BUGATTI 100 - Holz-Renner im Eigenbau

Guten Tag allerseits,
nachdem wir lernen mussten, dass einmal im Inetz vorhandene Daten durchaus auch mal verschwinden können, starte ich hier nun einen neuen Versuch, diesen Vogel der Nachwelt zu erhalten. Wer das Ding schon kennt, wird das vielleicht als Wiederholung empfinden, den anderen wünsche ich viel Spaß beim Baubericht!

Damit wir sehen, worum es hier geht, kommt hier zunächst ein Bild des fertigen Fliegers: f14t901p7290n13.jpg
 
Ich gebe zu, dass das Flugbild am Anfang etwas die Spannung rausnimmt, aber immerhin hat sich der Bau ja schon Ende 2012 zugetragen, und da wäre eine künstliche Geheimnistuerei eher fehl am Platz.

Das Original entstand Ende der 1930er Jahre und sollte den Geschwindigkeits-Weltrekord nach Frankreich holen. Da war sicher auch ein Schuss Patriotismus dabei, denn jenseits des Rheins überboten sich Heinkel und Messerschmitt quasi im Wochentakt mit immer neuen Fabelwerten jenseits der 700km/h.
Namensgeber Ettore Bugatti gab einem Belgier namens Louis de Monge freie Hand und ein weißes Blatt Papier. Der ließ seine gesammelten Erkenntnisse einfließen und haute ein Ding raus, das die Welt noch nicht gesehen hatte.
Gut acht Meter Spannweite, vorwärts gepfeilte Flächen und zwei Bugatti-Reihenachtzylinder Typ 50B, die über zwei Fernwellen gegenläufige Koaxial-Holzprops antrieben. Die installierte Leistung von 2x 450PS war zwar nicht wenig, ob es aber gegen die mehr als doppelt so starke Konkurrenz gereicht hätte - wer weiss...
Jedenfalls stand der Erstflug kurz bevor, als deutsche Truppen in Paris ankamen, und der fast fertige Renner wurde in Ettores Anwesen nahe Paris versteckt. Da lag er dann, und nach Bugattis Tod 1949 geriet er in Vergessenheit. Ende der 60er wiederentdeckt, begann eine Odyssee nach USA, wo das Original heute in Oshkosh im EAA Museum steht. Allerdings ohne Motoren.
 
Kurzum: das Original ist nie geflogen, und lange sah es so aus, als ob dieser Entwurf manntragend nie zeigen dürfte, ob er auch funktioniert. Das soll sich bald ändern, denn in Tulsa/Oklahoma entsteht zur Zeit eine genaue Replica, deren Erstflug wohl nur noch ein paar Monate entfernt ist.

Als Modell gab es in der Vergangenheit einige Nachbauten, die aber meines Wissens alle mehr oder weniger eklatant von de Monges Entwurf abweichen: da werden mutwillig Leitwerke vergrössert, die Flächentiefe erhöht etc. Alles mit der Begründung, dies sei zur Anpassung an Modellbauverhältnisse erforderlich.
Einen Plan für die Bugatti mit 800mm Spannweite hatte ich schon lange gezeichnet und in der Schublade.f24t666p5381n2.jpg
 
Richtig Rainer, die Jungs meinte ich oben.

Mein Plan übernimmt die Geometrie von de Monges Entwurf, also Flächeninhalte, Hebelarme, Zuspitzung und Anordnung der Leitwerke, alles 1:1 übernommen. Von vorn herein War klar, dass meine kein Fahrwerk bekommt. Schon beim Original liegt der SP kurz hinter der Nasenleiste. Beim Modell sogar noch davor, so dass jede Bodenaktivität zum Eiertanz wird. Also weg damit! Und um das Modell ordentlich werfen zu können, sind die Flächen bei meiner leicht nach oben gewandert, so entsteht ein gescheites Packende.
Ihr seht also, hier entsteht kein Scale Modell, sondern ein alltagstaugliches Gebrauchsteil, das diese einmalige Silhouette an den Himmel bringen soll. Das gilt auch für den Koaxprop, den ich ganz bewusst nicht vorgesehen habe.
 

Sushi

User
Ein tolles Modell! Mal was Anderes. Und dann diese Budget- und Kofferraumfreundliche Größe! Da sollte sich doch der Antrieb vom Taschenflitzer anbieten...
Ich bin sehr gespannt, wies weitergeht! Danke für den Baubericht!
LG, Björn
 
Die für das Modell gewählte Bauweise ist übrigens nah am Original: das bestand nämlich auch aus Sperrholz und Balsa, besonders am Rumpf zur Formgebung.
Also los gehts!
Wegen des vorhandenen Antriebs (20g Aussenläufer mit 2500/min/V) habe ich den Plan mit 600mm Spannweite ausgedrückt und erstmal richtig zusammengeklebt:
f24t666p5387n2.jpg

Profil wird ein NACA0009, die Fläche entsteht als Vollschale ohne Holm und wird fest mit dem Rumpf verklebt. Der wiederum ist ein klassischer Kasten mit Turtle Deck, also einer grossen abnehmbaren Haube für guten Zugang nach innen.
Erstmal Holz kaufen:
f24t666p5384n2.jpg

Wer glaubt, selbst bauen sei billig, der irrt: der gezeigte Haufen für diesen Winzflieger kostet um die 20 Öcken...
 
Zuerst 1mm Brettchen für die Flächenober- und -unterschale zusammenkleben und zuschneiden...
IMAG0783.jpg

...und dann die Position der Rippen anzeichnen...
IMAG0784.jpg

Der Aufbau erfolgt auf der Oberseite liegend. Dadurch ergibt sich später eine leicht positive V-Form, weil sich das Profil zu den Randbögen hin verjüngt.
 
Hier sieht man die Papierschablonen für die Rippen.
Die sind schon auf 1mm Balsa übertragen und müssen als nächstes ausgeschnitten werden.
Diese Methode nennt man "Steinzeit CNC".
IMAG0788.jpg

Und so sieht das aus, wenn die Rippen ausgeschnitten und die Endleisten abgelängt sind:
IMAG0790.jpg
 
Jetzt ist die Fläche soweit gebracht, dass die obere Beplankung (die ja eigentlich die untere ist) als nächstes drauf kann.
Die Balsastreifen, die da auf dem Plan pappen, bringen die Fläche in eine definierte Verwindung, so dass aussen weniger Anstellwinkel ist, als an der Wurzel.

In das "Fach" in der Mitte kommt später das QR Servo.
IMAG0792.jpg
 

calamity joe

User gesperrt
Tolles Vorbild, kenne die Story und die Infos zu den Jungs, die das Original kopierten. Allein der Anblick ist schon eine Schau. Was den unglücklichen Verlauf des originären Vorhabens betrifft, reiht er sich in etliche andere zu jener Zeit, nicht zuletzt auch in den Reihen der Invasoren.

Werde Deinen "Fred" aufmerksam mit lesen, denn ich finde das spannend. Danke Dir für den Hinweis, daß es in USA eine Truppe gibt, die an einer Replik arbeitet - wenn Du einen Link dazu hast, würde mich das freuen, denn das interessiert mich brennend. Gewagt wirkende Konstruktionen wurden schon immer kontrovers diskutiert - so auch diese. Mit der Replik wird sich zeigen, ob es funktioniert resp. wie gut. Man darf gespannt sein, ich jedenfalls bin es.

Mir spukt der Gedanke an dieses Objekt schon eine Weile durch den Kopf, aber wie vielen von uns, fehlt es mir oft an Gelegenheit, es wirklich anzugehen und offfen gestanden, muß und möchte ich mir auch erst mal Sporen mit Grundlagen im E-Motormodellflug aneignen. Im Bauen habe ich sie, im Großsegler-Modellflug auch, aber zu lange pausiert. Daher muß ich beim Fliegen ein paar Schritte zurück machen, um wieder up-to-date zu werden. Beim Bau habe ich nichts verlernt, das klappt. Nur die Depron-Schiene kenne ich noch nicht, bin aber Holzwurm und werde es (weitgehend) bleiben.

Soviel zu mir, zurück zu Deinem tollen Projekt. Aus Neugierde möchte ich ein paar Fragen stellen:

Die von Dir geplante Motorisierung wird sicher ok sein, sehe Dich als erfahrenen Modellbauer und -flieger (auch wenn ich darüber noch nichts weiß), so wie Du es angehst. Die Motorisierung und Modellgröße unter 1m Spannweite (mit den sich daraus ergeben Konsequenzen zB hinsichtlich Masse und Hebelarme) sehe ich als Grund dafür, daß Du ohne Holm bauen willst - halte es aber für riskant. Diese Bauweise ist bei DogFightern üblich, so betrachtet, sehe ich vielleicht unnötig weiße Mäuse. Also: warum ohne Holm? Und wie war Deine Erfahrung damit, auch auf Dauer?

Das Höhersetzen der TF finde ich schade, denn dadurch geht dem Modell zwar nicht der Charackter verloren, aber es entspricht nicht mehr dem, was das Original werden sollte - ein flotter Tiefdecker. Der mutiert hiermit zum Mitteldecker - klar, kann man machen und die Gründe hast Du geschildert. Ließ sich das nicht durch zwei Eingrifflöcher im Rumpfboden lösen, ohne die Änderung der TF-Position?

Das Weglassen des FW sehe ich nicht als fraglich, denn den Zweck hast Du klar beschrieben und ich sehe das auch am Original als Schwachstelle, noch dazu spielt es im Flugbild keine Rolle, da eingezogen; d.h. (optisch) nicht existent. Bei einem Modell dieser Größe ein EZFW zu verbauen, wäre nicht nur fragwürdiger Ballast und ebensolche Mechanik, sondern auch ein nicht unerheblicher Kostenfaktor und bei Pistenstart von der Grasbahn sicher problematisches Unterfangen. Wie hast Du das Modell vor Schrammen am Rumpfboden durch Landungskontakt geschützt?

Die Lösung eines E-Antriebs mit gegenläufigen Wellen beschäftigt mich auch schon eine Weile. Nach meiner Kenntnis gibt es einige, die sich daran versuchen, ua in der F3A Szene und von Axi ein Doppel-BL Muster, wobei ich nicht sicher bin, ob hier beide Wellen getrennt voneinander geführt sind oder beide BL auf eine Welle wirken.

Mich juckt es geradezu in den Fingern, es mit dem Teil iregndwann auch zu versuchen, deswegen schaue ich gespannt zu, was bei Dir dabei heraus kam resp. wie Du weshalb gebaut hast usw. und drücke Dir auf jeden Fall auch für die Zukunft mit dem Modell ganz fest beide Daumen!
 
Hallo Joe,
den Link hat Rainer weiter oben schon gebracht. Scotty und seine Mittäter können auch auf Facebook verfolgt werden, sogar ohne selbst bei FB angemeldet zu sein.

Tja, die Bauweise ohne Holm. Wer es noch nicht selbst ausprobiert hat, glaubt für immer, dass es ohne Holm nicht geht. Fakt ist, dass noch keins meiner Modelle mit dieser Bauweise ohne Bodenkontakt zu Bruch gegangen ist. Nicht mal der 1,86m E-Segler, dessen Flächen genau wie bei den anderen aus 1mm Balsa bestehen. Deshalb wiegt der auch nur knapp 800g.
So eine Vollschale kann schon was. Unter 1m Spannweite würde ich das jederzeit so bauen (hab ich auch;))

Zur Position der Flächen:
Wie oben gesagt, soll das hier KEIN Scale Modell werden. Und in der Luft siehst du absolut nix davon - nicht bei 100 Sachen in 2m Höhe.
 
Weiter mit der Fläche:
Fertig beplankt! Hat perfekt geklappt, die Fläche liegt super gerade.
Jetzt nicht ungeduldig werden: die Rippen sind mit Weissleim geklebt, also erstmal fest werden lassen.
IMAG0793.jpgIMAG0794.jpg
 
Boah, die Fläche aus 1mm Balsa ist bocksteif wie ein Bumerang!
Die Nasenleiste ist auch schon verschliffen. Das ganze wiegt bis jetzt 28g.
IMAG0802.jpgf24t666p5492n3.jpg
 
Weiter geht's.
Endleiste/Querruder:
IMAG0808.jpg

Das ganze ist ziemlich anspruchsvoll, weil an dieser Fläche wirklich ALLES in alle Richtungen konisch ist. Da muss man schon aufpassen, um nicht zwei linke Querruder zu schnippeln

Jetzt kommt aber das beste: die Randbögen, die der Bugatti-Fläche ihre charakteristisch Form geben. Die entstehen wieder aus Balsa-Sperrholz 3/1/3mm.
IMAG0811.jpg

An die Fläche pappen...
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...und verschleifen. Holz ist einfach DER Werkstoff!
IMAG0819.jpgIMAG0815.jpg
 
Damit ist die Fläche fertig. Das kleine rote Geschoss, das da als Grössenvergleich dient, kennt der eine oder andere vielleicht noch aus der Verbandspostille. Es fliegt trotz nur 460mm Spannweite einwandfrei, War aber ganz einfach ZU klein geraten.
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Bugatti 100

Bugatti 100

Hallo Holger,

interessantes Projekt.Hab vor ein paar Jahren mal in Oshkosh das Original fotografiert,leider nur den Cockpitbereich.

Gruß
ThomasP1010766a.JPG
 
Hi Thomas,
schönes Bild! Mittlerweile steht sie mit ausgefahren Fahrwerk in der Ausstellung. Ohne Räder sieht sie besser aus...
 
Und los geht's mit dem Rumpf.
Seitenteile aufzeichnen...
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...ausschneiden und erste Anprobe...
IMAG0827.jpg

...Dreikantleisten dranzacken...
f24t666p5548n4.jpg

...Spanten aussägen...
IMAG0834.jpg

...und alles zusammenkleben mit nächster Anprobe.
IMAG0837.jpg
 
Es geht voran. Wenn man genug Holzschichten übereinanderklebt, kann man hinterher ordentlich verrunden!
IMAG0846.jpgIMAG0843.jpgIMAG0845.jpgIMAG0842.jpg
 
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