Was macht Kunststofftragflächen stabil?

Wenn ich die Kunststofftragflächen von modernen F3J- oder F3B-Seglern mit den Holztragflächen von anno dazumal vergleiche, fällt besonders der enorme Festigkeitunterschied auf. Powerhochstarts mit Seglern der 70er Jahre, z. B. einem Graupner Cirrus oder einem Multiplex Alpha, an einer F3B-Winde wären undenkbar.

Aber was macht die Faserverbund-Tragflächen so biege- und bruchfest? Ist es der Holm oder die Schale? Natürlich trägt genaugenommen beides zur Biegesteifigkeit bei. Aber wie hoch sind wohl die relativen Anteile?

Gruß
Gerald
 

Dennis Schulte Renger

Vereinsmitglied
Hi!

Man kann letztendlich sagen, dass fast ausschließlich der Holm die Biegekräfte aufnimmt.

Fasern können nur Kräfte in Richtung ihrer Fasern aufnehmen.

Im Holm liegen die Fasern in Spannweitenrichtung. Diese nehmen die Biegekräfte auf.

In der Schale liegen die Fasern aber Sinnigerweise in einem winkel von +-45 Grad. Diese Ausrichtung ist dazu da, um die Torsionskräfte aufzunehmen.

Das sind auch die beiden Belastungsarten, die hauptsächlich in einem Flügel auftreten. Torsion und Biegung.

Holm nimmt die Biegekräfte auf (kann aber keine Torsion aufnehmen) und die Schale nimmt die Torsion auf (kann aber keine Biegung)
 
Hallo,

um im Bilde zu bleiben: Ich könnte also eine Alpha-Rippentragfläche mit relativ wenig Aufwand genauso biegesteif bauen wie die eines modernen F3J-Modells? Statt Kiefernleisten für den Holm zu verwenden müsste ich nur einfach den Holmaufbau z. B. eines Pike kopieren?

Gruß
Gerald
 
Hallo Gerald,
den Holm hättest Du dann, die 45°-Lagen machst mit geodätisch angeordneten Rippen, und dann noch ein Beplankungssperrholz drauf.
Die erreichbare Festigkeit ist nicht der einzige Vorteil von Bauweisen aus Formen. Es ist die Arbeit von der Finishseite her zur " unschönen " Seite, die anders eher unerreichbare Genauigkeit ( stimmt die CNC-gefräste Form, so kann man sie nur noch abformen, nicht verbauen und verschleifen, ok, können kann man schon) und die Reproduzierbarkeit.
 
Hallo Uli,

da gebe ich dir vollkommen Recht. Das Finish, die Genauigkeit und die Reproduzierbarkeit von Tragflächen aus der Laminierform sind kaum zu toppen. Da wird man mit der konventionellen Bauweise sicherlich nicht herankommen.

Aber vielleicht wäre es ja möglich, in mit der konventionellen Bauweise bei gleichem Gewicht die gleiche Festigkeit wie mit der Vollkunststoffbauweise zu erzielen. Ich dachte da an eine Rippentragfläche, die komplett mit 1,5 mm starkem Balsa beplankt wird. Der Holm wird mit Hilfe von Kohlefaserrovings hergestellt, ganz so wie bei den Fertigmodellen. Damit die Ruderklappen verzugssteif werden, könnte man de Beplankung in diesem Bereich mit 45°-Gewebe unterlegen.

Könnte das funktionieren?

Gruß
Gerald
 

Merlin

User
Hallo Gerald,

wenn Du mal bei dem Amerikanern in rcgroups oder Drela schaust, dann machen die genau das. Rippenflächen mit einem Vollgasfesten Holm... hat was!

Gruss
Bernd
 

CG-Willi

User
Hallo Gerald,

ich denke nicht das man mit konventioneller Bauweise gleich leicht und gleich fest bauen kann, denn bei einem Schalenflügel liegen der Holm normalerweise fast ganz außen unter der Decklage des Gewebes. Wie bereits mehrfach geschrieben geht die Bauhöhe des Holmes quadratisch in die Festigkeit ein. Auch liegt das Gewebe der Schale ganz "außen", d.h. optimal für die Torsionsfestigkeit. Wenn man nun eine Sandwitchfläche genauso fest bauen möchte muss man einen schwereren Holm bauen und auch mehr Gewebelagen unter der Beplankung vorsehen.
Nicht falsch verstehen, ich habe Flieger in Schalen- und in Sandwitchbauweise, jede Bauweise hat Ihre vor und Nachteile. Jedoch bietet nur die Voll GFK/ CFK Bauweise ein Optimum aus Gewicht und Festigkeit. Jedoch ist die Druckfestigkeit mancher Schalenflächen einer Styro/ Abachifläche unterlegen.
Was auch eine gutes Verhältnis von Gewicht und Festigkeit liefert ist eine Carbon D-Box wie es z.B. der Zenith Evolution von CHK besitzt. Ist jedoch auch nicht so einfach zu bauen.

Gruss
Claus
 
Hallo Claus,

an eine Sandwichtragfläche (z. B. Styro/Abachi) dachte ich eigentlich gar nicht; denn ich befüchte, dass das viele Styropor das Gewicht tatsächlich merklich erhöhen würde. Deshalb sollten lieber Balsarippen das Profil bilden.

Bei dieser Bauweise halte ich es durchaus für möglich, den Holm so hoch zu bauen, wie es das Profil erlaubt. Die Balsabeplankung würde nicht über die Holmgurte hinausgehen, sondern vorn und hinten dagegen stoßen.

Wegen der Torsionsfestigkeit mache ich mir bei Vollbeplankung eigentlich keine Sorgen. Zwar liegt die Holzmaserung der Beplankung nicht unbedingt günstig, aber die Rippen dürften einen stabilisierenden Effekt bringen, was ein Vorteil gegenüber einer unverrippten Schale einer Vollkunststofftragfläche wäre. Ich glaub, dass man, außer bei den Rudern, kein zusätzliches Gewebe unterlegen müsste.

Gruß
Gerald
 
"was ein Vorteil gegenüber einer unverrippten Schale einer Vollkunststofftragfläche wäre"

Viele (High End) Schalenflieger haben mittlerweile Rippen vor dem Holm und hinter dem Holm in der Nähe der/des Servos.

Zu Deiner Bauidee:
Ideal:
Holm bei t/4
Holm bei maximaler Profilhöhe
alle Gurte werden möglichst großflächig um den Punkt der größten Profilhöhe verteilt
alle Gurte werden durch den Holmsteg abgestützt
Beplankung auf Stoß zum Holm

??? Wie sieht die Verbindung Rippen - Holm aus???
Den Steg solltest Du idealerweise nicht durch Rippen unterbrechen!!! Bei hoher Belastung wird diese Sollbruchstelle dann dem Holm zur Verhängnis. Schaffst Du es nicht die D-Box vernünftig mit dem Holm zu verbinden, nimmt Deine D-Box eine andere Flugbahn als der restliche Flügel, dann ohne Box, ein.

@CG-Willi: dito.

Gruß
Jörn

Schönen Dank für die DVD, habe mich am Sonntagabend daran aufgewärmt.
 
Danke allen für die vielen Tipps und Links. Auf den Fotos kann man sehr gut den Holmaufbau erkennen. Jetzt ist auch meine anfangs gestellte Frage beantwortet: Der Holm nimmt, laut Alexander Schleicher, ca. 90% der Biegebelastung auf.

Wie stellt man denn am besten die Holmgurte her? Gibt es da bereits fertige CFK-Leisten, oder muss man die aus Rovings in einer Form selbst laminieren? Was sind gängige Gurtquerschnitte bei F3J-Seglern mit ca. 3,4 m Spannweite?

@Jörn: Meinst du, dass die Holmbelastbarkeit tatsächlich merklich leidet, wenn der Holm durch nur 2mm starke Balsarippen unterbrochen wird? In solch einen schmalen Spalt kann der Holm doch eigentlich nicht hineinbiegen.

Gruß
Gerald
 
Weyershausen schrieb:
Wie stellt man denn am besten die Holmgurte her? Gibt es da bereits fertige CFK-Leisten, oder muss man die aus Rovings in einer Form selbst laminieren? Was sind gängige Gurtquerschnitte bei F3J-Seglern mit ca. 3,4 m Spannweite?

Gerald,

schau mal auf der Seite von David nach. Er beschreibt wie er CFK Holme für eine Supra baut, ich denke, dass du da was abschauen kannst.
http://mitglied.lycos.de/habib0815/photoalbum1.html

Falls du mal einen Holm nachrechen willst gibt es hier ein tolles Programm:
http://www.cb-roter-baron.de/Holmberechnung Stand 11-2003.zip

Als Belastungsfall würde ich eine Kraft von grösser 1000N (100kg) nehmen! Die Dimension des Holms und des Holmstegs ist natürlich von der Profildicke (Höhe des Holms) und Breite u.a. abhänging. So kannst du beliebige Holme auslegen....

Gruss

Reto
 
Moin Gerald,

Holmbau: schau 'mal hier bei Siggi unter Design Holmbau http://aerodesign.de/
Gurte: Rovings tränken, ablängen und naß-in-naß mit dem Steg in einer Form mit Stempel verbinden ist mit geringem Aufwand/Kosten möglich (s.o.). Gilt auch für UD-Gewebe und Gelege.
Alternative: Prepregs. In der letzten und vorletzten Aufwind war der Bericht über ein GfK-Eigenbauprojekt. Extension oder so. Dort stand auch eine Adresse für den Bezug von Gurten drin (Reinhard Vallant). Ich habe noch nicht damit gebaut, weiß aber, daß in Sunburn, Pacemaker und diversen anderen Eigenbauten diese Gurte Verwendung finden. Geniale Dinger aus dem bemannten Zeppelinbau. Definiert getränkt und getempert... Übrigens: mein am Sonntag eingesetzter Starlight 2000 fliegt dieses Material im Mittelteil spazieren. ;)

Unterbrechung des Steges (z.B. Balsa senkrecht) durch Rippen (Balsa waagerecht), Inhomogenität Balsa senkrecht - waagerecht: ja. Es ist eine Schwächung und wenn man konsequent baut, also hart UND leicht, sollte man die vermeiden. Andererseits müßte die Rovinganzahl mit einen höheren Sicherheitsfaktor gerechnet werden und Rovings sind schwerer als Balsa. Aber vielleicht ist das alles sehr akademisch und in der Praxis nur von untergeordneter Bedeutung.

In unserem Eigenbaumittelteil (MH32, 1200mm, ti240 - ta233) liegen 29 - 13 NF24 (oben und die gleiche Anzahl unten). In der Mitte 240mm lang, dann immer +60mm. Außenflügel (760mm) 13 - 2. Die Holme sind symmetrisch aufgebaut. Ist nicht konsequent aber bequem.

Gruß
Jörn
 

Arne

User
Die Holme sind symmetrisch aufgebaut. Ist nicht konsequent aber bequem.

Hi Jörn,
ich wollte gerade schon ansetzen, erst konsequenter Leichtbau und so, dann aber syymetrische Gurtbelegungen bauen ;)
Aber gegen das Argument Bequemlichkeit gibt es einfach keine Einwände, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen :)
Und wech,

Gruß Arne
 
Hi Arne,
Du hier? Naja, Du weißt ja, wie ich baue. Ich denke, daß die Anzahl der Gurte auf der Oberseite für F3J so eben ausreicht ;) , werde aber beim nächsten Mittelteil bestehende Risiken mit etwas auf die obere Außenlage gesaugtem UD minimieren :) .

Gerald hat die Nachforschungen über Wettbewerbsmodelle angeregt. Welche Baugruppen tragen wie ausgeführt zu welchem Erfolg bei, unter weitestgehender Berücksichtigung traditioneller Techniken (= kein Bau einer Negativform für einen Schalenflügel). Jetzt sind wir schon fast bei Bautechniken, die ohne Saugerei bald nicht mehr vernünftig funktionieren. Mal sehen, wie es weitergeht...

Jörn
 
Hallo,

habe ich das jetzt richtig verstanden? Wenn man es besonders gut machen möchte, sollte man den oberen Holmgurt stärker ausführen als den unteren? Und um vielviel Prozent?

Machen die kommerziellen Hersteller von hochwertigen F3J-Modellen das ebenso?

Gruß
Gerald
 

Dennis Schulte Renger

Vereinsmitglied
Hi!

Ja, um optimal leicht zu bauen, sollte der Obergurt mehr Rovings enthalten als der Untergurt.

Der Gurt oben wird ja beim Abfangen auf Druck belastet. Und der Gurt unten auf Zug.

Da Rovings höher auf Zug belastet werden können, als auf Druck, ist es eben logisch, dass eine auf Gewicht ausgelegte Bauweise, unten entsprechend weniger Rovings haben.

Wieviel Prozent das sind, und welche Hersteller das so machen, kann ich dir nicht sagen.
 
Stegmaterial

Stegmaterial

Hallo,

Dieter Pfefferkorn schreibt in seinem Buch "Simplex", dass er für den oberen Gurt seiner F3B-Konstruktion 32 Rovings verwendet und für den unteren 29. Die Längen der Rovings sind entsprechend gestaffelt. Ich denke, dass das schon ein guter Anhaltspunkt für eine Eigenkonstruktion wäre.

Was ich noch nicht so ganz verstehe: Warum wird ausgerechnet Schaumstoff so häufig als Stegmaterial eingesetzt? Wäre nicht Balsaholz erheblich druckfester? Sowohl das eine wie auch das andere Material lässt sich ja noch mit Glasgewebe +-45° verstärken.

Gruß
Gerald
 
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