Blasturbulator

Tag Gemeinde,

im Gefolge einer mail-Diskussion (hallo Hans!) ein etwas abseitiges Thema: Wer hat Erfahrungen mit Blasturbulatoren an Segelflugmodellen?

Als Einstieg meine eigene Befassung mit dem Thema:
Aufgrund zweier Artikel von D. Schwetzler aus den 80er Jahren (u.a. FMT-Kolleg) habe ich in einer Gruppe um Michael Wohlfahrt einen Voll-GfK-Segler mit 3,16m Spannweite und Streckung 19 (!!)gebaut, den legendären JUMO V. Profil FX 60-100; die Außentiefe betrug nur ca. 80 mm. Ich habe nach Schwetzlers Anweisung um die 1000 Löcher von 0,5 mm in die Flügel-Oberseiten-Schale gebohrt. Im größten Teil des Flügels war der Turbulator hinter dem Holm bei gut 40 % der Tiefe platziert; am sehr schmalen Außentrapez saß er (um sicherzugehen, dass überkritische Strömung herrschte) bei ca. 20 %. Die Luftversorgung erfolgte durch Versorgungslöcher auf der Unterseite, Durchmesser 3 oder 4 mm, alle 20 cm. Die Druckdifferenz zwischen Ober- und Unterseite des Profils sorgte also für das Ausblasen.

Dieser JUMO V (gebaut Ende der 80er) flog als Thermik- und Allround-Segler sehr gut, vor allem der Gleitwinkel und die Hochstarts waren beeindruckend. Während die JUMOs, die nur mechanische Turbulatoren einsetzten, ein eher kritisches Überziehverhalten hatten, war meiner recht gutmütig. Leider ist der Segler schon lange im Land, in dem immer Thermik ist.

Im Moment denke ich über einen neuen F3J-Segler nach. Möglicherweise soll wieder ein Blasturbulator eingesetzt werden, diesmal aber nicht zu dem Zweck, einen ansonsten unterkritischen Flügel überkritisch zu machen, sondern um bei etwas "gesünderen" Re-Zahlen an einer definierten Stelle (bei ca. 65 %, also ziemliche weit "hinten") einen definierten Strömungsumschlag zu erreichen. Dies könnte bei manchen Profilen vorteilhaft sein, sagt mein Computer.

Wer kann hierzu know-how beisteuern?
Vielen Dank im voraus.

Carsten Zülch.
 

Birki

User
Hi,

ich halte mich aus der Diskussion mangels Kompetenz raus, hier aber ein Tipp:
Simprop hat dies beim Solution XL mit HQ-Strack 1997 eingeführt. Ich habe diesen bald in Bau und frage mich ehrlich, ob der Aufwand der Perforation von fast 4m Fläche den Nutzen aufwiegt. Vielleicht kann ich Dir somit etwas Erfahrung "absaugen"?
 

Thommy

User †
Hallo Carsten,
wieviel Prozent Gewinn verspricht denn Dein Computer, und wieviel bleibt davon übrig, wenn man die Verluste durch den Druckausgleich zwischen unten und oben abzieht ?
Fragen über Fragen ;)
Gruß
Thommy
 

Hans Rupp

Vereinsmitglied
Hallo,

nachdem ich von Carsten hier ja schon angesprochen wurde, hier mein Senf zur Sache.

Zuerst ein paar Links zum Thema für Interessierte Mitleser:

http://www.akaflieg.uni-karlsruhe.de/projekte/ak-5/Optimierung.html

http://ch.baron.bei.t-online.de/Manticor.html

http://www.aerodesign.de/aero/turbulatoren.htm

In einer FMT-Extra habe ich noch einen Bericht vom Bau des Extension und dort gemachten Erfahrungen mit Blastrubulatoren gefunden. Offensichtlich besteht ein Zusammenhang zu einem früheren Beitrag im FMT-Kolleg, da in beiden Fällen empfohlen wird, den Blasturbo bei 30-40%, also weit vorne zu plazieren. Und das, obwohl er ja auch noch nach dem Umschlagspunkt funktionieren soll. Also was nun.

Siggi berichtet übrigens noch von der Wirksamkeit am Wingletübergang, bei dem Ablöseprobleme auftraten. Also wirken tut er schon mal auch am Modell.

So, nachdem wir jetzt etwas mehr , aber eben immer noch recht wenig wissen, stellt sich nicht nur Thommy die Frage, ob sich der Aufwand lohnt. Oder ob man mehr Schaden als Nutzen hat.

Der Gewinn aus weniger Widerstand in der Polare bei niedrigen Re-zahlen kann zwar schon Werte von 20% und mehr annehmen, sind aber meines Erachtens nicht entscheidend. Schließlich befinden wir uns im Langsamflug und der Profilwiderstand ist im Verhältnis zum induzierten Widerstand und dem Restwiderstand der kleinere Teil. Entscheidend ist einfacheres Handling und weniger Verluste durch Pendelbewegungen, gutmütigere Abrißneigung etc.

Der Verlust durch „Überströmen“ von unten nach oben ist übrigens durch die Anzahl und Größe der Zuführungsöffnungen an der Unterseite steuerbar und dürfte gering sein.

Nachdenklich bin ich durch zwei Schilderungen geworden:

1. Theo Arnold fliegt an seiner ASW 27 Winglets, obwohl sie spürbar im Schnellflug bremsen. Der Gewinn an „Spurstabilität“ beim Kreisen, ist ihm den Verlust an Schnellflugleistung Wert (und sage mir keiner das sei ein „Theo“retiker ;) , soviel wie Theo muss man erst zum fliegen kommen )
2. Die Herrig-Brüder berichten von einem Pendeln der Europhia im Langsamflug, das mit Turbulator (herkömmlicher Art, also Zackenband) etc. verschwand. Also war das Pendeln wohl Auswirkung laminarer Ablöseblasen und nicht nur des etwas kurzen Hebelarms. An Ihrem aktuellen Modell Freestyler fliegen sie wohl auch Turbulatoren.

Dann noch die Info auf www.aerodesign.de, dass Blasturbulatoren im Schnellflug (wo wir gar keine brauchen) weniger Verlust bringen, als feste Turbulatoren, und es verfing sich was in den Gehirnwindungen. Da ich plane einen F3B-Flügel zu bauen, der eventuell im Aussenflügel Problemchen haben könnte, war auf einmal die Idee da, das mal zu probieren. Vielleicht habe ich aber auch Glück, und brauche gar keine Turbulatoren.

Hans

P.S. Auch wenn es mittlerweile ASW17 im Original mit Winglets gibt, will ich meine ohne fliegen. Vielleicht kann auch hier so ein Blasturbulator nützlich sein.
 

Thommy

User †
Hallo,
@ Haru
dass es sich um keinen Theo Retiker handelt ist jedem Insider klar :D
Ob man Theo aber unbedingt als Zeugen für den fachgerechten Einsatz von Zackenband hernehmen kann, wage ich in Frage zu stellen.
Beim Einsatz von Zackenband versetzt der Glaube oft Berge, und Theos Vorliebe für Zackenband ist bekannt, und das auch in Fällen, in denen andere ohne auskommen. ;)

Anfang der 80er hatte Heinz Kugler schon bei F3B-ähnlichen Modellen mit Ausblasturbulatoren experimentiert und hat gewisse Vorteile festgestellt, die standen aber in keinem Verhältnis zu Aufwand und sonstigen Einflüssen.

Gruß
Thommy
 

Hans Rupp

Vereinsmitglied
Hallo Thommy und alle anderen,

ich wollte damit eben nur belegen, dass Widerstand nicht alles ist. Ich habe Theo gar nicht im Zusammenhang mit Zackenband bemüht, sondern dafür, dass manchnmal besseres Handling entscheidender ist, als maximale Leistungfähigkeit. Wer am Hahnweidwettbewerb gesehen hat, wie mit einem Soaring Star ein Baumaufwind wie mit einem HLG ungefähr 4m über der Baumkrone ausgekreist wurde oder sich das vorstellt, weiß was ich meine.

Die Begründung für die Platzierung bei 30-40% wurde mir soeben offline geliefert. Dort soll der Turbulator eben wirklich in den ca-max Bereichen helfen, in denen der Umschlag laminar turbulent gleich hinter der Nase erfolgt. Also ganz nahe am ca-max.

Hans

[ 23. Oktober 2002, 19:28: Beitrag editiert von: haru ]
 

jwl

User †
Original erstellt von haru:

Die Begründung für die Platzierung bei 30-40% wurde mir soeben offline geliefert. Dort soll der Turbulator eben wirklich in den ca-max Bereichen

Hans
das ist genau der punkt der c. bemerkt hat
das profil ist schon überkritisch und trotzdem

was er meint ist der mittler bereich so um ca 0.4 -0.6 ausblasen wenn die blase lang ist bzw wenn re-krit in der grenzschicht steigt

bei einen guten profil ist der umschlag gut vorne und die blase kurz --> starker druckanstieg

im mittler bereich ist der druckanstieg sehr gering und die blase wird lang

es geht genau um diese die liegen so ab 50%t
manche profile zicken dann im mittlern bereich rum ---> das profil nimmt schlecht "gas" an

bei rg15 oder 14 solls geholfen haben mit turbos

blasenturbos wirken auch dann wenn sie in der blase zum einsatz kommen

das war wieder einmal "theo"

gruss jwl

ps: die freiflieger knallen den turbo auf 10-15%
es ist re-zahl abhängig wo er hin muss bei den manntragenden bei 85%

[ 23. Oktober 2002, 20:40: Beitrag editiert von: jwl ]
 
Vielen Dank für Eure Beiträge. Vor allem die weiterführenden Hinweise von Hans werde ich noch genauer studieren.

Die Frage, ob die "Durchströmung" des Flügels Leistung kostet, ist m.E. geklärt. In Betracht käme ja nur eine Verringerung des Maximalauftriebs infolge des Druckausgleichs. Diese trat aber bei den Windkanal-Messungen von D. Schwetzler nicht auf; die Durchströmung (durch 0,4mm-Löcher!) fällt im Verhältnis zur Druckdifferenz, die das Profil erzeugt, nicht ins Gewicht. Bei den Messungen von Schwetzler traten, wenn ich mich recht erinnere, bei manchen Re-Zahlen sogar leichte Zugewinne beim ca-max auf, was nur dadurch zu erklären ist, dass die vom Turbulator "aufgefrischte", d.h. energiereichere Grenzschicht länger dem Profilverlauf folgen kann, ohne sich abzulösen. Man muss bei alldem auch sehen, dass Schwetzler die Messungen an einem E-193 g.U. machte, also an einem Profil, das wegen seines scharfen Druckanstiegs auf der Oberseite geradezu nach einem Turbulator "schreit".

Natürlich bleibt die Frage, ob der ZusatzWIDERSTAND des Turbulators den Gewinn, der durch die Vermeidung der Blase entsteht, wieder aufwiegt. Diese Frage lässt sich mit den mir bekannten Rechenprogrammen nicht beantworten, sondern allenfalls durch Windkanalmessungen oder praktische Erfahrungen. Ein denkbarer Weg ist der, dass man den Turbulator nur einseitig anbringt und versucht herauszubekommen, ob das (vorher sorgfältig ausgetrimmte!) Modell dann noch geradeaus fliegt. Ich habe allerdings Zweifel, ob man ein geringes Schieben, wie es durch die Leistungsunterschiede (vielleicht) entsteht, wirklich wahrnehmen wird.

Nun, wir werden sehen. Bis ein ensprechender Flieger (von mir) gebaut ist, wird noch einiges Wasser den Rhein runterfließen...
Nochmals danke an alle!
Gruß
Carsten.
 
An Ihrem aktuellen Modell Freestyler fliegen sie wohl auch Turbulatoren.
Ja, sie verwenden auch am Freestyler (klassische) Turbulatoren, habe Andreas gefragt.

Darüber hinaus habe ich mich bei unseren Spezis im Laminarkanal umgehört und da ist man, was die Auswirkung von Blasturbulatoren im Speedflug angeht, ziemlich geteilter Meinung. Es kommt wohl sehr auf das spezifische Profil an, ist mein persönliches Fazit. Das Risiko, daß sie merkliche Nachteile im Schnellflug aufweisen, ist zumindest im Rahmen von Laminarprofilen für den bemannten Segelflug, recht hoch.

Das kann man und darf man nicht mit unseren (low Rn) Profilen vergleichen, ist aber ein deutliches Indiz, dass man den Fall genau im Windkanal untersuchen muß. Wen das Thema wirklich interessiert und die Zeit hat, etwas :rolleyes: für mich zu bauen, kann sich mal melden... :D
Siggi
 

Hans Rupp

Vereinsmitglied
Hallo Siggi,

bei Penny gibt es gerade eine günstige Oberfäse. Ich habe mir sowieso schon überlegt, die zu kaufen. Also vorhandenes Windkanalmodell an der Stelle für die Ausblasung abformen, ich mach dann einen Kanal mit der Oberfräse rein, Deckel laminieren und draufkleben, messen, viele kleine Löcher bohren sowie ein paar Versorgungslöcher, wieder messen habe fertig :D :D

Aber mal im Ernst, wie muss den so ein Modell aussehen? Ich befürchte, dass der Aufwand nicht klein ist, zumal man ja mit und mit ohne Löcher messen können müßte. Aber andererseits verpricht die Theorie gerade bei beliebten Profilen wie z.B. den HQWs etliches.

Hans

[ 01. November 2002, 14:23: Beitrag editiert von: haru ]
 
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