Tempern CFK verstärkter Styroflächen?

Hallo,

ich plane den Bau eines Tragflächensatzes zu einem Swift S1 (Rumpf kommt von Steinhardt). Da ich umfangreiche CFK-Verstärkungen vorsehen möchte, brauche ich ein Harz / Härter System mit sehr langen Verarbeitungszeiten.

Ausgesucht habe ich mir (noch nicht gekauft) das Harz L 1100 mit Härter EPH 294 von R&G. Damit habe ich 400 Min.(!) Verarbeitungszeit. Das sollte reichen. R&G schreibt hierzu "...Die Systeme sind kaltanhärtend, sie sollten also zur Erzielung optimaler Eigenschaften noch ca. 10 h bei 50*80 °C warmgehärtet werden.".

Der zur Verfügung stehende Temperofen ist groß genug, aber ich habe hierbei Bedenken was mit dem Styropor im Temperofen passiert. Nicht daß das nachreagiert und meine Fläche aussieht wie die Beulenpest! :cry: :mad: :confused:

Hat von Euch schon mal jemand eine Styrofläche getempert? Wie weit ist Styropor Temperaturbeständig?

Danke für Tipps

Markus
 
Styropor wird mit Dampf geschäumt, sollte also bis 80°C eigentlich temperaturbeständig sein. Aber warum machst Du nicht einfach einen Versuch? Muss ja nicht gleich ein Flügel sein.
 

Gideon

Vereinsmitglied
Vergiss es besser: bis zu 60°C halte ich das alles für save - darüberhinaus eher fraglich.

Da haben schon einige ihre Formen ruiniert, weil sie mit Urmodell getempert haben und selbiges unter anderem aus Styropor bzw. PS-Hartschaum war.

Mach Vorversuche an geeigneten Mustern! Ich würde hier generell davon abraten, bis 80°C und höher warmzuhärten.

Verwende andere Harzsysteme : Das L 285 mit H 287 z.B.hat auch 3h Topfzeit

Wobei auch ganz klar gesagt werden muss, dass das L 1100 auch bei 50°C oder max. 60°C schon sehr gute Festigkeitswerte ausbildet - der Tg sollte hierbei nicht das Problem sein! Über 40°C allemal, um die Sprödphase zu überwinden (Beim L285/H287 ebenfalls)
 

Gideon

Vereinsmitglied
Ist hier definitv nicht off topic!

Bei Raumtemperatur gehärtete Harzsysteme haben eine mehr weniger große Sprödigkeit (Glashärte). Diese verliert sich nach Erwärmung über 40°C nach rund 6 - 8 h.

Das ist keine Warmhärtung und dient einzig und allein zur "Entsprödung"!

Natürlich ist der vollständige Vernetzungsgrad hierbei auch erheblich schneller erreicht, aber sowohl der Tg als auch die Mechanik wird hier nur marginal verbessert.

Vernetzunggrad: Gibt an, wie weit die Vernetzung der reaktiven Gruppen vorangeschritten ist. Bei RT-Härtung wird 100% ca. nach 1 Woche erreicht.
Hierbei werden die maximalen mechanischen Eigenschaften erzielt.

Tg oder Glasübergangtemperatur: Gibt an, ab welcher Temperatur die Matrix zu erweichen beginnt - oftmals auch als Wärmeformbeständigkeit benannt.

Warmhärtung bzw. Temperung: Um die Glasübergangstemperatur sowie den Vernetzungsgrad kaltanhärtender Harzsysteme zu erhöhen, wird über einen bestimmten Zeitraum (12 -15h) bei einer bestimmten Temperatur ( 45 - 110°C) das bereits angehärtete Laminat gelagert.

Kalthärtung: Härtung bei RT

Kaltanhärtung: Anhärtung bei RT + Warmhärtung
 

Arne

User
Hallo Stefan,

danke für die Infos. Mich würde interessieren, wie genau sich die Sprödigkeit hinterher in der Matrix (negativ) auswirkt und wie groß die Unterscheide zum gewärmten und damit weniger spröden Harz sind.
Der Hintergrund ist ganz einfach: Schalenflügel nur bei Raumtemperatur gehärtet und nicht warmgehärtet oder getempert.

Gruß Arne
 

Gideon

Vereinsmitglied
Hallo Arne,

bei Dir mit Deinem L 285 / H 285/286 weniger ein Problem!

Da würde ich mir absolut keine Sorgen bei machen

H 287 erfordert in jedem Falle eine Warmhärtung (sogar noch vor der Entformung)!

Die Sprödigkeit bewirkt bei dünnen Laminaten (Schalenflügel) eine erhöhte Delaminationsgefahr (auch beim Entformen).

Wenn dann hochwertigere Systeme wie z.B. L 20 + SL (EPH 960) oder der allseitsbekannte EPH 161 in Kombination verarbeitet werden, dann ist die Glashärte bei Raumtemperaturanhärtung doch sehr ausgeprägt.

Auch wenn jetzt viele mit der Stirn runzeln - das L 20 ist eine Bank und hat als einziges EP-Laminierharz eine Raumfahrtzulassung. Ist zwar schon über 25 Jahre alt ( älter als viele hier im Forum), hat aber bezüglich den erreichbaren Werten ganz klar die Nase vorne.

Ergo: Warmhärtung bzw. Warmlagerung hat noch keinem (Bauteil) geschadet!
 

Arne

User
Hallo Stefan,

danke für die Infos. 287er Härter verwende ich bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr, normal nur noch 285 und 286. Dabei bekommen die Bauteile zumindest über mehrere Tage eine gesicherte RT (sprich >=20°). Wenn´s geht, kommt auch ne Warmhärtung dazu, aber das kommt eben auf Anwendung und Form an.
Ich überlege, jetzt dochmal ne geregelte Temperbox zu bauen. Nicht wegen des Temperns sondern um RT leichter sicherzustellen bzw. mit Temperaturen zwischen zwischen 30 bis max. 40° warmzuhärten.

Gruß Arne
 
Hallo Stefan,

das ist ja richtig schick mit welchem Fachwissen Du hier aufwartest. Es hört sich fundiert und wirklich wissend (und nicht vermutend) an was Du da schreibst. Woher hast Du dieses Wissen? Bist Du in der Branche beruflich tätig ('n bisschen Off Topic, ich weiß)?

Gemäß Deiner Empfehlung werde ich also auf EPL285/EPH287 wechseln. Dieses System ist ein wenig teurer (~7,-€/kg Harz), aber:

  1. Es hat Luftfahrtzulassung (L1100 nicht), die brauch ich zwar nicht zwingend aber schaden kann's auch nicht.
  2. Die Mischviskosität ist ähnlich, ich kann also mit einer gleich guten Verarbeitbarkeit rechnen.
  3. Die Topfzeit ist mit 180 Min (Bacuplast Internatangabe) bzw. 240 Min (Angabe aus dem technischen Merkblatt) meines Erachtens ausreichend lang.
  4. Das Wichtigste: Die Temper-Temperatur liegt mit 50-55°C doch erheblich niedriger als beim L1100. Meine oben ausgeführte Angst um den Styrokern kann ich damit ad acta legen.

Vorversuche werde ich trotz allem unbedingt machen, schon allein um den Temperofen zu testen. In der Fläche liegt zu viel Material und ARBEIT um sie in einem ungeeigneten Ofen (mit mangelhafter Regelung?) zu schrotten.

Nächste Frage auch gleich hinterher:

Was ist beim tempern zu beachten bzw. welche Kardinalfehler sollte ich auslassen da sie von anderen schon oft genug gemacht wurden?

Vorschläge für's richtige tempern:
  • Gleichbleibende Temperatur über der Zeit.
  • Bauteil auf geeignete Weise mehrfach nicht wärmeisolierend unterstützen (Sperrholzhelling?) um Verzug zu vermeiden.
  • Gleichmäßige Wärmeverteilung am Bauteil (Ventilator im Ofen ähnlich einem Umluftherd in der Küche :D ).
  • Sind bestimmte Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeiten zu beachten?


cu

Markus

P.S.: Die 25 Jahre des L20 kann ich locker toppen, vor 25 Jahren waren die Mädels aus meiner Sicht nicht mehr alle doof :cool:
 

Gideon

Vereinsmitglied
Hallo Markus,

ja, das ist mein täglich Brot sozusagen.

Wenn Daten, dann bitte hier mal kucken:
http://www.mgs-online.com/de/techinfo/pdf/01mgs037.pdf

Bezüglich L 1100 und Konsorten kann ich Dich beruhigen:
Diese Systeme sind alle verhältnismässig ähnlich. Auch wird ab 55°C schon eine vollständige Vernetzung innerhalb kurzer Zeit erreicht. Der Tg steigt dabei auf ca. 70-75°C an. Das sollte für Deine Tragflächen mehr als ausreichend sein.

Der Härter H 287 (H 286 auch) ist giftig ! Das muss mal in aller Deutlichkeit gesagt werden. Ich weiß, dass Ihr alle mittlerweile auf Nitril- oder Vinylhandschuhe umgestellt habt, aber mir wäre dabei nicht wirklich wohl.

Ich kann das L 1100 für diese Anwendung bedenkenlos empfehlen.

Viel wichtiger bei Deiner Geschichte sind aber die Fasern, genauer: die entsprechende Auslegung dieser.

Da hat Christian Baron wieder ein nettes Tool parat:
http://www.cb-roter-baron.de/Holmberechnung 22-01-2007.zip


Wichtig für die Warmhärtung ist eine Aufheizrate von max. 15-20°C/h. Gleichmässige Temperatur und deren Verteilung wäre auch vorteilhaft. Zum Abkühlen reicht es, den Ofen auszuschalten.
 

steve

User
Gideon schrieb:
...Der Härter H 287 (H 286 auch) ist giftig ! Das muss mal in aller Deutlichkeit gesagt werden. Ich weiß, dass Ihr alle mittlerweile auf Nitril- oder Vinylhandschuhe umgestellt habt, aber mir wäre dabei nicht wirklich wohl...

Hallo,
was heißt den hier giftig...der Begriff wird derart oft, bzw. bei Härtern selten verwendet, dass ich ja fast zusammen gezuckt wäre. Meist wird von "reizend", "ätzend" und "sensibilisierend" gesprochen.

Grüsse
 

Gideon

Vereinsmitglied

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Hallo Stefan,

hast Du eine Empfehlung, welches Harz/Härter System nicht giftig ist?
Ich benutze z.B. Harz L/Härter L von R&G

Danke
 

Gideon

Vereinsmitglied
Ist safe! Was aber nicht heißen soll, dass nicht totenbekopfte Harzsysteme ohne Handschuhe verarbeitet werden können.
 

Gast_8039

User gesperrt
Hallo,
nur eine klitzekleine Pingeligkeit zum Thema Wärmeformbeständigkeit. Die Glasübergangstemperatur (Tg) und Wärmeformbeständigkeit (HDT = Heat-Distortion-Temp.) sind nicht exakt gleich. Meist liegt die HDT um ca. 10-15K unterhalb der Tg (für Fachleute: bei einer DSC-Messung repräsentiert der Onset-Wert ungefähr die HDT, der Mean-value die Tg ;)). Bei vollständig ausgehärteten und getemperten kalthärtenden EP-Harzen liegt die erreichbare Tg bei rund 95-110 °C, Warmhärtende Standardtype bis zu 155°C. Ein nichtgetempertes Harz mit einer Tg von ca. 70°C ist für unsere Anwendungen meist ausreichend, allerdings können ungetemperte Strukturen durchaus Schaden nehmen, durch Motorabwärme beispielsweise. Meist passiert das dann innerhalb der ersten Betriebsstunden z.B. unter Motorhauben, Schalldämpferbereich etc., noch bevor durch betriebsbedingte Nachhärtung die Formbeständigkeit in den grünen Bereich angestiegen ist. Die Erweichung (s. HDT) beginnt ja u.U. schon bei rund 60°C. Besonders CF-Laminate neigen zur Schädigung durch Verformung der Matrix.
Exkurs Ende ;)
 
Hallo Stefan,

nachdem Du schreibst, daß die Härter 286/287 giftig sind, habe ich mir nochmal das L1100 angesehen (wahrscheinlich auch nicht als Genußmittel geeignet). Im technischen Merkblatt zum L1100 ist ein Diagramm zu der erreichbaren TG in Abhängigkeit von Temperatur und Zeit aufgetragen. Dieses Diagramm habe ich hier mal als Screenshot angehängt.

Nach allem was ich von Dir verstanden hatte Stefan, steigt die TG wenn ich mit höherer Temperatur rangehe. Das Diagramm macht aber die umgekehrte Aussage. Demnach sinkt die TG wenn ich wärmer tempere :confused: und steigt wieder wenn ich länger tempere. Auch der Startwert der TG scheint von der Temperatur abhängig zu sein was ich mir wiederum gar nicht vorstellen kann (oder steigt die TG am Anfang so steil daß es hier nicht darstellbar ist?).

Ist hier jetzt das Diagramm zum L1100 fehlerhaft (falsche Beschriftung der Grafen, 50°C und 80°C vertauscht) oder ist mein Verständnis falsch? Ich hatte verstanden, daß wir tempern um die TG anzuheben und daß die TG steigt wenn ich wärmer und länger temper. Das mit dem länger tempern wird ja auch in diesem Diagramm bestätigt hmmmm

cu

Markus
 

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brosi

User
Gideon schrieb:
Auch wenn jetzt viele mit der Stirn runzeln - das L 20 ist eine Bank und hat als einziges EP-Laminierharz eine Raumfahrtzulassung. Ist zwar schon über 25 Jahre alt ( älter als viele hier im Forum), hat aber bezüglich den erreichbaren Werten ganz klar die Nase vorne.

Kleine Korrektur. Bei Raumfahrtanwendungen braucht´s keiner "Raumfahrtzulassung" seitens des Hersteller. Wir haben weite Teile des "Rosetta Lander" aus 285er Harz gemacht. Andere Satellitenbauteile bestehen beispielsweise aus RTM6. Nur bei Luftfahrtanwendungen braucht es eine Zulassung. Aber auch da gibt es immer verschiedene Zulassungen für verschiedene Anwendungen.

Anyway:
a) bis 60 °C tempern ist in diesem angesprochenen Fall unbedenklich.
b) jedes Harz/Härter-Gemisch ist giftig oder gesundeitsgefährdend. Falls einer ein "ungiftiges" Harz/Härter-Gemisch gefunden hat, würde es mich sehr interessieren. Das wäre preisverdächtig :):)

beste Grüße aus dem DLR.

brosi
 
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