55 Jahre Multiplex - aus Deutschland in die Welt

1958 war ein bedeutenderes Jahr für die nächsten Jahrzehnte, als vielen Menschen bewusst ist. In Rom wurde der 261 Papst gewählt, in den USA wurde die NASA gegründet, die Schweizer begannen mit der regelmäßigen Fernsehausstrahlung und der österreichische Skirennfahrer Toni Sailer triumphierte mit drei Titeln bei der Weltmeisterschaft in Bad Gastein.


Während in Deutschland das Wirtschaftswunder in Schwung kam und mit zunehmendem Wohlstand mehr Geld in den Taschen blieb, rückten auch Freizeitvergnügen wieder in das Blickfeld.
Im badischen Niefern erkannte Siegfried Kußmaul die Gunst der Stunde und gründete die Firma S.Kußmaul Kleingerätebau. Modellflug wurde zu dieser Zeit in erster Linie als Freiflug betrieben. Fernsteuerungen gab es zwar schon, aber sie waren die Ausnahme. Mit seiner neuen Firma platzierte sich Siegfried Kußmaul genau in diesem Segment. Der Wechsel von Röhren hin zu Transistortechnik machte es möglich, Fernsteuerungen kleiner und unkomplizierter zu gestalten. Wurden die ersten Geräte noch als Tipp-Tipp-Anlagen gebaut, kam mit der ersten proportionalen Steuerung eine Revolution auf die Modellflieger zu. Erstmals konnten Ruder, wie bei einem Original, synchron zur Knüppelstellung am Sender bewegt werden. Als dann 1964 die erste Fernsteuerung mit dem Zeitmultiplex-Verfahren auf den Markt kam, wurde damit der Grundstein für die Entwicklung der modernen Fernsteuertechnik gelegt. Neben diesem neuen Übertragungsverfahren für mehrere Kanäle, wurde auch die Herkunft des Namens Multiplex geboren.

Die Geschichte der Multiplex-Fernsteuerungen (Hartmut Lohe)

Abb-01-Brotbox-trans.jpgZur Spitze gehören seit jeher die Fernsteuerungssysteme von Multiplex. Entwickelt und gefertigt in Deutschland, sind und waren sie stets etwas anders – und oft auch etwas besser als die Produkte der Mitbewerber. So manche heutzutage selbstverständliche Eigenschaft eines Fernsteuersenders wurde zuerst von Multiplex am Markt eingeführt, und da man sich im Design an den Bedürfnissen der hiesigen Nutzer orientiert hat, war man auch stets ergonomisch weit vorne.

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An diesem Prinzip hält Multiplex bis heute fest. Dass die Entwicklung einmal mit einer Brotbüchse angefangen hat, vermag man sich heute kaum vorzustellen.
In der Zeit der "Tipp-Tipp"-Anlagen trieb man bei Multiplex die Entwicklung von Proportionalsteuerungen voran.
Die erste vollproportionale Anlage nach dem PPM-Prinzip (Puls-Positions-Modulation), die Multiplex 101, war ab 1965(!) erhältlich und machte Multiplex bekannt. Das Datum ist umso erstaunlicher, wenn man überlegt, dass PPM erst in den letzten Jahren durch digitale Systeme verdrängt wurde!


Abb-05-Royal-trans.jpgDen Durchbruch brachte ab 1971 die Multiplex-Royal , die in Design und Funktion über Jahre Maßstäbe setzte. So verfügte dieser Sender über das erste patentierte Lehrer/Schüler-System. 1975 folgte mit der Royal FM die erste serienmäßige Schmalband-FM-Anlage überhaupt.

Da die Royal im High-End-Bereich angesiedelt und nicht eben billig war, brachte man in den folgenden Jahren zusätzliche einsteigerfreundliche Sender wie die Europa-Serie auf den Markt. Die Europa war der Einstieg in die Modultechnik, denn sie war sukzessive ausbaubar.



MPX-Profi-2000-Sender_Modul.JPGDie Modultechnik war der Renner der frühen 1980er Jahre. Nicht nur das Sendemodul wurde austauschbar, auch Mischer, Servowegumkehr, Modellspeicher, Flugphasen und Steuerungsprofil (Heli, Segler, Kunstflug) hielten in Form von Steckmodulen Einzug in das Sendergehäuse. Diese Module arbeiteten immer noch analog und waren diskret aufgebaut, so dass Sender wie die Multiplex Profi 2000 fast schon an ein Flugzeugcockpit erinnerten – zumindest, bis die Unzahl an Schaltern und Reglern gnädig unter einer Abdeckung verschwanden. Diese Sender waren damals das Highlight auf Flugplätzen, und ihre Besitzer waren zumeist recht stolz darauf.

Den Höhepunkt dieser Entwicklung und gleichzeitig den Übergang zur Digitaltechnik kennzeichnete 1984 die Royal Expert oder Royal mc. Das Kürzel "mc" stand damals für "Microcomputer". Wohlgemerkt, der legendäre Commodore 64 war zu der Zeit gerade auf den Markt gekommen. Passende Displays waren noch nicht üblich, deshalb war die Royal mc auch noch nicht programmierbar, aber die Steckmodule wurden mit EEPROMs ausgerüstet. Erstmals übernahm ein Mikroprozessor die zentralen Funktionen eines Fernsteuersenders.

1989 erschien dann der Klassiker schlechthin: die Profi mc 3030. Es gab praktisch nichts, was sich mit der mc 3030 nicht programmieren ließ. Die Geber und Mischer waren frei programmierbar und der Sender verfügte über bis zu 18 Modellspeicher und ein Display, mit dem sämtliche Einstellungen vorgenommen werden konnten. Später wurde eine neue Version mit 99 Modellspeicher vorgestellt.
Trotz der gänzlich anderen Technik waren Anfänger mit diesem Sender keineswegs überfordert. Multiplex war es gelungen, die Programmierung der Funktionen intuitiv und einfach zu gestalten. Bis heute ist dieser zuverlässige Sender auf Modellflugplätzen anzutreffen, und viele Modellflieger wurden durch die Ergonomie des Programmierkonzepts geprägt.

MC 4000.jpgDie Technik der mc-Sender (1995 erschien die mc 4000) war leistungsfähig genug, dass erst zehn Jahre später neue Produktreihen erschienen. Mit der Royal Evo im High-End-Bereich und der Cockpit-Serie für Einsteiger wurden neue ergonomische Konzepte umgesetzt.

Dem Trend zur 2,4 GHz-Übertragung folgte Multiplex nicht sofort, hat dann aber 2009 mit M-Link ein durchdachtes und ausgereiftes System vorgelegt, auf das sich auch Anlagen anderer Hersteller umrüsten lassen. Mit Telemetrie und dem Multiplex-Sensor-Bus (MSB) ist diese Technologie auch für die Anforderungen der nächsten Jahre gerüstet.

Multiplex_PROFI_TX16_M-LINK.jpgAuch 2013 zeigt Multiplex, welche Innovationskraft weiterhin in dem Unternehmen steckt. Die neue Profi-TX setzt unbestreitbar (wieder einmal) Maßstäbe im High-End-Bereich, während die pfiffige Smart SX den preisgünstigen Einstieg in das M-Link-System ermöglicht. Bei beiden kommt eine neue Technologie integrierter Antennen (IOAT) zum Einsatz, die, wie bei der Smart SX, neue ergonomische Gehäuseformen möglich macht.


Unvergessene Multiplex-Legenden

Big Lift? E1? Alpina? Flamingo? Easy Glider? Der gestandene Modellbauer assoziiert diese Namen sofort mit Multiplex. Unzählige Big Lifts beförderten noch mehr unzählige Segler per Seil oder Huckepack in große Höhen. Viele Jahre lang war der Big Lift das Arbeitstier in den Vereinen. Wer einen sein Eigen nennen durfte, der hatte auf dem Modellflugplatz genug zu tun.
Das erste Elektroflugmodell E1 von Heinz Schenk konstruiert war zweimotorig. Ein Segler mit zwei E-Motoren als Pusher an den Endleisten. Die Leistung reichte um Thermik zu finden und für viele schöne Flugerlebnisse.

Abb-11-Flamingo-spitz-trans.jpgAbb-14-Alpina-trans.jpg
Mit der Alpina und dem Flamingo wurden die
Hang-, Thermik- und Acroflieger bedient. War der Flamingo bei seinem Erscheinen 1975 noch mit GFK-Rumpf und Balsa-Rippen-Fläche, wurde bei der Alpina fünf Jahre später, die Tragfläche als Styro-Abachi-Sandwichbauweise bei einem Großserienmodell eingeführt.

Zur Jahrtausendwende entwickelte Multiplex eine völlig neue Bauweise für Modellflugzeuge. Mit der Elapor-Bauweise gelang Multiplex ein genialer Wurf. Modelle die nur zusammengesteckt werden mussten und auch noch robust waren, verhalfen vielen Neulingen schnell und erfolgreich in das Hobby einzusteigen. Nach anfänglichem Nase rümpfen wurden aber auch erfahrene Modellflieger neugierig und zwischen manchem selbstgebauten Modell lag noch ein EasyGlider oder EasyStar.


Die Foamies von Multiplex (Ulrich Horn)

Über die sogenannten "Foamies", manchmal auch abfällig "Schaumwaffeln" genannten Flugmodelle aus Hartschaum kann man geteilter Ansicht sein. Fraglos aber haben sie den Modellflug in den letzten 15 Jahren revolutioniert.
Weniger bekannt ist, dass keine Firma einen größeren Anteil an dieser "Revolution" hat als Multiplex.
Abb-30-ES II.jpgZwar fanden Polystyrolschäume wie Styropor schon vor 50 Jahren Anwendung im Flugmodellbau, jedoch waren sie zu spröde, um ganze Modelle daraus zu konstruieren. In den 1990er Jahren experimentierten Flugmodellbauer mit den elastischeren Polypropylenen (EPP), die bei Nurflügelmodellen wie dem Zagi verwendet wurden.
Diese EPPs waren gleichzeitig zäh, elastisch und leicht. Ihr Problem war die empfindliche Oberfläche, die mit Klebeband geschützt werden musste.
Der Zagi hatte die für ein Modellflugzeug ungewöhnliche Eigenschaft, nahezu unzerstörbar zu sein. Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass diese Eigenschaft gerade für Einsteigermodelle unschätzbar wertvoll ist. Allerdings waren bis in die 1990er Jahre, also zu einer Zeit, in der Modelle entweder als filigraner Holzbausatz oder in GFK vorgefertigt und entsprechend teuer angeboten wurden, Verbrennungsmotoren die vorherrschende Antriebsart. Und Hartschäume vertragen sich gar nicht gut mit Ölen, Methanol oder anderen Kraftstoffen – nicht ohne Grund ist der Ur-Zagi ein antriebsloses Modell für Hangflug.
Als dann die Elektroantriebe immer leistungsfähiger wurden, experimentierte Multiplex mit Schäumen und dem Problem, daraus Modelle in Serienfertigung herzustellen. Bekannt wurde der (noch aus einem Styrol gefertigte) Pico-Jet, dem aber bald der "PicoJet Combat" folgte, der bereits aus einem EPP-Schaum bestand. Der bekam noch einen weitgehenden (und nicht nur dekorativen) Folienüberzug, doch im wesentlichen hatte Multiplex damit die Technik entwickelt, komplette Modelle in Serienfertigung aus zähelastischen Propylenschäumen herzustellen. Das weiter perfektionierte Material wurde als "Elapor" ins Markenregister eingetragen.
Es folgte eine ganze Palette neuartiger Flugmodelle, die für sich schon Trends setzten, insgesamt aber eine neue Ära des Modellflugs begründeten.
Abb-30-FunJet.jpgDa war der TwinJet, ein schnelles, agiles Spaßmodell für Fortgeschrittene, das es so bis dahin nicht gab. Oder der TwinStar, ein einsteigerfreundlich gemütlicher Hochdecker. Die aus heutiger Sicht ungewöhnliche zweimotorige Auslegung dieser Modelle ergab sich daraus, dass Elektroantriebe der benötigten Leistung noch recht teuer waren, so dass es deutlich günstiger war, zwei einfache Antriebsstränge zu kombinieren.
Die Idee des TwinJet wurde später mit dem FunJet und MicroJet fortgesetzt. Der seinerzeit sehr beliebte TwinStar bekam mit dem Cargo noch so etwas wie einen Nachfolger, aber insgesamt ist das Mehrmotorenkonzept heute natürlich nicht mehr erforderlich.
Geradezu legendär hingegen wurde der EasyStar, ein bestechend einfaches "Ready To Fly"-Modell, das inzwischen eine Generation von Modellflugeinsteigern geprägt hat.
Easy Glider.jpg
Ein weiterer Meilenstein und ähnlich legendär ist der EasyGlider. Als Segler oder Elektrosegler hat er durchaus auch viele Anhänger konventioneller Modellkonstruktionen überzeugt, weil er in jedem Kofferraum Platz findet und ein ideales "immer dabei"-Modell ist. Und die Flugleistungen des EasyGlider sind gut genug, um mit Vorurteilen gegenüber Foamies aufzuräumen.

Letzteres gilt besonders für den Cularis, mit dem Multiplex (wieder einmal als erstes) ein "echtes" Segelflugmodell aus Schaum konzipiert hat. Der Cularis hat gezeigt, dass diese Bauweise sogar leistungsfähige Thermiksegler mit Mehrklappenflügel ermöglicht.

Natürlich wurden Multiplex' Entwicklungen schnell von anderen aufgegriffen, vor allem, weil sie so erfolgreich sind. Ideen lassen sich nun mal schlecht patentieren. Multiplex geht damit sehr gut um, indem man weiterhin innovative Konzepte entwickelt, während andere noch mit der Nachahmung beschäftigt sind.


Die Zukunft fest im Blick

Als 2002 die südkoreanische Firma HiTEC die deutsche Firma Multiplex in ihre Firmen-Gruppe aufnahm, sahen Kritiker den Ausverkauf deutschen „Knowhows“. Tatsächlich hat sich die Zusammenarbeit als richtiger Schritt in eine gesicherte Zukunft erwiesen. Über zehn Jahre später hat sich HiTEC/Multiplex zu einem der weltweit führenden Hersteller für Flugmodelle, Fernsteuerungen und sonstiger Modellsportartikel entwickelt. Die Firmengruppe agiert mit Niederlassungen in Deutschland, Südkorea, Japan, Philippinen, China und den USA.
Ob diese weltweite Positionierung in der Modellbaubranche aus dem beschaulichen badischen Niefern möglich gewesen wäre?

2007 ist Multiplex in neue Räumlichkeiten nach Bretten-Gölshausen umgesiedelt. Und auch nach dem 55-jährigen Jubiläum werden Modellsportler und Anwender aus der Industrie weiterhin auf Qualität „Made by Multiplex“ vertrauen können.

Herzlichen Glückwunsch und eine erfolgreiche Zukunft wünscht RC-Network.

Abb-34-Luftaufnahme-Gölshausen.jpg

Bildquellen:
Herzlichen Dank an die Fa Multiplex
:rcn:-WIKI

Weblinks:
55 Jahre Multiplex - Jubiläums Feier mit Airshow
Wiki - Multiplex Flugmodelle
Wiki - Multiplex Fernsteuerungen
Wiki - M-Link
 
... danke für den toll geschriebenen Artikel!:cool: Es kamen gleich Erinnerungen an meine erste Europa mit später nachgerüstetem DR-EXPO Modul hoch!:)
 
Danke an Multiplex!! Ich kenne Sie seit ich 6 Jahre bin und bei meinem Vater am Sender, natürlich Multiplex die blaue Blechkiste(Handsender) lernen durfte. Viele Jahre bis jetzt mit 53 begleitete mich die Fernsteuertechnik und Modelle und hat mir unzählige Stunden auf dem Modellflugplätzen beschert. Danke dafür und weiter so.
 
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