Die Micro-Magic fliegt nach Mallorca
Da war er wieder. Mein Alptraum. Wie oft hatte ich ihn schon erlebt? Bestimmt würde ich gleich aufwachen. Ganz bestimmt!
„Was befindet sich in Ihrem Koffer?“ Das Fließband des Durchleuchtungsgerätes stoppte. Der Sicherheitsbeamte setzte ein strenges, bedenkliches Gesicht auf. Ich starrte meinen mich hoffentlich liebenden Ehemann entsetzt an. Was hatte er eingepackt, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen? Was sollten denn die Leute denken, wenn der Koffer womöglich gefährliche Gegenstände enthielt? Wie peinlich. Und diese Warteschlange hinter uns!
„Kommen Sie bitte mit!“ Mein Ehemann ergriff sein Gepäck, ging mit dem Beamten über den langen Flur und verschwand in einem der vielen Räume. Ich schaute ihnen nach. Plötzlich blieb das Band mit meinem Koffer ebenfalls abrupt stehen. Ich sah die Dame vor dem Scanner erschrocken an.
„Welche Sprays führen Sie mit sich?“ Die Frau am Bildschirm, die die Innereien der Gepäckstücke genau untersuchte, blickte mich an. Ich wiederum starrte interessiert auf den Bildschirm. Tatsächlich befanden sich sehr merkwürdig aussehende Dinge in meinem Koffer. Ob die Spitzen der Unterwäsche wohl zu erkennen waren?
„Zwei Dosen Haarspray, eine Dose Körperspray, Sonnenschutz, Faltencreme ...“ Ich stockte, weil mir nichts mehr einfiel.
„Da ist noch eine weitere Spraydose.“
Ich überlegte angestrengt. „Ach ja, das ist Fußdeodorant für meinen mich hoffentlich liebenden Ehemann.“ Am liebsten wäre ich im Erdboden des Flughafens versunken. Die wartenden Passagiere musterten mich mitleidig. Mussten sie denn so öffentlich darüber Auskunft erhalten, dass ich Deo für Füße mitnahm? Wie peinlich – fällt das eigentlich nicht unter das Datenschutzgesetz?
„Okay.“ Die Bedienstete grinste. Mit energischem Schwung beförderte ich meinen Koffer vom Fließband auf den Rollwagen und stieß dabei einer hämisch grinsenden, hellblond gefärbten Hyäne mit dem Ellenbogen in den Bauch. Süffisant lächelte ich sie entschuldigend an. Ihr Gesichtsausdruck gefror. Das war auch gut so, sonst wäre der übermäßige Putz, der sich auf ihrer Haut befand, wahrscheinlich abgebröckelt.
Ich schob den Rollwagen ein Stück vor. ‚Wo blieb mein mich hoffentlich liebender Ehemann? Ob sie ihn verhaftet hatten? Womöglich würden wir das Flugzeug verpassen. Und nur wegen dieser blöden Geräte in seinem Gepäck.’
Ich zündete mir eine Zigarette an. „Rauchen ist hier verboten.“ Erschrocken trat ich die Zigarette aus. Sämtliche Koffer der Mitreisenden liefen anstandslos über das Band, einer nach dem anderen checkte ein, nur ich stand vor dem Schalter wie bestellt und nicht abgeholt. ‚Weshalb waren wir überhaupt so früh zum Flughafen gefahren? Um zuzusehen, wie die anderen Reisenden ohne Probleme die Kontrollen passierten?’ Ich war sauer und überlegte, ob ich nicht einfach allein reisen sollte. Was interessierte mich dieser kindische Krimskrams, den mein Ehemann mitschleppte? Ich brauchte Urlaub und am besten ohne Kind und Spielzeug. Energisch schob ich den Wagen vorwärts und stellte mich in die Warteschlange.
„Alles klar.“ Mein mich hoffentlich liebender Ehemann wuchtete seine Reisetasche auf den Wagen.
„Ach, bist du auch schon da!“, stellte ich spitz fest. „Was wollten die denn von dir?“
„Nichts Schlimmes“, versuchte er mich zu beruhigen. „Sie konnten mit dem Batterieladegerät nichts anfangen. Sie haben es in einen Durchleuchtungsapparat gesteckt und nachgeschaut, ob darin Sprengstoff ist. Weiß du, so etwas Ähnliches wie ein Staubsauger ist das. Jetzt sind wenigsten die Ritzen sauber.“ Er grinste.
„Ach ja? Und? War Sprengstoff drin?“
Tödliche Blicke trafen mich. „Natürlich nicht. Spinnst du jetzt schon?“
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Für mich sieht dieses Gerät sehr gefährlich aus. Besonders dann, wenn du es einschaltetest und es anfängt zu rauschen. Du weißt genau, wie oft es mich stört, wenn es nachts wie eine Turbine los bläst. Und da willst du mir erzählen, es lädt Batterien? Das Ding macht so einen Lärm, dass es für die Stromversorgung ei*ner Großstadt reicht.“ Ich schob den Gepäckwagen einen gewaltigen Ruck vorwärts.
„Aua!“
„’tschuldigung!“ Ich sah schuldbewusst drein. Der alte Herr vor mir rieb sich die Ferse. Sollte er doch. Irgendjemand musste eben leiden.
Mein mich hoffentlich liebender Ehemann stellte unser Gepäck auf die Waage. Knapp vierzig Kilo, registrierte ich kurz, und dass, obwohl ich für mich kaum Kleidung eingepackt hatte. Ich gab die Tickets und die Pässe ab und nahm mit eingefrorenem Lächeln die Bordkarten in Empfang.
„Sollen wir was trinken gehen?“ Mein mich hoffentlich liebender Ehemann war offensichtlich froh, seine schwere Reisetasche los zu sein.
„Nein, ich will erst durch die Personenkontrolle. Dahinter gibt es sowohl ein Bistro als auch Geschäfte. Da können wir in Ruhe sitzen oder bummeln.“
Ich legte meine Handtasche auf das Fließband und ging durch die Sicherheitskontrolle. Nichts piepste. Wie sollte es auch. Ich war natürlich sauber. Doch, als mein mich liebender Ehemann sein Handgepäck durchleuchten ließ, ertönten von allen Seiten Alarmglocken. Bei mir auch, ich sah nämlich rot!
„Kommen Sie bitte mit.“ Das auch noch! Was hatte er jetzt schon wieder eingepackt?
„Ich reise zukünftig allein“, zischte ich. „Das Theater mache ich nicht mehr mit.“
Mein Ehemann winkte beschwichtigend ab. „Das hatte ich mir gleich gedacht“, sagte er.
„Ach ja?“, fauchte ich.
„Was ist das? Ein Uhrenpendel? Packen Sie mal aus.“ Der Sicherheitsbeamte sah interessiert zu.
„Das ist das Gegenstück zu dem, was Ihr Kollege vorhin bereits geprüft hat“, sagte mein Ehemann stolz. „Der Kiel meines Modellbootes. Er ist mit Blei gefüllt, das muss so sein. Darf ich Ihnen das mal erklären ...?“ Er rollte das zu Hause sorgfältig in diverse Badetücher eingepackte Modellboot aus und führte es dem Beamten vor. Der Kontrolleur nickte wissend, stellte fachkundige Fragen über Funktions*weise und technische Details und gebot freundlich meinem Ehemann nach geraumer Zeit es wieder einzuwickeln. Na, Gott sei Dank. Ich musste nämlich dringend Pipi. Inzwischen wäre ich nicht mehr böse gewesen wäre, wenn sie meinen Ehemann verhaftet hätten, mitsamt seiner Micro-Magic.
Nach einer viertel Stunde hatte mein Ehemann alles wieder sorgfältig verstaut und strahlte.
„Möchtest du nun etwas trinken?“, fragte er aufgeräumt und schlenkerte mit dem Handgepäck glücklich hin und her.
„Wir haben keine Zeit mehr“, knurrte ich. „Sie haben den Flug bereits aufgerufen. Einkaufen kann ich nicht mehr, Kaffee trinken ebenfalls nicht und Pipi muss ich auch. Und das alles wegen dieser blöden Micro-Magic und einem Batterieladegerät für ein Atomkraftwerk. Ich habe Jahresurlaub!“
„Ich und die Micro-Magic auch.“ Er strahlte. Dabei streichelte er zärtlich sein Handgepäck. „Was glaubst du, wie sie sich fühlen wird, wenn sie unter strahlender Sonne auf dem Mittelmeer segeln kann? Das ist ein Erlebnis, sage ich dir. Und was denkst du, was meine Kumpels aus dem Segelforum sagen werden, wenn ich die ersten Bilder per Internet rüberschieße? Vor Neid erblassen werden sie.“
Er sah nicht, wie ich gerade vor Hunger, Durst und Bauchschmerzen erblasste und dabei überlegte, ob es für mich nicht besser wäre, wie ein Segelboot auszusehen und Micro-Magic zu heißen oder besser: Zukünftig allein in den Urlaub zu fliegen.
Copyright Monique Lhoir
Aus dem Buch
Heirate nie...