EN 300 328 V1.8.1 - Was lange währt wird endlich gut

von Frank Tofahrn

Eine Zusammenfassung

Nach mehr als 4 Jahren Arbeit an der Revision des Funkstandards EN 300 328 gibt es jetzt glücklich und endlich eine neue und finale Version 1.8.1. Der Entwurf ist seitens der ETSI in dieser Woche abschliessend verabschiedet worden. Das war allerdings nur noch eine Formsache.


Wie alles begann

Grund für die Überarbeitung des Standards war unter Anderem die vermehrte Verbreitung von Modellfernsteuerungen im 2.4 GHz Band unter den technischen Rahmenbedingungen der EN 300328, die vor ca. 5 - 6 Jahren begonnen hat. Von verschiedenen Seiten wurde bezweifelt, dass ein Betrieb von Modellfernsteuerungen unter den technischen Rahmenbedingungen dieser Norm statthaft ist. Aufgrund von Nachfragen einiger Fernmeldehoheiten und Industrieorganisationen bei der EU zu diesem Thema gab es bei der EU-Kommission einen Workshop und das Thema wurde bei der EU innerhalb der TCAM behandelt. An diesem Workshop nahm der grösste Teil der in Europa vertretenen R/C Hersteller und zahlreiche europäische Modellbauverbände teil.

Die Zusammenarbeit der R/C-Hersteller und der Verbände war gleichzeitig die Geburtsstunde der EMIG-RC, die gegründet wurde, um eine einheitliche Vertretung der Interessen des Modellfunks gegenüber und innerhalb der ETSI und den europäischen Fernmeldebehörden zu bewerkstelligen. Leider haben sich bis heute einige Hersteller nicht entschliessen können, in diesem Bereich mitzuarbeiten, verzichten damit aber auch auf frühzeitige Insiderinformationen.

Das Ergebniss dieses Workshops und der anschliessenden Beratung innerhalb der EU-Kommission (hier TCAM) war, dass Fernsteuerungen sehr wohl unter den Randbedingungen des Standards betrieben werden können und daher nicht von der Nutzung des 2.4 GHz Bandes ausgeschlossen werden dürfen.

Ein Verbot von 2.4 GHz R/C-Anlagen, das von einigen Marktteilnehmern ursprünglich angestrebt worden war, konnte durch die massive Gegenwehr des R/C-Bereiches (besonders von deutscher Seite) abgewendet werden. Es ist jetzt vielmehr so, dass es eine explizite Feststellung der EU gibt, dass der Betrieb von R/C-Anlagen mit 100 mW Ausgangsleistung im 2.4 GHz Band statthaft ist.

Gleichzeitig hat TCAM festgestellt, dass die zu diesem Zeitpunkt vorliegende Version der EN 300328 unzureichend ist und überarbeitet werden muss. Die ETSI wurde beauftragt, eine Überarbeitung des Standards durchzuführen, und die Nutzer waren somit gefordert, sich an der Überarbeitung innerhalb der ETSI zu beteiligen. Dabei war der Bereich Modellfernsteuerung explizit angesprochen.


Die Überarbeitung

Innerhalb der ETSI gibt eine Arbeitsgruppe (ERM TG11), die sich mit der EN 300328 beschäftigt. In dieser Gruppe waren während der Überarbeitung Vertreter der Bereiche WIFI, Datenübertragung, Bluetooth, Industrieautomatisierung, Wireless Audio, Medizinanwendungen, Short Range Devices, Testlabors, Fernmelderegulierer und last but not least der R/C Bereich vertreten. Die Vertretung des R/C-Bereichs erfolgte personell über einen zu diesem Zweck angeheuerten Consultant und dem Funkreferat der Modellflugkommission des DAeC (jetzt Bundeskommission Modellflug) in Zusammenarbeit mit dem DMFV, Kompetenzreferat Funk.

Der hauptsächliche Punkt der Überarbeitung war die Definition von Verfahren, die eine gerechte Verteilung der Ressourcen Funkspektrum für alle unter den Regeln der EN 300328 arbeitenden Systeme gewährleisten sollen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch andere Punkte der Norm an die aktuelle Regulierung angepasst, einige Unklarheiten beseitigt und die Testverfahren vollständig überarbeitet.

Zu Beginn der Arbeit innerhalb der TG11 trafen sehr divergierende Anforderungen und Standpunkte bezüglich der neuen Inhalte des Standards aufeinander. Es bedurfte zahlloser Arbeitstreffen, die sich über einen Zeitpunkt von ca. 4 Jahren hingezogen haben, bis es einen konsensfähigen Entwurf gab, dem alle Beteiligten zustimmen konnten.

Um es ganz klar zu sagen: Alle Hersteller von EN 300328 Systemen haben dabei Federn lassen müssen. Hauptsächlich bezüglich des schon in den Vorgängerversionen des Standards geforderten, aber dort nicht näher definierten Zugangsprotokolls haben sich für die meissten Systeme Änderungen ergeben, da ein solches Protokoll entweder nicht implementiert war oder nicht den neuen Anforderungen entsprach.


Die Auswirkungen auf den R/C-Bereich

In Zukunft werden alle Systeme „freundlicher“ sein müssen. Das bedeutet, dass jedes System Rücksicht auf die Belegung des Bandes nehmen muss, um anderen Systemen ebenfalls ein Zugriff auf die Ressource Spektrum zu ermöglichen. Das geschieht durch zwei grundsätzliche Verfahrensansätze:
  1. Begrenzung des Verhältnisses zwischen aktiver Sendezeit und den Pausen zwischen den Sendungen (Duty-Cycle) und der Dauer der Sendungen. Bei diesem Verfahren wird durch ausreichend lange Pausen zwischen den Sendungen erreicht, dass auch andere Systeme die Möglichkeit der Nutzung des Funkkanals haben. Dieses Verfahren passt sich allerdings nicht der aktuellen Bandbelegung an und unterliegt der Limitierung des Duty-Cycle auch dann, wenn kein anderes System präsent ist, auf das man Rücksicht nehmen müsste. Dieses Verfahren ist ein sog. nicht-adaptives Verfahren. Um dieses Verfahren anwenden zu können, darf das Produkt aus Duty-Cycle und Sendeleistung einen bestimmten Wert, den MU-Faktor nicht überschreiten.

  2. Prüfung der benutzten Frequenz auf Belegung durch andere Systeme. Hier wird geprüft, ob die Frequenz frei ist. Die Länge der einzelnen Sendung ist auch hier begrenzt. Die Grenze liegt allerdings deutlich höher, als bei nicht-adaptiven Systemen. Zur Prüfung der Belegung der Frequenz gibt es 2 verschiedene Verfahren, von dem allerdings nur eines für R/C-Anlagen in Betracht kommt. Eine Begrenzung des MU-Faktors gibt es dabei nicht. Diese Verfahren werden als adaptive Verfahren bezeichnet und sind ab einem MU-Faktor von 10% obligatorisch.

Es gibt noch zahlreiche, andere kleinere Änderungen, deren Erklärung hier allerdings den Rahmen sprengen würden.

Die Konsequenz aus den Neuerungen ist, dass in Zukunft die Kollisionswahrscheinlichkeit zwischen den Sendungen verschiedener Systeme (nicht nur R/C) reduziert werden. Der Effekt wird um so deutlicher, je mehr „alte“ Systeme ersetzt oder auf eine neue Firmware aktualisiert werden. Der Nutzeffekt tritt also erst im Laufe der Zeit auf.

Ferner wurde ein „Schlupfloch“ in der alten Version des Standards geschlossen, das von R/C-Herstellern genutzt wurde, um als Frequency Hopping System nur auf einer oder zwei Frequenzen zu senden. Dieses „Schlupfloch“ hatte in der Vergangenheit zu endlosen Diskussionen auch mit verschiedenen Behörden geführt, ist aber in Zukunft verschlossen. Die momentan gültigen Sonderregelungen zu diesem Punkt dürften mit Inkrafttreten der neuen Version des Standards gegenstandslos werden.

Diese Möglichkeit der Nutzung nur weniger Frequenzen (mindestens 2) als Frequency Hopper besteht jetzt sozusagen „offiziell“, aber es sind klare Regeln dafür geschaffen worden, wie dieses zu geschehen hat. Die aktuellen Systeme, die sich diese „Lücke“ in der alten Version des Standards zu Nutze machen, erfüllen diese Anforderungen nicht.

Es ist jetzt Aufgabe der Hersteller, ihre Systeme an die neuen Anforderungen anzupassen. Von den in der EMIG-RC zusammengeschlossenen Herstellern ist dem Autor bekannt, dass überall an einer Aktualisierung der bestehenden Systeme gearbeitet wird und die Arbeit zum Teil schon sehr weit vorangeschritten ist. Es bleibt eine Übergangsfrist von 3 Jahren, nach der alle Systeme, die in den Verkehr gebracht werden, der neuen Version des Standards entsprechen müssen.

Von den bisherigen Systemen dürfte nur IFS und FASSTest die neuen Anforderungen erfüllen. Bei IFS ist das eher Zufall, da IFS schon etwas älter ist als die neue Version des Standards und die Anforderungen daher beim Design des Systems nicht berücksichtigt werden konnten. FASSTest ist eine Neuentwicklung nach den Vorgaben der neuen Version der Norm. Die anderen Anbieter werden aber sicherlich mit der Implementation des neuen Standards folgen. Noch ist reichlich Zeit dazu. Bei updatefähigen Anlagen sollte das kein Problem darstellen.

In Betrieb befindliche Systeme sind von der Änderung im Standard nicht betroffen. Das Inkrafttreten der neuen Version der Norm bedeutet NICHT!, dass die Systeme in Händen der Modellbauer nicht weiter betrieben werden können. Falls möglich, sollte allerdings ein Update durchgeführt werden, sobald dieses für die jeweilige Anlage verfügbar ist.


Wie es weitergeht

Nach der Überarbeitung ist vor der Überarbeitung. In direktem Anschluss an die Arbeiten zur Version 1.8.1 ist die Überarbeitung dieser Version zur Version 1.9.1 gestartet. Das erste Meeting dazu hat bereits stattgefunden. Hier geht es allerdings hauptsächlich darum, die Ecken und Kanten der Version 1.8.1 abzuschleifen, so wie eventuelle Erweiterungen einzuarbeiten. Da die Version 1.8.1 de facto ein kompletter Neuentwurf war und der Abschluss der Arbeiten daran unter erheblichem Zeitdruck erfolgt ist, wird der Standard jetzt auf Unstimmigkeiten und Schönheitsfehler überprüft. Ferner können hier weitere Vorschläge zum Thema Spektrumzugriffsmethoden und alternative Testmethoden eingebracht werden. Grundlegende Änderungen sind nicht geplant.

Der R/C-Bereich, vertreten durch die EMIG-RC und in der ETSI über den ISAD e.V. als Vollmitglied präsent, wird sich auf der gleichen Basis und im gleichen Umfang wie bisher an dieser Arbeit beteiligen.

Holm und Rippenbruch

Frank Tofahrn
 
Ich möchte an dieser Stelle einfach mal nur Danke sagen.
Für den Einsatz, den Du Frank, für die Sache persönlich gebracht hast.
Es gibt genügend 'Schwätzer' ....
Du hast aber den Spagat geschafft ,
zwischen den ganzen Befindlichkeiten einen gangbaren Weg mit heraus zu arbeiten.

Danke

Gruß Peet
 
Hallo Frank, schließe mich Peter Brinkmann an. Ich finde es auch gut, dass du uns hier unterrichtest; und vor allen Dingen: Dass man das auch verstehen kann, was du schreibst. :cool:
 
Hallo zusammen, danke für die Blumen. Es sollte allerdings auch erwähnt werden, dass auch noch Andere zu der der ganzen Aktion beigetragen haben. Da wären z.B. die in der EMIG-RC organisierten Firmen, die diese Tätigkeiten finanziert haben. Es sind dabei schon einige Reisekosten angefallen. Die Meetings waren jetzt nicht unbedingt vor meiner Haustür. Weiterhin die in den beteiligten Firmen mit dem Themenkreis befassten Mitarbeiter, die mich mit den notwendigen Infos versorgt haben. Und nicht zuletzt mein Arbeitgeber, der mich für einen Teil der Reisen zu den Meetings freigestellt hat. Die Arbeit ist damit allerdings nicht beendet. Der Gong zur nächsten Runde ist schon geschlagen. Gruss Frank
 
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