hi Raphael,
wenn es um Hangflugwetter (in den Alpen) geht, ist die Thermik-Prognose untergeordnet. Das alles Entscheidende ist das Talwindsystem.
Die Hierarchie der Winde ist: Hangwind (hangaufwärts), wird dominiert vom Talwind (das Tal entlang zu seinem Anfang), wird dominiert von grossräumigen Winden.
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Nehmen wir mal unsere Parsenn, nach SO ausgerichteter 600m-Hang seitlich im Haupttal, ich nenne das mal einen "Seitenhang".
Im Gegensatz zum "Endhang", der dem Talwind im Weg steht, also ist spätestens der Passattel am Talanfang so ein Endhang.
1. Grosswetterlage windstill bzw. schwach windig, bedeckt
nix geht ausser ein paar Zufallsbläschen
2. Grosswetterlage windstill bzw. schwach windig, sonnig
zuerst erwärmt sich der Hang, es gibt schönen Hangwind - bis der Talwind (Hangstreicher) einsetzt und alles kaputtbläst.
Der Talwind ist im Frühling und Herbst schwach, da überlebt der Hangwind bis ca. 12:30 (fliegbar ab 10:00) -> schönste grossräumige F3J-Flüge
Der Hangwind durchdringt selbst starke Inversionen; man kann z.T. recht hoch fliegen.
Im Sommer ist der Hangwind hier nicht nutzbar, der Talwind setzt zu früh ein.
Der Temperaturgradient spielt nur insofern eine Rolle, als er bestimmt, wie schnell der Talwind beschleunigt. Ist der Gradient hoch (labil), bläst es heftig, ist er niedrig (stabil), bläst es erst später.
3 Grosswetterlage Südföhn / Südwestföhn
Dieser Wind ist so stark dass er den Talwind umdrehen kann - bei uns im Bereich Davos (Talachse NO). Föhn ist meistens stabil geschichtet, was elende Hangstreicher bedeutet.
4 Grosswetterlage Westwindwetter / herannahende Front
wie 3. Wir haben aber einen W-Hang (Rinerhorn), bei dem man dann super fliegen kann, während es dort bei mehr südlichem Föhn überhaupt nicht geht.
5 Grosswetterlage Südostföhn
(bei uns meist im Winterhalbjahr, wir nutzen ihn im November oder April)
Wenn es so sauber direkt auf die Parsenn bläst, kann man gewaltig fliegen! F3F mit Ballast. Wenn es wirklich föhnt, kann man Tag und Nacht fliegen, Uhrzeit egal.
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Beispiel 2 das Brämabüel, ein NO-ausgerichteter "Endhang". Es ist ein gewaltiger Riegel, der in das Haupttal hineinragt. Der Talwind prallt direkt auf ihn, muss aber noch 700m aufsteigen um unseren Startplatz zu erreichen. Wie wichtig dafür labile Luftschichtung ist, muss ich hoffentlich nicht erläutern.
Endhänge "gehen" immer, ausser... Die Modifikatoren sind folgende:
verstärkend:
- labile Luftschichtung
- grossräumiger günstiger Wind, in diesem Fall Bise (ein landestypischer N- bis NO-Wind) - oder auch ein mässiger (S)W-Wind, der schiebt den Talwind im Prättigau an.
schwächend:
- stabile Luftschichtung (vor allem im Herbst - da kann der Talwind manchmal erst sehr spät (nach 16°°) aber um so heftiger einsetzen!)
- grossräumiger ungünstiger Wind: alle Richtungen von Ost über Süd bis Nordwest, also alle Föhnsorten (ausser seltener Nordföhn) und auch Westwindwetter machen das Fliegen dann dort unmöglich.
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Das war jetzt eine Bedienungsanleitung für ein komplexes Fluggebiet wie unseres, meine Zusammenfassung aus 10 Jahren hiesiger Flugerfahrung. Bisher habe ich immer auf den Bereich Davos - Berg (1600m - 2200m) geschaut, aber ab diesem Jahr werde ich mir auch regelmässig die Temperaturen in Landquart (500m) am Talende anschauen und versuchen, di Bedeutung des Temperaturunterschiedes zu verstehen.
Vermutlich wird es nicht möglich sein, Hangflugwetter automatisch mit allgemeinen Algorithmen zu prognostizieren. Aber prägnant aufbereitete Temperaturdaten sind immer die wichtigste Schlüsselgrösse. Die Temperaturdifferenz zwischen Hang und ca. 500m darunter, oder auch darüber (oder was eben verfügbar ist) als kleine Tabelle, jeweils um 11°° und 17°°, die letzten 5 Tage, umgerechnet auf °/1000m, fände ich sehr informativ. Man muss den Wert natürlich lesen können: An der Parsenn würde 11°/1000m im Spätherbst vermutlich bedeuten, dass leider mit starkem Talwind zu rechnen ist.
Solche Tabellen helfen dann auch mehr den Vielfliegern/Einheimischen in diesen Gebieten, die nach ein paar Jahren genau wissen, dass sie bei diesem und jenem Wind soundsoviel Grad brauchen, damit sich der Ausflug lohnt.
Trotzdem würde ich mir zutrauen, alleine mit einer Google-Earth-Ansicht (Vegetation! Z.B. Karsthang?!) und ein paar Temperaturen und Winden abschätzen zu können, ob ein bestimmter Hang "geht".
Das alles für Dich nur zum Abschätzen, welchen Service Du anbieten möchtest und welchen Messstationen-Aufwand Du benötigst.
LG
Bertram