Leichtwind Boost für’s Tiller-Sharpie

Umbau des Tiller-Sharpie auf Genua

Klaus Bartholomä (Text und Bild) - Stephan zu Hohenlohe (Redaktion)


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Von Beginn an war es vorgesehen, mein Tiller-Sharpie, nach dessen Download-Plan mittlerweile mindestens sieben Exemplare entstanden sind, mit einer Genua auszustatten. Nun habe ich den Plan umgesetzt und bin erstaunt, wie gut das neue Vorsegel funktioniert.

Mein Planmuster ist mit einem 3.000 g Kielgewicht ausgestattet, wodurch es mehr Wind verträgt, als der Prototyp mit nur 2.500 g, aber bei wenig Wind nicht gegen das leichtere Boot ankommt. Die Genua kompensiert diesen Nachteil komplett und sieht obendrein noch schiffiger aus als die Selbstwendefock. Obwohl die Segelfläche gar nicht so viel größer ist, kann man einen deutlichen Geschwindigkeitszuwachs wahrnehmen, selbst bei ganz wenig Wind ist schon die Rumpfgeschwindigkeit erreichbar. Das liegt daran, dass das überlappende Vorsegel, sofern es richtig eingestellt ist, eine Art Düsenwirkung zwischen Vor- und Großsegel erzeugt, die auch das Großsegel besser wirken lässt. Womit wir auch schon beim Nachteil des Systems wären. Die Genua muss immer passend zum Kurs eingestellt sein, was bei der Selbstwendefock, die man an Land einstellt, nicht der Fall ist.

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Rumpfgeschwindigkeit am Wind und das bei glattem Wasser

Erstaunt hat mich, dass die Genua nicht nur am Wind besser funktioniert, sondern auch bei Halbwind- und auf raumen Kursen. Mit etwas Übung kann man sogar vor dem Wind Schmetterling fahren.

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Vor dem Wind geht auch Schmetterlingsegeln

Die Segelmanöver machen mit dem Zweischotsystem, das ich auch bei anderen Modellen schon erfolgreich eingesetzt habe, ganz besonders Spaß. In der Wende wird das Segel schnell auf die andere Seite geholt und auf raumem Kurs kann es weit genug auswehen, weil die Luvschot reichlich Lose hat.

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Bei halbem Wind ist ein leichter Schrick in der Schot

Ein voller Erfolg auf der ganzen Linie und wenn der Wind auffrischt, wird einfach die Pendelfock statt der Genua gesetzt und mein Tiller-Sharpie ist wieder das alte. Wie das System funktioniert? Natürlich wird das nun erklärt.


Segelmacher

Der Segelplan des Downloadplans enthält bereits das Schnittmuster für die Genua. Als Material eignet sich ICAREX oder leichtes Gittermylar. Letzteres habe ich verwendet. Es ist in einem gut sortierten Drachenladen als Meterware erhältlich, meines wiegt 45 g/m². Bevor mit dem Segelkleben begonnen wird, muss ein neues Vorstag angefertigt werden. Es hat den gleichen Verlauf wie das der Pendelfock, nur dass es eben nicht am Fockbaum aufhört, sondern bis auf's Deck durchgeht und dort an einer zweiten Decksöse befestigt ist. Die Position des Mastes ist für beide Segel die gleiche. Man kann also die Achterstageinstellung verwenden, um die richtige Länge des Vorstages zu finden.

Segel werden heute nicht mehr genäht, sondern geklebt. Dafür besorgt man sich am Besten im gleichen Drachenladen ein paar Meter doppelseitiges Klebeband mit sechs oder acht Millimeter Breite und etwas selbstklebendes Segeltuch mit 50 Millimeter Breite. Ein Profil braucht unsere Genua nicht, denn das ergibt sich automatisch durch die Schotspannung. Deshalb kann das Segel im einfachsten Fall aus einem Stück angefertigt werden, wobei der Faserverlauf entlang des Vorstags laufen sollte. Das Segeltuch wird einfach platt auf eine Tischplatte gelegt und die Kontur mit einem scharfen Cutter-Messer ausgeschnitten. Am Vorstag wird ein Saum von 15 Millimeter zugegeben, der umgeschlagen und zu einer Tasche geklebt wird, in der das Vorstag verläuft.

Damit ist das Segel auch fast fertig. Jetzt müssen nur noch die Ecken mit dem selbstklebenden Segeltuch verstärkt werden. Ein 50 Millimeter breiter und 80 Millimeter langer Streifen wird dazu in vier gleiche, leicht konische Streifen geschnitten, die sternförmig auf die Ecken des Segels geklebt werden. Schlussendlich brauchen wir in jeder Ecke noch einen Hohlniet, der idealerweise mit einer Hohlnietzange eingepresst wird und fertig ist das Segel. Wer es ganz besonders toll machen möchte, der kann das Segel auch aus 30 Zentimeter breiten Bahnen kleben, das sieht nicht nur gut aus, sondern es spart auch Tuch. Ich habe im unteren Bereich noch drei Dreiecke eingesetzt, deren Faserrichtung entlang des Schotzugs laufen. Das sieht besonders professionell aus, ist aber technisch nicht unbedingt notwendig.


Zwei Winden

Ich habe in meinem Modellseglerleben schon viele Genua-Systeme ausprobiert und ersonnen. Das beste System ist das, bei dem die beiden Schoten auf Backbord- und Steuerbordseite über getrennt arbeitende Segelwinden angesteuert werden. Dadurch kann die Leeschot gefiert werden, ohne dass die Luvschot anzieht, wodurch das Vorsegel vorbildgetreu und ungehindert auswehen kann. Die Folge ist ein perfekter Stand des Segels. Mechanisch ist das System recht einfach, denn ich habe im Tiller-Sharpie einfach zwei Graupner Regatta Speed-Winden Backbord und Steuerbord auf dem RC-Brett platziert. Damit das geht, ist die RMG-Großsegelwinde ganz nach vorne gerutscht.

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Die Winden für die Genauschoten sitzen achtern links und rechts vom Steuerservo und dem Empfänger

Die beiden Schoten laufen unter Deck bis ans Heck des Bootes und treten dort über einen Decksblock aus. Man kann sie auch im Cockpit nach achtern führen, was nachträglich noch umgerüstet werden kann, aber nicht ganz so elegant aussieht. Am Ende der Schot ist ein kugelgelagerter Block und ein Gummiseil befestigt, das die Aufgabe hat, die Schot zu spannen.

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Die Schot tritt am Heck aus…

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… und wird nach vorne mit einem Gummi gespannt

Ich habe es bis zum Fußpunkt des Vorstags geführt, dort mittels eines weiteren Blocks umgelenkt und an der Schot der anderen Seite festgebunden. Das Gummiseil ist dabei so viel gespannt, dass es die beiden Schoten im entspannten Zustand leicht spannt. Dadurch kann die Schot nicht von der Trommel der Segelwinde springen. Als Material eignet sich 1 mm-Silikonmaterial, das beispielsweise von Ripmax in 1 m-Stücken vertrieben wird.

Nun sind wir mit der mechanischen Ausführung des Schotsystems auch schon fast fertig. Es fehlen nur noch auf jeder Seite ein stehender Decksblock, der etwa 8 Zentimeter hinter den Wanten seinen Platz findet und direkt mit dem Decksstringer verschraubt wird. Gleich daneben kommt jeweils eine Klampe. Die Schot, die am Segel angeschlagen ist, wird nun auf jeder Seite durch den Decksblock und den Block am Schotende der Winde geführt und an der Klampe belegt. Diese Prozedur erfolgt auf beiden Seiten separat mit jeweils dicht geholter Winde. Das hört sich kompliziert an, ist es aber nicht, denn der Vorgang dauert keine Minute und wir stellen bei jedem Segeln sicher, dass die Schoten sauber eingestellt sind. Auch die Modellyachtschot mit zwei Millimeter Durchmesser verändert sich bei Feuchtigkeit oder unterschiedlichen Temperaturen. Diese einfache Prozedur kompensiert die Längenänderungen des Materials und stellt immer ein sauber eingestelltes Segel sicher.

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Die Multiplex Cockpit SX12 ist der ideale Segelbootsender


Software

Ohne Programmierung geht heute nichts mehr und so ist es auch bei diesem System. Natürlich kann man die beiden Schoten von Hand mit getrennten Knüppeln fahren, aber dadurch kann es passieren, dass beide Winden gleichzeitig anziehen, wodurch sie sich gegenseitig zerstören, wenn nicht vorher etwas reißt. Komfortabel ist es auch nicht. Das wollen wir nicht, also programmieren wir unseren Sender so, dass beide Winden mit nur einem Knüppel betätigt werden. Das hört sich komplizierter an als es ist und erfolgt in folgenden Schritten:

1. Einstellen der Schoten
Ich habe die beiden Vorsegelwinden auf Kanal 2 und Kanal 3 gelegt. Über die Servowegbegrenzung werden die Schotwege so eingestellt, dass die Winden nicht klemmen und auch die Schot niemals lose werden kann.

2. Asymmetrische Wege
Nun wird der Stellweg der Vorsegelwinden so eingestellt, dass die Winde beim halben Knüppelweg schon den gesamten Verfahrweg macht und bei der zweiten Hälfte des Knüppelweges nicht mehr fährt. Die Backbordwinde fährt nur, wenn der Knüppel von der Mittelstellung nach Backbord bewegt wird, die Steuerbordwinde fährt nur bei Knüppelbewegung von Mitte nach Steuerbord.

3. Mischen
Der letzte Schritt ist das Mischen der beiden Kanäle. Dabei muss der eine Kanal den anderen überschreiben. Bei mir ist Kanal 2 der Master. Er wird auf Kanal 3 gemischt und überschreibt selbigen, Kanal 3 folgt also Kanal 2 (Slave). Der Knüppel von Kanal 3 wird damit am Sender unwirksam und beide Winden werden nur von einem Knüppel angesteuert. Die Steuerbordwinde läuft nur, wenn der Knüppel nach steuerbord wandert und die Backbordwinde nur bei Backbordausschlag des Knüppels. Selbstredend, dass die Endstellung mit dichtgeholtem Segel gleichzusetzen ist.

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Ein Modelspeicher für das Sharpie ist angelegt…

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… und die Geber richtig zugewiesen. Die Vorsegel werden mit den Gebern „Seite“ und „Flap“ gesteuert und die Servokanäle entsprechend zugeordnet

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Die Grafik zeigt den Servoweg aufgetragen über dem Geberweg. Die Einstellung für die Steuerbordwinde…

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… und die für die Backbordwinde…

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… und damit beide Winden mit einem Geber bedient werden können, ist noch ein Mischer nötig


Alle modernen Computersender haben diese Funktionalität, selbst die einfachen, wobei die Programmierung natürlich bei jedem Hersteller etwas anders funktioniert. Ich verwende eine Multiplex SX12, bei der die Programmierung fast schneller geht als das Schreiben dieser Zeilen. Mit einer 5-Punkt-Programmierung kann sogar noch die Proportionalität der Windenstellung zur Knüppelstellung beeinflusst werden, so dass die Schotstellung im dichtgeholten Bereich weniger sensibel reagiert als bei gefiertem Segel. Das erleichtert das Segeln am Wind. Für Multiplex SX7-, 9- oder 12-Besitzer kann das Programm zum Download bereitgestellt werden.

Eine weitere Anforderung wird an den Sender gestellt. Er sollte ein Stellglied haben, das von links nach rechts bewegt werden kann und nicht selbstneutralisierend ist. Früher hat man am Knüppelaggregat eine Feder ausgehängt. Bei manchen Modellen geht das auch heute noch. Nachteil ist, dass man die Neutralisierung für andere Modelle nicht mehr hat. Ich habe mir auch schon mal ein System gebaut, bei dem ich von außen die Feder über ein Seil spannen konnte, so dass die Neutralisierung, ohne den Sender zu öffnen, ein und ausgeschaltet werden konnte. Die Multiplex Cockpit SX verfügt jedoch auf der Unterseite über zwei Rollgeber, die ich für die Genuasteuerung verwende. Solche Geber sind auch bei anderen Herstellern zu finden. Also: Augen auf beim Senderkauf!


Fazit

Der Umbau des Tiller-Sharpie auf Genua hat sich gelohnt. Das ist auch bei anderen Modellen so, denn die Physik ist die gleiche. Das Sharpie zeigt, dass der Umbau auch bei beengten Platzverhältnissen im Rumpf geht und der Zeitbedarf ist auch nicht besonders hoch. An einem Samstag war die Arbeit erledigt. Belohnt wird man mit unvergleichlichem Segelspaß. Sogar fast ohne Wind geht einfach nur die Post ab, das macht Spaß und so soll es sein!
 
Tolle Idee diese Genau.
Der Umbau ist super beschrieben.
Aber leider braucht man einen programmierbaren Sender.
 
Eigentlich habe ich die Genua definitiv ausgeschlossen, aber der wunderbare Bericht lässt mich an meinem Entschluss zweifeln.

Vor Jahrzehnten hat ein Bekannter ein "1:1-Modell" einer Hochseeyacht gebaut, also eine "echte" Yacht, einen Aluminium-Knickspanter mit 14m Länge. Vorher hat er aber ein wirkliches Modell mit 1,4m Länge gebaut, um vorab die Segeleigenschaften zu erproben.

Er hat das Modell zuerst mit einer Selbstwendefock ausgerüstet, ist aber dann auf eine baumlose Fock mit 2 Segelwinden umgestiegen. Diese hat die Segeleigenschaften ganz wesentlich verbessert. (Das "1:1-Modell" war nicht mit Selbstwendefock geplant, die hat er nur beim Modell gebaut)
 

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