Auslegung von Tragflächenholmen bei Antikmodellen

Auslegung der Tragflächenholme von Antikmodellen

Reinhard Riederer

Als ich das erste Mal in Bad Neustadt an einem Antikmodell-Treffen teilnahm, kam ich leider erst kurz vor Beginn an und wurde zu meinem Schrecken gleich als erster an den Start geschickt. Eigentlich hatte ich gehofft, mir das Ganze erst in Ruhe anschauen zu können. Doch jetzt stand ich mit meinem seitenrudergesteuerten Winkler, der noch nie einen Hochstart erlebt hatte, am Start des ersten Modellflugwettbewerbs meines Leben. Da kam auch schon der
Seilauszieher angekeucht und stellte mir die Frage, die ich nie und nimmer erwartet hatte: "Ist dein Holm verkastet?" "Nein, im Original war keine Verkastung vorgesehen" antwortete ich wahrheitsgemäß, und schon lief er samt Seil an mir vorbei, um kurz darauf wieder damit zurückzukommen. Jetzt wäre die größte Zugkraft heraußen, das müsste das Modell aushalten. Nicht nur der Winkler hielt das aus, meine schlotternden Knie auch, nochmal Glück gehabt!


Nach diesem denkwürdigen Erlebnis nahm ich mir für die Zukunft vor, die Tragflächen meiner Antikmodelle den heutigen Hochstartmethoden anzupassen. Die Holme unserer lieben Oldtimer fallen höchst unterschiedlich aus. Bei den einen reicht es auch heute noch völlig aus, andere würden sich dagegen beim Gummiseilstart wie ein Blatt Papier zusammenfalten.

Zuerst stellte ich mittels Federwaage den maximalen Zug meiner Hochstartgummis fest. Nach hundert Schritten Auszugslänge bei dreißig Metern Gummi: mein 7 mm Gummi für Modelle bis 1 kg zog mit 6 kg, der 9 mm für Modelle bis 2,5 kg zog mit 9kg.
Sobald das Modell beim Start frei ist, lässt der Seilzug rapide nach. Daher lasse ich das Gewicht des Rumpfes für weitere Berechnungen großzügig weg. Die Holme meiner Modelle bis 1 kg müssen also mindestens 6 kg aushalten, die Modelle darüber 9 kg.

Der im Verhältnis zum Gewicht stabilste Holm ist der Doppel-T-Holm, wobei es für die Festigkeit keine Rolle spielt, ob er nur mit Balsa ausgefüllt wird oder ob er vorne und hinten mit Sperrholzplättchen zugeklebt wird. Lediglich die Drehsteifigkeit ist bei Methode 2 wesentlich höher, was für unbeplankte Rippenflächen von Vorteil ist. Die folgende, stark vereinfachte Formel habe ich einer Eppler-Profilsammlung entnommen und mit Erfolg bei allen meinen Modellen angewendet, die damit rasante Hochstarts, Loopings und Sturzflüge aus starker Thermik überstanden.

H ist die maximale Höhe des Holms, die durch die Höhe des Profils festgelegt ist, bei 1,5 mm Beplankung oben und unten 3 mm weniger. h ist der innere Abstand der Holme. In dieser Formel muss ich mich festlegen, wie dick die Leisten sein sollen, um die erforderliche Breite zu erfahren. Also wenn die Leisten 2 mm dick sind, dann ist h = H - (2+2).

Die 6,5 kp/mm2 unter dem Strich sind die Festigkeit von Kiefernholz. Zg ist der maximale Zug unseres Gummis in kg.

Beispiel:
Unser Segler hat an der Wurzel eine Profilhöhe von 28 mm, muss 9 kg Zug aushalten bei einer Spannweite von 2500 mm. Da die Beplankung oben und unten jeweils 1,5 mm beträgt, misst H = 28 - 3 mm = 25 mm.

Fangen wir mal mit 2 mm dicken Holmen an, dann misst h = 25 - (2+2) = 21 mm. Wie breit muss unser Holm dann sein?
formel01.jpg


Unser Holm muss also 2 x 10,2 mm messen. Wem die 0,2 mm Sorgen machen, der kann das Ganze auch noch mit 3 mm dicken Leisten probieren, wo gibt's schon 10,2 mm breite Leisten ? Für die Mutigen empfehle ich einfach 2 x 10 mm Kiefernleisten.

Wie sieht es nun mit der Festigkeit im Fluge aus ?
Nehmen wir einmal an, Rumpf plus Leitwerk wiegen 1 kg. Die Flächen tragen sich ja bei einem Looping selber, dann steht diesem Gewicht von 1 kg die Festigkeit für 9 kg gegenüber, also das neunfache oder 9 G. Den Segler zerlegt ihr nie in der Luft!

Noch ein paar Feinheiten:
Da die Holmhöhe im Quadrat in die Festigkeit eingeht, sollte der Holm so weit außen im Profil liegen wie möglich. Ich klebe den Holm deshalb nicht innen auf die Beplankung, sondern bündig daneben, so dass man ihn durch die Bespannung sehen kann. Oben und unten je 1,5 mm gewonnen, das macht stabile, leichte Flächen.

Als Flächenverbinder verwende ich runden Stahldraht, mit dem ich einige Biegeversuche unternahm, da die Biegefestigkeit rechnerisch nicht zu ermitteln war. Bewährt haben sich folgende Durchmesser: bis 160 cm Spannweite Ø 4 mm, bis 2 m Ø 5 mm, bis 3 m Ø 6 mm.

Das reicht für alles oben genannte, und meistens biegt sich der Draht, bevor der Holm nachgibt. Die Führungsröhrchen müssen sorgfältigst mit Holmen und Rippen an der Wurzel verklebt werden! Hier geben die meisten Flächen nach. Sekundenkleber verliert im Lauf der Jahre bis zu 90% seiner Festigkeit, was bei mir zu zwei unerwarteten Abstürzen führte. Also lieber Epoxy nehmen, weiter draußen ist Sekundenkleber ok.

Die Festigkeitsanforderungen lassen nach außen rapide nach. Bei Knickflächen kann man deshalb, ohne groß nachzurechnen, nach dem ersten Knick mit dem halben Holmquerschnitt weitermachen. Bei der AM9 reichte mir der 2 x 5 mm Holm für 6 kg Zug nicht ganz aus. Deshalb verstärkte ich ihn auf 3 x 5 mm. Nach dem ersten Drittel macht die Fläche einen leichten Knick nach hinten, von da ab hätte schon ein Holm von 1,5 x 5 mm gereicht, ich blieb wegen der Einfachheit bei 2 x 5.

Arthur Mandels Originalmodell wog 480 g, meines mit vielfacher Festigkeit und Fernsteuerung 550 g. Festigkeit am richtigen Fleck kostet oft nur wenige Gramm. Wenn ihr gerade keinen neuen Segler baut, könnt ihr jetzt ausrechnen, was euer alter aushalten würde.

So was beruhigt später am Start ungemein!

Aus: Antik-Rundschau Nr. 114 - Februar 2015
 
Wirklich interessante Ausführungen, ich habe noch einen Baukasten von Krick im Keller liegen. Eine Melora (Konstruktion Karl Heinz Denzin). Jetzt sehe ich die Auslegung der Flächen unter anderen Gesichtspunkten. Danke für die Beruhigung :) Gruß aus der Pfalz Frank
 
Hi Reinhard,
ein wunderbar pragmatischer und in der Praxis voll brauchbarer Ansatz! Es ist genau das, was ich immer meine, wenn ich mich über die Leute lustig mache, die ihre ganze Zeit am Rechner verplempern, um zweckfreie Flugmodelle zu optimieren;)

Für artgerecht geflogene Antikmodelle sind 9g wahrscheinlich mehr als genug, aber man sollte sich nicht täuschen: mangels natürlicher Grenzen, die ein Pilot setzen würde, dürften selbst mit Alltagsmodellen bei so manchem Manöver wesentlich höhere Lastvielfache auftreten.

Aber wie immer hilft auch hier, wenn man unnötiges Gewicht einfach weglässt. Meine 1mm Vollschalenflächen (OHNE Holm!) haben bisher alle Belastungen in der Luft ausgehalten.

Gruss,
H.
 
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