Gewebebelegung Leitwerksträger

Hallo,
ich habe heute mal probeweise einen neuen und zwei alte Leitwerksträger einem Bruchtest unterworfen, mit ganz interessanten Ergebnissen, die meinen "klassischen" Vorstellungen von Gewicht/Bauhöhe/Festigkeit/Steifgkeit widersprechen:

Träger 1:
1,3m Länge, konisch 45mm auf 25mm, aufgebaut klassisch in Negativform, abgesaugt + Blindverklebeleisten.
Lagenaufbau von außen nach innen:
58 Glas 45°, 60 Kevlar 45°, 160 Kevlar UD 0°, 80 Kohle UD 0°, 60 Kevlar 45°. Summe aller Lagen 420g/m².
Ohne die 80er UD-Kohle ist dies mein Standard-Lagenaufbau im Leitwerksträger, der bis jetzt immer gehalten hat.

Träger 2:
1,3m Länge, konisch 47 auf 27mm, positiv gerollt auf Dorn und mit Wickelband verpresst/gewickelt.
Lagenaufbau von außen nach innen:
160 Glas 45°, 160 Kohle UD 0°, 160 Glas 45°. Summe aller Lagen 480 g/m².
Gewicht 150g, Laminatdicke 0,45mm

Träger 3:
1,3m Länge, zylindrisch 25mm, positiv mit Gewebeschläuchen auf Alurohr laminiert
Lagenaufbau: 1 Glasschlauch plus 1-2 Kohleschläuche, alle mit ungefähr 40° Faserrichtung, genaue Werte sind nicht mehr bekannt. Summe aller Lagen rechnerisch rund 750 g/m².
Gewicht 150g, Laminatdicke zwischen 0,65 und 0,95mm

Alle drei Träger haben ziemlich genau dasselbe Gewicht, Träger 3 hat deutlich geringeren Durchmesser.

Bruchtest: Alle drei Rohre wurden zunächst befingert ("oval drücken") und dann übers Knie gelegt.

Träger 1: ausreichend steif beim fest anfassen; beim übers-Knie-Legen beult er und knickt irgendwann ein, es gibt aber nur einen kleinen unscheinbaren Bruch, der Träger ist danach noch ausreichend fest

Träger 2: deutlich weicher beim Anfassen als Träger 1, Bruch über dem Knie ebenfalls deutlich früher als bei "1", dieser Bruch ist dann auch vollständig und endgültig

Träger 3: bocksteif beim Anfassen, und über dem Knie läßt er sich nicht brechen.

Fazit:
Träger 3 (der "dünne") hat zwar theoretisch alle Nachteile bzgl. Biegesteifigkeit und Biegefestigkeit vereint: Geringer Durchmesser, alle Fasern ungefähr bei 45°. Trotzdem ist er der beste, weil er nicht beult und daher überhaupt erst die Chance bekommt, seine Fasern zu nutzen. Der dünne Träger profitiert also von seiner hohen Wandstärke und den kleinen Radien, und ist trotzdem noch ausreichend steif.

Ein Ergebnis, das ich so überhaupt nicht erwartet hatte. Würde ich den "dicken" Leitwerksträger (wobei 45 auf 25mm ja wirklich nicht dick sind) auf dieselbe Wandstärke laminieren wie den dünnen, um Beulen zu vermeiden, wäre er viel zu schwer. Der 25mm-Träger ist steif genug, beult nicht, und hat alle Reserven für unschöne Landungen. Daher wird de bewährte Bauweise "1" jetzt durch "ähnlich 3" ersetzt, zumindest bei Rümpfen, bei denen ich den Leitwerksträger einzeln baue.

Über Stege im Leitwerksträger, die sicherlich sehr günstig gegen Beulen sind, mochte ich bisher wegen Bauaufwand noch nicht nachdenken.

Was habt ihr allgemein für Erfahrungen mit welchen Laminatstärken und Durchmessern?
 

Tofo

User
Dafür haben die Träger 1 und 2 mit den größeren Radien aber Vorteile was die Torsion betrifft.

Spendier doch mal einem konischen Versuchsträger einen hochkant Depronsteg auf der ganzen Länge. Das Mehrgewicht sollte sich in Grenzen halten und das schnelle Einknicken wird vielleicht verhindert.

Grüße,
Thorsten
 
Hallo Thorsten,

klar, der dicke Träger hätte in Torsion Vorteile - aber der dünne mit den beiden Kohleschläuchen (mit umgerechnet ca. 500 g/m²) fühlt sich auch in Torsion schon bocksteif an. Zum Vergleich: Die F3B-Europhia hat meines Wissen nur insgesamt 150g/m² Glas auf 45° drin, der Rest ist Kohle in UD und in 0°-90°. Vielleicht klebe ich mal bei Gelegenheit an den alten "Träger 3" zwei Torsionshebel zum Verdrehen und Anfühlen.

Depronsteg ist gedanklich schwierig in Positivbauweise (Wickeln auf dem Dorn).

Übrigens: Bei Masten von Surfsegeln gab es vor ein paar Jahren eine ähnliche Entwicklung hin zu dünneren Masten. Von früher war 48mm Standard, dann wurde Glas gegen Carbon ersetzt, das Gewicht wurde immer wichtiger, bei annähernd gleich gebliebener Biegesteifigkeit (gibt das Segel vor) wurden daher die Wandstärken immer dünner. Und weil die teuren Carbon-Masten dann bei Stürzen in der Brandung reihenweise brachen, hat man den Durchmesser reduziert, die Wandstärke erhöht... und jetzt halten die Dinger wieder.
 
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