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James Watt & Co.
Ein Bericht von Richard Planitz aus dem Journal Dampf & Heißluft 3/2009

Wassereinbrüche

Bis ins letzte Drittel des 17. Jahrhunderts schien in England die Welt in Ordnung zu sein. Handel und Gewerbe blühten und die Bevölkerung nahm zu. Damit aber entstand ein Problem, das auf herkömmlichem Weg kaum zu lösen war. Mehr Menschen bedeutete steigende Nachfrage nach Brennholz, mehr als die Wälder zu liefern im Stande waren. Findige Landwirte begannen daher, Steinkohle im Tagebau zu gewinnen.
Dies brachte Entlastung und ging so lange gut, bis die weiter anwachsende Nachfrage nach Heizmaterial die Briten veranlasste, auf der Suche nach Kohle immer tiefer in die Erde vorzudringen. Die Anlage tieferer Schächte ging einher mit technischen Schwierigkeiten, die den englischen Bergbau nahezu in den Ruin trieben. Vor allem massive Wassereinbrüche gefährdeten den noch jungen Steinkohlebergbau. Die durch Pferde- und Wasserkraft angetriebenen Pumpen waren nicht mehr in der Lage, das Wasser aus den Gruben zu schaffen.

Erste Versuche mit Wasserdampf

Nun trat ein Thomas Savery (1650–1715) auf den Plan, der die Wassernöte im Bergbaubezirk in Cornwall nur zu gut kannte. Er machte sich daran, eine Wasserhebemaschine zu konstruieren, die er mit zwei eingemauerten Dampfkesseln versah. Sie funktionierte ohne Kolben und Zylinder. Am 25. Juli 1698 erhielt er auf diese Anlage ein Patent. Saverys Maschine fand für die Wasserversorgung von Städten Verwendung, für den rauhen Bergbaubetrieb mit seinen strengen Anforderungen erwies sich die Anlage jedoch als zu schwach.

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Zu gleicher Zeit war mit Savery ein anderer schöpferischer Geist tätig, um das langersehnte und heißbegehrte Hilfsmittel für den Bergbau, die Wasserhebemaschine zu schaffen. Sein Name lautet Thomas Newcomen (1663– 1729). Als Schmied und Maschinenwärter lernte er die Bergbaunot mit dem andrängenden Grubenwasser hautnah kennen. In der Tat gelang es Newcomen in Zusammenarbeit mit zwei Partnern schon 1710 mit seiner Maschine die von Savery zu überflügeln. Newcomen und seine Helfer hatten die Schwächen der averymaschine erkannt. Die neue Maschine benötigte nur Dampf von atmosphärischem Druck und durch Zufall konnte die Oberflächenkondensation durch die Einspritzkondensation ersetzt werden. Hierbei wird Wasser in den Zylinder eingelassen, welches den Dampf abkühlt und kondensiert, sodass ein Unterdruck entsteht, welcher den Kolben zur Umkehr zwingt. So wurde eine vermehrte Hubzahl erreicht. Allerdings hat diese Maschine nur einen geringen Wirkungsgrad, der sich im Promillebereich bewegt. In der Geschichte wird Thomas Newcomen als Erfinder der Kolbendampfmaschine bezeichnet, weil er als Erster einen Zylinder benutzt, in dem ein Kolben lineare Arbeit verrichtet.

Meilenstein

Auch der „Balancier“, der zweiarmige Hebel, der fast ein ganzes Jahrhundert in Gebrauch war, stammt von Newcomen.

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Eine weitere Verbesserung seiner Maschine ist ebenfalls einem Zufall zu verdanken: Die Regulierung des Dampf- und Kühlwassereintritts musste von Hand geschehen, dazu wurde ein Junge namens Humphrey Potter beauftragt. Der füllte seinen verantwortungsvollen, aber monotonen Posten mit großer Hingabe aus, hatte jedoch glücklicherweise eine grundlegende Idee: Er verband die Hähne durch Schnüre mit dem auf- und abgehenden Balancier so gekonnt, dass sich das Öffnen und Schließen automatisch vollzog. Als dann die Schnüre durch Gestänge ersetzt waren, konnte von einem ersten, wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der Dampfmaschine gesprochen werden. In diesem Zeitraum (um 1712) erfand Newcomen Leder zur Kolbendichtung, weil Kolbenringe noch unbekannt waren. Außer Newcomen bemühten sich auch andere Zeitgenossen um die Verbesserung der Anlagen. Hier ist der Name John Smeaton zu nennen, er ersann einen „Katarakt“, um die Hubzahl zu regeln. Ihm gelang es als Erstem, rechnerische Grundlagen für die Konstruktion von Dampfmaschinen zu ermitteln. Um 1760 erfand ein Mann namens James Brindley (1716-1772) einen automatischen Wasserstandsregler. Jetzt wurden Werkzeugmaschinen entwickelt und gebaut, die ganz dringend gebraucht wurden, weil erst mit der präzisen Anfertigung von Metallteilen aller Art ein sicherer und störungsfreier Betrieb der Dampfmaschine gewährleistet werden konnte. Jedoch ging die Bearbeitung der Werkstücke recht gemächlich vonstatten, weil die Schneidwerkzeuge noch aus unlegiertem Kohlenstoffstahl bestanden und ab ca. 200 Grad ihre Härte verloren. Trotzdem bildete sich in dieser Zeit explosionsartig eine vorindustrielle Massenproduktion heraus, deren Zugpferd die Textilfertigung war. Hier sei die „Spinning Jenny“ erwähnt, eine Spinnmaschine, die 1764 erfunden wurde.

Gewaltiger Fortschritt

Die Newcomen-Dampfmaschine war ein gewaltiger Fortschritt auf dem Gebiet der Kraftsteigerung, aber der extrem hohe Brennstoffverbrauch stand in keinem Verhältnis zur abgegebenen Leistung. Darüber schreibt ein Zeitgenosse im Jahr 1773 Folgendes: „Durch Newcomens Feuermaschine wurde es möglich, unsere Schächte doppelt so tief wie früher abzuteufen. Jedoch wird der Nutzen durch den ungeheuren Brennstoffverbrauch bedeutend vermindert, da man zum Betrieb ein eigenes Bergwerk braucht“.

Neue Impulse

Im Jahr 1762 tritt ein Mann auf den Plan, der die eigentliche industrielle Revolution auslösen sollte: James Watt!. Geboren wurde er am 19. Jan. 1736 in Greenock, einer schottischen Kleinstadt. Nach der Schule lernte der schmächtige Junge zuerst bei seinem Vater, der einen Zimmereibetrieb leitete und sich als Schiffbauer betätigte. James war darüber nicht glücklich und ging im Alter von 18 Jahren nach Glasgow zu einem Feinmechaniker in die Lehre. Zwei Jahre später ging er nach London, doch musste er wegen Kränklichkeit schon ein Jahr später in seine Heimat zurückkehren. 1757 wurde er Mechaniker an der Universität in Glasgow, wo er bis 1774, auch als Feldmesser und Zivilingenieur beschäftigt, in recht einfachen Verhältnissen lebte. Die ihm 1763 übertragene Reparatur des Modells einer Newcomen-Dampfmaschine veranlasste ihn, die Geheimnisse dieser damals recht neuen Erfindung näher zu untersuchen.
Seine gründlichen Forschungen führten zu überraschenden Erkenntnissen, die er durch praktische Versuche bestätigen konnte. Er erkannte als Erster, dass der in den Zylinder einströmende Wasserdampf außerhalb dessen kondensiert werden musste, versah den Zylinder mit einem Dampfmantel, isolierte ihn von außen mit Holzlatten, sodass die Wärme nicht mehr verloren ging und ließ den Dampf, neuerdings gesteuert von Ventilen, abwechselnd auf die Vorder- und Rückseite des Kolbens einwirken. Außerdem entwickelte er das nach seinem Namen benannte Parallelogramm, welches die Kolbenstange an ihrem oberen Ende, am Anschluss des Balanciers, in senkrechter Achse hielt. 1769 begannen Verhandlungen, in deren Verlauf das finanzielle Interesse an Watts Erfindungen zum großen Teil an den Fabrikanten Matthew Boulton überging. 1775 wurde Watt Teilhaber der Firma Boulton & Watt in Soho bei Birmingham. Die erste, nach dem Wattschen Prinzip gebaute Maschine wurde an die Rüstungsfirma John Wilkinson im Jahr 1776 geliefert, weil diese durch Erfahrungen im Kanonenbau in der Lage war, einen Zylinder aus Gusseisen anzufertigen, dessen Bohrung nach einem besonderen Verfahren exakt rundlaufend bearbeitet werden konnte. Watt erdachte auch eine Einrichtung, um den Kolben in der Zylinderbohrung zu schmieren, um das gefürchtete „Fressen“ zu vermeiden. Von nun an ging es wie geschmiert mit Volldampf bergauf und die Firma konnte ihre neuentwickelten Dampfmaschinen weltweit absetzten. Darüber weiter unten mehr.

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Die Pferdestärke

Als ein Brauereibesitzer einen Ersatz für ein Pferd suchte, welches täglich mit großer Mühe einen Göpel ziehen musste, ersann James Watt die Pferdestärke, ein Maß für jene Leistung, pro Sekunde 75 kg einen Meter hoch zu heben. Für das gesamte Maschinenwesen wurde ab 1783 das „PS“ eingeführt. Durch immer neue Versuche und Verbesserungen konnte der Kohleverbrauch um bis zu 60 % gesenkt werden. Welch langen Weg war Watt gegangen!

Trotz manchem Rückschlag hielt er nicht inne, sondern er ersann immer wieder Neuheiten, sodass er beispielsweise auf den hölzernen „Balancier“ verzichtete und ihn durch eine Eisenkonstruktion ersetzen ließ. In diesem Zuge baute er am anderen Ende des „Balanciers“ eine Pleuelstange ein, die mit einem Kurbelzapfen verbunden, die hin- und hergehende Kolbenbewegung in eine umlaufende Bewegung umzusetzen im Stande war. Damit hatte er das Hauptproblem der Dampfmaschine gelöst. Doch auch damit nicht genug! 1788 galt es, eine Einrichtung zu ersinnen, welche die Umdrehungen der Kurbelwelle bei Belastungsänderung konstant halten musste. Auch dies gelang ihm: Der Kugelregulator war zwar schon für Windmühlen im Gebrauch, da lag es nahe, diesen so umzubauen, dass er für Dampfmaschinen einsetzbar wurde. Je nach Belastung gibt eine vom Regulator gesteuerte Drosselklappe mehr oder weniger Querschnitt frei, durch den der Dampf strömen muss, bevor er den Zylinder erreicht. Aber noch ein Problem war zu lösen: Er beklagte sich, dass einige von ihm ausgebildete Maschinisten immer den vollen Dampf in den Zylinder strömen ließen, was der Anlage nicht gut bekam. Überlastungen und Brüche waren die Folge. Die „Expansion“, also die Ausdehnung des Dampfes im Zylinder, musste besser ausgenutzt werden. Durch konstruktive Änderungen am Steuerschieber konnte auch diese harte Nuss geknackt werden. Dies war die Krönung im Leben des genialen Dampfmaschinenkonstrukteurs.

Im Jahr 1800 entschloss sich James Watt, aus der Firma auszuscheiden. 25 mühevolle, aber auch erfolgreiche Jahre waren an ihm nicht spurlos vorübergegangen. Für seine bahnbrechenden Erfindungen und Verbesserungen an Dampfmaschinen, die mittlerweile auf der ganzen Welt im Einsatz waren, wurde er mit nationalen und internationalen Auszeichnungen geehrt, unter anderem wurde er zum Ehrendoktor der Universität Glasgow ernannt. Zu seinem Andenken erhielt die SI-Einheit für Leistung weltweit den Namen „Watt“. Er starb 83-jährig am 25. August 1819 in seinem Haus in Heathfield.

Die Firma Boulton & Watt

Matthew Boulton, geb. am 3. Sept. 1728 in Birmingham, übernahm die von seinem Vater gegründete Metallwarenfabrik, die er bedeutend vergrößerte. Dort wurden vorwiegend plattierte Gold- u. Silberwaren sowie kunstgewerbliche Gegenstände hergestellt. 1762 kaufte Boulton ein bei Birmingham gelegenes Heideland, genannt Soho, um seine Fabrikanlagen zu vergrößern. 1768 besuchte James Watt das Unternehmen und konnte Boulton davon überzeugen, die eigenen Versuche im Bau von Dampfmaschinen aufzugeben. 1775 entschloss sich Watt, dort Teilhaber (Compagnon) zu werden. Anfangs wurden die Dampfmaschinen nicht verkauft, sondern verliehen und als Nutzungsrecht verlangten sie ein Drittel der eingesparten Brennstoffpreise gegenüber der Newcomen-Maschine. Boulton sorgte für einen weltweiten Absatz von Dampfmaschinen jeglicher Größe. So bahnte sich ein ungeheurer Bedarf an. Ohne Zweifel sind diese Ereignisse Auslöser der „Ersten“ industriellen Revolution. Nachdenklich machte aber der immer noch extrem hohe Verbrauch an Steinkohle, deren giftige Abgase in riesigen Mengen ungefiltert in die Atmosphäre gelangten und so möglicherweise den weltweiten Klimawandel bis heute negativ beeinflussen. Nachdem im Jahr 1800 Watts Patente ausgelaufen waren, stieg er aus der Firma aus, diese wurde aber nach dem Tod von Matthew Boulton am 17. Aug. 1809 von den Söhnen Boultons und James Watt junior weitergeführt. Unter anderem wurde eine dampfbetriebene Münzmühle gebaut, in welcher Prägewerke tätig waren, um Kupfermünzen in riesigen Mengen herzustellen, die in
internationalen Umlauf kamen. Der geschäftliche Erfolg ließ das Unternehmen über 120 Jahre florieren. Im Jahr 1910 erlosch die Firma Boulton & Watt und hinterließ ein nahezu komplettes Firmenarchiv, das den englischen Dampfmaschinenbau seit 1775 dokumentiert. Bis heute wird diese einmalige Firmengeschichte im Archiv der Stadt Birmingham aufbewahrt.

Die Feuermaschine

Zum Ausklang dieses Artikels soll noch ein Mann zu Wort kommen, der in unnachahmlicher Weise beschreibt, wie eine frühe Wattsche Feuermaschine funktioniert: „Auf dem Wege nach dem Maschinenhaus hörten sie die dumpfen, geheimnisvollen Schläge mit jedem Schritt deutlicher. Vor dem Haus schien der Boden zu zittern, Ketten klirrten, Stangen rasselten, hinter dem Haus hörte man Wasser rauschen, als ob ein mächtiger Bach über Felsen stürzte. Als sie in den hohen, matt erhellten Raum eintraten, war es schwierig, irgend etwas zu unterscheiden. Ein finsteres, formloses Ding, wie die Trommel einer riesigen Säule stand auf einem Untersatz aus roh behauenen Quadern. Dies war der Zylinder, aus dem eine blinkende runde Stange emporschoss, um sodann wieder in seinem Innern zu versinken. Die Stange hing an einer schweren Kette, welche hoch oben, fast am Dach des Gebäudes, von einem wuchtigen Arm aus Holzbalken in die Höhe gezogen wurde, der sich langsam und feierlich auf- und abbewegte, aber bei jedem Niedergang mit dröhnendem Lärm auf eine Unterlage aufschlug, die im Mauerwerk angebracht war. Hinter dem Steinpfeiler, der den Drehzapfen dieses Doppelarmes trug, hing wieder an einer Kette das gewaltige Pumpengestänge, das in der unergründlichen Tiefe einer schwarzen Schachtöffnung verschwand. Von den Armen des Schwingbaumes hingen zwei weitere Stangen herab, von denen die eine an wunderlich geformten Hebeln und Knaggen zog und drückte. Die andere Stange betätigte eine kleine Pumpe, die in der Grube verdeckt stand und in heftigen Stößen dampfendes Wasser in eine Rinne warf, das gurgelnd durch ein Loch in der Mauer davonlief. Das also war die Feuermaschine! Neben ihr, in einem unförmigen Backsteinmantel eingemauert, stand der Dampfkessel, vor dessen feuersprühender Esse ein schwitzender kohlschwarzer Mann hantierte. Wenn er die schwere Feuertür öffnete, um frische Kohlen auf die sausende Glut zu werfen, glühten der ganze Raum, die Hebel und Knaggen, die blinkende Kolbenstange und die schwarzen Ketten in flammrotem Lichte, das fast greifbare Schatten in die Ecken und Winkel des finsteren Gebäudes warf. Das Unheimlichste aber waren die Töne des Ungetüms: das knarrte und ächzte, knallte und krachte, zischte und sauste, bald da, bald dort, als ob in jedem Winkel ein anderer Kobold säße. Alles aber übertönte der donnerähnliche Schlag in der Höhe, wenn der Schwingbaum auf seine Unterlage sauste. Dem Schlage folgte eine fünf Sekunden lange feierliche Stille, langsam und widerwillig setzte sich der Schwingbaum wieder in Bewegung und das grause Spiel begann aufs Neue.“ Von wem stammen nun diese Zeilen? Nur einem Experten der Sonderklasse konnten solche Worte aus der Feder fließen! Der „Vater des Dampfpflugs“, der Dichteringenieur Max Eyth, hat sie im Rahmen seines Romans „Der Schneider von Ulm“ einst verfasst! Dem ist nichts hinzuzufügen!

Quellen: antiquarische Lexika und Geschichtsbücher von 1903 und 1931
 

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