Davoser Tool : SP, EWD, Motorlaufz. messen/verändern und berechnen

In der letzten Zeit habe ich anlässlich der Fertigstellung von ein paar neuen Seglern meine Berechnungssoftware aktualisiert, zusammengefasst und unter dem Namen "Davoser Tool" auf unser Vereinshomepage (siehe Signatur) eingestellt: Davoser Tool
(Es handelt sich dabei - von den Grafiken abgesehen - um eine einzige HTML-Datei. Wer sich mit seinem Tablet oder Handy auskennt und weiss wo er HTML-Dateien ablegen muss, damit sie Chrome findet, kann diese Datei hier downloaden und dort abspeichern. Dann geht es offline auf dem Flugplatz mit dem Handy.)

Bei allen Berechnungen wurde Wert auf eine ansprechende Dokumentationsmöglichkeit (Ausdruck) geachtet. Die mit diesem Tool möglichen Berechnungen sind folgende:

  • Schwerpunkt mit einer Küchenwaage bestimmen.
    Damit können Modelle vom Winzling bis zum Grossegler im Massstab 1:2 oder sogar grösser bequem und hochpräzise vermessen werden.
    Empfehlenswert auch die Messung des kompletten Rumpfs alleine (ohne Tragflächen). Im Falle von Umbauten / Rumpfreparaturen / Akkugrössenänderung sehr angenehm.

  • Schwerpunktverschiebung a: wieviel g Trimmgewicht für bestimmte Verschiebung nötig?

  • Schwerpunktverschiebung b: wieviel verschiebt sich SP bei bestimmtem Gewicht?

  • EWD ermitteln: Abstandsmethode über Tischplatte.
    - es werden zwischen 1 und 4 Messungen je Fläche und Höhenruder unterstützt: zur Erhöhung der Messgenauigkeit
    - zu jeder Messung kann der Plattenfehler (Neigung) angegeben werden. Damit ist es leicht möglich Grossmodelle auf einem unebenen Boden oder über drei Tischen zu vermessen!
    (wird in einem späteren Beitrag gezeigt)

  • EWD verändern: Wieviel mm muss man unterlegen?
    - Veränderungen des Höhenruderbettes (Scalesegler)
    - Auf dem Flugfeld: HR 1mm hoch entspricht welcher EWD-Änderung
    - generell für alle Fragestellungen: welche Unterlage entspricht welcher Winkeländerung?

  • Schränkung bestimmen:
    Bis zu 8 Messpunkte je Tragflächenhälfte werden unterstützt! Dient primär zur Feststellung eines Verzuges, sekundär kann man damit aber auch die Ruder von Mehrklappenseglern auf Gleichheit links/rechts einstellen.

  • Akku - Strom und Laufzeit:
    Wenn man nach dem Flug Motorlaufzeit, nachgeladene Strommenge, Akkukapazität und durchschnittliche Akkuspannung eingibt, erfährt man Durchschnittsstrom, -leistung, Entladegrad (%), mögliche Motorlaufzeiten mit 35%/35%/20%/0% Reserve

  • Akku - Grössenabschätzung:
    Mein Segler soll 1200m steigen können. Was brauche ich für einen Akku?

Hier zum Anfang die Beschreibung der Schwerpunktbestimmung mit nur einer Waage. Die anderen Berechnungen kommen in loser Folge. Noch später wird auch eine EWD-Berechnung ähnlich Winlaengs/Winschwer integriert werden, da habe ich aber noch Erklärungsnot bei den unterschiedlichen Ergebnissen beider Programme.



SCHWERPUNKTBESTIMMUNG MIT EINER KÜCHENWAAGE

(Hinweis: wägen = Gewicht bestimmen, wiegen = hin und her schaukeln)

Warum Küchenwaage und nicht richtige Schwerpunktwaage? Wer mal einen Sechsmetersegler in einer nur normal grossen Garagenwerkstatt auswiegen wollte weiss es...
Die Schwerpunktbestimmung mit einer Küchenwaage ist sehr einfach, nur zwei einfache Wägungen und die Messung des Abstandes zwischen den beiden Wägepunkten sind nötig. Allerdings muss man bei der Abstandbestimmung und der Ausrichtung des Rumpfes überaus exakt arbeiten, noch exakter als man zunächst glaubt!

Rumpfausrichtung
Der Rumpf wird sehr einfach ausgerichtet: Man zeichnet sich am Rumpf einen Hilfspunkt unter der Nasenleiste ein, der der EWD entspricht und richtet an ihm und an der TF-Hinterkante ein Klebeband aus. Dieses wird später mit einer Wasserwaage genau horizontal eingestellt.
Der Abstand - im Foto die violette Linie - wird extrem einfach mit dem Tool-Abschnitt "EWD verändern" ermittelt: Flächentiefe und EWD eingeben und berechnen lassen...

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Abstandsmessung
Laienphysiker wie ich würden zunächst denken, dass die beiden Wägungen am besten an den beiden Enden des Rumpfes vorgenommen werden. Nur im Prinzip richtig, denn die Bestimmung des Abstandes der TF-Nasenleiste von der Nasenspitze ist fast nicht möglich:
Am ehesten geht es noch wenn man den Rumpf mit der Nase an eine (natürlich auf 0,1° senkrecht und waagerecht genaue) Wand schiebt, den Rumpf horizontal exakt rechtwinklig und vertikal mit einem Höhenruder-Einstellwinkel von 0° (also Tragflächen-Einstellwinkel = EWD) ausrichtet. Ich habe es ein paar Mal versucht und dann aufgegeben - die extremen Fehlerauswirkungen auf die Abstandsmessung Rumpfspitze <-> Nasenleiste sind einfach nicht tragbar.

Die Lösung ist jedoch extrem einfach: Wir nehmen die vordere Wägung ziemlich nah am Schwerpunkt vor. Flächensteckung wäre simpel, aber es gibt ja Schwerpunkte vor und hinter dieser, was wieder Fehlermöglichkeiten generiert. Also gehen wir etwas nach vorne: zur vorderen Verdrehsicherung. Wenn ein Modell das nicht hat, muss man sich etwa dort zwei kleine Schrauben (etwa wie Servobefestigungsschrauben) eindrehen, bitte beide mit exakt gleichem Abstand von der Nasenleiste. Die Schrauben werden nur für die Wägungen benötigt und für den Flugbetrieb herausgedreht.

Um die Wägungsorte exakt reproduzierbar zu machen, baute ich erst Stützen. Gerade für schwere grosse Segler waren die aber zu kippelig und eine Frustquelle. Genial einfach geht es mit einem Galgen. Ich habe einen vorhandenen Rumpfständer einfach umgebaut: zwei Buchenleisten mit stirnseitigem V-Einschnitt in schrägem Winkel (!) anschrauben. Schräg deswegen, damit später die Nasenleisten des grössten Seglers nicht an die Stützen stossen. Der gezeigte Ständer ist auch stabil genug, das Gewackel hat ein Ende.

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Die Schnur um den Segler aufzuhängen ist in meinem Fall aus Kevlar. Für kleine und grosse Segler habe ich zwei unterschiedliche Grössen.

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Der Segler muss jetzt waagerecht ausgerichtet werden. Um den hinteren Wägepunkt reproduzierbar zu machen, wird eine Dreiecksleiste exakt unter die Scharnierachse des Seitenruders gelegt. Die Anhebung erfolgt in bester Modellbauerkreativität mit Klötzchen, Büchern, Legosteinen, umgedrehten Kaffeetassen oder was auch immer. Jetzt braucht man noch eine Unterlage in exakt der Höhe der Waage - man versteht später sofort wozu.

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Insgesamt sieht das ganze so aus:

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Jetzt wird vorne die Waage untergeschoben und mit dem Galgen, aber ohne Flugzeug tariert. Es reicht, einfach den Segler anzuheben (bis die Schnur schlaff) ist und auf Tara zu drücken. Hinten muss die bisherige Stützkonstruktion ebenfalls um die Höhe der Waage angehoben werden - dafür ist oben erwähnte Extraunterlage:

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Die anschliessende Wägung wird notiert:

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Anschliessend werden Waage und Extraunterlage getauscht und erneut gewogen. Mit hinterer Stütze neu tarieren!

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Jetzt müssen nur noch Abstände des vorderen Wägepunktes von der hinteren Auflage und von der Nasenleiste gemessen werden. ACHTUNG: Wenn der vordere Wägepunkt HINTER der Nasenleiste liegt, muss ein negativer Wert eingegeben werden!

10-eingabe1.jpg

ergibt

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Die zunächst ungewohnt aussehende Ergebnisseite lässt sich mit Strg-P (und richtigen Browsereinstellungen!!) bequem ausdrucken.

Kontrolle mit einer "echten" Schwerpunktwaage. Wer diese Waage kennt, weiss wie schwer es ist sie so einzustellen, dass das Flugzeug tatsächlich freihändig waagerecht schwebt... Alles passt:

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Dokumentation für Rumpfänderungen
Um nach Reparaturen, Umbauten oder Änderung des Akkugewichtes nicht immer den kompletten Segler neu auswiegen zu müssen, mache ich das gleiche Spiel noch einmal ohne Tragflächen. Dazu wird lediglich ein CFK-Stängelchen in die Rumpflöcher der vorderen Verdrehsicherung gesteckt. Spätestens bei der ersten Rumpfreparatur wird man diese Angaben zu schätzen wissen!!
(keine Bilder - sollte auch ohen sie verständlich sein)



Welches Gewicht für kontrollierte SP-Änderung?
Abschliessend gehen wir noch zur Tool-Funktion "Schwerpunkt verändern". Mich interessiert, wieviel Gramm Trimmgewicht nötig ist, um den SP exakt 1mm zu verschieben. Damit muss ich am Hang das Trimmgewicht nicht schätzen, sondern kann den SP wirklich exakt verschieben wenn ich das für nötig empfinde. Ich brauche lediglich den Abstand von SP zur "Ballastkammer". Das geht natürlich auch mit Gewicht am Heck.

14-eingabe2.jpg

ergibt

15-ergebnis2.jpg



Ich wünsche viel Erfolg beim hochgenauen Ermitteln des Schwerpunktes. Aussagen wie "mit leicht hängender Rumpfspitze messen" und anderes sollte jetzt der Vergangenheit angehören, ebenso das Kippeln auf der Schwerpunktwaage...

Die anderen Funktionen des Davoser Tools können natürlich jetzt schon von Euch entdeckt werden. Dazu zwei Hinweise:
- die Erklärungstexte sind noch Beta
- für die genauere Abschätzung der Akkugrösse benötige ich noch ein paar Angaben von Euch

Weitere Erklärungen werden folgen.

Bertram

P.S.: nicht vergessen die Akkus einzusetzen!
 

Eckart Müller

Moderator
Teammitglied
Ist immer wieder nett anzuschauen, wenn das Rad erneut erfunden wird und dann doch wieder ein Rad oder die Schwerpunktlagenberechnung dabei herauskommt! ;)
So etwas in der Art gibt es hier im Magazin, ja im "alten" Magazin, seit rund 16 Jahren!
Aber eine Auffrischung ist ja nie verkehrt...
 
ja, Eckart, da gibt es Deinen Artikel im Forum. Schön theoretisch, und frei von jedem Praxisbezug, insbesondere wie man mit den heutigen 7,5m-Ungetümen im Wohnzimmer oder in der Tiefgaragenhalle umgeht. Frei von jedem Vorschlag, wie man z.B. einfach das Gewicht der Nasenspitze eines 2.5m-Rumpfes auf eine Waage leitet ohne dass alles ständig umfällt.
Dass ich den gemeinsamen Schwerpunkt aus m1, m2 und x herleiten kann ist abgeleitetes Schulwissen und nicht etwa aus einer Formelsammlung oder vom Magazinartikel "geklaut" - und selbst wenn, darum geht es nicht.
Mir geht es um einfache Handhabung und Fehlervermeidung, und genau da trifft Dein Satz
1. Die Stützstellen A und C am Rumpf markieren. Sie sollten so weit wie möglich voneinander entfernt sein. Je dichter sie beieinander liegen, um so stärker beeinflussen bereits kleine Meßungenauigkeiten das Ergebnis!
eben überhaupt nicht zu. Theoretisch zwar schon, aber praktisch nicht. Den korrekten Abstand von Rumpfspitze zu Nasenleiste zu ermitteln ist unmöglich, jedenfalls in der Praxis - ich habe zumindest geschrieben wie man es machen müsste. Und glaube mir: DA kommen die Fehler her, nicht vom verkleinerten Abstand der beiden Wägepunkte. Ich würde Dir gerne mal zusehen wie Du das machst - ich habe es schlichtweg nicht reproduzierbar gekonnt.
In der Praxis wird die SP-Ermittlung per Wägung am genauesten wenn man die eine Messung exakt am SP macht - da gibt es keine Messfehler bei der Bestimmung des Abstandes Wägepunkt <-> SP. Jedoch ist der SP ja zunächst unbekannt... :rolleyes: Bei den meisten Seglern ist er aber in der Nähe der Steckungsmitte - ein hervorragend erfassbarer und reproduzierbarer Punkt. Allerdings ist der SP mal davor und mal dahinter, was leicht zu Rechenfehlern verleitet. Nur deswegen nehme ich einen anderen Punkt: die vordere Verdrehsicherung. Der ist i.d.R. ebenso vorgegeben und reproduzierbar wie die Steckung.
Ich habe genügend Messungen auf meine beschriebene Art gemacht - die Überprüfung mit einer echten Schwerpunktwaage hat keinen Fehler im wahrnehmbaren Bereich gebracht. Das heisst: ich musste die echte Schwerpunktwaage im Submillimeterbereich einstellen (Nasenleistenstopps und Ausgleichsgewichte) um das Modell zum waagerechten Schweben zu bringen, und es war kein Unterschied zu den Ergebnissen per Wägung zu erkennen. Vielleicht wenn ich Mikrometerschrauben in die Nasenleistenstopps eingebaut hätte...

Aber eigentlich geht es nicht darum. Ich habe auch nicht selber gemeint, dass die SP-Ermittlung mit Waage so dermassen besonders ist dass ich da 'was Tolles entdeckt hätte. Es ging nur um Fehlereruierung, -eliminierung und die praktische Anwendung. Kannst Du so etwas im Magazin-Artikel finden? Oder eine Anleitung wie im Threaderöffnungsartikel oder im jetzt folgenden Inhalt? Ich nicht, sorry.



Vorbereitung für die Ausmessung eines grösseren Seglerrumpfes
diesmal ohne Tragflächen - als Dokumentation für spätere Rumpfänderungen

  • Im Wurzelrippenbereich wird die Profilsehne markiert.
  • Mit Hilfe der Tool-Funktion "EWD-Ändern" wird ermittelt, wie hoch die EWD an der Vorderkante in mm ist (lila Linie) - hier 6.5mm
  • Die Bezugsebene wird eingezeichnet
  • Der Rumpf wird diesmal nicht aufgehängt, sondern mittels einer CFK-Stange aufgebockt
  • Anschliessend wird das Rumpfende so weit angehoben bis die Bezugsebene kongruent mit einer daneben gehaltenen Wasserwaage ist

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Also Eckart, ich möchte Dir nicht den Ruhm streitig machen die SP-Ermittlung per Küchenwaage in den Modellbau eingeführt zu haben. Mir geht es nicht darum why to do it, sondern how to do it. Das why hast Du ja im Magazinartikel weitaus besser begründet als ich.

Bertram
 
Zuletzt bearbeitet:
Bertram,
in Deutschland sind Ferien, es ist heiß und wenn man nicht apathisch im Schatten sitzt, geht man Fliegen;
Bauen oder andere Aktivitäten, die eine Schwerpunktermittling erfordern, finden eher nicht statt.
Also ist die geringe Resosonanz eher normal, zumal Du schwere Kost für hitzeträge Gehirne postest!
Dessen ungeachtet vielen Dank für Deine ausführlichen Erläuterungen. Ich habe gerade zwei Segler auf der Werkbank, bei denen es aus o.a. Gründen nicht so recht weitergeht. Wenn die Temperaturen wieder in den baufreundlichen Bereich sinken, werde ich Deine Tipps ausführlich testen!

Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung und hitzeschlaffe Grüße nach Davos
Nick
 
Aufgrund der grossen Resonanz...

Mann, Mann, jetzt sei doch nicht so mimosenhaft empfindlich, weil nach 2 (in Worten: zwei) Tagen noch keine 10 Postings eingegangen sind. Modellflieger sind eben keine Vielschreiber, insbesondere nicht mitten in der Flugsaison...
Auch Deine harsche Reaktion auf Eckarts dezenten Hinweis spricht Bände!

Also übe Dich mal etwas in souveräner Gelassenheit und bleibe locker, es läuft eben nicht immer wunschgemäß! :D
 
Aufgrund der grossen Resonanz ;)
Hoi Siegi
ein korrektes Zitat wäre schön :cool:
Früher ging Ironie auch ohne Smileys - wenn sie heute nicht mal mehr mit Smileys geht... oh je.
War übrigens glaube ich gerade Wimbledon und Fussball und Formel1 oder so gleichzeitig.
_____

Das Tool ist jetzt weitgehendst komplett. Bei den zahllosen Seglervermessungen habe ich immer wieder gestaunt was man so alles vorfindet. Der hier landete ja gut eingeflogen und in einer Fachzeitschrift bestens getestet (ja, wirklich das Testmodell) in meinem Hangar. Im Langsamflug flog er eigentlich ok mit nur minimaler Korrektur - aber beim Anstechen kam er dann doch gut ins Rollen.

Und das Tool habe ich gut egoistisch zunächst für mich selber geschrieben :p

Bertram
 
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