Modellmotoren beim „Friseur“ - Teil 3/3

Modellmotoren beim „Friseur“ - Teil 3/3

Tuningstufe 5

Bernhard Krause


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In zwei Beiträgen hat unser Berliner Rennsemmel-Experte in Modell 2 und 3/2006 das Tunen von Zweitaktern in vier Stufen beschrieben. Einer geht noch, meint er, und packt Tuningstufe Nr. 5 oben drauf.

Bei den bisher beschriebenen vier Tuningstufen bestand immer die Möglichkeit, den Motor mit einem Drosselvergaser mindestens auf eine erhöhte Leerlaufdrehzahl zu drosseln. Für Rennklassen wie z. B. Pylon Racing ist das nicht gefragt. Hier soll der Motor nur mit Maximaldrehzahl laufen, zur Landung wird er abgeschaltet. Diese Verfahrensweise ist auch bei anderen Rennklassen, wie F2A-Speed oder F2C-Teamracing, gebräuchlich. Deshalb erfolgt der Austausch des Drosselvergasers gegen ein Venturi, um den Luftdurchsatz des Motors zu erhöhen. Denn: Mehr Luftdurchsatz bringt mehr Leistung. In unserem Rossi hat die Mittelbohrung in der Kurbelwelle einen Durchmesser von 10 mm und begrenzt damit den Luftdurchsatz. Um diesen weiter zu erhöhen, wäre eine Vergrößerung der Mittelbohrung in der Kurbelwelle sinnvoll.

Bei den meisten Motoren der Baugröße 6,5 cm3 bis 8,5 cm3 beträgt der Schaftdurchmesser der Kurbelwelle 15 mm. Daher ist es nicht möglich, die Mittelbohrung über 10 mm Durchmesser hinaus zu vergrößern. Da aber die Kurbelwelle des Rossi einen Schaftdurchmesser von 17 mm besitzt, kann an diese ohne Bedenken die Schleifscheibe angesetzt werden. Ich habe mit der Drehmaschine und einer Dental-Schleifspindel den Durchmesser der Mittelbohrung meines Motors auf 11,5 mm vergrößert. Damit wuchs die Querschnittsfläche der Mittelbohrung um 30%. Mein Venturi erhielt ebenfalls 11,5 mm Durchmesser.

Gegenüber dem 10,5-mm-Drosselvergaser aus der Frisierstufe 4 bedeutet das eine Querschnittvergrößerung um 80%, da der Venturivergaser keine Quereinbauten hat. Für das Venturi musste ich noch einen Düsenstock anfertigen. Da der Motor nicht mehr gedrosselt wird, können auch die Steuerzeiten des Kurbelwellendrehschiebers vergrößert werden. Von Haus aus liegt der Rossi mit seinen Einlass-Steuerzeiten von 35° nach UT öffnen und 60° nach OT schließen schon an der Obergrenze für Motoren mit Drosselvergaser. In der 4. Tuningstufe wurde deshalb an dieser Stelle auch nichts geändert. Da die meisten Motoren jedoch nur Einlass-Steuerzeiten von 45° nach UT öffnen und 45° nach OT schließen haben, bestehen meist für Tuningstufe 4 noch Reserven.

Ich vergrößerte durch Nachschleifen der Kurbelwelle die Einlass-Steuerzeit auf 70° nach OT schließen. Mehr sollte nur in speziellen Fällen versucht werden. Da schon einmal die Kurbelwelle in Arbeit war, habe ich das Ende der Ansaugbohrung noch abgerundet und unnötiges Material hinter dem Kurbelzapfen abgeschliffen. Dadurch wurde die Kurbelwelle am Kurbelzapfen leichter. Das verbessert den „Auswuchtungsgrad“ des Motors, das ist gut für hohe Drehzahlen. Als Nächstes kam der Kolben an die Reihe. Da unter einem Kolben mit geschlossenem Kolbenhemd kein Gasaustausch erfolgt, bildet sich im Betrieb ein heißes Gaspolster. Die Folge ist schlechte Schmierung des oberen Pleuellagers und ein stark überhitzter Kolbenboden. Das kann bei sehr hohen Drehzahlen schnell zu Kolbenfressern führen. Um einen Gasaustausch unter dem Kolbenboden zu erzeugen, habe ich im Bereich des 3. Überströmkanals ein Fenster in den Kolben gefräst.

Die Laufbuchse ist jedoch im Bereich dieses Kolbenfensters geschlossen und verhindert den gewünschten Gasaustausch. Daher musste ich zwangsläufig die Laufbuchse in diesem Bereich mit einem Schlitz versehen. Wegen der nicht benötigten Drosselfähigkeit des Motors kann nun auch die Auslass-Steuerzeit in der Laufbuchse auf den Maximalwert gebracht werden, um einen noch stärkeren Leistungsanstieg durch den Resonanzeffekt zu bekommen. Ich fräste den Auspuffschlitz auf 8,3 mm Höhe, was einem Auslass-Steuerwinkel von 180° entspricht. Dieser Wert kann als das maximal Machbare angesehen werden, obwohl auch in speziellen Fällen Rennmotoren mit bis zu 195° Auslass-Steuerwinkel laufen.

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Die Verdichtung habe ich bei 13,5:1 belassen. Die Verwendung von besonders robusten, extra kalten Kerzen wurde damit zur Pflicht. Meine Wunschdrehzahl waren 24 000 min-1, doch mit dem vorhandenen Resonanzschalldämpfer ist diese Drehzahl auf Grund seiner Länge nicht erreichbar. Es musste ein neues Resonanzrohr her. Natürlich ohne Schalldämpferteil, um die Drosselung zu verringern. Die Berechnung eines Resonanzrohrs habe ich sehr ausführlich in meinem Buch „Modellmotorentechnik“, erschienen im Neckar-Verlag, auf den Seiten 137 bis 141 beschrieben. Nach dieser Berechnung ergibt sich bei den vorliegenden Steuerzeiten von 130° Überströmen und 180° Auslass bei 24 000 min-1 und einer angenommenen Schallgeschwindigkeit im Resonanzrohr von 450 m/s eine Abstimmlänge von 250 mm.

Das errechnete Resonanzrohr baute mir ein Vereinskamerad und langjähriger Freund aus 0,3 mm-Edelstahlblech. Als Auspuffkrümmer verwende ich den Kupfer-Krümmer der Frisierstufe 4. Damit waren die Arbeiten am Motor abgeschlossen, so glaubte ich. Auf dem Prüfstand zeigte sich jedoch, dass der Druck aus dem Auspuffkrümmer bei dem großen Vergaserquerschnitt nicht ausreichte, um genügend Kraftstoff zu fördern. Ich musste nun zu einem alten Trick der Fesselflug-Speedflieger greifen, der Druckabnahme aus dem Kurbelgehäuse. Dazu habe ich einen Drucknippel mit M 3,5-Gewinde gefertigt, den ich anstelle einer Gehäuseschraube am hinteren Deckel eingesetzt habe und der den Gehäusedruck aus dem Bereich des 3. Überströmkanals abnimmt.

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Wichtig dabei ist, dass die Bohrung in dem Drucknippel auf etwa 1,5 mm Länge nur einen Durchmesser von 0,3 mm hat. Ist die Bohrung größer, baut sich im Tank kein konstanter Druck auf.

Bei den nun folgenden Messungen auf meinem Prüfstand zeigte sich, dass der Wunsch, 24 000 min-1 zu erreichen, wohl etwas zu hoch gegriffen war. Mit der APC 8 x 8" erreichte der Motor bei 285 mm Abstimmlänge 20 400 min–1. Damit erwies sich meine Annahme von 450 m/s für die Schallgeschwindigkeit im Auspuff als genau richtig. Mit einer Super Nylon 9 x 5" wurden 22 800 min–1 erreicht. Die Resonanzlänge von 270 mm bei dieser Messung bedeutet allerdings eine Schallgeschwindigkeit von 476 m/s. Die Auswertung der Messergebnisse zeigte, dass die Leistungsspitze mit der APC 8 x 8" bei 20 400 min-1 liegt. Auf Messungen mit geringeren Drehzahlen habe ich bewusst verzichtet. Es war sicher, dass bei dieser Motorauslegung keine besonders hohen Leistungswunder unterhalb von 18 000 min–1 zu erwarten sind und nur die mit dieser Motorauslegung zu erreichende Leistungsspitze von Interesse ist.

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Zusammenfassung

Bei dieser 5. Tuningstufe habe ich die Motorauslegung moderner 2,5 cm3-Hochleistungsmotoren der Modellklasse F2A-Speed auf einen 7,5 cm3-Motor übertragen. Der Arbeitsaufwand für die hier vorgestellte 5. Tuningstufe ist sehr hoch. Das Risiko, den Motor durch Bearbeitungsfehler zu zerstören, ebenfalls. Die erreichte Leistungsspitze zeigt uns allerdings auch, wie weit ein moderner Leistungsmotor noch verbessert werden kann.

Für die Meisten ist diese Motorauslegung eher eine Verschlechterung, da bei dem üblichen Drehzahlband bis
14 000 min–1 die Leistung in der 3. Tuningstufe günstiger liegt. Für Pylonflieger und Anhänger der RC-Speed-Szene, wo jede Leistungserhöhung unabhängig von der Drehzahl willkommen ist, sind die hier aufgeführten Motorveränderungen jedoch eine echte Chance. Sollte die Leistung meines Motors von anderen frisierten Motoren gleichen Typs übertroffen werden, ist das nicht verwunderlich, da der Motor schon für viele andere Messungen herhalten musste, u. a. für den Artikel „Powerstoff mit Sauerstoff“ in Modell 1/2005.

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© Neckar-Verlag GmbH
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Guten Morgen,

ein hervorragender Beitrag!
Komplexe Zusammenhänge und für den Laien undurchsichtige Themaik leicht verständlich erklärt.
Sowas liest man selten.

Vielen herzlichen Dank dafür!

@Redaktion: Bitte die Diagramme in besserer Auflösung und/oder vergrößerbar hochladen. Sie sind zu stark komprimiert. Man (ich) kann sie kaum lesen. Vielen Dank!
 

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