Ein Boxer entsteht
Klaus Giller
Klaus Giller
Seit meinem Ruhestand suche ich nach Objekten, die ich nachbauen kann. Im Internet fand ich Bilder von einem Boxermotor, den der Motor-Pionier Karl Benz 1897 nach seinen Ideen bauen ließ.
Je häufiger ich die Bilder betrachtete, desto mehr bekam ich Lust, diesen Motor als Modell nachzubauen. Eine Nachfrage bei Daimler-Benz ergab leider die unerfreuliche Antwort, man hätte zwar noch Unterlagen, die man aber der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung stellen möchte. Also gab es nur die Möglichkeit, selbst ein Modell zu konstruieren.
Die erste Skizze ist entstanden. Dann stellte sich mir die Frage: Gussmodelle anfertigen und Abgießen lassen oder aus dem Vollen fräsen? Da es aber nur ein Einzelstück werden sollte, war die Option Gussmodell für mich vom Tisch.
Eine abgesägte Aluminium-Ronde mit 100 mm Durchmesser wurde beidseitig geplant und auf jeder Planfläche die Zylinderbohrung und Flanschfläche angebracht. Ein Versatz von 15 mm ergab den Platz für die beiden Pleuel. Anschließend wurde das Kurbelgehäuse innen und außen bearbeitet. Schließlich habe ich die Mitte der Kurbelwelle ermittelt und, nachdem die Lagerbrücken eingepasst waren, die Kurbelwellenbohrung hergestellt.
Auf die Kurbelwelle wurde das kleine Zahnrad aufgesteckt. Mit dem großen Zahnrad ergab sich damit die beste Einbaulage. Anschließend habe ich die Welle für das große Zahnrad und die Nockenscheibe gedreht und am Zahnrad befestigt. Danach habe ich die Nockenscheibe für den Unterbrecher angebaut. Dann folgten die Rollenhebel und ihre Lagerbolzen.
Dann folgte die Herstellung der Kurbelwelle. Eine Welle mit 120 mm Durchmesser wird bis auf die Kurbelwellenzapfendurchmesser auf beiden Seiten abgedreht. Das Mittelteil wird bis auf die Kurbelwellendicke beidseitig abgefräst und im Bereich der Pleuelzapfen relativ weit ausgefräst.
Wenn man beim Abdrehen der Pleuelzapfen aber zu hektisch vorgeht, passiert das, was auf dem rechten Bild zu sehen ist. Der Stechstahl war etwas unterhalb der Drehmitte angeordnet und das Werkstück hat sich festgefressen.
So sieht die fertige Kurbelwelle aus, wenn man alles richtig ausgerichtet hatte und mit Ruhe an die Arbeit gegangen ist. Zwischen den Kurbelwangen wurden je eine M 4-Schraube mit Mutter gefühlvoll verspannt, damit beim Überdrehen der Wellenenden die Welle stabil eingespannt werden kann.
Eigentlich wollte ich die Zylinder aus dem Vollen drehen, aber so große Messingteile hatte ich nicht. Durch Zufall fand ich einen geschliffenen Zylinder aus Stahl. Es wurden die zwei Zylinderrohre außen vorgedreht und die entsprechenden Flansche aus Messing gefertigt.
So sehen die beiden zusammengesteckten Zylinder aus. Die zwei Klötze für die Ein- und Auslassventile wurden aus einem Ring ausgesägt. Anschließend war eine Hartlötorgie angesagt.
Nachdem alles gesäubert war, wurden die Kühlmäntel aus 0,5 mm Messingblech weich angelötet und auf Dichtheit geprüft.
Danach musste ich noch zwei Zündkerzen fertigen und eine Doppelzündspule aus einer Citroen-Werkstatt besorgen.
Nun stand dem ersten Probelauf nichts mehr im Wege.
Wenn Ihr auf You Tube "contra-motor 1897" eingebt könnt Ihr Euch den Clip 34 14 ansehen.
Diesen Motor könnte man auch mit luftgekühlten Zylinderköpfen ausrüsten und hätte damit das erste Teil für ein Scale-Modell.