Fragen zur Aerodynamik (Grundlagen)

Hallo zusammen,

ich hab da mal ein paar Fragen.
Folgendes: ich möchte gerne selber einen Flieger konstruieren. Ich tue mir etwas schwer mit der Auslegung der Aerodynamik.
Nehmen wir der Einfachheit halber Mal an es handelt sich um einen einfachen Querrudertrainer Hochdecker mit Rechteckfläche, keine Pfeilung, keine Klappen, Profil: Clark Y.
Die Spannweite sei 100cm, die Flächentiefe 20cm.
Rumpfbreite 8cm, somit tragende Flügelbreite = 100cm – 8cm = 92cm.
Angenommenes Abfluggewicht 0,7kg..
Angenommene Höchstgeschwindigkeit: 25m/s.

Soweit klar. Jetzt die Fragen:
Durch anstellen der Tragfläche bestimme ich ja den Auftrieb.
a1) Für welche Geschwindigkeit macht es denn Sinn, den Auftrieb = Abfluggewicht einzustellen? Unterer Geschwindigkeitsbereich? Mittlerer Bereich?
a2) Was mache ich mit dem „überflüssigen“ Auftrieb bei Höchstgeschwindigkeit? mit Tiefenruder wegdrücken?

Nächster Fragenblock:
b1) Wo ist denn die Bezugslinie für den Anstellwinkel? Beziehe ich den auf die gedachte Mittellinie des Flugzeugs oder auf die Motorachse?
b2) gehe ich Recht in der Annahme, dass die Motorwelle die Flugrichtung anzeigt? Wenn ja, warum vergrößert man den Sturz, wenn der Flieger beim Gasgeben wegsteigt? Dadurch würde ich ja den Anstellwinkel vergrößern und hätte NOCH mehr Auftrieb?
b3) Wenn die Motorachse NICHT die Flugrichtung bestimmt, woher weiß das Flugzeug, wo die Achse ist?

Noch eine:
c) Was fange ich mit dem Stabilitätsmaß am Schwerpunkt an? Ich habe da Zahlen so von 8% - 16% gefunden, aber ich kann mir nichts darunter vorstellen.

Wäre super, wenn Ihr mir helfen könntet. Hab schon lange im Netz gesucht, aber offensichtlich hab ich nicht für alles die richtigen Seiten gefunden.

Gruß,
Stephan
 
Durch Anstellen der Tragfläche bestimme ich ja den Auftrieb.
Jein. Im unbeschleunigten Flug stellt sich der Anstellwinkel passend zur Fluggeschwindigkeit entsprechend Motorleistung und Höhenrudertrimmung ein. Das hat mit dem Einstellwinkel, also wie der Flügel auf dem Rumpf sitzt, nur indirekt etwas zu tun. Dieser bestimmt letztendlich, of der Rumpf im Flug einigermassen waagerecht liegt, oder ob das Flugzeug optisch wie eine reife Pflaume am Himmel hängt.

Dementsprechend:
a1) Für welche Geschwindigkeit macht es denn Sinn, den Auftrieb = Abfluggewicht einzustellen? Unterer Geschwindigkeitsbereich? Mittlerer Bereich?
Für den Bereich, in dem Du meist unterwegs sein wirst. Beim typischen Trainer ist das Horizontalflug bei mehr oder weniger Vollgas. Wenn Du lernen möchtest, Gas richtig einzusetzen, eher Halb- bis Dreiviertelgas (Das, was bei den grossen "Cruise Speed" heisst).

a2) Was mache ich mit dem „überflüssigen“ Auftrieb bei Höchstgeschwindigkeit? mit Tiefenruder wegdrücken?
Ja. Man nennt das trimmen.

b1) Wo ist denn die Bezugslinie für den Anstellwinkel? Beziehe ich den auf die gedachte Mittellinie des Flugzeugs oder auf die Motorachse?
Weder noch: Bezugslinie ist die Anströmrichtung der Luft. Und die ist damit variabel.

Bezugslinie für den Einstellwinkel ist die Rumpfachse. Und wie Du die wählst, ist einigermassen willkürlich. Wie oben gesagt: Der Einstellwinkel ist ziemlich unwichtig. Wichtig ist die Einstellwinkeldifferenz, zwischen Fläche und HLW.

b2) gehe ich Recht in der Annahme, dass die Motorwelle die Flugrichtung anzeigt? Wenn ja, warum vergrößert man den Sturz, wenn der Flieger beim Gasgeben wegsteigt? Dadurch würde ich ja den Anstellwinkel vergrößern und hätte NOCH mehr Auftrieb?
Nein. Die Flugrichtung ergibt sich aus dem Gleichgewicht aller Kräfte, die am Flugzeug angreifen. Der Vortrieb des Motors ist nur eine davon. Und bezüglich Momentenhaushalt (der bestimmt, mit welchem Anstellwinkel der Flügel unterwegs ist) keine sehr wesentliche. Trotzdem hat er seinen Einfluss, und da kommt der Sturz ins Spiel. Bei höherer Geschwindigkeit durchs Gasgeben hat die EWD des Leitwerks die Tendenz, den Flieger die Nase hochnehmen zu lassen. Der Zug nach unten durch den Motorsturz kompensiert das. Man kann das verschieden einstellen. Bei ganz neutraler Einstellung zeigt das Flugzeug beim Gasgeben überkaupt keine Tendenz wegzusteigen (Kunstflugzeug). Einen Motorsegler wird man dagegen so einstellen, dass er mit Vollgas in einen gut zu kontrollierenden Steigflug geht.

b3) Wenn die Motorachse NICHT die Flugrichtung bestimmt, woher weiß das Flugzeug, wo die Achse ist?
Die ergibt sich aus dem Momentengleichgewicht aus Flügelmoment, Leitwerksmoment, Moment des Propellerschubs und Schwerpunktvorlage (Stabilitätsmass) Diese Kräfte ergeben beim richtig ausgetrimmten Flugzeug genau für die gewünschte Flugeschwindigkeit ein Momentengleichgewicht.

c) Was fange ich mit dem Stabilitätsmaß am Schwerpunkt an? Ich habe da Zahlen so von 8% - 16% gefunden, aber ich kann mir nichts darunter vorstellen.
Wie du oben gehört hast, spielt das direkt in diese Fragen hinein.

Bei grossem Stabilitätsmass sind die automatischen Korrekturen durch das HLW relativ kräftig: Das Flugzeug geht nach einer Störung durch eine Bö schnell zur ursüprünglichen Fluglage zurück. (Kann aber auch überschwingen.) Tendenziell wird ein Trainer sicher eher mit 16% als 8% ausgelegt. Soll ja gutmütig sein, und nach einem Steuerfehler nicht erst unter der Grasnarbe abfangen. Es gibt allerdings auch den gegenteilen Ansatz, den beispielsweise der Ikarus-Trainer verfolgt: Philosophie da: Der Pilot soll ja steuern lernen. Also geben wir ihm ein Flugzeug in die Hand, das nur überlebt, wenn er steuert. Dieser Trainer ist relativ neutral eingestellt. Wenn Du den richtung Erde steuerst, dann behält er diese Fluglage bei. Du musst die Situation selbst korrigieren. Da ist das Stabilitätsmass eher klein.

Bei kleinem Stabilitäsmass ist das Flugzeug wendiger und hat einen grösseren Trimmbereich.


Hast Du die RC-N Wiki schon konsultiert? Sie ist erst am wachsen, alle Deine Fragen würden noch nicht beantwortet, aber das eine oder andere Missverständinis, das ich bei Dir gefunden habe ist dort schon ausgeräumt.

Wenn Du übrigens Fragen wie Trimmung, Anstellwinkel, Einstellwinkel, EWD, Stabilität, erst mal thoretisch verstehen willst, lass am Anfang den Zerknalltopftreibling noch weg und betrachte einen Segelflieger (musst ihn deswegen nicht bauen). Da ist noch eine Kraft weniger im Spiel und die Zusammenhänge sind einfacher.
 
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Super Fettes DANKE!, Markus!

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Dann kann's jetzt losgehen mit der Konstruktion, und dann heisst's "Helm auf, Stephan fliegt" :D

Gruß,
Stephan

P.S.: Ich hab mal durch's Wiki durchgeblättert, aber die Erklärungen beziehen sich auf ein fertig konstruiertes Flugzeug. Mir fehlte der Weg dorthin.
 
Moinmoin.


Also auf die erste Frage kann man nur sagen, stell den Einstellwinkel etwa bei 0,5 - 1,5 grad ein. Bei Clark y und Trainermodell hat das bei mir immer gepasst insofern der Schwerpunkt bei 1/3 der Flächentiefe von der Nasenleiste aus liegt.Alles andere mußt du erfliegen.

Zum nächsten Fragenblock:

Erstmal ein Bild wo eigentlich alles dargestellt ist.

Quelle: Der Privatflugzeugführer, Band 1, Wolfgang Kühr
 

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Hallo Stephan,

ich habe auch mal irgendwann mein erstes Modell selbst konstruiert. Ich nutzte dafür ein kleines aber feines Buch, in dem alles Notwendige sehr einfach aber gut erklärt ist. Und meine Modelle flogen bisher alle sehr gut.

Meine Empfehlung lautet daher:

"Motormodelle selbst konstruieren", Helmut Bauer, ISBN 3-88180-701-2
Kostete mal 18 DM...

Der Untertitel des Buches lautet: Der einfache erfolgreiche Weg.
Ich finde, das trifft es, denn so wild ist die ganze Geschichte mit den Parametern gar nicht. Wobei Markus eigentlich schon fast alles super erklärt hat...

Gruß Mirko
 
Hallo Mirko,

das Buch habe ich schon, hat mir bei meinen Aerodynamikfragen aber nicht weitergeholfen. Zusammengefasst steht da "...nehmen Sie das NACA 2412 statt dem Clark Y..." Aha. Das meiste geht um's Bauen an sich. Was ja nicht schlecht ist, aber was ich gesucht habe war eher sowas wie "Aerodynamik für geistige Fußgänger" oder so.

Den Link von Rolf werd' ich mir mal genüsslich zum Nachtisch reinziehen...

Danke Euch allen!

Gruß,
Stephan
 
Aerodynamik

Aerodynamik

Hallo
Gehe auf www.prop.at , auf der linken Seite findest Du einen
Reiter Aerodynamik anklicken und dort findest Du soviel Information und Formel das Dir schlecht wird.
happy landings
Fritz
 
Was ist denn "Aerodynamik für geistige Fußgänger"? Hört sich spannend an. Aber wie auch immer, ich vermute, du willst es eben genauer wissen. Dann mal los. Mir haben die Grundlagen gereicht, der Rest ergab sich dann aus praktischer Erfahrung. Diese Mischung möchte ich bis heute nicht missen, zumal Theorie und Praxis manchmal doch wie Hund und Katze sind.

Aber hier muss, soll und darf ja jeder seinen Weg finden. Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinen Konstruktionen. Kannst ja mal darüber berichten. Okay?

Gruß Mirko
 
Ein "geistiger Fußgänger" ist jemand, dessen geistige Auffassungsgeschwindigkeit etwa so schnell ist, wie ein Fußgänger sich fortbewegt. Was, verglichen mit dem normalen Strassenverkehr, eher langsam ist.

Stimmt, ich möcht' es ganz genau wissen. Ist ein Abfallprodukt von meinem Job :)

Klar geht nichts über praktische Erfahrung. In meiner derzeitigen Situation habe ich aber mehr Zeit für Theorie als für Praxis.

Klar werd ich berichten, wenn ich was konstruiert habe. Ich brauch Euch doch dann zur Fehlersuche! ;)

Gruß und Danke nochmal,

Stephan
 
Ein "Schnellstrickmuster" zum Vorgehen beim Entwurf eines Flugzeugs werde ich in der Wiki noch schreiben. Soooo kompliziert ist das gar nicht.

Bloss, abkürzen ist eben nicht. Vieles beim Entwurf ist iterativ: Man macht mal einen Annahme, und beginnt zu rechnen. Dann merkt man, das hier das Profil bei der Re-Zahl nicht tut, wie man will und da ein Leitwerksmoment nicht hinkommt. Dann muss man eben wieder ganz vorne Parameter ändern und nochmal neu beginnen.

Und dann gibts eben auch die, die einen Entwurf nach der TLAR-Methode aufzkizzieren, realisieren, und sich freuen, dass er fliegt. Das geht absolut und ist ein berechtigter Ansatz. Wenn man aber die Grenzen erweitern will, gehts mit der Methode nicht ohne den einen oder andern Bruch, wenn man die Grenzen eben überschritten hat.
 
Okay,

meine Modelle habe ich dann alle nach der TLAR-Methode entwickelt. Aber die flogen bzw. fliegen wirklich alle hervorragend. Okay, es waren zwei Trainer, zwei sportliche Doppeldecker und ein Racer. Ich denke, da ist es ziemlich wurscht, ob das Optimum an Leistungsausbeute erreicht wurde, da man das beim Fliegen eh nie merken würde. Da ich aber bis heute mit einer RE-Zahl nicht wirklich viel anfangen kann, werde ich sie bei einer Konstruktion wohl auch nicht berücksichtigen. Dafür weiß ich aber, wie ich eine Fläche baue, so dass sie leicht und trotzdem extrem stabil ist...

Aber es liegt ja in der Natur des Menschen, dass er neugierig ist und so eben verschiedene Wege zum Ziel findet. Und wenn wir uns auf dem Flugplatz mit unseren Modellen treffen würden, dann wär es auch egal, ob die Dinger einfach nur gebaut wurden oder erst berechnet und dann zusammengekleistert sind. Wenn sie gut fliegen, ist die Freude groß und das allein zählt doch.
Oder wie ein Bekannter immer sagt: Recht hat, wer den Fisch fängt...

In diesem Sinne hoffe ich auf schöne Bauberichte.

Ach so, danke für die Aufklärung mit dem geistigen Fußgänger.

Gruß Mirko
 
Ich wollte den praktischen Ansatz auf keine Fall schlecht machen. Wie Du sagst: gerade bei den Motorfliegern kommt es auf das letzte Optimum der Leistung der Zelle oft nicht an.

Und die Sache mit dem Fisch hat was für sich...

Nur, so wie ich unsere Kranke Ente verstanden habe, will er die aerodynamischen Zusammenhänge durchschauen. Und da gehört dann halt auch mal der Herr Reynolds und eine Polare dazu.
 
Moin Markus,

ich habe das auch nicht so verstanden, dass du den praktischen Ansatz schlecht machen willst. Es gibt nun mal verschiedene Wege zum Ziel und die wurden hier aufgezeigt. Und wenn es jemand eben ganz genau wissen will, dann hat er genauso meinen Respekt dafür, wie ich es halt lieber etwas einfacher mag. Es ist ja auch nicht so, dass ich den ganzen Kram grundsätzlich nicht verstehe. Und bis zu einem gewissen Level sind aerodynamische Zusammenhänge auch für mich interessant und wichtig. Aber ich denke, dass es an bestimmten Stellen auch übertrieben wird, da uns dann wirklich das nötige fundierte Fachwissen fehlt.

Gruß Mirko
 

R_P

User
Hallo,

noch eine Literatur Empfehlung: Die Aerodynamik des Flugmodells, einfach bei Amazon eingeben. Sehr gut, weil mit Beispielen zum Thema Aerodynamik, Flugstabilität etc..

Ronald
 
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