Modellbau mit Schülern
Jugendarbeit in Modellbau und Modellsport
Andreas Hornung
Jugendarbeit in Modellbau und Modellsport
Andreas Hornung
Haben Modellbau, Modellsport und speziell der Freiflug in Deutschland noch eine Zukunft? Wo liegen die Gründe für den deutlichen Rückgang in den letzten Jahrzehnten? Ist eine Trendwende zu schaffen? Was wäre dafür erforderlich? Wie ist sie anzugehen?
Um diese und ähnliche Fragen soll es im Folgenden gehen. Es wird anhand eines Beispiels der Nachweis erbracht, dass diese Entwicklung nicht zwangsläufig sein muss, sofern sich Leute mit dem Willen zur Veränderung dagegen stemmen. Es wird deutlich, dass die oft als ursächlich hingestellte „heutige Jugend“ keinerlei Schuld an der Entwicklung trägt, sondern dass die Ursachen ganz woanders liegen.
Es ist wichtig, dieses Thema offensiv anzugehen. Sollte sich nämlich die Entwicklung fortsetzen, müsste man dem Modellbau in Deutschland eine düstere Zukunft vorhersagen. Freiflug und andere Modellsportarten sind auf Grund von Nachwuchsmangel bereits als stark „bedroht“ anzusehen. Die Gründe hierfür liegen im allgemeinen Bevölkerungsrückgang und der zunehmenden Konkurrenz durch vielfältige Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung, der Anziehungskraft von „Volkssportarten“ mit hohem gesellschaftlichem Stellenwert und dem Aufkommen neuer, interessanter „Trendsportarten“. Vom Nachwuchsmangel sind natürlich viele Sportarten betroffen. Randsportarten, die nicht gerade im Trend liegen, spüren diesen jedoch am gravierendsten. Man kann sich sagen: „Alles hat seine Zeit!“, was eine sehr bequeme Einstellung zum Zurücklehnen und Abwarten ist. Und vielleicht kommt ja auch irgendwann mal wieder eine „andere“ Zeit!?
Fatale Folgen
Doch ist es nicht auch mal an der „Zeit“, folgende Fragen zu stellen: Was würde ein „Aussterben“ des Modellbaus bedeuten? Welchen gesellschaftlichen Wert hat der Modellbau? Welcher Nutzen könnte die Allgemeinheit aus dem Modellbau ziehen?
Wenn man den hobbymäßigen Modellbau isoliert betrachtet, so wäre sein „Aussterben“ für die Allgemeinheit lediglich ein bedauernswerter Verlust. Beachtet man aber, welchen Wert der Modellbau im Bereich der handwerklichen Bildung der Jugend einmal hatte, muss man erkennen, welch großer Fehler mit der Vernachlässigung dieses Feldes begangen wurde. Hierin liegt eine Chance für alle Modellsportarten! Dieser unschätzbare Wert des Modellbaus muss den Entscheidungsträgern dringend vor Augen geführt werden.
Kinder erlangen bereits im Mutterleib erste motorische Fähigkeiten. Nach der Geburt schreitet die motorische Entwicklung enorm voran. In den Kitas werden die Fingerfertigkeiten weiter geschult. Jedoch nach der Grundschule, die mit dem Schreiben eine neue Fingerfertigkeit vermittelt, erfolgt „handwerkliche“ (Fort-) Bildung nur noch sehr begrenzt. In Gymnasien gibt es nicht einmal Werkunterricht! Dies hat fatale Folgen. Mittels Modellbau kann diese sichtbare Lücke geschlossen, und gleichzeitig Nachwuchsarbeit für den Modellsport geleistet werden.
Die Krux des Modellsports
Die Antwort auf folgende Frage lässt erkennen, an welcher Stelle angesetzt werden müsste und wo das große Problem des Modellsports liegt: Warum ist die Jugendarbeit im Modellsportbereich im Vergleich zu anderen Sportarten so überproportional stark eingebrochen?
Ausbildung von Modellbauern und Training von Modellsportlern sind personal-, material- und zeitaufwändig. In einem Alter, in dem Fußballer, Leichtathleten, … in den Sportlerruhestand gehen und sich voll der Nachwuchsförderung widmen können, ist der Modellsportler womöglich noch nicht auf seinem sportlichen Höhepunkt angelangt. Diese Punkte machen deutlich, wo die Krux des Modellsports liegt! Wenn die Nachwuchsarbeit im Modellbau- und Modellsportbereich ausschließlich ehrenamtlich organisiert wird, kann dies langfristig nur zu ihrem Aussterben führen, denn im Modellsport stehen die eigenen sportlichen Ambitionen oft in Konkurrenz zu einem eventuellen Engagement in der Jugendförderung. Abhilfe könnte dadurch geschaffen werden, indem die handwerkliche Bildung von Schülern mittels Modellbau in Deutschland flächendeckend hauptamtlich organisiert wird. Das klingt zwar illusorisch, ist aber kein Luxus und leider nicht von heute auf morgen realisierbar. Aber nur so könnte der Modellbau einer größeren Zahl von Schülern nahe gebracht und der Nachwuchs für den Einstieg in eine Modellsportart befähigt werden.
Überzeugungsarbeit ist nötig
Die Trendwende ist nur zu schaffen, wenn die verantwortlichen Verbände diese Zusammenhänge erkennen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um dem Absterben entgegen zu wirken. Dazu gehört eine zielgerichtete Lobbyarbeit, um ein Umdenken bei den Entscheidungsträgern zu bewirken. Der Modellbau sollte aus dem Licht der Männerspielerei herausgerückt und sein Wert für die Gesellschaft auf dem Feld der handwerklichen Bildung der Jugend stärker betont werden. Diese Überzeugungsarbeit hat oberste Priorität! Derartige Verbandsarbeit ist wichtiger als die Verwaltung des Niedergangs. Offensive Lobbyarbeit muss zum Tagesgeschäft der Verbände werden, denn es geht ums „Überleben“! Das erfordert natürlich, dass die handwerkliche Bildung auch tatsächlich praktiziert wird. Und es ist wichtig, dass viele Modellsportinteressierte einen Beitrag zur Nachwuchsgewinnung leisten.
Deshalb hier ein
Aufruf zur aktiven Jugendarbeit
In unserer vom „Virtuellen“ geprägten Welt und Zeiten unendlicher Vielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten ist es natürlich nicht einfach, Schüler für eine handwerkliche Tätigkeit zu begeistern. Schlecht wäre es aber, deshalb die Jugendarbeit völlig aufzugeben. Wer es nicht mitverschulden möchte, dass der Freiflug in Deutschland in absehbarer Zeit ausstirbt, muss die Jugend für unseren herrlichen Sport begeistern. Hierfür gibt es leider kein Patentrezept. Am Anfang steht nur der Wille, etwas für die Zukunft des Freiflugs zu tun! Wer diesen Willen nicht aufbringt, handelt ähnlich bequem, wie Kinder, die sich lieber virtuell, als handwerklich beschäftigen! So mancher, der die jetzige Situation beklagt, ist aufgefordert, mal über seine Prioritäten nachzudenken und zu überlegen, wie er - vielleicht zusammen mit anderen - etwas daran ändern kann.
Eine bereitwilligere und unbürokratische Unterstützung der Jugendarbeit von Modellsportvereinen durch die Verbände und die regionale Politik wäre sehr wünschenswert. Eine engagierte Jugendarbeit ist eine wichtige Voraussetzung, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu erlangen. Zugegeben – dies ist leichter gesagt als getan - doch wenn es nicht gelingt, zumindest in Teilen der Verantwortlichen und Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft eine Trendwende herbeizuführen, ist das „Ende“ bereits absehbar! Verbände und Vereine alleine können diese Mammutaufgabe nicht schultern. Ein Jugendmodell vorzuschlagen, zu entwerfen oder auf den Markt zu bringen, damit ist jedenfalls noch nicht viel erreicht. Nein – Kinder müssen für den Modellsport interessiert und begeistert werden. Für Jugendliche ist wichtig, dass sie sich unter Gleichaltrigen befinden. In Jugendmodellbaugruppen an Schulen könnten Vereine den Grundstein für eine erfolgreiche Nachwuchsgewinnung legen.
Einfache Freiflugmodelle der Klasse F1H eignen sich hervorragend für den Einstieg in den Modellbau. Um bei Schülern Begeisterung für den Freiflug zu wecken, ist es jedoch wichtig darauf zu achten, dass zum Fliegen ein „brauchbares“ Modell ausgewählt wird. Geeignet sind der „Spatz“ (Bausatz von Modellbau Thiele) das „Anfängermodell F1H“ von Hilmar Damm oder, aufbauend in F1A, der bereits in TS 1/2014 vorgestellte „Junior“.
Positive Beispiele von Jugendarbeit zeigen, was möglich ist, auch wenn die Erfolge auf Grund bekannter Schwierigkeiten überschaubar sind. Es bleibt zu hoffen, dass sich mehr begeisterte Freiflieger in der Jugendarbeit engagieren und somit einen aktiven Beitrag zum Erhalt ihres Sports leisten!
„AeroNautic“ Bad Salzungen
Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle über die Jugendarbeit des Modellsportvereins „AeroNautic“ Bad Salzungen e.V. berichten. Die Arbeit unseres Modellsportvereins ist der Nachweis, dass man die „heutige Jugend“ für den Modellbau gewinnen kann. Seit seiner Gründung im Jahr 2002 hat sich unser Verein intensiv darum bemüht, eine Möglichkeit zu erhalten, Schüler handwerklich zu bilden. Es bedurfte großer Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen, vieler Anläufe und Rückschläge bis wir im Jahr 2011 das Einverständnis zur Nutzung eines Werkraums in einer Regelschule erhielten. Da uns nun ein voll ausgestatteter Werkraum zur Verfügung stand, war nur noch die Beschaffung modellbauspezifischen Werkzeugs und der nötigen Rohmaterialien erforderlich, was durch die Bewilligung von Fördermitteln mit etwa 50% gefördert wurde.
Das Konzept hatte sich bereits in den Jahren zuvor entwickelt, als Mitglieder des Vereins Schüler noch in ihren heimischen Werkstätten betreuten. Da bei uns die handwerkliche Bildung im Vordergrund steht, wird nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ Modellbau von Grund auf praktiziert. Unter Anleitung erfahrener Modellbauer bauen die Schüler Modelle aus Rohmaterialien nach von uns erstellten Konstruktionsunterlagen oder nach Modellbauplan. Begonnen wird mit einfachen Balsawurfgleitern, um die ersten Fingerfertigkeiten zu erlangen und um festzustellen, ob man überhaupt für dieses Hobby geeignet ist. Danach kann die Entscheidung getroffen werden, ein Freiflugmodell oder ein RC-Schiffsmodell zu bauen. Mangels eines Modellbauplans für ein einfachstes Schiffsmodell geeigneter Größe von ungefähr 65 cm Länge, wurden kurzerhand ein paar Spanten für einen Knickspantrumpf entworfen, der gute Fahreigenschaften versprach. Inzwischen wurden von unseren Schülern bereits fünf Schiffsmodelle nach Plan fertiggestellt und bei vier weiteren steht die Fertigstellung bevor. Als Freiflugmodelle wurden bisher ein „Junior“ nach Plan, ein „Kleiner UHU“ (der Bausatz war ein Mitbringsel von einer hessischen Meisterschaft) und vier „Lilienthal 31“, deren Bausätze uns im Rahmen einer Aktion des Herstellers und des DMFV zur Verfügung gestellt wurden, gebaut. Die Bausätze von AERONAUT eignen sich aber leider nur für den Einstieg in den Flugmodellbau. Die Modelle sind aber ohne erhebliche Änderungen kaum geeignet, Begeisterung für den Freiflugsport zu wecken.
Die Kosten für den Modellbau trägt unser Verein, während die technische Ausstattung von den Eltern der Schüler zu finanzieren ist. Jeder Schüler, der ein Modellbauprojekt nach Plan unter Verwendung von Rohmaterialien vollendet, bekommt eine Bestätigung seiner Leistung in Form eines Modellbaudiploms, das von Schule und Verein gemeinsam ausgestellt wird. Auf dem Diplom sind die Anforderungen vermerkt, die vom Schüler zu erfüllen waren. Bei Bewerbungen um Ausbildungsstellen für handwerkliche Berufe kann dieses Diplom den Ausschlag geben, um sich einen begehrten Ausbildungsplatz vor anderen Bewerbern zu sichern.
Eine solche Schülerarbeitsgemeinschaft (AG) an einer Schule ist geeignet, Nachwuchs für den Verein zu gewinnen, was extrem wichtig ist! Denn wenn wir diesen Nachwuchs nicht für unser Hobby gewinnen, verschwindet es. Wer soll denn die nächste Generation von Modellbauern ausbilden, wenn wir es heute versäumen, dies zu tun?
Aber es ist nicht nur die Nachwuchsgewinnung oder die Ausbildung der nächsten Modellbauergeneration, was solch eine AG für die Allgemeinheit leistet. Es ist die handwerkliche Grundbildung zukünftiger Industriemechaniker, KFZ-Mechatroniker, Schreiner, … Meister und Ingenieure. Deshalb erscheint es mir durchaus berechtigt zu sein, sehr deutlich auf den Gemeinnutzen des Modellbaus mit Schülern hinzuweisen und eine stärkere und vor allem unbürokratischere Förderung solcher AGs einzufordern. Das ist der Punkt, an dem die verantwortlichen Verbände gefordert sind, den hohen Gemeinnutzen stärker öffentlich herauszustellen und mehr Unterstützung für die Vereine einzufordern. Mit acht Gründungsmitgliedern und später meist um die zehn Seniormitgliedern war die Mitgliederzahl unseres Vereins seit Gründung relativ konstant. Die Zahl der Jugendmitglieder betrug vor der Gründung der AG maximal drei. Inzwischen haben wir etwa zehn Jugendmitglieder, die zeitweise auch schon in der Überzahl gegenüber den Seniormitgliedern waren. Unser Werkraum ist voll belegt. Eine Ausweitung erforderte zusätzliche AG-Leiter, die uns leider fehlen.
In diesem Jahr haben sich fünf Schüler unserer AG-Modellbau entschieden, dem Dachverband für Schiffsmodellbau und Schiffsmodellsport „Nauticus“ beizutreten, um auch modellsportlich aktiv zu werden. Ziel ist die Qualifikation zur Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft, die 2016 in Thüringen stattfindet. Dies zeigt, wie Schüler über den Modellbau zum Modellsport gelangen. Diese Quelle der Nachwuchsgewinnung ist dem Freiflug weitgehend verloren gegangen. Lässt sich dies wieder ändern? Beim FFT (Freifliegertreffen/Wettbewerb anstelle des Teamcups, siehe unter „Aktuell“) im Oktober können wir gerne darüber diskutieren!
Unser Verein hat sich seit Gründung der AG deutlich entgegen dem allgemeinen Trend entwickelt, womit der Nachweis erbracht ist, dass der Wille, etwas zu bewegen ausschlaggebend ist und die Ursachen für Fehlentwicklungen nicht woanders gesucht werden dürfen. Überall wo dieser Wille aufgebracht wird, trägt er Früchte. Im Freiflug kann diesbezüglich die Arbeit von Annett und Enrico Richter als beispielhaft genannt werden. Aber auch andernorts sind bereits Früchte solcher Arbeit sichtbar geworden. Leider ist das Netz zu großmaschig und oft fehlt es an Nachhaltigkeit, weil die große Last nur auf wenige Schultern verteilt ist, die sie nicht dauerhaft tragen können. Daran muss etwas verändert werden, in dem wesentlich größere Anreize für ehrenamtliches Engagement geschaffen werden. Ein neues Projekt innerhalb unseres Vereins soll dies unter anderem ermöglichen - die Gründung einer „Interessengemeinschaft zur Förderung der Jugend mittels Modellbau und Modellsport“. Ziel des Projekts ist die Suche nach Unterstützern dieses Zwecks unter Modellbaubegeisterten, vorrangig aber in Handwerk und Industrie.
Wer die Arbeit des Modellsportvereins „AeroNautic“ näher kennen lernen und unterstützen möchte, kann sich informieren und gerne mit uns in Kontakt treten (modellsportfreunde@gmx.de). Im Internet findet man uns unter www.msv-aeronautic.jimdo.com.
Der Beitrag wurde freundlicherweise von Thermiksense, Ausgabe 2&3/2015 zur Verfügung gestellt.