Kunstflugzeuge aus dem Ruhrgebiet - Extra 300 und andere

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Der erste Prototyp der Extra 300 flog erstmals im Mai 1988; einen Monat später war diese Maschine das meistbestaunte und -fotografierte Flugzeug der 14. Weltmeisterschaft im Motorkunstflug in Red Deer / Kanada.
Der routinierte Schweizer Eric Müller (gestorben 1990) erflog sich mit einer ausgeliehenen EA 300 auf Anhieb die Weltmeisterschaft in der Unbekannten Pflicht. Ein schöner Beweis für die Leistungsfähigkeit der EA 300 von Konstrukteur Walter Extra. Er selbst konnte bei dieser WM 1988 leider nur Rang 15 belegen.
Umso erfolgreicher war Walter Extra mit der deutschen Mannschaft bei der Motor-Kunstflug-EM 1991 in Frankreich: Bronze in der Mannschaftswertung; dies war für die deutsche Mannschaft seit langem der größte Erfolg auf der internationalen Bühne. Und dort zeigte sich deutlich, dass sich Kunstflugmaschinen aus dem Hause Extra immer mehr durchsetzen; allein sieben EA 300 waren vertreten, und vier weitere Piloten flogen die einsitzige EA 230.
Schon früh erwachte Walter Extras Leidenschaft für das Fliegen; so begann er schon als 12-jähriger mit dem Flugmodellbau. Wie viele andere Modellbauer vor und nach ihm, zog es ihn jedoch bald selbst in die Luft. Im Jahre 1976 erwarb er den PPL und 1979 bestand Walter Extra die Prüfung zum Erwerb der Kunstflugberechtigung. Schon im folgenden Jahr wurde er Mitglied in der deutschen Kunstflug-Nationalmannschaft.

Das Interesse am Flugzeugbau war groß, er begann selbst, Kunstflugzeuge zu bauen. Extra baute damals auf dem Flugplatz Butzweilerhof einige Pitts Special, die nach und nach verfeinert wurden und dann die Bezeichnung Pitts-Extra erhielten. Die Pitts Special bot sich für den Selbstbau sehr gut an da die vollständigen Baupläne in den USA erworben werden konnten. Lange Zeit galt dieser knubbelige Doppeldecker als das beste Kunstflugmuster überhaupt. Dies erstaunt umso mehr, dass ja dieses Doppeldecker-Konzept schon seit den 1930er Jahren als völlig überholt galt. Die leistungsstarken und sehr wendigen kleinen Pitts Doppeldecker zeigten jedoch immer wieder das Gegenteil auf.

Spätestens aber Anfang der 80er Jahre war dann aber schon das Ende der Pitts-Ära im Wettbewerbskunstflug abzusehen. Gefragt waren nun Eindecker nach dem Muster der amerikanischen Laser 200 oder Stephens Akro.

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EA 230

In Anlehnung an die Laser 200 Maschine entwickelte Walter Extra den Kunstflugeinsitzer EA 230. Die Verwandtschaft zwischen beiden Flugzeugen ist jedoch nur äußerlicher Natur, beim genaueren Hinsehen zeigen sich viele gravierende Unterschiede, so dass man bei der EA 230 tatsächlich von einem neuen Flugzeug sprechen kann.

Innerhalb kurzer Zeit wurde die Extra 230 zur gefragtesten Kunstflugmaschine der Welt. In einem Testbericht der FLUG REVUE, durchgeführt von der DFVLR (Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt.) konnte man lesen: »Keine Cap 21, Laser, Zlin 50L oder Sukhoj 26M kommt an das deutsche Meisterwerk heran. « Ab 1983 bis zur Produktionseinstellung wurden 19 Exemplare der EA 230 hergestellt.

Mit der nur in ganz kleiner Serie hergestellten EA 260 wurde Walter Extra 1987 Deutscher Kunstflugmeister. Knapp drei Wochen vor dieser Meisterschaft hatte er den Erstflug mit dieser 300-PS-Maschine durchgeführt. Im Zellenaufbau unterscheidet sich diese Maschine kaum von der EA 230, eleganter und rassiger wirkt sie jedoch im Vergleich mit dieser.

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Die Extra 260 diente als Ausgangsbasis für den Doppelsitzer EA 300, welcher mit der Kennung: D-EAEW erstmals am 6. Mai 1988 flog. Die Musterzulassung erhielt dieses Extra-Muster im Jahre 1991. Als Antrieb für diesen zweisitzigen Mitteldecker dient ein 300PS leistender Lyoming Motor.

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Neben den herausragenden Flugleistungen hat dieser Zweisitzer auch noch eine andere Besonderheit, er entsteht teilweise aus Kunststoff. Formtreue und Baugenauigkeit lassen sich eben heute am besten in der Kunststoffbauweise realisieren - die Hersteller von Segelflugzeugen gehen diesen Weg ja schon seit Jahrzehnten. Das Flügelprofil der EA 300 wurde von Manfred Schliewa entwickelt, charakteristisch die elliptische Nasenrundung.
Wie schon von der EA 230 und 260 bekannt, hat der Flügel weder Einstellwinkel noch V-Form. Der Rumpf wurde konventionell aufgebaut; verwendet wird ein Gitterrohrrahmen, der teils bespannt oder Alu - beplankt ist. Die gesamte Zelle ist auf ein Lastvielfaches von ± 10 g ausgelegt, der Tragflügel verliert seine Festigkeit erst bei 22 g!

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Cockpit EA 300

Die Flugleistungen und Eigenschaften sind mit »normalen« Flugzeugen nicht vergleichbar. Mit der maximal zulässigen Abflugmasse von 820 kg beträgt die beste Steigrate sagenhafte 18,3 Meter pro Sekunde, jeder Steigwinkel unter 45 Grad sorgt noch für Geschwindigkeitszuwachs!
In den neunziger Jahren kostete dieses Schmuckstück ab Werk 298.000.- DM (ohne Mehrwertsteuer). Etwa 60 Exemplare wurden in Serie gefertigt. In den Jahren 1991 – 1994 wurden die deutschen Meisterschaften im Motorkunstflug jeweils mit einer EA 300 erflogen. Konstrukteur Walter Extra schaffte diesen Titel 1993 mit seiner EA 300.

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EA 300 D-EGEW

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EA 300

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Obwohl die Extra 300 natürlich ein reines Zivilflugzeug darstellt konnten auch Verkäufe an militärische Stellen verbucht werden. Sechs Maschinen gingen an die chilenische Luftwaffe bzw. das dortige Kunstflugteam „Escuadrilla de Alla Acróbacia“, zwei Flugzeuge an die französische Luftwaffe und sechs Flugzeuge an die Kunstflugmannschaft der jordanischen Luftwaffe, die „Falcons“. Beste Werbeträger für das Haus Extra!

Als lupenreine Wettbewerbsmaschine entstand 1992 nach der EA 300 das einsitzige Muster EA 300S (S = Single) mit der nun tiefergelegten Tragfläche. Dies nach einer erstaunlich kurzen Entwicklungszeit von nur 6 Monaten bis zum Erstflug.

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EA 300S

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Walter Extra in der EA 300L

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Cockpit der EA 300L

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Die zweisitzige Version nennt sich EA 300L. Piloten wie Klaus Schrodt oder Peter Besenyei flogen besonders das Muster 300S sehr erfolgreich und machten die Kunstflugmaschine aus Hünxe/Dinslaken weltweit bekannt. Schrodt als mehrfacher deutscher- und europäischer Meister in der Kunstflugklasse. Peter Besenyei durch seine Verdienste um das Red Bull Air Race, bzw. natürlich auch durch seine aktive Teilnahme dort mit einer EA 300S (siehe auch unsere farbige Seitenansicht). Klaus Schrodt flog übrigens auch schon sehr erfolgreiche Rennen mit der EA 300S beim Red Bull Air Race.

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Die D-EXIR, eine EA 300L

Die Version 330S hatte deutlich vergrößerte Höhen- und Seitenruder, ansonsten im Aufbau identisch mit dem Muster 300S.

Eine etwas sparsamer motorisierte Version mit Zellenteilen der 300L nennt sich EA 200. Leistungsmäßig etwa vergleichbar mit einer Pitts S-2, als Antrieb dient ein Lycoming AEIO-A1E mit 200 PS.

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Extra EA 200

Turbulenzen gab es 2002 im geschäftlichen Bereich von Extra Flugzeugbau, nachdem sich aber im Jahre 2003 ein US-amerikanischer Investor fand, läuft es wieder rund bei Extra Aircraft.

Neben den Reiseflugzeugen EA 400 und 500 setzt man weiterhin auf die Motorkunstflugzeuge und entwickelt die Muster ganz konsequent weiter.

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EA 330SC

2008 wurden erstmals die Modelle EA 330L und 330SC vorgestellt, angetrieben werden beide von einem 330PS Lycoming Triebwerk.
War bei der allerersten EA 260 nur die Cowling aus GFK, so bestehen heute große Teile der Maschinen aus GFK-und Kohlefaser. Alubeplankungsteile, wie noch beim 300er Mitteldecker, sind nun auch verschwunden und durch die modernen Verbundstoffe ersetzt.

Die Kunstflugweltmeisterschaft 2009 im englischen Silverstone wurde zu einer Erfolgsgeschichte für die Extra Flugzeuge, 5 der ersten 10 Piloten flogen mit einem Muster (EA 330SC) aus dem Hause Extra, der Franzose Renaud Ecalle wurde sogar Weltmeister auf einer EA 330 SC.
Die Kombination aus Leistung und den Handling-Eigenschaften dieses Kunstflugzeuges aus dem Extra Aircraft Werk in Dinslaken sind derzeit unübertroffen. An der EA 330SC müssen sich zurzeit die anderen Mitbewerber messen!

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EA 330SC

Im April 2010 erstmals öffentlich vorgestellt die EA 330LT (Touring), nicht nur zum reinen Kunstflug sondern auch für Reiseflüge konzipiert. Neben einem Gepäckfach hinter der Kabine fällt besonders der formschön gestaltete Randbogen an der Tragfläche auf, auch die Randbögen des Leitwerks wurden etwas modifiziert.
Im Cockpit ein modernes Glas-Panel, als Antrieb dient ein 315PS Lycoming.
Mit 380 km/h ist die EA 330LT übrigens das derzeit schnellste Kolbenmotor Flugzeug seiner Klasse. Für derzeit (Mai 2010) etwa 284 000.- Euro in der Grundausstattung ohne Steuern etc. wird die Maschine ab Dinslaken verkauft.

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EA 330LP

Technische Beschreibung EA 300

Rumpf: Gitterrohrrahmen, der teils bespannt oder mit Alublechen beplankt ist. Hintereinander angeordnete Sitze unter großer Haube, mit Doppelsteuer versehen. Instrumentierung je nach Käuferwunsch. Standardmäßig sind im vorderen Instrumentenbrett nur die wichtigsten Fluginstrumente eingebaut. Einsitzig wird die EA 300 vom hinteren Sitz aus geflogen. Die große unverstrebte Kabinenhaube ist nach rechts aufklappbar. Sichtfenster im Bein- und Fußbodenbereich.

Tragfläche: Freitragende Mitteldecker-Anordnung. Tragflächenprofil an der Wurzel MA 15S, außen das MA 12S. Geringe V-Form (Oberkante Tragfläche 0 Grad), Einstellwinkel 0 Grad. Tragflächentiefe an der Wurzel 1,85 m, außen 0,83m.
Zweiholmige Flügelkonstruktion in CFK-Bauweise. Die fast über die gesamte Tragflügel-Endleiste laufenden Querruder (je 0,855 qm Fläche) bestehen ebenfalls vollständig aus Kohlefaser. Spades unter den Querrudern erhöhen die Ruderwirksamkeit. Ruderausschlag nach unten und oben je 30°. Der Tragflügel wiegt nur 80 kg, davon entfallen alleine 27 kg auf das Holmsystem.

Leitwerk: Herkömmliche Leitwerksauslegung in GFK/CFK-Bauweise. (Anmerkung: In manchen Zeichnungen gibt es sehr dünne Höhenleitwerksprofile zu sehen - tatsächlich aber hat die EA 300 ein relativ dickes Höhenleitwerksprofil). Das Profil hat die Bezeichnung: Wortmann FX 71-L-150/30, eingesetzt bei Seiten-und Höhenflosse. Die Spannweite des Höhenleitwerks beträgt 3,20m. Höhenruderausschläge jeweils 25° nach unten und oben, am Seitenruder jeweils 30°.

Fahrwerk: Dreibeinfahrwerk mit einteiliger GFK-Hauptfahrwerksschwinge. Räder aerodynamisch durch „Radschuhe“ verkleidet. Sehr kleines, mit dem Seitenruder nicht gekoppeltes Spornfahrwerk. Radstand 5,02m, Spurweite 1,80m.

Triebwerk: Lycoming 6-Zylinder-Boxermotor mit einer Leistung von 300 PS. Vierblattluftschraube, für den Export wahlweise ein Dreiblatt Propeller. Der Kraftstoff befindet sich in zwei Flügeltanks und dem zentralen Rumpftank.


Technische Daten

Muster EA 300
Verwendung Motorkunstflug, Sportflug
Hersteller Extra Flugzeugbau/
Dinslaken/Hünxe,
Sportflugplatz Schwarze Heide

Triebwerk 1 x Lycoming AEIO 540L 1B5
Leistung 300 PS

Besatzung 1 + 1

Spannweite 8, 00 m
Länge 7, 12 m
Höhe in Spornlage 2, 59 m
waagrecht 2, 62 m

Tragende Fläche 10, 7 qm
Rüstgewicht 653 kg
Fluggewicht normal 950 kg
Acro einsitzig 820 kg
Acro zweisitzig 870 kg

max. G-Kräfte 10-/10+
Rollrate 380 Grad pro sec.

Reisegeschwindigkeit 314 km/h
Zulässige Höchstgeschwindigkeit 407 km/h
Beste Steiggeschwindigkeit 18, 3 m/sec.
Startrollstrecke ca. 110 m

Text, Fotos und Zeichnungen: Hans-Jürgen Fischer

Ein herzliches Dankeschön an Eckart Müller, ohne seine tatkräftige Hilfe wären die Zeichnungen
damals nicht entstanden....


Extra 300 Flugmodelle im Wiki
 
Hallo,in der kommenden Ausgabe des DMFV Verbandsmagazin "Modellflieger" erscheint eine Vorbild-Dokumentation der EXTRA EA 330SC mit je einer farbigen - und schwarz weißen 3-Seitenansicht-Zeichnung. Plus mehrere farbige Seitenansichts-Zeichnungen im Downloadbereich.
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GrußHans-Jürgen
 
Vielen Dank!! Besonders weil ich als Hünxer heute immer noch die Maschinen am Himmel sehe wie sie ihre Kunstflug Figuren fliegen.
 
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