Telaves MARK 9
Eine 50 Jahre alte Konstruktion
Stefan Lütje
Eine 50 Jahre alte Konstruktion
Stefan Lütje
Die Telaves-Gruppe aus der Schweiz ist in den 60er und 70er Jahren in der systematischen Entwicklung von Flugmodellen aktiv gewesen. Aus dieser Entwicklung ist das bekannte ‚Konstruktionsbuch für RC-Flugmodelle‘ entstanden und in verschiedenen Auflagen in den Handel gekommen.
Meine beiden Exemplare:
1.Auflage 1966, 3.Auflage 1977
Ich habe das oben erwähnte Buch ungefähr 1975 das erste Mal ausgeliehen und gelesen, auch wenn ich damals von der Theorie nur einen kleinen Teil verstehen konnte – es fehlten doch so einige Grundlagen. Das, was ich verstehen konnte, war später aber ein Grundstock für meine eigenen Konstruktionen. Nun sind mittlerweile 40 Jahre ins Land gegangen und ich wollte gerne einen MARK bauen. Der Neckar-Verlag hatte den Bauplan des MARK 20 im Lieferprogramm. Danach wurde der Plan vom GeraMond-Verlag angeboten. Schnell hatte ich den Plan geordert, aber nach sechs Wochen Wartezeit wurde mir mit Bedauern mitgeteilt, dass der Plan vergriffen sei und somit nicht mehr verfügbar ist - und nun? Auf der Suche im Netz bin ich durch Zufall auf die seit April 2015 eingerichtete Homepage der Telaves-Gruppe getroffen.
So ein Glück!
Umgehend habe ich Herrn Bernhard Huber angeschrieben und ausgesprochen schnell hat er mir geantwortet und freundlicherweise per Mail den Plan des MARK 9 und des MARK 20 gesendet. Damit bin ich in Lübeck zu einem Copyshop gefahren und habe mir beide Pläne im Maßstab 1:1 ausdrucken lassen. Da mir der MARK 9 auch sehr gut gefiel, habe ich mich entschieden, den ‚kleinen Flieger‘ zuerst zu bauen.
Nach der ersten Sichtung des Planes war ich mir sicher, das Fluggewicht von damals 3 kg weit nach unten, auf 2 kg reduzieren zu können. Allein die RC- Komponenten, leichte Räder, einen leichten und leistungsstarken Motor und geringe Änderungen im Aufbau machten mich zuversichtlich. Die Flächenbelastung bei einem Gewicht von 3 kg ist mit 78 g/dm2 noch in einem akzeptablen Bereich, ich möchte aber gerne eine Flächenbelastung von unter 60 g/dm2 erreichen. Bei einem maximalen Auftriebsbeiwert von cA = 0,8 (-) des realen Tragflügels würde sich eine Landegeschwindigkeit von rund 10 m/s = 36 km/h ergeben und das gefällt mir gut. Die EWD habe ich bei etwa 0,6° belassen. Da ich den Rumpf gerne in Längsrichtung angeströmt habe möchte, wird das Höhenleitwerk mit 0° zur Längsachse eingebaut und die Fläche korrigiert auf +0,6°. Eine Anmerkung möchte ich hier noch zum gewählten Profilstrak machen. NACA 0017 an der Wurzel, gestrakt auf ein NACA 0014 weiter außen ist wunderbar und folgerichtig der kritischen Re-Zahl bei den entsprechenden Profiltiefen angepasst; und das 1965! Wenn das doch nur alle Konstrukteure aus der damaligen Zeit verstanden hätten, wären uns so einige Konstruktionen erspart geblieben. Als Näherung der Profildicke rechne ich mit folgender einfachen Gleichung:
Dicke[%] = Re0,5 * 0,03
Dann weiß ich sofort, ob ich mit 12 % Dicke arbeiten oder sogar 15 % einsetzen kann. Da die Profildicke erheblichen Einfluss auf die Biegefestigkeit der Fläche hat, wäre es sinnvoll, die Profildicke nicht zu dünn zu wählen… Wären da nicht diese laminaren Ablöseblasen! Die Dickenrücklage spielt auch eine erhebliche Rolle. Mit 30 %, wie bei den vierstelligen NACA‑Profilen, bin ich auf der sicheren Seite. Aber genug der Theorie, jetzt möchte ich mit dem Bauen beginnen.
Bau des Telaves MARK 9 Juni 2015
Technische Daten
Spannweite: | 1643 mm (nach Plan)! |
Gesamtlänge: | 1200 mm |
Flächeninhalt: | 38,5 dm2 |
Gewicht: | 2,2 kg |
Profilstrak: | NACA 0017/0014 |
Flächenbelastung: | 57 g/dm2 |
Schwerpunkt: | 112 mm |
EWD: | 0,5° |
Stabilitätsmaße: | 15 % |
Motor: | OS 35AX / 1,29PS/16.000 U/min |
Propeller: | Graupner CamProp 11x6 |
Tank: | 250 ml |
Konstruktion: | Gerhard/Bernhard Huber ‘65 |
Zuschnitt des Materials – Zeitbedarf nur drei Stunden
Mit einer Nadel piekse ich an den Eckpunkten durch die Zeichnung in das Holz und verbinde die Linien dann – dauert weniger als fünf Minuten pro Seite. Altmodisch, aber bewährt!
Änderungen im Aufbau
Einstellwinkel Fläche = 0,6° !
Einstellwinkel HLW: 0° Das Seitenleitwerk aus 5 mm Vollbalsa/gesperrt.
HLW vereinfachter Aufbau. Ausschnitt für das Seitenruder für einen größeren Ausschlag des SR vergrößert.
Rumpfrücken 10 mm Balsa, bis zum Kopfspant durchgehend
Höhenleitwerksaufbau
Vereinfachter Höhenleitwerksaufbau, bestehend aus Balsaleisten 15x8 und 8x4.
Eine Kiefernleiste 8x3 sorgt für ausreichende Biegesteifigkeit.
Rumpfaufbau auf dem Rücken
Das Seitenleitwerk habe ich aus 5 mm Balsa hergestellt.
Dem Rumpf habe ich Längsgurte aus 5x5 mm Balsa verpasst.
Einpassen des Tanks. Die Längsgurte aus Kiefer 8x3 baue ich in allen eigenen Konstruktionen ein. Später passt das Servobrett perfekt darauf.
Aufbau der Kabinenhaube
Die Frischhaltefolie habe ich auf den Rumpf gelegt und die Balsa-Teile mit Nadeln geheftet.
Danach die 10 mm Balsa-Füllstücke oben mit Weißleim angeleimt.
Die Haube wird erst im Winkel verschliffen und danach exakt in Form verrundet. Das Gewicht beträgt fertig etwa 30 g.
Einpassen des Motors
So geht es los…
Der Motorraum bleibt unten offen, damit alle Rückstände frei ablaufen können.
Und so ist es geworden, natürlich mit angepasstem Spinner.
Ein 10er Webra-Speed ist keine Option, weder bezüglich Leistung noch bezüglich Baugröße (auch Gewicht).
Flächenbau
Abweichend vom Bauplan habe ich mich für eine Styropor-Abachi-Fläche entschieden. Dadurch wird die Fläche zwar etwas schwerer als die konstruierte Rippenfläche, aber die gewünschte Gewichtsersparnis erreiche ich durch das technische Equipment. Bei der Verwendung von 0,6 mm Abachi wiegt eine derartige Fläche 886 g
(23 g/dm2), flugfertig mit Fahrwerk, Rädern, Folienfinish und Servo. Eine vergleichbare Fläche mit Balsaholz beplankt wiegt knapp 770 g (20 g/dm2), siehe Anlage.
Zuschneiden der Flächenhälften
Abachi-Furnier 0,6 mm grob zugeschnitten
Köpergewebe mit 165 g/dm2, Fahrwerksverstärkung auf Ober- und Unterseite mit Laminierharz aufgebracht. Die Beplankung erfolgt Nass-in-Nass!
Die eingetragenen Maße sind wichtig für die Positionierung der Ausschnitte für die Nutleisten.
Flächenbau
Eine Harzmenge von ungefähr 2,5 g/dm2 zu verklebender Oberfläche wird mit Microballons eingedickt – damit wird weder von der Beplankung noch vom Styropor etwas aufgesaugt. Die Menge wird mit einem Zahnspachtel auf das Holz aufgebracht. Ein Behandeln der Holzbeplankung mit Hartschleifgrund erübrigt sich somit. Leichter kann man nur noch mit einer Balsabeplankung bauen. Epoxi-Schaumtreibmittel ist noch eine Alternative zur Verklebung. Details über spezifische Flächengewichte siehe Anlage.
Hier ist beispielhaft gezeigt, wie ich die Flächen ‚presse‘. Das soll nicht bedeuten, dass die Flächen plattgedrückt werden, sondern das lediglich die Beplankung vollflächig auf dem Kern aufliegt.
Fahrwerkseinbau
Exaktes Ausschneiden der Fahrwerksaufnahme
Mittels Microballons eingedicktem Harz verklebt; die Kräfte werden beim Starten und Landen durch das unten liegende Gewebe und die Abachi-Beplankung hervorragend aufgenommen.
Nasen- und Endleiste sind verklebt
Eingepasste Randbögen
Flächenanpassung
Herkömmliche, zentrale Querruderanlenkung aus meinem Fundus. Die mechanische
Differenzierung erreiche ich durch die Veränderung der Anlenkungspunkte.
Die Übergänge von unten gesehen.
Die Vorbereitung des 8 mm Flächendübels. Erst nach dem Verkleben der Flächenhälften einkleben. Festigkeit ausreichend!
Gewinde M 5 in Sperrholz geschnitten und mit Sekundenkleber gehärtet – danach noch einmal das Gewinde nachschneiden.
Rumpf-Flächenübergang
Die Dreikantbalsaleiste 10x10 ist an den Flächenübergang geleimt; im vorderen Drittel in kurzen Stücken, da der Radius klein ist.
Fertig verschliffen und mit Balsa-Leichtspachtel angepasst.
Die Frischhaltefolie liegt faltenfrei auf der Fläche, dann angedicktes Harz auf die Flächenauflage bringen. Anschließend die Fläche aufschrauben – das ergibt beste Flächenpassungen.
Die Querruder sind bei mir 40 mm breit. Ich mag relativ harte Ruderreaktionen.
Der Rohbau
Die Flächen sind zur Bearbeitung bereits vorbereitet.
Das erste Mal an der frischen Luft.
Den vorderen Teil des Rumpfes sowie den kompletten Motorraum habe ich mit Epoxidharz zwei Mal gestrichen (dunkle Verfärbung).
Das Folienfinish
Zuerst die gelbe Folie…
dann weiße Folie mit 8 mm Überlappung… danach der blaue 6 mm Streifen…
und nun die Haube…
Oha – ob das was wird?
Jaaa – es geht!
…so hab' ich es mir vorgestellt
Abschlussarbeiten
Einbau der Anlage; 2x16 mm, 1x13 mm Servo und ein 1100 mAh-LiFe-Akku mit Vorschaltdiode
Polystal (GfK) Bowdenzüge mit Metallgabelköpfen M 2.
Einkleben der Fahrwerksbeine mit Sikaflex (absolut kraftstoffest und hält).
Abnehmen der Haubenform für die nächsten MARK-Modelle.
Einkleben der Fließscharniere, danach wird die Folie mit Politur von den Dämpfen befreit.
Anschließend habe ich den Ruderschlitz mit Oracal-Klebefolie geschlossen.
Das Auswiegen – leider müssen 15 g Blei ins Heck! Beim nächsten Rumpf nehme ich statt 0,8 mm Sperrholz nur 0,4 mm zur Verstärkung.
Fertig
Der Spinner passt auch.
Sieht er nicht elegant aus?
Das Einfliegen
Aufbau des MARK 9 auf dem Platz,
hier mit seinem Kumpel, dem PUMA 1 von robbe
Der neue O.S. springt sofort an und läuft zuverlässig.
Einfliegen
Mit Vollgas über den Platz
Dann fliegt der MARK!
Das Bugfahrwerk…?
Ein wunderbarer Flieger, der Schwerpunkt muss aber weiter nach hinten, noch fliegt er mir zu stabil. Das Höhenruder könnte für mich auch größer sein. Die Abreißeigenschaften sind super gutmütig. Der Bau hat sich unbedingt gelohnt! Alle Flugbilder sind von meinem Sohn Morten in Stockelsdorf ‚geschossen‘ worden.
Zusammenfassung
Von Beginn an hat dieses Projekt viel Spaß gemacht. Die Änderung des Einstellwinkels und die größere Schwerpunktrücklage haben sich für meinen Flugstil als sehr gut herausgestellt. Das Höhenruder würde ich beim nächsten Modell 15 mm breiter gestalten und die Dämpfungsfläche entsprechend schmaler. Auch die 40 mm breiten Querruder passen sehr gut.
Der Motor O.S. 35AX bringt die erforderliche Leistung bei einer recht geringen Geräuschemission. Durch den Silikonabgasschlauch wird der größte Schmutz vom Modell ferngehalten, der Rest muss abgewischt werden.
Das geplante Gewicht von rund 2 kg konnte ich nicht einhalten – es sind 2,2 kg geworden, aber beim zweiten Modell sollte das kein Problem sein. Dazu müsste ich die Fläche mit 1,5 mm Balsa beplanken, die Rumpfseitenwände aus 3 mm Balsa herstellen und die Sperrholzverstärkung im vorderen Bereich lediglich 0,4 mm dick machen.
Die Haube würde ich jetzt aus der schnell erstellten GfK-Form herstellen, aber mehr als 15 g lassen sich damit nicht sparen. Schlussendlich wäre ein schickes Zweibeinfahrwerk interessant und gewichtsreduzierend.
Über einen E-Antrieb werde ich auch noch nachdenken – so um die 600 W würden genügen. Dann wird die nächste Ausführung ein eMARK 9.
Vor nunmehr 50 Jahren ist ein superschickes Modell entstanden, dass in der heutigen Zeit durchaus für eine wohltuende Abwechslung sorgt.
Damit ein herzliches Dankeschön an Bernhard und Gerhard Huber und alle diejenigen der Telaves-Gruppe, die an der Entwicklung beteiligt waren.
Nachfolgend noch einige Bilder, die mir Herr Huber freundlicherweise zur Veröffentlichung überlassen hat.
Das Original aus dem Jahr 1965
Ausschnitt aus der E-Mail von Herrn Huber:
Telaves - „Familienfoto“,von links nach rechts: B. Huber sen., den MARK 9 haltend bin ich (B.Huber), am Sender Gerhard Huber, dann im Hintergrund Bruno Giezendanner (mehrfacher Weltmeister im Modell-Kunstflug) mit seinem Bruder und einem weiteren Kollegen.
Damals benützten wir eine wenig befahrenen Straße als Start- und Landepiste.
Die Vierergruppe des MARK9
Der Konstrukteur Gerhard Huber
http://home.shinternet.ch/TELAVES/TELAVES_Model_Engineering/mark_serie/13.html#a107
Anlagen
Festlegung des Schwerpunktes nach der Neutralpunktlage
Typische Flächengewichte