Verkastung
Verkastung
Jetzt sag ich doch auch mal was dazu...
Die Worte meiner Vorredner sind allesamt lesenwert. Ein paar grundsätzliche Anmerkungen aus meiner Erfahrung:
Das mit dem Trudeln als Abstiegshilfe funktioniert leider nicht mit jedem Segler. Manche trudeln sehr schön, andere eben nicht, sondern schaffen nur so etwas wie Steilkurven und steigen dabei schon mal weiter. Mein EON ist so ein Kandidat, der nicht trudeln will, wenn er gerade und leicht gebaut ist. Ich steige daher gerne im Rückenflug ab, aber das braucht auch Nerven.
Flugzeuge, die trudeln sollen, müssen einen dauerhaften Strömungsabriss hinbekommen. Den versuche ich aber bei meinen Konstruktionen gerne zu vermeiden.
Quartergrain ist kein geeignetes Holz zur Verkastung. Eine Verkastung muss Zug- und Scherkräfte aufnehmen, dazu braucht es lange Fasern. Quartergrain fühlt sich zwar steif an (die Steifheit ist auch der Vorteil daran für manche Bauteile wie Ruderblätter), hat aber wenig innere Festigkeit und bricht spröde.
Ein Holm ohne Verkastung bzw. Holmsteg ist wertlos. Der Holm soll die Biegekräfte aus der Schwerkraft und der Dynamik aufnehmen. Dazu muss sie obere Leiste auf Druck und die untere Leiste auf Zug belastet werden. Man braucht also schon mal zwei Holmleisten. Je weiter die auseinander liegen, desto mehr Biegekräfte werden in die Leisten eingeleitet. Deshalb liegen meine Holmleisten in der Beplankungsebene und nicht darunter. Also ganz außen. Die Bauweise hat in den 80er Jahren Helmut Mayer für Elektrosegler vorgeschlagen und er hat bis heute Recht damit. (Sogar Joachim Schuster hat bei seinen aktuellen Friendlys gemerkt, dass diese Bauweise richtig ist - und der ist schwer zu überzeugen.) Wenn man aber nun eine Tragfläche biegt, dann will die obere Leiste ausknicken, denn das tun alle druckbelasteten Stäbe irgendwann. Damit das nicht passiert, ist der Holmsteg da. Und die Holmleisten wollen sich beim Biegen gegeneinader verschieben. Damit das nicht passiert, ist auch der Holmsteg da. Nur durch die Verbindung der beiden Leisten wird aus 2 labberigen Kiefernleiste ein hoher stabiler doppel-T-Träger oder H-Träger oder I-Träger, wie man ihn aus jeder Statik kennt.
Die Kräfte in dem Holmsteg sind also senkrechte Zugkräfte und waagrechte Scherkräfte. In der Summe also etwas diagonal verlaufendes. Deshalb müsste man als Holmsteg mehrlagiges Holz verwenden, welches kreuzweise diagonal verläuft. Sperrholz ist also schon mal nicht falsch. Da in der Praxis keiner das Holz selbst diagonal passend verleimen und zuschneiden will, nimmt man als Kompromiss normales 90° Sperrholz und verbaut es unter 90°. Ob nun die Deckfasern senkrecht oder waagrecht verlaufen, ist nicht so wichtig, da die Innenlage ja genau andersherum verläuft. (***Anmerkung weiter unten)
Wer kein Sperrholz, sondern Balsa nimmt, nimmt als besten Kompromiss die Fasern senkrecht, weil durch die Elastizität des Holzes die Zugkräfte höher sind, als die Scherkräfte UND das Balsa die Scherkräfte besser quer zur Faser aushalten kann. Dass weiß man, wenn man im Leben genügend abgestürzte Tragflächenreste auf ihr Bruchbild hin analysiert hat: Liegende Balsaverkastung zersplittert, stehende nicht.
Die absolut minimale Holmverbindung wären kreuzweise diagonal aussteifende Zugseile zwischen den Holmleisten.
So, und jetzt kommen wir zum Thema Verkastung vs. Holmsteg. Mit "Verkastung" meinen die allermeisten Modellbauer, dass sie diese Holmverbinder seitlich auf die Holmleisten kleben. Der Holm hat also am Ende ein C-Profil. Schon mal nicht schlecht, aber statisch ungünstiger, als ein I-Profil, weil die Zugkräfte aus der "Verkastung" nicht mittig in die Holmleisten treffen. Keine direkte Krafteinleitung also. Eine "Verkastung" ist das noch nicht, den ein Kasten ist rundum geschlossen, und das wird er erst, wenn beidseitig so ein Holzplättchen aufgeklebt wird. So eine echte Holmverkastung kann dann sogar ein bisschen Torsionskräfte aufnehmen und die Flatterneigung des Flügels reduzieren. Es macht also Sinn, "doppelt" zu verkasten, auch weil die Krafteinleitung wieder symmetrisch wird.
Mit Holmsteg meine ich einen mittig auf den Holmleisten stehenden Steg, so dass der Holm also zu einem I-Träger wird. Statisch optimal und weniger Materialaufwand als eine Verkastung, auch weil die Stege ja nun um 2x Holmleistenstärke niedriger sind. Dazu kommt, dass der Leim bei so einem Holmsteg in der ganzen Querschnittsfläche des Steges eine Verbindung mit den Leisten schafft. Bei nur außen angeleimten Verkastungen ist ja nur die Deckschicht des Holzes an die Leisten geleimt - keine gute Krafteinleitung in den Steg. ***Deshalb sollte bei *außen* angeleimten Sperrholz die Deckschicht senkrecht verlaufen, weil diese hier die Hauptlast übernehmen muss. Beim zentralen Holmsteg ist die Richtung des Sperrholzes eher egal, weil die Mittenlage besser mitträgt. Gleiches gilt für die Holmverbinder über den V-Knick.
Der Nachteil einer geringeren Torsionsfestigkeit des I-Trägers gegenüber dem Kasten ist nur bei Tragflächen bedeutend, die weder eine geschlossene Torsionsnase (D-Box) durch ober- und unterseitige Beplankung haben, noch eine beidseitige Bespannung. Also bei Jedelsky Bauweise und anderen Wunder-Konstruktionen, die dann aber gleich den Holm meist lieber ganz weglassen...
Ein Kollege auf dem Flugplatz, immerhin einer der auch manntragende Flugzeuge reparieren darf, meint hartnäckig, eine Tragfläche würde stabiler, wenn man jedes zweite Rippenfeld nicht verkastet / verstegt, weil die Fläche sich dann biegt, und nicht bricht. Ich sag da nichts mehr dazu, weil dann ja jeder verbleibende Holmsteg die doppelten Kräfte aufnehmen muss und an jeder Rippe Lastspitzen im Holm durch ungleichmäßige Biegung entstehen...
Deshalb baue ich die Holme so, wie ich sie baue: Als I-Träger auf ganze Profilhöhe, bis außen durchlaufend, Materialstärken nach außen hin abnehmend, an der Wurzel gerne Sperrholz.
Modellbauergrüße
Jonas
PS. Es gibt Konstruktionen, die werden durch's Verstärken nicht mehr besser. Es gibt vielleicht andere, die können die ein oder andere *sinnvolle* Verstärkung schon noch brauchen. Aber man sollte auch wissen, was man tut, denn ein zusätzliches Stück Material kann auch eine Festigkeit schwächen, wenn dadurch Spannungsspitzen entstehen, Stichwort: "Kerbwirkung". Das ist dem Laien nur schwer klar zu machen. Eine Erfahrung, die besonders in der Anfangszeit der Kohlefaser bitter gemacht werden musste: Ein Paar zusätzliche schicke Kohlerowings auf einen GFK-Rumpf auflaminiert, und schon ist er bei der Landung explosionsartig geplatzt, obwohl es ohne die Kohle vorher jahrelang gut gegangen ist.