragflügel wie das Höhenruder hat Randwirbel. Der fliegt
ja nicht mit Nullauftriebswinkel. Zwangsläufig produziert er Auftrieb oder Abtrieb
je nach eingetrimmter Fluglage. Also produziert er auch induzierten Widerstand.

Aus der Widerstandsgleichung

Formal-Cwi-small.jpg

F=Flügelfläche
pi Kreiszahl (3,1415...)
b= Spannweite

geht hervor, das sich der induzierte Widerstand bei einer Verdopplung der
Streckung (F/b>2) um ganze 50% reduziert. Streckung ist schon sinnvoll.

Allerdings herrschen am Höhenleitwerk kleinerer Re-Zahlen vor als am TF.
Wenn mit hohem Ca geflogen wird, sollte die Strömung erst am TF abreisen und
nicht am Höhenruder. Man kann also die Streckung am HLW nicht beliebig
vergrößern. Genaugenommen ist es eine Rechenaufgabe. Welche Re-Zahlen liegen
bei geringster Fluggeschwindigkeit am TF und am HLW an. Dabei sollte die Re-Zahl
am HLW auf jeden Fall noch überkritisch sein, während sie am TF im Außenflügel
schon unterkritisch wird.

Zur Formgebung. Elliptische Auftriebsverteilung ist optimal, das gilt für den TF
wie für das HLW. Rechteckgrundriß geht zwar auch, ist optisch halt kein
Bringer und bei Zweckmodellen (F3X) leistungsmäßig nicht so dolle. (Cwi)

Gruß Utz
 
Utz,

Danke für die prompte Antwort. Was mir neu war, ist dass am HR höhere Anstellwinkel auftreten können (im Normalflug). Ich war davon ausgegangen, dass beim HR die Abweichungen vom Nullauftriebswinkel nur sehr klein sind, und dass z.B. höhere Anstellwinkel der TF durch "ziehen" erreicht werden, wodurch sich das HR ja wieder relativ nahe des Nullauftriebswinkels befindet. Bei jedem ausgeglichenen Zustand sollte das HR doch einen Anstellwinkel haben, der um die gerade eingestellte EWD (Bau-EWD + Höhenruderausschlag) niedriger ist als der der TF?
Deswegen war ich der Annahme, dass beim HR durchaus theoretisch sogar viel höher gestreckt werden könne als bei der TF, trotz kleinerer Flügeltiefe und Re-Zahl-Problemen.

Was Du schreibst, klingt ein wenig nach den "tragenden" HR vom '69er-Cirrus etc. Welche Anstellwinkel kommen denn bei heutigen echten Seglern am HR im normalen Geschwindigkeitsbereich vor?

Ich könnte mir aber vorstellen, dass man dann die Strömung bei extrem gestreckten HR schwer wieder zum Anliegen bringt, wenn sie mal beim Trudeln oder gerissenen Manövern abreisst.

Bertram
 
Moin,

was das HL zu leisten hat erechnet sich bei stationärem Flugzustand aus dem Momentengleichgewicht.

Gewichtskraft des Fliegers x Hebelarm zum Neutralpunkt = Kraft am HL x Hebelarm.

Mit bekannter Fluggeschwindigkeit und Geometrie ergibt sich ein ca für das HL. Damit auch ein Anstellwinkel zur anströmenden Luft. Beim Leitwerksflieger ist diese aber durch den Flügel nach unten abgelenkt. Daher kann man den Winkel nicht rein geometrisch bestimmen.

Hohe Streckung am HL bedeutet neben aerodynamischen Problemen - kleine RE-Zahlen und somit auch kleineres ca-max - auch statische. Und der mögliche Vorteil ist recht gering.

Gruß

gecko
 
Rechne mal ein bisschen Druckpunktwnderung, wenn Du in Richtung Ca=0 kommst, dann gehen Dir die Augen auf. Ein HLW muss durchaus signifikant Auftrieb liefern. Noch extremer bei Modellen als bei den Grossen, weil der geflogene Geschwindigkeitsbereich weiter ist.

Bei den Grossen kommt noch dazu, dass der SP nicht so scharf eingehalten wird wie bei Modellen.

Was die Grundrissgestaltung angeht: Weil die resultierenden Widerstände doch eher klein sind, hat man da oft auch etwas Gestaltungsfreiheit in Anspruch genommen. Zur ASW 22 habe ich z.B. explizit gelesen, dass Waibel das gepfeilte SLW gewählt hat, obwohl es aerodynamisch etwas schlechter ist, einfach aus stylistischen Gründen.

Hatte die LS 1 nicht ein Pendelleitwerk? Dann wurde die Pfeilung je nachdem auch gewählt, um den Lagerpunkt an einen mechanisch passenden Ort zu bekommen. Auch die Flattereigenschaften ändern sich mit Pfeilung.

Heute werden die Grossen auch im Promillebereich optimiert. Und bei den relativ kurzen Streckungen der HLW kommt dann halt ein Grundriss heraus, der die Ellipse möglichst genau annähert. Wenn die Formen eh gefräst werden, ist ein Vielfachtrapez auch nicht aufwendiger als ein einfaches. Z.T. sind es heute ja auch stetige Kurven, z.B. bei der Antares.

Nochmal zum tragenden Leitwerk: Ob ein Leitwerk tragend ist, hat nichts damit zu tun, ob es profiliert ist oder nicht, sondern nur mit Schwerpunktlage und Flugzeuggrundriss. Die Profilierung kann dann zur Auslegung passen, oder, wie z.B. beim Ur-Flamingo, verkehrt rum sein.
 
Spannendes Thema

Spannendes Thema

Hallo allerseits!

Bertram verzeih, wenn ich mich hier mal mit ein paar Fragen mit einklinke.

Ich war bisher immer davon ausgegangen, dass sich die Kräfte am Flugzeug so einstellen: Alle Gewichtskräfte vereinigen sich im Schwerpunkt. Wenn dieser wie beim "normalen" Segelflugzeug vor dem Neutralpunkt liegt, erzeugt er ein nach vorne abwärts gerichtetes Drehmoment (um den Neutralpunkt). Dieses Drehmoment muß durch ein gleich großes entgegengesetztes Drehmoment (im statischen Flug) kompensiert werden, welches durch die aerodynamischen Kräfte, insbesondere abwärts gerichtete Kräfte am Leitwerk, aufgebracht wird. Wenn dem nicht so sein sollte würde das mein Hobbymodellfliegerisches Weltbild ziemlich erschüttern. Ein tragendes Höhenleitwerk würde ja ein hinten aufwärts gerichtetes Moment erzeugen, was ja mit dem Schwerkraftsmoment (vorne abwärts) gleichgerichtet wäre. Dann würde ein ziemlich großes entgegengesetztes Moment am Flügel gebraucht (hinten abwärts), um wieder den Ausgleich zu schaffen. Oder der Schwerpunkt müßte bei einem tragenden Höhenleitwerk von vornherein hinter dem Neutralpunkt liegen, oder? Wie sehen das denn die Profis?

Gruß

Joachim
 
Hallo Markus,

Die Profilierung kann dann zur Auslegung passen, oder, wie z.B. beim Ur-Flamingo, verkehrt rum sein.

Heißt das, dass die Wölbung nach unten gerichtet sein soll beim Ur-Flamingo?

(Habe nämlich einen vor über 20 Jahren nachgebaut, mit Quabeck 2,5 / 10, das Höhenleitwerk "irgendwie" mit gerader Unterseite. Fliegt auch). Soll ich die HLW-Hälften mal vertauschen, also umdrehen?

Klaus.
 
es weicht zwar vom Ursprungsthema ab, aber die profilierten HR der 70/80er jahre sollen tatsächlich "verkehrt herum" montiert werden.
Modelle mit "tragenden" HR haben den Sp tatsächlich extrem weit hinten (Amigo: 50%?)

Mehr zum Thema würde passen:
Mit welchem Ca fliegt denn ein "normales" heutiges HR, sagen wir mal eine ASW-15, im mittelschnellen Flug? Entspricht der etwa dem geflogenen Ca an der TF oder ist er deutlich geringer? Ist er so gross, dass man sich wegen Re-Zahl und Strömungsabriss ernsthaft Gedanken machen muss oder ist er eigentlich eher klein?

Bertram
 

Merlin

User
Belastung HLW

Belastung HLW

Hallo Bertram,

ich habe eben mal in eine paar XFLR Projekten nachgesehen. HLW ca ist etwa 30% vom Flügel ca (Daumenwert).
Beispiel Comingo (Flamingo 2001 Flügel & Pendelhlw)
also bei Ca-Tragfläche 1,2 -> ca-HLW= 0,6
bei Ca-Tragfläche 0,9 -> ca-HLW= 0,3
bei Ca-Tragfläche 0,4 -> ca-HLW= -0,13
bei Ca-Tragfläche 0,2 -> ca-HLW= -0,2

Anm. die HLW Profile haben keinen großen max Auftrieb : vielleicht ca_max= 0,8.. (HT14 10% bei Re100K)

Gruß,
Bernd
 
hi bertram,

beim modell ist das Re argument ziemlich zentral, speziell bei kleineren modellen.
da werden bei nicht ganz scale auch die ersten kompromisse fällig.

bei den großen spielt sicher eine optimierung gewicht zu mechanischer stabilität eine rolle,
zumal im optimalen betriebsbereich ca klein ist. die anderen argumente sind schon da.

grüße
hannes
 
Mehr zum Thema würde passen:
Mit welchem Ca fliegt denn ein "normales" heutiges HR, sagen wir mal eine ASW-15, im mittelschnellen Flug? Entspricht der etwa dem geflogenen Ca an der TF oder ist er deutlich geringer? Ist er so gross, dass man sich wegen Re-Zahl und Strömungsabriss ernsthaft Gedanken machen muss oder ist er eigentlich eher klein?
Im mittelschnellen Flug, bis, sagen wir, CA 0.1, wird es nicht dramatisch, ausser du habest ein hochgewölbtes Profil, das Du nicht entwölben kannst, mit entsprechend grosser Druckpunktwanderung. Spannend wirds beim Ablasser, wo das CA 0 wird. Da kann man das HLW schon überlasten. Die Leute reden dann vom Unterschneiden, und führen es allenfalls auf zunehmendes CA am gewölbten Leitwerk zurück...

Im Schnellflug kommt zwangsweise irgendwo der Punkt, wo das CA am Leitwerk höher ist, als das am Flügel, allerdings negativ.

Bringt mich jetzt auf einen interessanten Gedankengang: Eigentlich muss es bei einem aerodynamisch sauberen Flugzeug (das also nicht schon vorher vom Widerstand "getragen" wird) einen Bahnneigungswinkel und eine dazu gehörende Geschwindigkeit geben, wo zwangsweise Unterschneiden auftritt.

[Edit] Während ich geschrieben habe, hat Merlin gerechnet. Bei ihm ist der "Kreuzungspunkt" CA=0.2.
 
Hallo Merlin,

ich hätte da eine Verständnisfrage:

Ca 1,2 an der Tragfläche müßte nach meiner Auffassung doch extremer Langsamflug sein? Und den erreicht man ja üblicher Weise durch gezogenes Höhenruder im statischen Flug. Das müßte dabei doch Abtrieb liefern also Ca am Höhenruder negativ. Mache ich da einen Denkfehler?

Gruß

Joachim
 
Und den erreicht man ja üblicher Weise durch gezogenes Höhenruder im statischen Flug. Das müßte dabei doch Abtrieb liefern also Ca am Höhenruder negativ. Mache ich da einen Denkfehler?
Jep. Das gemeine ist, dass, wenn man zieht, der Druckpunkt an der Fläche mit grösserem Anstellwinkel nach vorn wandert. Damit der Momentenhaushalt stimmt (Der SP bleibt ja, das Totalmoment aus Flächenauftrieb und Gewicht wird also schwanzlastiger), stellt sich am HLW im stationären Flug dann trotz gezogener Klappe ein höheres CA ein.
 
Jep. Das gemeine ist, dass, wenn man zieht, der Druckpunkt an der Fläche mit grösserem Anstellwinkel nach vorn wandert. Damit der Momentenhaushalt stimmt (Der SP bleibt ja, das Totalmoment aus Flächenauftrieb und Gewicht wird also schwanzlastiger), stellt sich am HLW im stationären Flug dann trotz gezogener Klappe ein höheres CA ein.

ergänzend:
und deshalb muß für eine langsamflugauslegung der schwerpunkt nach vorne...;)

hannes
 
Warum? Weil ich dann weniger ziehen muß und infolge dessen das Höhenruder widerstandsärmer ist?
Joachim

weil bei einer gewölbten fläche (wir sprechen von seglern) der schwerpunkt bei "schneller fliegen" = "ca kleiner" nach hinten wandert,
und umgekehrt natürlich auch nach vorne bei langsamer fliegen. es ist eine immer wieder aufkommende falsche vermutung, daß für einen
langsamflieger der schwerpunkt nach hinten soll, um sozusagen das höhenruder beim ziehen zu unterstützen. das ist falsch - außer das höhenruder ist tragend ausgelegt, dann hat man mehr parameter bis hin zur ente.

hier hat sich einer die mühe gemacht was zum nachlesen zusammenzufassen:
http://wiki.rc-network.de/index.php/Druckpunktwanderung#Fl.C3.BCgelmoment_und_Druckpunktwanderung

grüße
hannes
 
weil bei einer gewölbten fläche (wir sprechen von seglern) der schwerpunkt bei "schneller fliegen" = "ca kleiner" nach hinten wandert,

Der Schwerpunkt "wandert"?

Wohl ehr nicht, weil er nämlich von der Massenverteilung beim Modell bestimmt wird. Und daran wird sich auch durch "schneller fliegen" = "ca kleiner" in keinster Weise etwas ändern, da bin ich mir 100%ig sicher. Folglich bleibt der Schwerpunkt auch da, wo er ist, also ortsfest! Gemeint ist vermutlich etwas ganz anderes, aber was? Eine treffsichere Anwendung sprachlicher Ausdrucksformen bietet eben doch enorme Vorteile (erspart z.b. langatmige Erläuterungen...:rolleyes:)!
 
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