Druckgerechtes Konstruieren für Anfänger

wersy

User
Hallo

Zum druckgerechten Konstruieren möchte noch einen Tipp hinzufügen, der das Zeichnen an sich betrifft. Damit aber das Ganze nicht unter dem missverständlichen Titel „Vorlage für Heckfahrwerk“ bleibt, stelle ich es hier neu ein.

Wie ich bereits erwähnte, richten sich diese Tipps an Anfänger.
Dass das nicht vollständig sein kann ist klar, es kann nur besser werden, wenn weitere Tipps hinzukommen.

Wie kaum irgendwo sonst, muss so oft geändert werden wie beim 3D Druck. Deswegen ist hier ein parametrisches CAD Programm die erste Wahl

Maße verwalten

Sehr oft betreffen die Änderungen Bohrungen, die entweder zu groß oder zu klein ausgefallen sind.
Hier bieten diese Programme, eine Tabelle anzulegen, in der die einzelnen Durchmesser benannt und festgelegt werden.
Stellt man nun fest, dass z.B. alle gleichgroßen Kernlochbohrungen für Gewinde nicht passen, braucht man nur in der Tabelle den Wert ändern, statt mühsam die Zeichnung zu durchforsten, wo überall die entsprechende Bemaßung steht.

Druckgerechtes Zeichnen

1. Schon beim Entwurf muss man berücksichtigen, in welcher Richtung das Teil gedruckt werden soll.
Oft lässt die Bauform nur eine Druckrichtung zu, oder man muss umkonstruieren.

2. Die Druckrichtung hat großen Einfluss auf die Zug- und Biegefestigkeit.
Diese ist am größten in Längsrichtung der Druckbahnen. Die Verschweißung der Layer untereinander (Layerhaftung) ist leider ein Schwachpunkt.

3. Löcher sollte man tunlichst nicht nachträglich bohren.
Dabei wird das homogene Netz der Druckbahnen zerteilt, es entsteht so eine Sollbruchstelle. Dünnwandige Teile mit geringem Infill können dort schon bei der geringsten Belastung brechen.

4 So konstruieren, dass kein Support erforderlich ist.
Alles nur dem Support zu überlassen, ist die schlechteste Form der Konstruktion.

5. Lieber ein Teil teilen, wenn es sonst schwierig zu drucken ist

6. Überhänge möglichst nicht flacher als 45° gestalten.

7. Unter senkrechten Löchern, die über einen Hohlraum liegen, eine geschlossene Decke von 1 bis 2 Layern legen.
So wird erst eine Decke gedruckt, bevor das Loch gedruckt wird. Diese Schicht zum Schluss aufbohren.

8. Offene Außenkonturen von Decken müssen gradlinig sein. Andernfalls fährt die Düse zwar im Bogen, der Faden der Brücke zieht sich aber gerade.

9. Senkrechte Löcher ca. 0,2 bis 0,3 mm größer zeichnen.
Horizontale Löcher ziehen sich nicht so stark zusammen, sie fallen eher etwas ein und lassen sich leicht nachbohren.

10. Bei Gewindelöchern braucht man nicht unbedingt den Kerndurchmesser drucken und anschließend Gewinde schneiden.
Es reicht meist, etwas kleiner als Nenndurchmesser drucken und die Schraube direkt reindrehen.
Z.B. bei M3 ein 2,8 mm Loch. Das muss man austesten.
Das Kernloch sollte mindestens 1,5 mal Nennweite tief sein.
Eleganter aber aufwendiger ist eine Sechskantvertiefung, in die eine Mutter eingesetzt wird.

11. Sollen zwei Teile satt, aber ohne zu klemmen, ineinanderpassen, hat sich ein umlaufender Spalt von 0,15 mm bewährt.
Voraussetzung sind ebene Wände mit sehr geringem z-wobble.
Bei raueren Wänden und größeren Teilen kann der Spalt auch größer werden. Ein Spalt von 0,2 mm sollte aber das Maximum sein, sonst stimmt die Kalibrierung vermutlich nicht.
Trotzdem mache ich sicherheitshalber mal einen Testdruck von kurzen Abschnitten der Passteile bevor ein 6 Stundendruck ansteht.
 
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wersy

User
Hallo Michael,

Danke für die ausführlichen Tipps.
Als 3D Drucker Anfänger mit bis jetzt 150 h Druckerfahrung (habe ein Betriebsstundenzähler dran :D) rätselt man oft an so manchen Effekten beim Drucken.
Liegt der Fehler im CAD, in der Mechanik oder Slicer usw. oder einfach nur zwischen den Ohren?

Hallo Claus,

danke für dein Feedback. Es freut mich, wenn ich dir auf diese Weise vielleicht den einen oder anderen Fehldruck ersparen kann.
Man muss schon einiges an Lehrgeld bezahlen bis man alles in den Griff bekommt, Drucken geht eben nicht ganz von allein. Dadurch wird es nie langweilig und ein besonders gut gelungener Druck zählt dann umso mehr.

Inzwischen ist auch der doppelte Text gelöscht worden.
Vielen Dank dafür an Forumsbetreuer Volker.

Zusätzlich ist noch Punkt 11 hinzugekommen.
Da es um Passungen.
 

uija

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Hey!

Das ist eine schöne Liste! Ich wär aber vorsichtig, so mit fixen Zahlen um mich zu werfen. Ich hab in den letzten Jahren die Erfahrung machen müssen, dass schon der Wechsel von Material zu unterschiedlichen Innendurchmessern führen. PETG scheint z.B. ein wenig mehr zu fließen, so dass Maße, die auf meinem Drucker mit ABS und PLA hervorragend passten (z.b. für Muttern, dass sie nicht rausfallen aber auch keine Gewalt brauchen) mit PETG (trotz recht gut eingestellten Profil) aber zu Eng waren, so dass ich die Muttern mit leichten Schlägen an den Platz bringen musste. Mein Prusa i3 braucht auch leicht andere Werte, als mein UP2!Plus.

Darum ist ein Punkt, den ich gerne weitergebe: Wenn man anfängt, Löcher für Schrauben zu planen, die nicht zu locker sein sollen, Passlöcher für Muttern etc, zeichnet ein kleines Stück mit nur diesem Loch und testet damit, bis ihr die für euch richtigen Maße habt. Schreibt euch die auf, denn ihr werdet sie ständig brauchen!


Macht euch schon im Vorfeld Gedanken dazu, was ihr mit dem Teil machen wollt. Einige Materialien lassen sich besser als andere nach dem Druck bearbeiten (Schleifen, Kleben etc). Einige Materialien können besser mit Temperatur um (PLA wird z.B. schon bei 60° weich. Direkte Sonneneinstrahlung oder im Sommer im Auto kann so ein Teil schnell kaputt gehen. Andere Materialien können da deutlich mehr ab. (PETG z.B. 90°).

Abhängig vom Material hat das direkt wieder Auswirkung auf das Konstruieren. Möchte man ein Teil in ABS drucken, muss man beachten, das sich ABS beim abkühlen leicht zusammenzieht, was zu Warping führen kann und wird. Wenn man da alle Kanten abrundet oder eine Phase dransetzt, auch an die, die auf dem Druckbrett liegt, erhöht man das Warping-Problem noch deutlich mehr.


Ich persönlich drucke übrigens alle "wichtigen" Löcher mit leichten Untermaß und Bohr sie entgegen deiner Warnung auf. Grund dafür ist die bessere Passgenauigkeit, glattere Wände und je nach Materiel: deutlich stärkere Wände, weil die Reibung des Bohrers zu leichten an- und verschmelzen der Wandung führt ;)

Edit: Einen hab ich noch: Gewinde im Plastik, egal ob geschnitten oder durch die Schraube, funktionieren nicht in allen Materialien gleich gut. Probiert das vorher an einem Teststück aus und belastet das. Für Verbindungen die wichtig sind, oder häufig geöffnet wird, ist das Vorsehen einer Mutter eigentlich immer besser. So hat man auch unterschiedliche Möglichkeiten. Ich hab für Gewinde, wo ich die Mutter von der Seite einschieben muss, 4-Kant-Muttern gekauft. Die drehen weniger schnell durch beim Anziehen. Für alle anderen (wo die Mutter von hinten eingeschoben werden kann, nutz ich Stop-Muttern). Zieht nicht zu fest an, das ist am Ende nur Plastik ;)



LG, Jens
 

wersy

User
Auf Konstuktion beschränken

Auf Konstuktion beschränken

Hallo Jens,

Ich werfe nicht einfach mit fixen Zahlen um mich :)

Alle meine Passteile (zigtausendfach heruntergeladen), ob für Flugmodelle, Boote oder Steuergehäuse, wurden ausnahmslos für deren Passgenauigkeit gelobt.
Wenn selbst ein umlaufender Spalt von 0,2 mm, (0,4 mm Spiel!) noch nicht ausreicht, dann stimmt, wie ich schon sagte, die Kalibrierung nicht. Unter Kalibrierung verstehe ich, Maßhaltigkeit. Dabei ist es unabhängig mit welchem Material gedruckt wird, und die Außenflächen müssen schon eine gewisse Druckqualität aufweisen.
Dass besonders große Teile sich auch mehr verziehen können, sollte man natürlich bedenken.

Ich meinte nicht „Löcher aufbohren“, sondern „Löcher bohren“.
Trotzdem würde ich nie mit Untermaß konstruieren, wenn Bohrungen normalerweise doch schon 0,2 bis 0,3 mm schrumpfen. Löcher für Presspassungen (Linearlager, Gleitwellen) reibe ich vorsichtig mit einer Reibahle auf.

Mit grundsätzlich nachträglichem Aufbohren und Verschmelzen erreiche ich keine höhere Festigkeit, die Perimeter sind ja bereits verschmolzen. Ich reduziere lediglich die Dicke der soliden Wandung, und muss von vornherein unnötig mehr Perimeter einsetzen.
Schmilzt das Material beim Bohren, erhalte ich eher eine unkontrollierte Bohrung.

Im Übrigen halte ich nichts vom Nacharbeiten. Meine Teile sind nur dann gut wenn sie ohne jegliche Nacharbeit passen.

Testdrucke habe ich bereits erwähnt.

Es ist prima, wenn weitere Tipps hinzukommen. Auch Kritik und Anmerkungen sind willkommen.
Hier möchte ich das aber nur auf Konstruktion beschränken. Es wird sonst zu unübersichtlich.

Für Ratschläge bezüglich Materialauswahl, Nachbearbeitung, Temperatureinflüsse beim Drucken, Wärmebeständigkeit, Tricks für Muttern, und, und, und….
lieber ein neues und eindeutig, passendes Thema erstellen.
 

wersy

User
Dass besonders große Teile sich auch mehr verziehen können, sollte man natürlich bedenken.

Jens hat da nicht ganz Unrecht, denn entscheident ist auch die Tiefe einer Passung.
Einen sperrigen Reparaturholm für meinen gedruckten 2 m Flieger, der 150 mm tief gesteckt werden musste, habe ich sogar mit 0,4 mm Spalt gezeichnet. War nur geschätzt - hat zufällig auf Anhieb gepasst :)

Interessant übrigens, wie die Meinungen auseinandergehen.
Im RepRap Forum hatte ich eine elend lange Diskussion mit jemandem, der meinte, ein Spalt muss nicht für jeden das Richtige sein. Er kann sich gar keinen Spalt erlauben, sonst fallen ihm die Teile ineinander...
 

wersy

User
Aus aktuellem Anlass möchte ich noch einen weiteren Punkt hinzufügen:

12. Schrägen an horizontal zu druckende Löcher.

Kaum einer von denen, die selbst vor 10 Jahren mit dem Drucken anfingen, weiß, was mit dem RepRap Symbol verbunden wird:

Reprap Symbol.jpg


Da man mit Überhängen noch Probleme hatte, hat man aus der Not eine Tugend gemacht.
Horizontale Löcher ließ man oben unter 45° auslaufen.
Ein typisches Beispiel war dieser Eckverbinder "frame vertex" für den Mendel:

6f_800x400.png

Da mir die Spitzen denn doch ein wenig übertrieben waren, flachte ich die Spitze ab.
Hier beim Motor X-End:

Bohrungen.png

Seit langem schon bin ich aber dafür zu faul. Mit niedriger Layerhöhe und gezielter Bauteilkühlung bekommt man schon recht ordentliche Löcher hin. Der Rest wird einfach aufgerieben.

Wenn aber eine dünne Wandicke (hier 1,5mmm) beim Aufreiben aufzubrechen droht, kann man auf die vergessene Methode zurückgreifen.
So wie hier bei diesem Steckverbinder:

Steckhülse.jpg


Hier habe ich das Dach noch 0,2 mm über den Durchmesser erhöht, die Schräge ist 30°.
Die optimale Form muss man austesten. Jetzt passt das Kohlerohr ohne Nacharbeit hinein.
 
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