Hallo,
die 1992 vorgestellte Paradox war – nicht nur in meinen Augen - ein echter Super-Entwurf von Graham Bantock. Freut mich und wundert mich nicht, dass sie sich auch heute noch gut schlägt, wenn die Parameter stimmen bzw. das ein und andere der heutigen Zeit angepasst wurde.
Der Name Paradox war glaub ich von Graham so gewählt, weil die Konzeption und Segelleistung für damalige Verhältnisse und noch vielerorts vorhandene Ansichten eben etwas Paradox war: Das Boot war seinerzeit immerhin eins der schmalsten Boote (abgesehen von einigen Einzelkonstruktionen und eben den schon lange z.T. noch schmaleren US-Designs – die ja nach hiesigen Stimmen „nichts richtig taugen könnten“) – und es ging gerade auch bei viel Wind ab wie Schmidts Katze, ganz ohne die dafür eher angesehenen breite Gleiterformen ,-) (Was heute auf allen Regattabahnen unterwegs ist, hat mit dem Spruch „nur die Breiten gleiten“ ja auch nichts mehr gemein - zumindest was die Rümpfe angeht… ,-) )
Schmalen Boote sagte man damals auch gerne eine gewisse Schwäche / Schwierigkeit beim Wenden nach, da so ein „schmaler“ Rumpf eben sehr längsstabil sei, gegenüber breiteren flacheren Rümpfen. Das stimmt bei einigen Exemplaren auch, die wir damals auch schon hatten, da gab es ab und zu Schwierigkeiten, das die wenn warum auch immer mal abgebremst nur schwerfälliger wieder in die Pötte kamen. Breitere Rümpfe schienen da unproblematischer zu laufen. Auch galt noch das Argument von „Formstabilität“, die ein schmaler Rumpf nun mal kaum hat. Dazu nun bei der neuen Paradox auch noch ein sehr dünner Kiel, wenn man vergleicht, mit was viele vorher als „normal“ / „state of art“ unterwegs waren. Diese neue Flosse, von Graham in Zusammenarbeit mit einem Profilspezi entwickelt worden, zeigte auch bei Nachrüstung an älteren Booten einen erkennbaren Frische-Effekt – so z.B. bei einer älteren Enigma von Lars Andren 1993 bei der EM in Fleetwood, die er dort erst vor der Regatta nachrüstete und die das vielen ja gut bekannte Boot dann schon recht merkbar verbesserte - und die alte Bantockflosse ruck zuck wirklich alt aussehen ließ (gleiches galt dann etwas später auch bei seinen IOM...).
Der Knick war dagegen damals keinesfalls neu, den hatte Bantock zumindest schon seit 1985-6 bei seiner No Secret, woher er das hatte weiß ich nicht, vielleicht wie Wim es erzählt. Danach auch die Enigma und Hush Hush (oder umgekehrt, müsste ich nachschauen) in gleicher Art. Der Knick sollte ein flacheres und etwas breiteres Heck im Unterwasserbereich ergeben, trotz an und für sich schmaler Linien. Ein bisschen Längsführung war glaub ich auch noch mit im Spiel, aber in erster Linie war wohl die breitere U-Wassergestaltung der Konstruktionsaspekt dabei. Auch seine zweite IOM JAZZ und deren voluminösere Planschwester BIKINI hatten auch solche Hecks (seine erste IOM war ein gefällig anzusehender Knickspanter RYTHM, den es auch als Plan und Holzbausatz gab. Die JAZZ kam kurz darauf als Ableitung mit rundem Unterwasserschiff).
Das sich so dünne Flossen vorher niemand als "richtig" vorgestellt hatte, sieht man auch an der Regelauslegung der IOM, die Ende der 80iger statt fand. Bei der Erstellung war man ganz einfach nicht auf die Idee gekommen, das man hier ggfs. im Sinne der Klassenauslegung auf "einfach" und "kostengünstig" die Dicke der Flosse limitiert hätte. Frühere IOM-Flossen mit der früher gewohnten und als richtig anerkannten Dicke konnten noch recht gut und preisgünstig aus Holz gebaut sein. Auch GFK-Bau war simpel. Keiner kam auf die Idee, das sich da mal was ändern würde - also auch keine entsprechende Regeldefinition. Heutige sehr dünne und recht teuer gewordene Kohlefaserflossen entsprechen nicht dem Grundgedanken, den IOM einmal hatte. Aber damals, als das u.a. mit der Bantockflosse und anderen bei IOM im Rahmen der ersten WM 1994aufkam, war der Zug dann schnell schon am Rollen und nicht mehr zu stoppen. Eine Regeländerung für eine Dickendefinition /-limitierung wurde jedenfalls (warum auch immer...) abgelehnt.
Paradox bei dem Boot war aber für mich, wie der schlanke Rumpf mit seinen auch vorne schön fließenden, eleganten Linien (keinesfalls vorne „stämmig“ oder fast schon stumpf, so wie bei manchen heutigen IOM- / M -Booten) raumschots / vor dem Wind zwar ab und zu erwartungsgemäß die Nase eintauchte – sich das aber weit weniger schlimm dann ausuferte, sondern das Boot wie ein U-Boot halb getaucht einfach geradeaus weiter segelte – und das nicht mal langsam(er)…. Bei anderen Booten gab so ein Eintauchen meist den kompletten unkontrollierbaren Stecker. DAS war wirklich Paradox, das hatte zumindest ich so vorher nie gesehen gehabt (und mein eigenes Boot mit relativ ähnlichen Linien vorne machte das leider auch anders…)
Ich selbst hatte zuletzt dann ja auch so eine Paradox gekauft, nach sechs langen Regattajahren mit einer von mir frei ausgebauten Holly-Bone-Rumpfschale, die für ihre Zeit nicht schlecht, aber auch kein Überflieger war und nicht erst am Ende auch technisch ziemlich ins Hintertreffen geraten war. Dennoch gelangen für mich einige gute Ergebnisse damit, aber keine konstant Top-Plätze in heimischen Gewässern. Mit der Paradox machte ich aber trotz der für mich noch ungewohnten Swing-Riggs einen echten und deutlich erkennbaren Sprung nach vorne. Hatte damals auch schon nur 3,2 kg Blei dran (von der Graupner-Rubin ,-), die 3,6 kg Serienblei empfand ich für mich als zu träge am Boot bei Leichtwind. Und die meisten anderen, die sich das Boot ebenfalls aufgrund der sichtbaren Steigerungen der ersten hier auftauchenden Exemplare dann kauften, machten die gleichen Erfahrungen. Das Ding lief einfach klasse! Und fast ohne Zicken! Kinderleicht sozusagen. Und so gab es damals, so 1993-1996 herum eine ganze Schwemme hin zu dem Design, teilweise auch von bisherigen Skalpel-2-Skippern. Die damals auch auftauchende neue, gegenüber der vorherigen bulligen No. 2 deutlich schmaler auftauchende Skalpel 3 machte dagegen in den ersten Jahren nicht ganz so die Erfolge, wie „man“ sie vorher gewöhnt war, das Boot durchlief erinnerlich auch einige Detailänderungen (z.B. die Riggpositionen veränderten sich). Erst einige Jahre später kam es wieder zu einem Schwapp zurück zu dem dann recht gut ausentwickelten Skalpel 3, auch weil das Nachfolgerboot von Bantock offenbar mit ein paar Schwächen kämpfte (eben der schmalen Booten nachgesagten Schwierigkeit beim Wenden und wieder in Schwung kommen) und damit nicht ganz den reibungslosen Umstieg schaffte. Eine gewisse Zeit lang war die Skalpel 3 dann hier wieder das „Maß der Dinge“. Danach kam dann wohl die Starkers, die wieder etwas Leben in die deutsche „Einheitsklasse“ brachte….
„Museum“:
Naja, es zeigt vielleicht, nicht alles was heute in ist, ist auch wirklich „neu“….
Ich kann mich an eine damals für unsere Augen sehr eigenwillige „U-Boot“-Rumpfkonstruktion eines mir nicht weiter bekannten norddeutschen Seglers erinnern, welches sehr gut in die heutige Zeit gepasst hätte, bzw. später mit der Margo mir wieder in den Kopf kam. Damals krankte es an den üblichen Baugewichten und Bauweisen, konnte so ein im Konzept verborgenes Potential nicht rüberbringen. Daher blieb es beim „Belächeln“ – von wegen „wie witzig“, aber so richtig was „rechtes“ kann sowas ja nun nicht sein…
Wie so oft ein Beispiel für die oft eingefahrenen Meinungen über richtig und falsch, weil was alle haben gibt den Ton vor…
Z.B. schaut mal dies Foto an:
Von wann ist das, was glaubt ihr?
1986 !
WM Fleetwood, ein kreativer schwedischer Teilnehmer. Und seine Erklärungen z.B. für die damals für mich einmalige „Mastbadewanne“ (= heruntergesetzter Riggdruckpunkt, weniger Abstand zum Deck, besserer Wirkungsgrad Rigg) waren die gleichen, die Jahre später dann „plötzlich“ bei IOM auftauchten.
OK, er landete allerdings aus verschiedenen Gründen nicht vorne (mußte sogar wegen Defekt aufgeben, ich glaub der bereits vor der Regatta recht lädierte und völlig verbeulte Rumpf blieb in Fleetwood in einem Container zurück…) ). Wäre er es, was hätte es damals bereits an Nachbauten gegeben… ,-)
Das die franz. Designs aus den 80igern speziell bei ordentlich Wind sehr gut waren, wie Wim Bakker richtig hinzugefügt hat, lag vielleicht auch daran, das zumindest Paul Lucas aus der Bretagne kam und dort auch andere Entwickler Einfluss auf die Designs hatten. Dort weht es nun mal besser, als in so manchen Binnenländle… Leichtwindsegler sehen und sahen anders aus.
Vergleicht z.B. mal das oben und in den Artikellinks gezeigte filigrane Un-Boot mit eben solchen franz. „Schlachtschiffen“…
Aber die Cedar 4 aus Anfang der 80iger mit ihrem relativ schlanken Vorschiff konnte auch gute Stecker fahren. Die späteren Cedars waren vorne mit mehr Volumen ausgestattet und ich denke die lebten bei Wind auch nur, weil sie bereits mit kleineren, passenderen Rigg ausgestattet bewegt wurden, als „wir“ es zu der Zeit im Gepäck hatten. Ab und zu tauchten die auch mal weg, aber meist sah es dann bei denen so schön aus:
(leider unscharf getroffen, die alte Fotografie erlaubt aber auch das Sammeln solcher Schnappschüsse, weil damals gute Starkwindbilder sehr viel seltener waren, als heute)
Unsere waren dagegen fast auf dem gesamten (und sehr langen) Vorwinder dann so (oder auch tiefer) am buddeln unterwegs, wie hier die noch erste recht niedrig gehaltene Skalpel von Walicki mit ihrem damals kleinsten, aber eben viel zu hohen Rigg. Zumindest war man so doch etwas langsamer als die anderen, wenn nicht sogar mit Querschiessern völlig raus bzw. konnte ganze Läufe gar nicht antreten, weil völlig sinnlos…
Hier übrigens ein Bild vom erwähnten C. Boisnault mit seinem damaligen Guy Lordat Knickspanter und entsprechenden Sturmsegeln:
Der Mann, der uns rechts aus dem Bild heraus anschaut, ist übrigens Jan Dejmo aus Schweden. Der hat später mit Bantock die erste IOM-Klassenregel ausgearbeitet und war in der Orga der IMYRU umtriebig.
Und bei Roger Stollery sah es so aus:
Auch in England waren oft (ganz) andere Bootgestaltungen erfolgreich, die bei uns mit unserem Leichtwinden nichts waren und hier nicht bzw. nur sehr selten gesegelt wurden. Z.B. die sehr „stämmigen“ und sehr solide und sauber gebauten Oliver Lee Boote, in England damals wohl gut verbreitet (eben auch als Fertigboot im Angebot), kriegten hier kein Bein aufs Wasser. Viel zu dick und träge. Neben einem entsprechenden Beispiel aus Norddeutschland mit einem sehr schön aussehenden, aber eben bei uns nicht besonders schnellen Vorgänger Lee-Modell weiß ich das auch aus ganz eigener Erfahrung: Bei einem kleinen Flauten-Vergleichsegeln 1986 vor der WM in Fleetwood mit Oliver Lee und Norman Hatfield (damals IMYRU Präsi) hat mein Leihboot Hunter trotz vermessungstechnisch bedingt kleineren Naviga-Segeln (gleiche Vermessungsfläche, aber unterschiedliche Achterliekrundungsgestaltung) deren beide Tornados mit den großen Swing-Riggs derart stehen gelassen, das ich das Boot auf Anweisung meines „Betreuers“ bremsen musste, um die nicht zu sehr zu frustrieren. Aber der Eindruck war schon gesetzt, Norman Hatfield, bei dem wir zu Gast waren, nahm sich abends den Hunterrumpf und verschwand in seiner Boots-Gartenlaube, um ihn einer sehr gründlichen Politur zu unterziehen. Das Boot hatte bei ihm so einen Eindruck hinterlassen, das er da unbedingt noch was dran machen wollte, und wenn nur etwas „Schönheitspflege“, über die ich damals nur die Schultern zuckte (heute würde ich zumindest auf eine spezielle Politur achten ,-) )
Allerdings gab es bei ihm geradezu entsetzte Augen, als er die nur drei mitgebrachten Riggs sah, das „kleinste“ war was um 160-150 cm herum, bei uns hier kaum / gar nicht mal zum Einsatz gekommen – seine (dann leider bewahrheitende) Prophezeiung: Wird damit nichts! Richtig, wurde dann auch ein Desaster bei dem nach den ersten Tagen aufkommenden Fleetwood-Starkwind. Nicht nur für mein Boot. Alle deutschen Teilnehmer guckten da „plötzlich“ sehr bedröppelt und schlecht vorbereitet aus der Wäsche - und wir fingen in aller Verzweiflung sogar an, unsere Segel kleiner zu schneiden, oder aus Materialspenden von anderen neue zu erstellen…. und es fielen auch einige Läufe aus, weil ein Einsetzen des Bootes bei den Bedingungen einfach sinnlos war.
Dafür konnte das Boot im Feld anfangs bei wenig / mittlerem Wind doch einige Duftmarken setzen…. (und ich ein paar schmerzende Lerneinheiten bezüglich Regeln und korrektes Kursabsegeln mitnehmen ,-) )
Aber auch wenn es damals anfangs von vielen sehr interessiert begutachtet worden ist, nachgebaut hat es keiner und auch sonst gab es keine Aufträge in Folge für den Konstrukteur und Erbauer M. Dotti.
Hier mal der Hunter in sehr guter Gruppen-Gesellschaft unterwegs:
Auch hier, mal die Segelgrößen vergleichen...
Immerhin, wir waren damals nicht die einzigen, die vom „typischem“ Fleetwoodwind überrascht wurden, da erlebten u.a. auch die englischen (gerade die…) Swinger plötzlich auch Probleme, die vorher so nicht erwartet worden waren:
So fing das Übel an:
und das kam dann dabei raus:
Wenn so ein Swinger in einer Böe nach Luv wegkippt (weil Rigg zu weit gefiert und/oder das Groß mit Verwindung das Boot nach Luv drückt) und dann mit dem Vorsegel gegen die Fahrtrichtung eintaucht und da eben durch das Riggprinzip nichts mehr der Wasserrichtung nachgeben kann, dann schaufelt sich die Fock geradezu ins Wasser rein und legt damit das ganze Boot flach – und das dauerte eine ganze Weile, bis es endlich wieder hochkommt… Nicht gut für vordere Plätze… Auch nicht gut für die Segelwinde, die da schon ganz schön Stress bekommt….
Über Lupart, Lucas und andere hab ich zwar schon ein bisschen Material, aber das wird noch dauern, komm gerade nicht weiter dazu und der Urlaub steht auch an…. Über John Elmaleh kommt aber bald was.
Gruß
Thomas