Windumkehr durch Gewitter?

hi,
in unserer Hangflugwoche (in den Colli di San Fermo) blies tagein, tagaus immer ein mässiger Südwind. Ausser einmal:

Nachmittags baute sich links von uns, (Hang und Blick nach Süden, also im Osten) ein nicht sehr grosses Gewitter auf. Innerhalb von nur 30 Minuten schlug der Wind von den gewohnten 2-3bft Süd nach 3-4bft Nord um, obwohl die Gewitterzelle genauso wie alle höheren entfernteren Wolken immer noch langsam nach Norden zogen. Spontan fiel mir nur die Erklärung aus dem PPL-Meteorologiebuch ein: Eine Gewitterzelle wird als lokale Tiefdruckzelle gegen den Uhrzeigersinn umströmt, was den Nordwind gut erklärt hätte. Wir wollten nach Durchzug der Zelle den Wind wieder überprüfen, aber daraus wurde nichts, weil südöstlich von uns (schräg links vorne bei Blick nach Süden) neue Gewitterwolken nachwuchsen, wie eine Perlenkette. Der Wind blieb auf Nord, am nächsten Morgen war alles wie vorher - Südwind.

Ich hätte so einen Effekt bisher mehr für theoretisch gehalten. So einen frappanten lokalen Windwechsel hätte ich nie für möglich gehalten, ich war äusserst überrascht. Mein Heimatort ist praktisch gewitterfrei (:cry: - ich mag Gewitter), deswegen meine Frage in den Raum: konntet Ihr auch schon mehr oder weniger stark ausgeprägte Windwechsel im Zusammenhang mit Gewitterzellen beobachten, die nicht mit Fallwinden zusammenhingen, sondern offenbar auf die Umströmung gegen den Uhrzeigersinn (@Bushpilot: bei Dir natürlich im Uhrzeigersinn) zurückzuführen waren?

Bertram
 

GC

User
Hallo Bertram,
vielleicht ist es nur Zufall. Ich bin mal auf der Wasserkuppe am SW-Hang (Fuldaquelle) geflogen. Es fing fast schlagartig an zu regnen begleitet von einem heftigen Gewitter. Nachdem wir eine gute halbe Stunde im Auto mit nassen Klamotten auf das Ende des Gewitters gewartett hatten, kam die Sonne heraus und wir sind am NO-Hang (Abstroda) weitergeflogen.

Ob der Wind immer nach einem Gewitter um 180grad drehen muß, oder mal nur 90 oder ..., kann ich aber nicht sagen. Dafür habe ich dieses Phänomen zu wenig beobachten können.
 
hi Gerhard,

es dreht nicht immer um 180°! Nur hier war es so, dass das Gewitter östlich von uns vorbeizog. Dadurch hat sich (vielleicht?) der Wind umgedreht. Wäre es westlich vorbeigezogen, hätte sich der Südwind (vielleicht?) verstärkt. Wäre es über uns hinweggezogen, hätten wir (evtl.?) erst Süd-, dann Ostwind, dann Windstille, dann West- in Südwind übergehend gehabt.

Bertram

edit: Windwechsel nach Frontdurchgang sind normal, das meine ich nicht. Hier war eine einzelne Gewitterzelle, die im allgemeinen gemässigten Südwind nach Norden "schwamm". Alle anderen Wolken trieben ebenfalls nach Norden - nur bei uns am Hang blies der Wind kräftig genau entgegengesetzt.
 
Der Wind dreht aber auch so ab und zu mal. Diesen Donnerstag war ich an unserem Vereinsgelände, beim 1. start um etwa 3 uhr hatten wir Ostwind beim 2. Start um ca 5-6 Uhr hatten wir Westwind jeweils mit etwa 2-3 bft


grüße Benjamin


PS: wir hatten schönes Wetter, Sonnenschein und relativ wenig sich zum Abend hin auflösende Bewölkung
 
Sorry Benjamin,
das kenne ich auch. Aber zogen bei Euch alle anderen Wolken weiter tapfer nach Osten?

;)
Bertram
 

Tillux

User
Hallo lieber Bertram,

so etwas ähnliches kenne ich. Vor vielen Jahren (ca. 93 oder 94) auf unserem Hang:

Wechselnd wolkiges Wetter, ständiger Wind aus Südwest.
Schlagartig zog ein Gewitter von Nordwest auf uns zu (Beide Hangseiten befliegbar).
Der Wind drehte in diesen Momenten auf Nordwest bis Nord. Woher das Gewitter kam. Die regulären Wolken dahinter behielten jedoch die vorige Richtung (von Südwest) bei.
Der Gewitterwind war dabei so stark daß ich kurzzeitig eine sehr schwere DG phantastisch fliegen und jagen konnte bis der Spuk dann wieder vorbei war und sich das normale Wetter wieder einstellte (Südwestwind).

Es waren zwar nur 90 - 100 Grad Richtungsänderung aber immerhin. Ein wirklich grandioses Erlebnis. Leider sehr selten.

Wünsche Dir viele solche Eindrücke:)!
 
Habe ich im Flachland auch schon erlebt. Hier war es richtig verrückt, das Gewitter zog erst mit dem leichten Wind auf uns zu. Soweit ja noch gut, dann sprang der Wind innerhalb von 2 Minuten auf die entgegengesetzte Richtung um, wurde stärker und böig. Jetzt begann auch das Gewitter schneller zu ziehen, Modelle in Sicherheit gebracht und ab in´s Auto. Das Gewitter zog dann nicht direkt über uns, wir bekamen nur den Rand ab, hat aber schon gereicht. Der Wind drehte in dieser halben Stunde mehrmals komplett herum. Als das Gewitter scheinbar abzog, war es eine Viertelstunde lang windstill, dann schien es, als wolle der Wind das Gewitter von uns weg treiben. Pustekuchen, das kam zurück :eek: schnell alles eingepackt und dann zog´s auch schon direkt über den Platz. Und wir zogen ab, es war bannig kalt geworden.

Das hat mich an die alte Bauernweisheit erinnert, daß Gewitter immer gegen den Wind ziehen.
 
Also ich habe es so in Erinnerung bzw aus der manntragenden Fliegerei kenne ich es aus Erfahrung:

Eine Gewitter schiebt eine gewisse Walze vor sich her, das bedeutet, dass der Wind deutlich zunimmt und vom Gewitter wegströhmt.

Da ja ein Gewitter ein enormes Steigen hat, brauch es auch genug Luft, die irgendwo herkommt. Somit dreht sich in Gewitternähe der Wind immer auf das Gewitter zu, da es sich aus allen Richtungen die Bodenluft ansaugt.
 
Gute Erklärung, Max, danke. Ist für mich logisch und nachvollziehbar.
 
... und vom Gewitter wegströmt...
... der Wind immer auf das Gewitter zu...

hmm.

Bei Fronten und grossen Gewitterzellen gibt es an der Vorderkante die squall line, heftige Fallwinde. Wenn die einen erwischen: heftig, böig, wechselnde Windrichtungen.

Wir sassen jedoch ca. 3km entfernt von der blitzenden, donnernden dunklen Wolke im Osten, alles im gesamten (grossen) Blickfeld zog deutlich von Süden nach Norden, nur bei uns war gleichmässiger über Stunden anhaltender heftiger Nordwind. Wie erwähnt wuchsen die Gewitterwolken ca. 10km weiter südlichöstlich am Fuss der Berge (Nordkante Po-Ebene) nach und wurden dann vom Südwind in die Alpen nach Norden getrieben.

Bertram
 

tulura

User
... es kommt auch auf den Zeitpunkt an, grob gesagt, beim typischen CB (cumuls nimbus = "Gewitter"):
Aufbaustadium => starker, böhiger Wind aus allen Richtungen IN den CB (saugt quasi alles an)
Beim Durchgang schiebt das CB eine Böhenwalze vor sich her
Gewitter => Turbolenzen
Abbaustadium => mittlerer, konstanter Wind AUS dem CB in alle Richtungen (fällt zusammen)

Diese Effekte können natürlich von topographischen Gegebenheiten beeinflusst werden, sprich der Wind wird "umgeleitet".

Tulura
 

frido_

User
Guten Morgen all

Bertram Radelow schrieb:
(@Bushpilot: bei Dir natürlich im Uhrzeigersinn)

Durch die Corioliskraft überregional ja.
Da die Flächen und Bewegungen in Relation zur drehenden Kugel horizontal eine andere ist
als bei einer Gewitterzelle.
Diese ist ja sehr klein gegenüber einem Tief- bzw. Hochdruckgebiet.
Lokalmäßig können solche kleinst Hoch- oder Tiefdruckgebietchen :D auch schonmal anders herum initiiert werden.
Selber schon beobachtet vom kleinen "Windteufelchen" über dem Acker bis zu Windhosen.
Mal links- oder rechtsherum bei gleicher Zugrichtung.
Zu beobachten bei scheinbar ruhigem Wasser in der Badewanne beim Stöpselziehen.:)
Ist die kleinste Bewegung z. B.: rechtsrum so ist dies der Initiator.

Lokale Änderung der Windrichtung:
Lokal kann es imho schonmal ein anderes Bild der Windrichtung ergeben.
Wie hier beim "eingreifen" einer Gewitterzelle auch über Stunden.

Komplexe Grüße
Frido
 

Merlin

User
Nicht nur durch Gewitter

Nicht nur durch Gewitter

Das Phänomen der sich ändernden Windrichtung hast Du in reduzierter Form auch bei jeder Thermik.
Auch die Thermik saugt unten Luft an und verändert damit den aktuellen Windvektor in Richtung und Stärke.

Gut beschrieben von Joe Wurts : http://www.houstonhawks.org/Docs/joewurtslecture.pdf

Übrigens ist das einer der Fälle, in dem man die Vektorechnung aus der Schulzeit praktisch anwenden kann! :D

Bernd
 
segelflieger faustregel

segelflieger faustregel

Eine alte Segelflieger Faustregel lautet:

Kommt ein Gewitter auf, gibts nen Windsprung um etwa 90 Grad nach rechts.

Ich vermute, das hängt mit der Böenwalze und der Corioliskraft zusammen. Ich konnte das auch schon öfter beobachten.

LG Marc
 
Das konnten wir beim manntragenden Segelfliegen auch öfters beobachten, da man regelmäßig den Windsack im Auge behält. Kam eine Gewitterzelle angezogen, wurde der Wind schwächer. Der Sack hing irgendwann leblos am Mast, um dann einige Minuten später, in Richtung Gewitter zu zeigen. Mir wurde das damals auch mit dem Ansaugen der Zelle erklärt. Klang für mich logisch ;)

Gruß
Christian
 

Relaxr

User
Ja - auch bei uns am Platz ist kürzlich ein Gewitter gegen den Wind auf uns zugezogen. Offenbar saugt das Gewitter Luft an oder die Walze saugt Wind ab....wie auch immer. Ich fand das auch erstaunlich, zumal meine Theorie war, dass das Gewitter wegen dem Wind ja wegziehen muss...Pustekuchen. Die nächste 1/2 h saßen wir bei Regen unterm dach vom Vereinshaus und warteten :cool:
 
Ansicht hell / dunkel umschalten
Oben Unten