Flügelpositiv-Fragen zu Frästechniken

Hallo liebe Freunde der CNC-fräsenden Zunft,

Ich bin gelernter Werkzeugmacher/Vorrichtungsbau mit einigen wenigen Jahren Berufserfahrung. Leider bin ich schon gute 12 Jahre aus diesem Beruf raus (damals sehr schlechte Bezahlung). Trotzdem wurde ich seit meiner Lehre mit der CNC-Frästechnik vertraut gemacht und konnte es in den verschiedenen Betrieben auch umsetzen. Leider war das richtige 3D-Fräsen, nur im letzten halben Jahr meiner Werkzeugmacherkarriere, gewesen. Das reichte aber nicht um den zufriedenstellenden Erfahrungsschatz aufzubauen. Darum hoffe ich hier bei euch einige klärende Antworten und Meinungen zu bekommen.
Zunächst zu meinem eigentlichen Vorhaben. Ein sehr gut befreundeter Modellbauer von mir hat seit einiger Zeit eine CNC-Fräse der Fa. Haase Typ "CUT 2000 L". Die mitgelieferte Software (PCNC) soll nach meinen Recherchen durch einen erweiterten Befehlssatz auch 3D-tauglich sein. Die Aufbereitung der 3D-Fräsdatei wollen wir mit DeskProto4.0 light machen. Ursprung bildet dabei eine 3D-Konstruktion erstellt mit Rhino.

schalen.jpg


Ob das alles mit der Haase klappt weis ich noch nicht. Erste Versuche mit kleineren 3D-Konturen erfolgen erst am Wochenende. Mir geht es hierbei eher um den eigentlichen Fertigungsablauf und einigen Fragen zu speziellen Fräsdetails. Das erhoffte Endergebnis sollte dann in etwa so aussehen.

C_detail.jpg


Folgender geplanter Ablauf auf der Maschine. Zunächst eine grobe Vorarbeit mit einem einfachen Zweischneider-Vollhartmetall-Fingerfräser. Dann die Feinarbeiten mit einem geeigneten Kugelfräser.

Nun meine Fragen:
1. warum wurde um die komplette Kontur eine Vertiefung unterhalb der Trennebene gemacht? Ich könnte es mir nur so erklären, daß es als Auslaufbereich für den Kugelfräser dienen könnte.
2. Warum wurde diese Vertiefung kurz vor Erstellung der Negativ-Arbeitsformen nur teilweise wieder mit Modelliermasse aufgefüllt? An der Hinterkante wurde noch sowas wie ein Streifen Depron oder Ähnliches in die Nut gesteckt und würde dann im Negativ eine Rinne bilden. Ich habe das mal bei einer älteren F3B-Flügelform gesehen und diente dort als "Blutrinne" für überschüssiges Harz. Stimmt da meine Vermutung das es so auch angedacht worden ist?

vertical wing.jpg


auf diesem Bild wurde die obere Positivform komplett mit Knetmasse an den Rändern geschlossen.

oberform.jpg


So, jetzt bin ich mit meiner teilweise "geborgten" Bilderserie durch und würde gerne einige Meinungen zu diesem Vorhaben lesen wollen. Mir juckt es förmlich in den Fingern, seitdem ich wieder eine direkte Möglichkeit habe präziese Späne zu machen. Nur will ich das, nach gewohnter Werkzeugmachermanier, auch so ordentlich wie möglich planen und auch durchführen. Ich verspreche auch, daß ich die Fortschritte mit Bilder hier kundtun werde.
 

Jaro

User
Hallo Micha!

Frästechnisch kenne ich mich nicht so gut aus, aber dafür ein wenig mit Formenbau usw.:

Die Rinne an der Endleiste, die in der fertigen Negativform entsteht ist - wie der vermutet hast - für den Harzüberschuss, bzw. damit man das Gewebe an der Endleiste überstehen lassen kann. Ansonsten müsste man es dort seeehr genau zuschneiden, damit die Endleiste nicht nur aus Harz besteht und dadurch instabil wird. Eine solche Rinne reicht auf einer der Formhälften, daher ist auf der anderen keine...

Die Vertiefung an der Nasenleiste ist, weil man sonst einen Radius an der Form hätte, der keine anständige Naht und damit Nasenleiste erzeugen würde. Selbst wenn diese "Ecke" extrem gut (d.h. möglichst kleiner Radius) gefräst werden würde, dann würde beim Finish des Urmodells (schleifen, lackieren, polieren...) die Kante immer runder werden. Also macht man die Rinne erst am Ende mit Knetmasse zu und zieht sie mit nem scharfen Stecheisen o.ä. ab.
Es gibt auch die Möglichkeit, die Rinne mit abzuformen und dann an der Negativform abzuschleifen, dadurch bekommt man eine noch bessere Formkante, ist aber auch viel mehr Arbeit!

Gruß
Jaro
 
Hallo Jaro,

ganau diese Hinweise sind absolut Gold wert für mich. Ich danke Dir schonmal ganz doll dafür. :) Das mit dem beabsichtigten Gewebeüberstand geht aber sicher nur, wenn man naß in naß arbeitet oder? Sonst drängt doch die ausgehärteten Überstände beim schließen der Formenhälften oder? Es sei denn es legt sich beim Vakuum unter dem Foliensack etwas mit in die Rinne rein. Dann könnte es klappen. Wie ist das eigentlich dann bei der "Rinnenlosen" Oberschale? Legt man das getränkte Gewebe da exakt an der Kante an, oder läßt man etwas Überstand, welcher dann vorsichtig mit einem scharfen Stechbeitel mit der Trennebene bündig geschnitten wird? Fragen über Fragen, aber das sind die Fragen, auf welche ich bei der endlosen Suche im Netz keine konkreten Antworten gefunden habe.
 

Jaro

User
Hi Micha!

Freut mich, wenns brauchbar ist, was ich schreibe!
Nein, mit Gewebeüberstand arbeitet man auch bei "trockenem" Zusammensetzen der Hälften! I.d.R. baut man ja mit Stützstoff und verpresst im Vakuum, da kann man leider nicht nass in nass zusammensetzten.
Du machst die Form ja so, dass die Endleiste nicht auf Null ausläuft, sondern auf 0,5mm z.B.. Dann lässt du beim Laminieren die äußere Gewebelage bis nach hinten mit etwas Überstand auslaufen (Stützstoff nicht, Innenlage evtl.). Vor dem Schließen der Formhälften schleifst du das Gewebe dann so weit runter wie nötig. Ich hatte auch bedenken, bei meiner ersten Fläche, die ich gebaut habe, dass es nicht passt und ich die Form nicht ganz zubekomme, geht aber problemloser als man denkt.

Meine Form ist allerdings hinten "offen" hört also genau an der Endleiste auf. Das hat den Nachteil, dass man sie hinten nicht verschrauben kann und mit Schraubzwingen o.ä. zusammenpressen muss. Der große Vorteil ist, dass man genau sieht, ob das Gewebe evtl. zu dick aufträgt zum Verschließen und man kann es besser verschleifen ohne die Form dahinter zu verkratzen: Ich nehme dazu einen Schleifklotz, der nur auf einer Seite mit Schleifpapier beklebt ist und setze die glatte Seite auf der vorderen Trennebene ab. So schleift man automatisch den richtigen Winkel an der Endleiste für eine saubere Verklebung. (Geht natürlich nur bei nicht zu stark gewölbten Profilen, hoffe ich habs verständlich beschrieben...)

Wenn du die Form so baust, wie auf deinen Beispielbildern, also hinten geschlossen, kannst du das Gewebe auf der Rinnenlosen Seite trotzdem überstehen lassen. Natürlich nur so breit, wie die Rinne auf der anderen Seite ist, ansonsten geht die Form nicht mehr zu.

Den Depronstreifenf für die Rinne solltest du auf jeden Fall mit Klebeband o.ä. umwickeln um eine glatte Oberfläche zu bekommen. Ansonsten muss du ihn am Ende mit Lösungsmitteln aus der Form "waschen" und hast eine derart rauhe Oberfläche, dass Harz was da rein läuft auch immer drin bleibt... Irgendwann wäre die Rinne dann voll... ;-)

Meiner Meinung nach, ist dieser Thread in der Kunststoff-Rubrik mittlerweile besser aufgehoben... Dort bekommst du bestimmt von noch mehr Leuten Tips als hier... Wenn dann was speziell zum Fräsen unklar ist, würde ich das hier nochmal posten.

Gruß
Jaro
 
Hallo Micha,
die Nut an der Endleiste würde ich mit einem 6mm Kugelfräser erstellen.
In diese Nut kannst Du dann einen Aquarienschlauch zum Abformen fixieren, der dann Deine Blutrinne bildet.
Die Nut an der Nasenleiste könnte man sich sparen, wenn man im Positiv fräst, ohne das Urmodell noch zu lackieren, da sich sonst eine Tropfkante beim Lackieren zwischen Trennebene und Modell bildet.
Die Nut an der Nasenleiste nicht zu fräsen bedarf aber einer 5- Achs -Fräse,
da dann der Fräser stetig 90 Grad zur Konturoberfläche fahren kann.
Dann aber zuletzt auch mit einem Zylinderfräser.
Gruß Thomas
 
Hallo Thomas,
die Idee mit dem Schlauch gefällt mir bei weitem besser als die eckige Variante. Warum komme ich nicht auf so einfache Lösungen :confused:
Aber die Nut an der Nasenleiste werde ich wohl setzen müssen, da ich leider keinen Zugang zu einer 5-Achs-Fräse habe. Und fräsen "lassen" ist mir zu einem zu teuer und zum anderen gegen meine Werkzeugmacherehre ;)
Und ob ich die Positivform noch lackieren muß werde ich entscheiden, nachdem ich meine ersten Erfahrungen mit diesen PU-Hartschaumplatten gemacht habe. Habe bis jetzt immer nur Metallwerkstoffe bearbeitet (Und naürlich Holz bei meinen Fliegern). Sollte das Schleif- und Polierergebnis meinem kritischen Auge stand halten, werde ich auf eine Lackierung gänzlich verzichten. Da freue ich mich jetzt schon auf das stundenlange geschubber :p Aber für sowas gabe ich eigentlich immer viel Ausdauer und Geduld.
 
So, heute war es dann für mich soweit. Erstes Kennenlernen einer neuen Maschine. Wobei ich die Maschine ja schon eine Weile kenne, nur nicht deren Umgang mit der Software. Soviel vorweg, das zugehörige PCNC und deren Bedienkonzept ist ja mal völlig gaga oder?
1018.gif
Das geht schon damit los, daß beim manuellen fahren bei Z+ der Fräser nach unten geht :eek: Wo gibts denn sowas? Na egal. Zum eingewöhnen ersteinmal eine kleine Liveübung in Alu. Das ist der Werkstoff der Werkzeugmacherherzen höher schlagen läßt ;)

rotorfraes.jpg


Und damit sich das auch lohnt, wurde der gesamte Restbestand von insgesamt 6 Conrad-Dittos zu 3 DoppelDittos vereinigt und haben von mir eine schöne neue Rotorglocke bekommen. Hier mal ein Gruppenfoto der zukünftigen Combatflotten-Antriebe.

gruppenbild.jpg


So, nachdem das soweit gut funktioniert hatte kam die 3D-Aufgabe an die Reihe. Nach insgesamt 2 Anläufen war der dritte Versuch dann sehr erfolgreich und vielversprechend. Diese anfangs von mir bemängelte Z-Bewegung hatte da kräftig in unser Vorhaben reingestänkert. Aber es ließ sich zum Glück einfach in den Maschineneinstellungen invertieren. Als Versuchskontur sollte dann ein Pylonleitwerk herhalten. Diese Kontur sollte, in ein passen zurechtgeschnittenes Stück Strodyr und mit einem 3mm Einschneider, gefräst werden. Und hier das Ergebniss, einfach mal mitten in seiner Entstehung fotografisch festgehalten.

leitwerk3d.jpg


Für den ersten Versuch waren Stefan (Maschinenbesitzer) und ich schonmal sehr zufrieden gewesen. Uns ging es zunächst einmal nur prinzipiell darum, ob die Haase-Maschine dafür geeignet ist und das von uns geforderte auch umsetzen kann. Eine gewissenhafte Vorbereitung in CAD und CAM sind da natürlich unabdingbar und Vorraussetzung für gutes Gelingen.
 
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