Profilpolarenrätsel ... oder was?

TinoE

User
Hallo,

ich habe mich in den letzten Monaten immer wieder mal mit dem Thema Flügelprofile und alles was so dranhängt beschäftigt.
Zur Erleichterung und zum probieren habe ich das Programm ProfiliV2 (registriert).
Ich versuche jetzt ein passendes Profil für einen 2,5 - 3 Meter Segler zu finden. Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie man aus den Profilpolaren ein Segler-, Speed-, Kunstflug, ...-Profil erkennen kann?
Wenn ich z.B. ein ClarkY einem Eppler XYZ gegenüberstellen, kann ich zwar schon unterschiede erkennen, aber was sagen mir diese? Ob es ein gutes Seglerprofil ist, oder ein Profil für eine Motormodell? Wie, warum, woher, ...?
Versteht mich nicht falsch, mir ist schon bewusst, dass ein symetrisches Profil nur selten an einem Segler zu finden ist und ein Jedelsky wird wohl eher nicht an einem Pylon-Racer montiert, aber wenn ich mir z.B. die Profilpolare eines RG15 im Vergleich zu einem NACA2412 sehe, würde ich sagen, das NACA hat mehr Auftriebsbeiwert bei weniger Widerstand, was mich zu dem Schluss kommen liesse, dass es das bessere Profil ist. Dass das RG15 ein gutes Allroundprofil für Segler ist, kann man bei aerodesign.de ja nachlesen, aber warum ist das NACA2412 keines? Und warum wird das RG15 nicht auf Motormodelle geschnallt ???

Fragen über Fragen, die ich bisher nicht selbst beantworten konnte.

Hier habe ich mal vier Polare von verschiedenen Profilen (habe die Bezeichnungen entfernt).

Wer kann beurteilen, welches Profil für einen Segler ist, welches für Motormodelle, ... ?

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Danke für die Hilfe und viel Spass beim erraten der Profilbezeichnung.
 
TinoE schrieb:
Dass das RG15 ein gutes Allroundprofil für Segler ist, kann man bei aerodesign.de ja nachlesen, aber warum ist das NACA2412 keines? Und warum wird das RG15 nicht auf Motormodelle geschnallt ???
Da hat auch viel mit Traditionen zu tun. ein RG15 würde auf einem Motorflugzeug schon funktionieren.Und das NACA 2412 wurde früher auf Seglern durchaus als Wurzelprofil eingesetzt.

Ein Unterschied ist Laminar- (RG15) oder Turbulenzprofil (NACA 2412). Die Unterscheidung ist im Modellflug zwar nicht so hart, da bei unseren Re-Zahlen auch sogenannte "Turbulenzprofile" eine relativ lange laminare Laufstrecke haben. Trotzdem ist der Unterschied da. Ein Laminarprofil reagiert nun empfindlicher in den Flugleistungen auf die Vibrationen am Motormodell, die einen frühen Umschlag provozieren.

Ein weiterer Unterschied: Abreissverhalten: Etwas relativ rundnasiges ist da gutmütiger. Da nimmt man dann etwas schlechter Flugleistungen in Kauf, wenn vorne ein Quirl dran ist.

Dann, Genaugkeit der Polaren. Die heutigen Programme versuchen zwar, die Widerstandszunahme im kritischen Re-Zahl Bereich zu simulieren. Da ist aber viel Kaffeesatzleserei dabei. Entsprechend stimmen Theorie und Praxis nicht immer überein.

Dann: Mehr Auftriebsbeiwert be weniger Widerstand: Die Frage ist immer: "Wo?" Minimalwiderstand ist für dynamischen Widerstand gefragt nahe des Nullauftriebs, bei der dann anliegenden Re-Zahl. Für gutes Gleiten und Steigen ist immer noch niedriger Widerstand bei hohem Ca gefragt. Bei den dann niedrigen Re-Zahlen. Zeigt die Polare bei den Re-Zahlen schon die typische Delle nach hinten der kritischen Re-Zahl, wirds mit dem dynamisch beschleunigen wahrscheinlich nichts. Ich glaube gern, dass das Naca2412 mehr auftrieb hat; es ist Dicker und höher gewölbt. Weniger Widerstand bei den hohen Re-Zahlen des Schnellflugs und den dann anstehenden Re-Zahlen, glaube ich eher nicht.

Es ist auch so, dass viele Segelfugzeuge heute auf eine Relativ schnelle gangart ausgelegt werden, also viel Priorität auf niedrigen Widerstand im Ca bereich unter 0.3 bei hohen Re-Zahlen, und dass dafür im Steigen Kompromisse gemacht werden.

Melde mich nochmal zurück mit Tips zu den Profilen. Das reizt mich jetzt...

1. Ist ein modernes Seglerprofil. Könnte das von Dir zitierte RG15 sein, oder ein Quabeck, oder ein HN, oder ein MH. Die sind in der Charakteristisch alle ähnlich.

2. Dito. Etwas höher gewölbt und dicker als 1.

3. dann das Naca 2412 (wenn es denn mit dabei ist). Höherer Höchstauftrieb, etwas höherer Minimalwiderstand bei hohen Re. Recht gut auf dem Rücken.

Das letzte mit der ausgeprägten, scharf abgegrenzten Laminardelle dürfte ein symmetrisches Naca der sechsstelligen Reihe sein. Mit einer Breite der Laminardelle von 0.6 Ca müsste es ziemlich dick sein. Grosse Dickenrücklage, also 65 Reihe oder noch schärfer. Gegen die Dicke spricht der niedrige Maximalauftrieb. Es zeigt anzeichen kritischer Strömung bis hoch zu R= 300'000.
 
Hallo TinoE,
ein Profilvergleich macht nur dann einen Sinn, wenn die Dicke und die Wölbung (annähernd) gleich sind. Dann muß noch die Polare bei gleicher Re-Zahl betrachtet werden, wenn ich ein Profil für einen bestimmten Anwendungsfall suche.

Das letzte ist ein Symmetrisches Laminarprofil.
Das erste ist zwischen ca=0-0,8 gut zu gebrauchen und hat ein gutmütiges Abreißverhalten, das sieht man an dem sanften Übergang bis hin zu ca= etwa 1,3.
Das dritte geht im ca nicht ganz so hoch wie das erste, dementsprechen ist auch der Widerstandzuwachs für ca<null etwas sanfter. Vermutlich weniger Wölbung als 1.
Nr. 3 dürfte noch weniger Wölbung haben, da der Zuwachs an Widerstand für ca<null noch geringer ist.

Ich bin aber kein Profilpabst, da gibt es hier User die mehr davon verstehen als ich.
Profile gibt es wie Sand am Meer, für die jeweilige genaue Profilbezeichnung kannste auch würfeln :p
 
Zuletzt bearbeitet:

Griffon

User
Hallo Profilspezialisten

Mir sind die Bezeichnungen CI und Cd nicht bekannt. Sind das schlicht die italienischen Bezeichnungen für Widerstand und Auftrieb?? (Profili)

Danke für die Antworten.

Schöne Grüsse René
 
Griffon schrieb:
Mir sind die Bezeichnungen CI und Cd nicht bekannt. Sind das schlicht die italienischen Bezeichnungen für Widerstand und Auftrieb?? (Profili)
Nicht italienisch sondern Fliegersprache Englisch. Cl nicht CI für lift coefficient und Cd für drag coefficient.
 

TinoE

User
Mal sehen ob ich das Grundsätzliche richtig verstanden habe:

- Höhere Wölbung = mehr Auftriebsbeiwert, aber nicht zwingend bei gleichem Widerstand (eher höherer Widerstand)

- Wenig Widerstand bei niedrigem Auftriebsbeiwert <=0,3) wirkt sich pos. auf Geschw. aus

- Hoher Auftriebsbeiwert bei rel. wenig Widerstand = lange oben bleiben

- Hoher Auftriebsbeiwert bei mehr Widerstand ist eher für Motormodelle geeignet, da neg. Einflüsse des Widerstands durch Motor "kompensiert" werden.

Ich weis nicht, ob es überhaupt möglich ist rein an Hand von Polaren eine Entscheidung für das ein oder andere Profil zu treffen.

@MarkusN:
Du liegst mit den Antworten zu den Profilen verdammt gut. Noch nicht genau, aber sehr nahe dran. Bei allen vieren. ... unglaublich, und das "nur" durch die Profile.

Vielleicht gibt es noch mehr zu dem Thema zu sagen ?!?!?
 

Hans Rupp

Vereinsmitglied
Ja...

Ja...

Den Aspekt der Profilmomente hast Du noch auf der "Muss-ich-mir-mal in Ruhe-ansehen-Liste".

Wird am Anfang gerne vernachlässigt. Motormodelle sollen ruhig fliegen. Profile mit hohen Momenten bedingen je nach Flugzustand höhere Lasten auf dem Leitwerk und bei Böen etc. bringen sie Unruhe in das Modell.

Hans
 
@Tino: Hier habe ich versucht, zusammenzufassen, was ich so an Faustregeln zu Profileigenschaften kenne. Hilft vielleicht auch etwas bei der Auswahl. Interpretation von Polaren soll auch noch kommen, aber im Moment habe ich noch andere Prioritäten.

@Hans: Wenn Du das auch mal anschauen und allenfalls Korrekturen anbringen könntest, wäre ich sehr dankbar. Ich denk, Du hast zu dem thema definitiv etwas zu sagen.

Und hast recht mit den Momenten. Ist immer das letzte, an das ich denke.
 

TinoE

User
Das mit dem Moment und Druckpunkt usw. habe ich mir schon angesehen, habe es aber erstmal in der Schublade "wird wieder interessant, wenn ich erstmal die Basis verstanden habe" abgelegt.
Bisher habe ich das lediglich als Wichtig zur Bestimmung der Leitwerksdaten (Abstand zum Tragflügel, Größe HL, Größe SL, ...) gesehen.

Mir geht es in diesem Thread zunächst mal darum, zu verstehen, wie und ob man an Hand von Profilpolaren - und was sonst noch so an Kurven zu einem Profil zu bekommen ist - erkennen kann, für welchen Einsatzzweck es am besten geeignet ist (Thermiksegler, Pylon-Racer, Kunstflugsegler, ...).

Der ein ode andere wird evtl. jetzt sagen: "warum nimmst du dir nicht einfach ein Profil, das dieser oder jene Segler im Katalog montiert hat?".

Das ist nicht die Intention! Ich möchte es verstehen, warum es so ist, wie es ist!

Die Frage basiert auf der Motivation einen Segler theoretisch zu entwickeln, zu bauen und zu sehen, ob er in der Praxis die Leistung bringt, die auf dem Papier steht (+/- die Abweichungen durch Bau, Rundungsfehler, ...) und dann mit den Profilen zu "spielen" und zu sehen, was passiert. Zeit spielt dabei keine Rolle.

Bitte weiter posten, das Wissen kann nur wachsen.
 

kurbel

User
Zum Thema Profilmomentenbeiwert Cm, häng dich nicht zu sehr am Druckpunkt auf.
Betrachte lieber den t/4-Punkt (t für Profiltiefe oder um im englischen zu bleiben c/4 mit c für chord) und bezogen darauf das Ca und ein Cm.
Der Druckpunkt ist rechnerisch sehr unhandlich und lenkt auch eh nur vom Wesentlichen ab.

Kurbel
 
Eine Frage diesebezüglich

Eine Frage diesebezüglich

Hallo ihr,

wo die Kompetenz Kompetenz hier vertreten ist:

Auf welche Fläche bzw. Länge beziehen sich in der Regel (Tragflächen- und Propellerauslegung) die aerodynamischen Beiwerte.
Ich habe da so eine Ahnung, aber ich möchte das hier mal als Frage so stehen lassen.

Danke

Ilja
 
Hallo Ilja,
wenn du die aerodynamischen Beiwerte in der Polare eines Profils meinst, dann beziehen sich die, auch weil dimensionslos, weder auf Länge noch auf Fläche (ca und cw, cmo usw.)

Sie gelten für eine Tragfläche mit unendliche Spannweite (theoretisch), damit wird dann "nur " eine zweidimensionale Strömung abgebildet, also ohne Randwirbel.
 
Noch einmal ander

Noch einmal ander

Hallo,

vielen Dank für die Antwort. Da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt.
Ich meinte es etwas anders. Wenn ich mit den aerodynamischen Beiwerten (ca, cw usw.) eine tatsächliche Wirkung (Auftrieb, Widerstand o.ä.) ausrechne, benötige ich neben ein paar Konstanten auch eine Bezugsfläche. Diese Fläche ist z.B. im Fall des Auftriebes die Flügelfläche.
Unzulässige Kopie von aerodesign:
A = r/2 * v² * ca* F

A Auftrieb (N)
r (rho) Dichte (kg/m³)
v Geschwindigkeit (m/s)
ca Auftriebsbeiwert (-)
F Bezugsfläche (m²)

Auf welche Fläche bezieht sich der Momentenbeiwert und der Widerstandsbeiwert?

Danke

Ilja
 
vanKoch schrieb:
Auf welche Fläche bezieht sich der Momentenbeiwert und der Widerstandsbeiwert?
In Abweichung von der Widerstandsformel bei z.B. einem Auto: auf die Flügelfläche, also auf die horizontale, nicht die vertikale Projektionsfläche.
Deswegen sind Cw-Werte von Profilen auch so wahnsinning klein im Vergleich zu den z.B. für Stromlinienkörper angegebenen Werten.

Für den Hebelarm, den Du fürs Moment brauchst, wird wieder die Flügeltiefe eingesetzt.
 
@Ilja,
mit dem cmo alleine kanst du keinen Bezug zu einer gegebenen Flächengeometrie herstellen.
Wohl aber durch Rechnung:
Du kannst für eine gegebene Flächengeometrie die Druckpunktlage für tm=mittlere Flächentiefe ausrechnen, dann hast du einen Bezug zu einer Länge.
Es gilt:

xd/tm=cmo/ca+0,25

@Markus
Und Re-Zahl wird mit Flügeltiefe gerechnet.

Hmmm...
da kommt noch die Geschwindigkeit und die Viskosität dazu.

Im Sinne der Fragestellung von Ilja ist die Re-Zahl keine Profileigenschaft. Die Rechenprogramme zur Erstellung der Profilpolare brauchen die Re -Zahl als Randbedingung oder Parameter. Ist ja nichts anderes als eine Kennzahl für Strömungsverhältnisse beliebiger Geometrie.
@alle
hier gibt es viel zu lesen
http://www.mbsroegner.bizland.com/FLUGWISSEN.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Gut

Gut

Hallo, danke so weit.
Das hilft schon weiter. Es wird immer von der horizontalen und vertikalen Projektionsfläche gesprochen. Bezieht das die Anstellwinkeländerungen mit ein, wird also ständig neu (während der Variation des Anstellwinkels) eine Projektion des Flächengrundrisses auf die Grundfläche durchgeführt? Nicht dass ich das vermuten würde, aber in der Diskussion mit jemanden wurde das behauptet. Das macht überhaupt keinen Sinn.

Ist das auch internationaler Standard?

Danke

Ilja

PS: Entschuldigt bitte die penetrante Fragerei, aber ich brauche eure Hilfe um gewisse Unwahrheiten von Diskussionpartner entkräften zu können.
 
vanKoch schrieb:
Es wird immer von der horizontalen und vertikalen Projektionsfläche gesprochen. Bezieht das die Anstellwinkeländerungen mit ein, wird also ständig neu (während der Variation des Anstellwinkels) eine Projektion des Flächengrundrisses auf die Grundfläche durchgeführt? Nicht dass ich das vermuten würde, aber in der Diskussion mit jemanden wurde das behauptet. Das macht überhaupt keinen Sinn.
Nein, man bezieht das auf die einmal gefundene Referenzfläche. Ändert sich für kleine Winkel ja ohnehin kaum. Projektion einfach deshalb, weil genaue Ermittlung der Fläche bei einem gestrakten Flügel (Nasenleiste und Endleiste eine räumlich gekrümmte Kurve...) bereits nicht trivial sein kann und man eindeutige Verhältnisse will.

Rolf schrieb:
da kommt noch die Geschwindigkeit und die Viskosität dazu.
Ja, klar. Aber die sind eindeutig. Während die Referenzlänge frei gewählt werden kann und vereinbart werden muss. Ging hier ja um Konventionen.
 
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