Hallo Burkhard,
1. Ich bin im Rentenalter und fast 70, möchte und kann nicht mehr wie ein junger Hüpfer im Gelände herumspringen und kilometerlange Märsche machen, um das entflogene Modell wieder einzufangen.
Das spielt nur eine geringe Rolle, denn damit bist Du nicht allein. Der üblichere Weg dazu ist allerdings der "radio assisted free flight" (Google darf man damit nicht belästigen, wirft zuviel unbrauchbares aus). Der Gedanke, daß man ein Freiflugmodell als ebensolches betreibt, mit dem aerodynamischen Wissen von heute, wie asymmetrische Flügel und geeignete Profil(kombinationen). Das Wissen um die Verzüge ist in den Sechzigern entstanden, die Profile stagnierten bis vor wenigen Jahren. Dann gingen die Profile von Brian Eggleston wie ein Donnerhall durch die Szene, die durch einen gezielt hervorgerufenen laminaren Abriß bei "zu hoher" Geschwindigkeit sich vorübergehend in ein erheblich geringer tragendes und besser penetrierendes Profil "verwandelten" und solcherart dem Buntstart zu 20..25m mehr Überhöhung verhalfen, wie es zuvor bestenfalls ein Flapper-Flügel ein wenig erreichen konnte. Mit erheblich höherem Bauaufwand.
Die Steuerung dient nur dazu, daß man eben nicht über die Weidezäune hinter den Fliegern her und den Bauern davonspringen muß, wie man's früher tat. Am meisten in diesem Sinne ist Meister Eders
A2-Fliegen am letzten Septemberwochenende bei Illertissen, woher ich Max Hacklinger, Rudi Lindners Frau (ihn selbst muß ich wohl auch mal gesehen haben, denn er war verbindlich bei Treffen dabeigewesen, die ich auch besucht hatte) und auch etliche der alten Konstruktionen life und in Farbe (und im Maisfeld) kenne. Es ist übrigens ganz interessant, auf dem Schlauphone später seinen Weg durch den Mais zu begutachten, es ist faszinierend, wie sehr sich das eigene Raumverständnis von den GPS-Aufzeichnungen der Maschine unterscheidet.
Dennoch ist für mich der Segelfreiflug der einzige Grund, mich nach 60 Jahren wieder mit der Modellfliegerei zu beschäftigen.
Für mich ist es eine Sparte, die ich sehr interessiert beobachte, da dort Ideen geboren werden, die es außerhalb des Freiflugs nicht gibt.
Deshalb wollte ich dem alten eigene Ideen zufügen. So kam es zu der in Make vorgestellten Steuerung.
Darin sehe ich den Sinn des Modellbaus.
Als ich Deinen Artikel las, dachte ich an den Modellflieger mit einem eher einfachen Holz-Thermiksegler letzten Sommer bei Kempten, der mit einem Raspberry pi, einer Handvoll Lage- und Beschleunigungssensoren, einem Variometer und einem GPS eine autonome Steuerung zu realisieren versuchte. Die seinen Elektromotor beim Erreichen einer gewissen Höhe abschaltete, beim Überschreiten einer höheren Höhe zunächst Saufen sucht, bei Mißerfolg die Störklappen zu Hilfe nimmt. Beim Unterschreiten einer Vorsichtshöhe sucht er seine Startposition auf und fragt über die Telemetriefunktion des Senders um Rat ob Landeanflug oder wieder Motorhilfe gewünscht sei, entscheidet sich bei noch weiter abnehmender Höhe für den Motor ("Fliegen heißt halt Landen" ;-). Dabei fliegt er nur in einem gewissen Areal, also nicht über die Straße, die Bauernhöfe ringsherum und nicht in niedriger Höhe über die Landebahn. Bei Thermikerkennung kreist er ein und versuchte den Höhengewinn solcherart, beim Saufen ging er auf weites Kreisen. Dieser Modellflieger wusste um die Freiflugsegler F1ABC, war aber der Meinung, daß seine Steuerung mit der Eigenfunktionalität des dazugehörigen Flügels vorerst nicht klar käme, er hätte mit den ganzen anderen Anforderungen schon genug zu proggen.
Ermengerst ist eigentlich nicht soo weit weg von mir, aber es liegt dennoch nicht auf meinem täglichen Weg. Und wenn ich's doch mal schaffe, sind dort bislang erst zweimal seit meiner Kenntnis dieses Platzes Leute dagewesen.
4. Ja, ich bin seit gut einem Jahr Leser der Thermiksense (Printausgabe), finde viele Aufsätze zur Flugphysik z.B. hoch interessant. Andererseits finde ich die Entwicklung der Freiflugszene als Hochleistungssport, wobei das Gerät weitgehend standardisiert und aus dem Laden erworben wurde, nicht mein Ding, um es diplomatisch auszudrücken. In so mancher Bauanleitung zu aktuellen Hinweisen finde ich den Sicherheitshinweis: "Atemschutz tragen". Zwar sind die Balsaschleifstäube auch nicht gerade gesundheitsförderlich, aber die high-machenden Chemiedämpfe will ich mir nicht antun.
Ich bin Orthopädist, hatte gut ein Dutzend Jahre meinen eigenen Betrieb, mußte von daher schon auf Arbeitssicherheit achten. Auf Stäube tropischer Hölzer reagiere ich mit einem Kontaktexkzem der Schleimhäute, vulgo "Balsaerkältung". Das ist freundlicherweise nicht mehr mein Problem, da ich meine Absaugung wohl auch als Antrieb eines kleinen Windkanals betreiben könnte. Und die Klebe- und Harzdampfabsaugung durch den Tisch habe ich ebenfalls einige Jahrzehnte schon.
Ich möchte wohl aber die Leistungsfähigkeiten aktueller Klebstoffe und Lacke haben. Und nicht mit Zwirnwicklung und Kaltleim Sperrholzecken an Kieferleisten nähen "müssen". Das heißt nicht, daß ich das noch nicht gemacht hätte. Kaltleim habe ich dafür zwar nie gehabt, habe wohl aber Heißleim, was aber schon wieder eine Erleichterung ist, wenn man den betreiben kann.
Und .. neue Bauweisen fordern immer die Meister der alten Bauweisen zu Meckereien heraus. Aktuell wird über "fliegenden Verpackungsmüll" gelästert, als ob Biesterfeld nicht schon zur oder vor dem Geburtszeitpunkt vermutlich vieler Lästerer über den Umgang mit Styropor im Flugmodellbau eine Artikelserie in der Zeitschrift Modell verfasst hätte, die später
als Buch herauskam. Als in Deutschland zehn Jahre zuvor das Fliegen, auch das Modellfliegen überhaupt erst wieder erlaubt wurde, freuten sich die meisten über das teure, aber superleichte Balsaholz, nur die alterfahrenen nörgelten über dessen vermeintliche Brüchigkeit. Natürlich war es nicht sinnvoll, bei einem Kiefernleistenflieger von Kirschke die Kieferleisten 1:1 durch Balsaleisten zu ersetzen. Ich werfe den Meckerern eher ihre Engstirnigkeit vor. Untendran ist ein Bild aus einer Luftwacht von 1936, in der ebenfalls alte Kämpen über neue Gedanken nörgeln. Aber der Verfasser biegt das ja noch rechtzeitig um - damals politisch gewollt ;-)
Nachfügung gegenüber meiner sonst gleichen Antwortmail: bei Adolf hatte sich Balsaholz als das mit Abstand praktikabelstes Material zur Lagerung einsatzbereiter Bomben auf Flugplätzen erwiesen, daß sie bei einem alliierten Angriff den nicht gleich "unterstützten". Geradezu eine Schande für das Herrenvolk ... :->
Bei meinen Recherchen bin ich so auf ein Patent zu Selbststeuerungen von Flugmodellen aus dem Jahr 1917 gestoßen. Für mich ist es höchst interessant zu erfahren, wie kam ein kinderloser Zigarrenhändler im Jahr 1917 (mitten im Krieg) auf eine derartige Idee (
http://www.heise.de/make/meldung/Hundert-Jahre-Selbststeuerung-von-Flugmodellen-2793749.html)?
Ich habe hier alte Pläne von Modellen, die mittels Bremsfallschirm zu Boden gezwungen wurden. Aus Luftwachtheften, die nicht aus den USA und vor 1940 sind. In Amerika wurde das hochgeklappte Leitwerk als Thermikbremse genutzt, das ist bis heute praktischer. Das Problem wurde ja eigentlich erst ein wirkliches, als man innert weniger Jahre erkannte, daß auch Menschen und Modelle die Thermik nutzen können. Otto Lilienthal hatte sie zwar festgestellt und zu ergründen versucht, aber es kam eigentlich erst dabei auf, daß
manche Aviateure ab Mitte der Zwanziger um ein Vielfaches längere Flugzeiten als andere erreichten. Ein typisch deutsches Phänomen, da den Deutschen nach dem WK1 das Fliegen ja verboten war. Und da man das Fliegen ohne Motor nicht verboten hatte, da man es bis dato für unsinnig hielt, tat die Uni Darmstadt halt genau das. Sie fand die Wasserkuppe einen dafür gut geeigneten Berg und sogar gar nicht mal soo weit entfernt. (Die WaKu war auch bereits vor dem WK1 als Fliegeberg bekannt, aber da war's halt nur die Spinnerei von ein paar Studies.)
6. Du hast vollkommen Recht, die Begrenztheit meiner Methode zu bemängeln, die Flugbahn und den gewünschten Landeort zu berechnen. Die Luft ist chaotisch dynamisch. Allerdings verbinde ich aus meiner Kindheit mit dem Segelflug die Aufgabe, die Luft zu beobachten und aus den Beobachtungen Schlüsse für Startzeit, Startort, Flugrichtung zu ziehen. Eine GPS-freie Richtungssteuerung müsste das Sensorium für den Piloten schärfen.
Ich finde die bodennahe Luftbewegung sehr spannend, bin daher zuerst Speerwurf-HLGs geflogen. 2003 hatte ich einen schweren Unfall, kann seitdem einen Ball oder ein Modellflugi nur noch wenige Male werfen, bevor ich dann wieder drei Tage Wurfpause machen muß. Aber zu der Zeit kam ein dicker, fauler Amerikaner auf die Idee, sein körperliches Manko beim Werfen durch den Diskuswurf am Tragflügelende auszugleichen. Und das kann ich den ganzen Tag lang machen. Auf Wettbewerben konnte ich dann nochmal so richtig in dem Lerntempo eines Jugendlichen beobachten und dazulernen. (Horst Kropka von der Zeitschrift Aufwind wohnt gerade mal soviele Kilometer südlich von Kempten wie ich nördlich. Und er mag HLGs recht gern, hatte einige Wettbewerbe selbst in seiner Nähe ausgerichtet und mich massiv zur Teilnahme gedrängt. UDIAGS (TM by Klaus Wowereit)
Hier die Luftwacht 1936:
servus,
Patrick