Walter,
es gibt bei Tragschraubern zwei einfache, aber wichtige Regeln:
- asymmetrischer Auftrieb bewirkt, daß der Tragschrauber seine Nase nach oben nimmt,
- ein Konuswinkel im Rotor bewirkt, daß der Tragschrauber zur Seite des vorlaufenden Blattes kippt.
Die Regeln sind wirlich einfach, die Erklärungen dafür etwas komplizierter. Ich habe das Thema bei RCLine schon mal behandelt und weil ich faul bin, poste ich das Ganze einfach hier nochmal:
Zum asymmetrischen Auftrieb:
Werfen wir mal einen Blick auf den Rotor in Bild a. Der Tragschrauber steht zunächst noch still, und wir haben dem Rotor einen Schubs gegeben, damit er sich dreht. Wenn man sich jetzt auf die Blattspitzen setzen würde, bliese einem ein Wind (V-rotor, rot) ins Gesicht, der nur durch die Rotation erzeugt wird und bei beiden Blättern gleich groß und auf die Nasenleiste zu gerichtet ist. Nun geben wir etwas Gas, und der Tragschrauber beginnt nach links aus dem Bild zu rollen. Jetzt kommt eine zweite Windkomponente dazu, der Fahrtwind (V-wind, blau). Beim vorlaufenden Blatt müssen wir V-wind zu V-rotor dazuaddieren um den gesamten auf das Blatt wirkenden Wind V-resultierend zu erhalten, beim rücklaufenden Blatt ziehen wir V-wind von V-rotor ab. Ganz klar, V-resultierend ist am vorlaufenden Blatt größer als am rücklaufenden, wir erzeugen also asymmetrischen Auftrieb.
Was dieser asymmetrische Auftrieb mit dem Rotor macht, behandeln wir später, im Moment werfen wir erstmal einen Blick auf Zeichnung b. Hier haben wir die Rotorachse nach hinten gekippt. Der vom Rotor selbst erzeugte Wind V-rotor steht immer noch senkrecht zur Rotorachse und hat deswegen mit dem Kippen auch seine Richtung geändert, der Fahrtwind bleibt unverändert. Wenn wir jetzt die beiden Komponenten für das vorlaufende Blatt ihren Winkeln entsprechen addieren, erhalten wir einen neuen Gesamtwind V-resultierend, der jetzt in ungefähr Richtung der Blattsehne gegen das Blatt bläst, also eine auch etwas höheren Auftriebsbeiwert bewirkt als in Bild a, wo er eher von oben kam. Noch stärker ist die aber Änderung des Angriffswinkels von V-resultierend beim rücklaufenden Blatt, hier kommt nach der Addition der Komponenten V-resultierend nun deutlich von unten (ca 4° zu ca. 0° beim anderen Blatt). So, wie ich das gezeichnet habe, gleichen sich jetzt die kleinere Geschwindigkeit mit dem deutlich erhöhten Auftriebsbeiwert am rücklaufenden Blatt und die höhere Geschwindigkeit mit dem nur gering gestiegenen Auftriebsbeiwert am vorlaufenden Blatt praktisch aus, der asymmetrische Auftrieb ist plötzlich verschwunden. Verblüfft? Gut.
Nun zu Bild c. Der Rotor steht wieder senkrecht wie in Bild a, aber er hat jetzt Schlaggelenke. Wenn das vordere Blatt nach vorne läuft steigt es durch den erhöhten Auftrieb an, und wenn man auf der Blattspitze sitzt, spürt man daß der Wind durch das Steigen auch von oben kommt (V-steigend, grün). Das rücklaufende Blatt fällt durch den geringeren Auftrieb derweil nach unten und sieht daher die zusätzliche Windkomponente V-fallend (grün), die von unten kommt. V-resultierend kommt in diesem Fall beim vorlaufenden Blatt mehr von oben als in Bild a, beim rücklaufenden Blatt kommt V-resultierend eher von unten. Resultat: kleinerer Auftriebsbeiwert und höhere Geschwindigkeit V-resultierend am vorlaufenden Blatt erzeugen den gleichen Auftrieb wie die kleinere Geschwindigkeit mit dem höheren Auftriebsbeiwert am rücklaufenden Blatt, und der asymmmetrische Auftrieb ist wieder mal verschwunden. Gelobt sei die Wissenschaft!
Das Fazit dieser Betrachtung: wir können asymmetrischen Auftrieb vermeiden, indem wir entweder die Rotorachse enstsprechend kippen oder indem wir Schlaggelenke einsetzen. Da erstere Methode nur immer für eine Geschwindigkeit und Drehzahl wirkt, ist die zweite Methode deutlich nützlicher.
Was sind aber nun die praktischen Auswirkungen des asymmetrischen Auftriebs? Dazu nochmal Bild c. Wie wir wissen - oder wissen sollten -, passiert beim Rotor mit idealen Schlaggelenken alles 90° später als man denkt - durch die Auswirkungen der Präzession. Wenn das vorlaufende Blatt den hintersten Punkt seiner Reise um die Rotorachse verläßt, bekommt es durch den Fahrtwind erhöhten Auftrieb und beginnt zu steigen - aber erst 90° später, wenn es quer zum Mast steht. Den höchsten Auftrieb hat das Blatt quer zum Mast, also wird es seine höchste Position erreichen, wenn es ganz vorne steht. Bis es dann wieder quer zum Mast steht, fällt es aufgrund des geringer werdenden Auftriebs auf dem Weg ganz nach vorne wieder in die Normalposition zurück. Inzwischen ist das Blatt ja auch zum rücklaufenden Blatt mit geringerem Auftrieb geworden, es fällt also wieter ab und erreicht ganz hinten seine tiefste Position. Asymmetrischer Auftrieb bewirkt also, daß sich die ganze Rotorebene nach h i n t e n kippt. Kennen wir das nicht schon aus Bild b? Immer noch verblüfft? Toll!
Was passiert denn, wenn wir die Schlaggelenke steif machen? Wird dann der asymmetrische Auftrieb dann endlich sein böses Werk verrichten und den Tragschrauber zur Seite des rücklaufenden Blattes umdrehen? Unter Vernachlässigung der Tatsache, daß der Phasenwinkel bei steifen Schlaggelenken etwas geringer ist als die oben erwähnten 90°, lautet die Antwort NEIN. Da sich jetzt durch die fehlenden Schlaggelenke der Rotor nicht mehr alleine nach hinten kippen kann, nimmt er gleich den ganzen Tragschrauber mit und dessen Nase zeigt plötzlich unangemessen in die Luft. Schon wieder verblüfft? Ganz prächtig!
Aber warum kippt ein Tragschrauber, der mit zu geringer Drehzahl gestartet wird, dann immer zur Seite des rücklaufenden Blattes um? Die ganzen Vorgänge, die ich eben beschrieben habe, funktionieren nur deswegen so gut, wiel das ganze System von der Flehkraft stabilisiert wird. Wenn Ihr Euren Tragschrauber mal im Stand an den Rotorblättern hochhebt, sieht das sehr viel anders aus, als wenn er sich im Flug rotierend an der Luft abstützen kann. Und das ist beim Start wohl das Problem: die Blätter schwingen ungedämpft von der Fliehkraft über, und in Zusammenhang mit einem Phasenwinkel von etwas weniger als 90° wird die Rotorebene jetzt nach hinten und zur Seite des rücklaufenden Blattes gekippt, bis dann die Fliehkraft beruhingend engreift.
Zum Konuswinkel:
Der Konuswinkel am Rotor trägt nicht wie die V-Form einer Tragläche zur Stabilität bei, im Gegenteil. Denk Dir einen Zweiblattrotor, ein Blatt steht gerade vorne, das andere hinten. Ohne Konuswinkel haben beide Blätter - von der Seite gesehen - den gleichen Anstellwinkel zum Fahrtwind, mit Konuswinkel hat das vordere Blatt einen höheren Anstellwinkel als das hintere. Jetzt wird der Rotor von vorne von einer Boe getroffen. Ohne Konuswinkel werden beide Blätter in gleichen Maß von der Boe getroffen, beide Blätter steigen glechmäßig an - was natürlich aufgrund der aerodynamischen Präzession erst 90° später geschieht - und nichts passiert. Mit Konuswinkel wird das vordere Blatt stärker angehoben als das hintere, und 90° später steht das vordere Blatt jetzt höher als das hintere, d.h. die Rotorebene ist nun zur Seite des vorlaufenden Blattes gekippt, und der Tragi rollt in diese Richtung. Blei in den Blattspitzen läßt den Rotor flacher laufen und bringt deswegen Stabilität.
Alles klar oder so?
Jochen