Modellmotoren beim „Friseur“ - Teil 2/3

Modellmotoren beim „Friseur“ - Teil 2/3

Bernhard Krause


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Unter „frisieren“, oder neudeutsch „Tuning“, versteht man bei Verbrennungsmotoren das Anpassen an einen bestimmten Einsatzzweck. Meist ist es der Wunsch nach mehr Leistung, der Modellsportler dazu bewegt, sich mit dem Tuning zu beschäftigen. Im ersten Teil befassen wir uns mit dem richtigen Einlaufen und Anpassen des Resonanzschalldämpfers sowie den eventuellen Nacharbeiten der Fertigungsqualität. In diesem Artikel geht es nun um Veränderungen an der Konstruktion und den Umbau zum Rennmotor.

Die wohl tiefgreifendste Änderung an einem Modellmotor ist eine Veränderung der Steuerzeiten (eigentlich müsste es "Steuerwinkel" heißen) und des Verdichtungsverhältnisses. Die Steuerzeiten bestimmen den Charakter eines Motors. Wird zum Beispiel die Auslasssteuerzeit bei gleich bleibender Einlasssteuerzeit erhöht, so reagiert der Motor stärker auf einen Resonanzauspuff. Das Leistungsvermögen das Motors steigt. Wichtig ist dabei die Differenz zwischen Einlass- und Auslasssteuerwinkel. Üblich sind 25° bis 32°, wenn der Motor bei guter Drosselfähigkeit sowohl mit einem Kammerdämpfer als auch mit einem Resonanzdämpfer gut laufen soll. Unser Rossi hat 152° bis 125°, und das sind 27° Differenz – ein Mittelwert. Wird diese Differenz zwischen Einlass- und Auslasssteuerwinkel durch vergrößern des Auslassfensters erhöht, so reagiert der Motor mit einer Leistungserhöhung. Bis etwa zu einem Wert von 35° bis 40° Differenz bleibt eine gute Drosselbarkeit des Motors erhalten. Wird der Wert weiter erhöht, mutiert der Motor ab etwa einer Differenz von 50° zu einem reinen Rennmotor, der sich zwar drosseln lässt, aber beim Öffnen der Drossel mit einer leichten Verzögerung schlagartig auf Höchstleistung geht.

Diese Verzögerung resultiert zum Teil daraus, dass der Auspuff erst seine Betriebstemperatur erreichen muss, damit das Auspuffgas den in der Längenberechnung zu Grunde gelegten Wert für die Schallgeschwindigkeit erreicht. Jede noch so gut gesteuerte Kunstflugfigur würde verrissen werden. Aber ein Rennmodell muss ja keinen Kunstflug machen. Außerdem ist der Effekt zu verzeichnen, dass sich die Leistungskurve des Motors in Richtung hoher Drehzahlen verlagert, verbunden mit dem Nachteil, dass bei niedrigen Drehzahlen die Leistung sinkt.

Ähnlich verhält es sich mit der Verdichtung. Prinzipiell trifft Folgendes zu:
Niedrige Verdichtung = niedrige Leistung und weicher Motorlauf.
Hohe Verdichtung = hohe Leistung und rauer Motorlauf.

Der Vorteil der hohen Verdichtung, die natürlich nicht beliebig erhöht werden kann, ist die hohe Leistung, die auch ohne bzw. mit einem geringen Nitromethananteil erreicht wird. Zurzeit wenden die europäischen Motorenhersteller Verdichtungsverhältnisse von etwa 10:1 bis 13:1 an. Bekanntlich macht es, wie schon angedeutet, keinen Sinn, die Verdichtung ins Unermessliche zu steigern. Das ginge nur auf die Lebensdauer des Motors. Ausgehend vom zuvor Geschriebenen, habe ich an meinem Rossi folgende Änderungen vorgenommen, um seine Leistung konsequent weiter zu steigern:
  1. Erhöhung der Verdichtung durch Anfertigung eines neuen Zylinderkopf-Einsatzes auf 13,5:1
  2. Erhöhung der Auslass-Steuerzeit auf 162° durch Hochfräsen des Auslassfensters auf 7 mm
  3. Neuanpassung der Resonanzlänge
Als Form für den Brennraum im Zylinderkopf habe ich mich für eine Zylinderhutform mit ebener Quetschkante entschieden, da diese nach meiner Erfahrung die beste Leistungsausbeute ergibt. Diese Erfahrung fußt auf einer umfangreichen Versuchsserie, die ich in meiner Zeit als Modellmotorenkonstrukteur durchgeführt habe. Diese Brennraumform behält eigenartigerweise ihre guten Eigenschaften nur, wenn der Übergang von der Quetschkante zum Brennraum absolut scharfkantig ausgeführt wird.


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Im Bereich des Auspufffensters wurde das Gehäuse leicht nachgearbeitet, um eine Kante zwischen Auspuffstutzen und Auspuffanschlussstück zu beseitigen.

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Hier wurde eine Kante im Gehäuse am seitlichen Überströmer beseitigt.

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Hier wurde im Bereich des Überströmers eine Kante beseitigt. Meinen Erfahrungen nach ist es überflüssig, die Fräserspuren mit weiterem Aufwand zu glätten oder gar zu polieren.

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Die gerade Oberkante des Auslassfensters in der Laufgarnitur wurde um 0,7 mm nach oben verlängert und schräg angefast, was das Ausströmen der Auspuffgase erleichtert und den Auslasssteuerwinkel von 162 auf 175 Grad erhöht.​

Das Ergebnis spricht für sich. Allerdings habe ich im Gegensatz zu den drei anderen Messkurven, bei denen mit konstanter Resonanzlänge gearbeitet wurde, bei dieser Messung den Schalldämpfer für jeden Propeller auf die rechnerische Resonanzlänge eingestellt, um so einmal die volle Leistungsfähigkeit des Motors zu zeigen. Außerdem wollte ich damit ausgeloten, wie hoch etwa die Drehzahl mit dem Propeller APC 8 x 8" werden könnte. Er erreicht 17 900 min–1 mit der 8 x 8". Die volle Leistung war nicht zu ermitteln, da sich die erforderliche Resonanzlänge von etwa 285 mm mit dem vorhandenen Auspuffkrümmer nicht einstellt. Mit dem Testpropeller Super Nylon 12 x 6" erreichte der Motor bei einer Resonanzlänge von 400 mm 11 600 min–1 und eine Leistung von 0,957 kW. Das entspricht einer Leistungssteigerung gegenüber der Tuningstufe 2 von weiteren 4%. Die Leistungskurve zeigt aber auch, dass der Propeller 12 x 6" nicht das Leistungsvermögen des Motors ausnutzt. Der Nutzer sollte sich, falls er noch mehr Leistung benötigt, Gedanken machen, durch Verwendung einer anderen Propellergröße, zum Beispiel einer APC 11 x 7", das Leistungspotential des Motors voll zu nutzen. Mit der APC 11 x 7" erreicht der Motor bei einer Resonanzrohrlänge von 344 mm seine Höchstleistung von 1,1 kW bei 15 300 min–1. Diese hohe Drehzahl ist für die kurze Zeit des Starts mit Sicherheit vertretbar, zumal der Leistungsgewinn gegenüber dem Propeller 12 x 6" etwa 20% beträgt. Für die nächste Frisierstufe, in der mit einer APC 8 x 8" eine möglichst hohe Leistung erzielt werden und nach Möglichkeit dabei die 20 000 min–1-Grenze angekratzt werden soll, wird ein neuer, extrem kurzer Krümmer benötigt. Die benötigte Resonanzlänge beträgt hierbei rund 300 mm. Dieser Wert ist mit dem Serienkrümmer leider nicht erreichbar.

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4. Stufe: Umbau zum Rennmotor

In dieser Bearbeitungsstufe möchte ich aus unserem Übungsobjekt in Sachen Tuning einen reinrassigen Rennmotor machen, wie er für ein kleines Speedmodell benötigt wird. Wie schon erwähnt, ist das Ziel, der Drehzahl von 20 000 min–1 mit einem Propeller APC 8 x 8 möglichst nahe zu kommen. Da mit dem vorhandenen Auspuffkrümmer die dafür erforderliche Resonanzlänge von etwa 295 mm nicht einstellbar ist, musste als wichtigste Arbeit ein extrem kurzer Auspuffkrümmer angefertigt werden. Ich benutzte dazu einen 18 mm-Kupfer-Krümmer und ein Stück 18 mm-Kupferrohr aus dem Baumarkt, das ich mit einem von mir angefertigten Messing-Auspuffflansch hart verlötete. Ein Drucktankanschluss, ebenfalls hart verlötet, vervollständigte den neuen Krümmer.

Wegen des hohen Gewichts war dieser Krümmer nur als Provisorium für den Prüfstandbetrieb gedacht. Als nächste Arbeit habe ich den Auslasskanal auf 7,7 mm erhöht, was einen Auslasssteuerwinkel von 175° ergibt.

Der Zylinderkopf mit der Verdichtung 13,5:1 wurde auch hier verwendet. Auch bei diesen Messungen wurde mit jedem Propeller die optimale Resonanzlänge eingestellt. Es zeigte sich schnell, dass der Motor in dieser Konfiguration mit großen Propellern schwächer ist als vorher und erst bei ab 14 000 min–1 leistungsstärker wird. Dann allerdings steigt die Leistungskurve steil an. Mit der APC 8 x 8 erreicht er jetzt 19 600 min–1.

Um dem Motor die Möglichkeit zu geben, genügend Luft anzusaugen, bekam er einen Vergaser von einem 10-cm3-OS mit einem 10,5-mm-Lufttrichter verpasst, wodurch der Vergaserquerschnitt um rund 50% gegenüber dem Serienzustand vergrößert wurde. Nach diesem Umbau kam der Motor erneut auf den Prüfstand. Die Leistungskurve ist ebenso beeindruckend wie der Sound des Motors.

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Mit der APC 8 x 8 und 300 mm Resonanzlänge erreichte er exakt 20 030 min–1. Messungen mit noch kleineren Propellern habe ich nicht als sinnvoll angesehen, da sich die dafür benötigten Resonanzlängen nicht einstellen ließen. Die Leistungskurve zeigt bei 20 000 min–1 noch nach oben. Die Drehmomentkurve verläuft ebenfalls noch sehr flach, sodass bei höheren Drehzahlen mit Sicherheit noch ein Leistungsanstieg zu erwarten ist. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, würde ein noch kürzerer Resonanzschalldämpfer benötigt, der mir derzeit aber nicht zur Verfügung steht.

Die bislang im Test verwendeten Webra Nr. 3-Glühkerzen, sind dieser extremen Beanspruchung erwartungsgemäß nicht mehr gewachsen. Fast jeder Testlauf im Bereich um 20 000 min–1 kostete eine Kerze. Hier sind dann extrem kalte Kerzen, wie sie Rossi anbietet, von Vorteil. Während der Testläufe in dieser Phase habe ich auch Zylinderkopfeinsätze mit geringerer Verdichtung erprobt, die aber alle nicht die hohe Leistung wie der verwendete Kopf mit dem Verdichtungsverhältnis 13,5:1 brachten.


Mein Fazit

Die Ergebnisse der einzelnen Tuningstufen zeigen, dass die 1. Stufe bei ordnungsgemäßer Nutzung des Motors in Verbindung mit einem ausreichenden Einlaufvorgang und der fachgerecht ausgeführten Abstimmung der Resonanzauspuffanlage, die höchste Leistungsausbeute bringt. Dazu ist es im Prinzip nicht einmal zwingend notwendig, den Motor vollständig zu demontieren.

Wer die nötige Werkstattausrüstung und handwerklichen Fähigkeiten besitzt, kann mit der Stufe 2, also der Nachbearbeitung einzelner Bauteile, je nach Fertigungsqualität des Motors zwischen 5% und 10% Leistungssteigerung erzielen. Die 3. Stufe bringt aus der Erhöhung der Effektivität des Resonanzschalldämpfers eine weitere Steigerung der Leistung. In unserem Fall waren das bei 15 300 min–1 über 20%. Dabei zeigte sich auch, dass mit der Drehzahl der Leistungszuwachs steigt. Der Übergang zur Tuningstufe 4 ist als fließend anzusehen, da sich mit einer weiteren Erhöhung der Auslasssteuerzeit über 165° hinaus die Maximalleistung immer weiter erhöht, sich diese Leistungserhöhung aber immer weiter in Richtung hoher und höchster Drehzahlen verlagert, bei gleichzeitiger Leistungsverringerung in den niedrigeren Drehzahlregionen. Größere Vergaserquerschnitte steigern die Leistung bei hohen Drehzahlen weiter. Bei Motoren, die mit einem Speedvergaser ständig in extrem hohen Drehzahlbereichen betrieben werden sollen, sind noch weitere, tiefgreifende Veränderungen am Motor möglich, die sowohl Leistung als auch Drehzahl weiter steigern würden. Auf diese 5. Tuningstufe habe ich in diesem Artikel allerdings bewusst verzichtet.

Bei allen Arbeiten an den Bauteilen von Modellmotoren muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein falscher Feilenstrich oder ein unsachgemäß eingespanntes Bauteil Selbiges für immer in Schrott umwandeln kann.


Modell 3/2006 © Neckar-Verlag GmbH
 
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