Helmut Lupart und seine ANJAS
Helmut Lupart und seine ANJAS
Hallo,
ein paar Bilder und Infos zu Helmut Lupart (Z / SUI 82) aus der Schweiz.
Lupart war Ende der 70iger bis ca. Mitte 90iger ein sehr erfolgreicher, in Europa bekannter und geschätzter Segler mit exquisit gebauten Booten. Seinen Namen kannte ich schon längere Zeit vor meiner eigenen Regattazeit durch verschiedene damalige SchiffsModell-Artikel, auch sprachen die späteren Club-Kollegen allesamt anerkennend über ihn, so, wie man dann über z.B. Bantock oder heute Gibson oder so in der Art redet(e). Wie auch immer, der Mann hatte zu Beginn der 80iger in der Szene eine Bedeutung und seine Boote wurden von vielen auch als schönste Regattaboote bezeichnet.
Ein kleiner Ausschnitt seiner internationalen Regattatätigkeit:
1978 Naviga WM: 3. bei X und 9. bei M
1980 Naviga EM: 1. bei X und 1. Bei 10R und 2. bei M (3. war da P. Jahan)
1984 Naviga WM: 1. bei 10R
1987 IMYRU WM 10R: 9.
1987 IMYRU EM M: 43.
1988 WM-Berlin: 7. bei 10R und 26. bei M
Helmut starb leider viel zu früh vor einigen Jahren bei einem Segelfliegerabsturz in den Alpen.
Alle Boote hießen bei ihm ANJA und die letzte Version bei M muß glaub ich bei 20 gelegen haben. Einige konnte man auch kaufen, z.B. Walter Piel bot Anfang der 80iger die Anja XIII und XIV an, später gab es bei ihm einige Jahre die flachere Anja XV b, die erinnerlich erst mit Erscheinen der Paradox Mitte der 90iger aus dem Programm ging.
Auch einige der diversen Baupläne von F.K. Ries in den frühen 80igern zeigten m. E. gewisse Ähnlichkeiten, zumindest empfand ich hier und da ein bisschen als abgekupfert oder angelehnt oder wie auch immer ,-)
(Mag mich irren und F.K. Ries kann dazu nichts mehr entgegnen, da er auch schon seit 2000 verstorben ist.)
Hier hat Kurt Lauschmann (der später beim Un-Boot-Projekt erfolgreich mitmachte) seinerzeit seinen Ausbau der Anja XIV 1981 beschrieben:
http://www.radiosailing.de/technik/bauberichte-und-boote/169-1981-anja-xiv.html
Wie man sieht, ist das noch ein recht fülliges Boot, ein richtiges „Schiff“, was aber durch die eingezogenen Bordwände optisch weniger als „dick“ oder plump auffiel. Diese Linienführung mit dem in der Draufsicht langen und schmalen Vorschiff, der breitesten Stelle im hinteren Bereich mit einem relativ eingeschnürten Heck war aber lange Zeit die typische Linie seiner M-Boote.
Hier sieht man die sehr ähnliche Linienführung der Vorgängerversion Anja XIII:
(u.a. hier zu finden
http://www.radiosailing.de/technik/bauberichte-und-boote/174-1983-anja-xiii.html)
Mit diesen Rumpf ist er in der X-Klasse (damals recht freie Entwicklungsklasse mit Segelfläche max. 0,5 m² Segelfläche, egal welcher Umriss und sonst nix, waren auch Multis erlaubt…) 1980 Europameister der Naviga geworden.
Auf diesem Bild bei einer Regatta in Taching, linkes Boot vorne, da sieht man auch schon einen Unterschied zu den anderen, das nachfolgende flache Boot z.B. war Walickis erste Ur-Skalpel, die damals noch richtig flach mit fast kein Freibord gehalten war – und dem Helmut auch in späteren Jahren nie gefiel:
Die späteren Anjas wurden flacher im Überwasserschiff und damit noch eleganter, blieben aber sehr lange ihrer Grundlinie treu, veränderten sich eher im Layout von Kiel und Riggposition.
Interessant die früher noch stark geneigte Kielflosse. Bei dem Boot im Verkauf von W. Piel war die Flosse auch noch fest anlaminiert, damals keine Seltenheit (die Dinger waren ja auch noch keine Giraffenbeine). Helmut selbst hatte dagegen bei seinen eigenen Booten eine sehr eigenwillige Art, eine abnehmbare Flosse umzusetzen: Schaute man in eins seiner Boote, so sah man erstmal: Leere. (abgesehen natürlich von der RC-Platte).
Wo war die Kielbefestigung?
Keine Rohre oder ein Kasten drin (wie heute üblich für die Befestigung einer durchgehenden Flosse bis zum Deck hoch) Stattdessen guckten einen zwei kleine Schraubmuttern an, die einsam und unscheinbar unten am Rumpfboden saßen. Er befestigte also seine, immerhin zuletzt auch ca. 50 cm langen Flossen, nicht erst bei 10R auch mit gut Blei unten dran, wie im Großyachtbau üblich unten am Rumpfboden stumpf angesetzt mit zwei kurzen Bolzen. Der Rumpf war unten zwar natürlich entsprechend im Laminat verstärkt/aufgedickt und hatte kleine eingeklebte Führungsbuchsen und die Flosse war oben auch seitlich etwas dicker am Übergang zum Rumpf ausgeführt, hatte eine Art Stützfläche (damit hier auch etwas mehr Oberfläche im Wasser).
Ich hab mich immer gewundert, wie klasse und sauber das bei ihm ausgeführt war und wie es natürlich auch wirklich erstaunlich stabil und wackelfrei gehalten hat – hätte es aber dennoch so nie nachgebaut oder so ausgeführt. In meinen damals noch relativ jungen Augen war eine Zungenlösung mit Tasche oder ggfs. Stangen mit Rohrführung festigkeitsmäßig besser einfacher umzusetzen. In Sache Gewicht mag es unentschieden gewesen sein, Tasche und Zunge o.ä. wiegen ja auch was. Helmut sah das in seiner eigenen Art anders und fand seine Lösung als leichter und problemloser und verstand Skepsis daran auch nicht, schüttelt dann nur etwas knorrig den Kopf, wenn man (ich natürlich…) mit einem „Ja aber…“ ankam.
Als ich ihn 1987 mal bei der EM in Holland und im weiteren 1988 in Berlin bei der WM etwas mehr kennenlernte, war es für mich super spannend, sich mit ihm über Boote zu unterhalten, er gab freimütig all seine Erfahrung preis und erläuterte sein warum, wieso und wie. Aber es war eine seiner Eigenwilligkeiten, auf offenbar von ihm als „Kritik“ oder „Einwände“ an seinen Konstruktionsweisen empfundene Kommentare oder Gedanken eigentlich nicht einzugehen und an seiner Linie fest zu halten. So hat er u.a. nicht nur diese sehr spezielle Art der Kielbefestigung, soweit ich es verfolgt habe, bis zuletzt beibehalten, nicht nur als alle anderen schon längst die auch heute noch üblichen Kielkastenversionen verwendeten.
Speziell war auch seine Art, die Flosse am Übergang zum Rumpf nach hinten etwas verlängert auszuführen, ähnlich wie es bei vielen Flugzeugflügeln gemacht wird. Das ist insofern damals für mich interessant gewesen, weil Walicki dann mit seinen ersten Skalpellen genau das Gegenteil mit seinen Flossen „auf den Markt“ brachte, die oben zum Rumpf hin sehr stark eingeschnürt ausgeführt waren. Beide beriefen sich auf jeweils dafür passende Forschungen / Theorien / Meinungen in der Strömungstechnik. Es müssen aber wohl unterschiedliche Forschungen gewesen sein ,-) - das mit der starken Einschnürung wurde zumindest mal von einem Professor in Strömungstechnik in einem Gespräch mit mir als "Quatsch" bezeichnet. Interessant ist das für mich auch heute noch, denn z.B. Graham Bantock setzt ja auch heute noch an seinen Kielen – allerdings nach vorne ragend – so kleine Dreiecke an. Auch er gab mir dazu mal Vorteile in der Umströmung / Anströmung der Kielflosse und damit einen besseren Wirkungsgrad der Flosse an, wobei bei ihm der Strömungseintritt behandelt wird, bei den anderen die Ablösung und Verwirbelung hinten.
Neben dieser etwas verborgenen Bau-Spezialität der Kiel-Anschraubbefestigung hatte Lupart noch ein zweites konstruktives Markenzeichen, welches sehr viel offensichtlicher war und neben der stets außergewöhnlich sauberen Bootsausführung bis zuletzt das Markenzeichen eines originalen Lupart-Bootes war: Das war die spezielle Art seiner Riggs mit einem drehbaren Profilmast und einem festen Fockbaumbeschlag. Hier verwendete er als einer der ersten in Europa (wenn ich es richtig recherchiert habe bereits ab 1978!) einen selbst gefertigten, konischen Kohlefaser-Profilmast mit Keep, an dem unten ebenfalls drehbar der Großbaumbeschlag angebracht war. Das war technisch seiner Zeit voraus („wir“ / die anderen waren da überwiegend noch mit Alu unterwegs) und bei ihm funktionierte die Version und Ausführung auch gut.
Dazu konnte er hervorragende Bahnen-Segel machen, die ausgezeichnet standen, was damals so auch noch nicht so üblich war, wie es heute quasi Standard ist. Das Drehen des Mastes wurde – zumindest bei einigen seiner Boote, von einem Servo unterstützt, die Riggspannung und auch die Belastung durch den Großbaum war so hoch, das der Mast sonst nicht immer sauber rüber drehte. Mit der Servoverstellung konnte er dafür das Großsegel auch gezielt umschlagen lassen (man hätte das gut für ein durchgelattetes Großsegel verwenden können, was aber verboten war, zumindest bei M).
Neben dem Drehmast verwendete er immer einen festen Fockbaumbeschlag, natürlich auch hervorragend gefertigt und für die damalige Zeit ein kleines Kunstwerk, leider eben auch ein nicht gerade leichtes Kunstwerk. Spätere Beschläge aus Russland und von Walicki aus Titan fielen um einiges leichter und auch zierlicher aus. Aber auch hier, das Konstrukt blieb so über etliche Jahre bestehen, Helmut war davon überzeugt und nix konnte ihn davon abbringen. Was seine im Grunde immer guten Boote nach ihrer früheren Überlegenheit / technischen Vorsprung dann im Laufe der Zeit doch technisch etwas benachteiligten, zumindest rein potentiell gesehen.
Denn diese Beschläge und eben diese Riggs hatten einiges an Gewicht (ich hab was von gut 400g allein für den Mast mit Großbaum gespeichert?) und er weigerte sich, die später aufkommenden leichteren (und damit schlicht besseren) Walicki-Masten oder einfach auch nur deren bessere Art des separat an Deck angebrachten Großbaumbeschlages (ohne eine Biege-Krafteinwirkung auf den Mast) zu übernehmen, sondern hielt an seiner Konstruktion und Technik fest.
Ein kleines Detail, welches mir bis heute sehr gut gefällt und welches ich glaube ihm zuzuschreiben ist, ist die Form und Ausführung der Zugriffsdeckelgestaltung mit einem innenliegenden Rand und einer weichen Hohldichtung, in die ein formschön oval abgerundeter Deckel plan zum Deck eingedrückt wird. F.K. Ries hat diese Art auf vielen seiner Baupläne auch gezeichnet, aber ich glaub, das hatte er sich von Lupart abgeschaut.
Seine letzten von mir soweit noch miterlebten Regattajahre zog er sich mehr und mehr von und auch bei Regatten zurück. Das, wie nicht nur er es empfand, aufkommende härtere, ehrgeizigere Segeln war, wie er sagte, nicht sein Ding, mit dem zunehmend eng(er)en Gerangel auf dem Wasser kam er auch nicht so gut klar. Früher, in Zeiten analoger AM Anlagen und nur 27 MHz, waren z.B. auch die Gruppen wegen der knappen Frequenzen deutlich kleiner, als heute, da waren meist noch weniger als 10 Boote/Gruppe auf dem Wasser, also bei z.B. 28 Teilnehmern gab es drei Gruppen – heute undenkbar… ,-). Er bevorzugte eine „Gentleman“ Version mit Mitseglern, die man noch nicht als „Gegner“ oder auch „Konkurrenten“ bezeichnete, sondern als Mitsegler und die sich untereinander freundschaftlich respektieren und schätzen, so das man sich nicht anschreien muss.
Auch war ihm das aufkommende kommerzielle Gehabe zuwider – auch wenn einige seiner Entwürfe auch den Weg in den Insider-Handelskreis fanden, eben z.B. bei Walter Piel. Man konnte handverlesen auch direkt von ihm gefertigte Rümpfe erhalten, z.B. Ger61hard Schmitt war lange Jahre Anja-Segler, ebenso gehörte und ich glaub insgesamt noch ein paar Jahre länger auch Hermann Etzel dazu. Bei Hermann sah ich 1994/95 die ich glaube dann letzte Anja-M-Version, die sich trotz sichtbarer Entwicklung der Linien in die damals aufkommende schmale Richtung und damit auch Abkehr seiner bisherigen Linienführung gegenüber der damals aufkommenden Paradox – zumindest nach dem was ich damals bei einer Mannheimer Regatta direkt nebenan segelnd mal selbst sehen konnte – recht klar unterlegen war. Während die Paradox z.B. unter Druck vor dem Wind davon rauschte, tauchte die Anja leider weg, auch an der Kreuz konnte sie nicht überzeugen oder wieder rausholen. Ob und ggfs. was es danach noch gab kann ich nicht sagen, ab 1996 war ich draussen und hab keinen Blick mehr für das Geschehen gehabt.
Neben diesen meinen eigenen Kommentaren hier ein Artikel über ihn aus dem damaligen Szene-Magazine Model Yacht News von Chris Jackson:
Hier zwei Anjas XVb aus ich glaube 1988 bei der Wolfgangsee-Regattawoche, beide soweit ich mich richtig erinnere mit der gleichen Rumpfschale, aber wie man sieht unterschiedlichem Ausbau:
Diese hier war nach der ersten Version gestaltet, noch mit einer wie bei der Vorgängerversion sehr stark geneigten Kielflosse in Besitz von H.-P. Sahrhage Schweiz
Und dies die neuere Version vom Meister selbst, die er dann auch bei der 88iger WM einsetzte
1989 sah ich diese noch etwas schlankere Version im Herbst bei einer Münchner Regatta, auf dem Spiegel steht bereits XIX:
Man beachte hier die zwar sehr elegante, aber nicht unbedingt optimale Bugform, die nicht die max. Wasserlinienlänge ausnutzt. Nach wie vor auch noch sehr flacher Rumpf mit recht wenig Freibord.
Und bei allen Versionen ist das Ruderblatt sehr ähnlich gehalten: Oben eingeschnürt, sehr schmal und recht klein.
Gerade die Ruderblätter der Franzosen waren seinerzeit z.B. im Vergleich um einiges großflächiger ausgeführt – sie waren, denke ich mal, aber auch konstruktiv anders ins Bootslayout eingeplant:
Soweit ich es richtig in Erinnerung habe (und mich meine eigene Meinung dazu nicht auch täuscht) war z.B. das Ruder bei der RAJAH von Jahan fest kalkulierter Bestandteil der Lateralfläche. Daher stand dort das Rigg auch recht weit auf der Kielflosse und insgesamt ziemlich weit hinten. Ohne Ruder wäre das Boot so aber hoffnungslos unbalanciert / bzw. luvgierig. Das Ruder ist da also immer mit Druck im Spiel. Anders Lupart und einige andere, die das Ruder klein ausgeführt haben und ohne permanenten Druck verwenden, sprich, das Boot sollte bei denen auch ohne Ruder einigermaßen konstant geradeaus segeln und das Ruder dient da nur zur Kursänderung. Z.B. Walicki und Gerhard Mentges sehen das glaube ich so.
Und so sah die letzte von mir gesichtete Version in Händen von Hermann Etzel aus:
Wie man sieht, eine schon deutliche Abkehr von seinen bisherigen Linien, der Rumpf sah auch wieder sehr schick und elegant aus. Vielleicht fehlte weiterer Feinschliff in der kompletten Zusammensetzung (Rigg, Kiel…), denn das nicht gleich der erste Prototyp gleich die 100% Lösung ergab, haben auch andere erfolgreiche Designer erlebt und gezeigt, darunter Bantock und Walicki ,-).