Hallo Freunde,
ein paar Anmerkungen:
Hallo Christian, Deine Aussage "Die EWD hat nichts mit der Stabilität zu tun" ist etwas überspitzt und kann mißverstanden werden.
Entsprechend der vereinfachten, linearisierten Theorie zur Stabilität des Geradeausfluges geht man beim Entwurf eines Modellflugzeuges wie folgt vor:
1. Bei gegebener Geometrie und gewünschter Stabilität berechnet man die Schwerpunktlage,
2. bei gegebener Geometrie, Nickmoment, Schwerpunktlage und gewünschtem Flugzustand ("Auslegungs-Ca", Geschwindigkeit) berechnet man die EWD.
Dieses Verfahren wurde unzählige Male begründet, gedruckt und in der Praxis bestätigt.
Da die EWD erst in Schritt 2 vorkommt, die Stabilität aber schon in Schritt 1 abgehandelt wird, kommt es zur o.g. Aussage.
Selbstverständlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Stabilität und EWD, der sich stark vereinfachend so darstellen läßt (und den Christian nicht abstreiten wollte):
Stab --> SP-Lage --> EWD, oder (transitiv) Stab --> EWD; da beide Funktionen "-->" umkehrbar sind (ich behaupte nicht, daß das trivial oder naheliegend ist), gilt auch der umgekehrte Zusammenhang EWD --> SP-Lage --> Stab, oder eben EWD --> Stab.
Nur: Das daraus abgeleitete Vorgehen für den Flugmodell-Entwurf ist ungeschickt.
Man baut ein Ergebnis (EWD) in das Flugzeug ein und erwartet/vermutet/hofft/rät, daß es zu den Anforderungen (Auslegungs-Ca, Stabilität) paßt.
Bei "normalen" Flugzeugen existiert ein sehr großer Vorrat an Erfahrungen; diese liegen vor z.B. in TurboSchroegis Fixwert "1.5°" oder in Johannes' etwas differenzierter Form. Die Erfahrungen beruhen oft auf vielen Flugstunden und Korrekturen/Verbesserungen.
Die zugehörigen Statistiken sind meistens nicht aufgeschrieben sondern nur in Hinterköpfen gespeichert. Ich will auf garkeinen Fall diese Erfahrungen qualitativ in Frage stellen, dazu müßte ich ein viel besserer Pilot sein. Aber es gibt keine Sicherheiten gegen Fehler.
Das "nochmal vereinfachte" Verfahren, die Erfahrungs-EWD einfach einzubauen, führt meistens nicht zu grob falsch ausgelegten Flugmodellen; kleinere Fehler kann man ja wegtrimmen und den Rest irgendwie akzeptieren, oder über die Konstruktion maulen.
Wer damit zurecht kommt - bitte sehr, alles in Ordnung.
Eines sollte man allerdings nicht übersehen:
Wer mit einem derart ausgelegten Flugmodell nicht glücklich wird, der sucht jetzt nach Gründen, warum die Kiste nicht so richtig fliegen will (was immer er unter "richtig fliegen" verstehen mag - nein, nicht sarkastisch gemeint, jeder hat halt andere Vorstellungen).
Wenn keine sorgfältige Analyse entsprechend der vereinfachten, linearisierten Theorie zur Stabilität des Geradeausfluges vorliegt dann kann es natürlich passieren, daß man die eigentlichen Gründe für verfehlte Flugeigenschaften übersieht und "andere" Gründe anführt.
Die "anderen" Gründe (z.B. hab' ich mal jemand
in diesem Zusammenhang über laminare Ablösungen an der Profilunterseite referieren gehört) mögen
teilweise ihre Berechtigung haben, aber sie sind in den allermeisten Fällen nur "Effekte 2. Ordnung", also
klein. Es macht wirklich Sinn, erst einmal die naheliegenden Gründe zu erforschen und nicht eine GURU-Wissenschaft daraus zu machen (mach' ich mich wieder unbeliebt? Is' nicht bös' gemeint!
).
Eine Analyse entsprechend der vereinfachten, linearisierten Theorie zur Stabilität des Geradeausfluges (...könnte man ja AedvlTzSdG abkürzen
) garantiert noch lange kein wirklich gutes Design. Sie rechnet auch für ein viel zu großes HLW eine SP-Lage und eine EWD (viel zu klein) aus und man wundert sich dann, warum der Kiste ums Ver... das Pumpen nicht abzugewöhnen ist (Nein Jürgen, ich meine jetzt nicht Deinen Beitrag, Du hast die letztendliche, wirksame Korrektur völlig richtig beschrieben).
Eine Analyse entsprechend der ...
garantiert kein absolut richtiges Ergebnis, zu sehr ist die Theorie vereinfacht. Beispiel: Die Berechnung des Abwindes hinter dem Tragflügel (geht "voll" in die EWD ein) ist nicht einfach und es gibt mehrere Formeln, die verschiedene Ergebnisse liefern
und von uns weiß wahrscheinlich keiner, welche Formel "richtig" ist.
Das alles sollte aber kein Grund sein, auf eine AedvlTzSdG
zu verzichten, oder sie für falsch/ungenügend/<an der Praxis vorbei> zu erklären (wie es in diesem Thread keiner gemacht hat, aber das passiert häufig).
Warum liegt in so vielen Fällen die praktisch ermittelte optimale EWD (peoEWD
) so weit unterhalb der errechneten?
- Nun, ehrlich: Sooo weit weg waren meine letzten EWD-Berechnungen von der Praxis nun wieder nicht. Es liegt daher der Verdacht nahe: Wurden simple Rechenfehler gemacht? Aus eigener Erfahrung muß ich beichten, daß das gerade im Bereich der EWD nur allzu leicht passiert. Rechenfehler darf man niemals völlig ausschließen!!
- Ein relativ großes HLW führt zu einer "klein aussehenden" EWD und zu hoher statischer Stabilität. Es kann in extremen Fällen aber zum HLW-Stall im Langsamflug führen (ja, kontra-intuitiv).
- Daß Modelle <schneller> eingestellt werden als ursprünglich vorgesehen ist bei erfahrenen Modellpiloten sicherlich weit verbreitet, wie hier schon öfters angeführt.
- Erfahrene Modellpiloten stellen ihre Modelle aber auch oft <weniger stabil> ein, als vorgesehen (oder empfehlenswert). Manche Modellpiloten erfliegen den Flugzeug-Neutralpunkt geradezu abenteuerlich genau... Jaquin à son gôut, solange niemand drin sitzt muß man ja nur auf die Menschen unten aufpassen. Der Gewinn an Leistung wird m.E. übertrieben.
- Wer einen Vergleich zu manntragenden Flugzeugen zieht: Diese sind m.W. allgemein stabiler eingestellt um die Vorschriften einzuhalten - aber dazu könnte Christian ganz sicher fundierter was beitragen als ich.
Nochwas: Wer eine EWD im Modell "hat", die entsprechend seinen Anforderungen "viel zu langsam" (=zu groß) ist, kommt in Versuchung, einfach tief zu trimmen. Das kann gefährlich werden:
Ein Modell mit großer EWD ist gewöhnlich "langsam" (ist für Thermikflug vorgesehen und hat ein stärker gewölbtes Profil mit größerem negativen Nickmoment). Der unzufriedene Modellpilot verändert nun die EWD durch dauerhaften Klappenausschlag nach unten. Damit verringert er die Fähigkeit des HLW, maximalen
Abtrieb zu liefern (er erhöht des CAHmin). Im Schnellflug wird aber das HLW negativ beansprucht (muß abwärts Drücken) und könnte nun seine Grenze erreichen --> HLW-Stall.
Nein, so ein Modell sollte man nicht "künstlich" schneller machen als vom Kontrukteur beabsichtigt; Johannes' angegebene praktische Erfahrung muß hier wirklich ernst genommen werden und sie würde sich in einer AedvlTzSdG ja auch bestätigen. Ich interpretiere keine Äußerung in diesem Thread so, als hätte das jemand explizit versucht, ich wollte nur auf dieses Problem ausdrücklich hinweisen.
Hier ist's schon wieder heiß, also Vorsicht beim Lesen, die Temperatur-Differenz Denkbirne/Umgebung in Grenzen halten...
Schöne Grüße,
Helmut