Hallo zusammen,
jetzt muss ich diesen Thread mal wieder aus der Versenkung holen.
Im letzten Jahr habe ich mir den Sommerwind von Robert ebenfalls bestellt. In erster Linie weil mir die Optik sehr gut gefallen hat und weil man über die Nurflügel von Robert im Allgemeinen nur Gutes hört. Ich habe mir auch gleich die Styro-Abachi Flächen vom Puma mit dazu bestellt.
Voller Vorfreude habe ich mich also an den Bau des Sommerwindes gemacht. Ich muss sagen es war eine helle Freude. Ich hatte lange keinen Bausatz mehr in den Fingern der so gut durchdacht war und auf Anhieb ohne Probleme und offene Frage zu bewältigen war. Mit transparenter Folie bespannt kommt zudem das filigran wirkende und trotzdem sehr robuste Innere schön zur Geltung. Was soll ich sagen, der Bausatz war eigentlich viel zu schnell fertig und dann ging es ans Einfliegen.
Und da kam für mich die Ernüchterung. Ich habe zuerst den Schwerpunkt nach aktuellstem Plan bei 63mm hinter der Nasenleiste (am Rumpf gemessen) eingestellt, so wie es sein soll. Nun ja, nach heftigem Absacken beim Start aus der Hand (trotz kräftigem Wurf) ging der Vogel dann irgendwie vom Motor gezogen in die Luft. Sobald dieser aber aus war, musste ich noch reichlich Höhe trimmen für so etwas wie einen Geradeausflug. Dieser hatte mit einem echten Gleitflug aber recht wenig gemein, es ging zügig abwärts. Die Landung ging zwar sicher von statten, war aber nicht wirklich schön. Der Sommerwind war sehr schnell und trotz voll gezogenem Höhenruder kaum abzufangen. Aber es ging alles gut.
Und nun fing mein Dilemma an. Einerseits lag nahe, dass der Schwerpunkt zu weit vorne war, andererseits habe ich immer noch die Warnung aus Jahrzehnten eigener Erfahrung und derer vieler Vereinskollegen im Kopf, dass Nurflügler extrem kritisch auf Schwerpunktsveränderungen reagieren.
Also habe ich den Akku milimeterweise nach hinten geschoben und immer wieder aufs Neue probiert.
Natürlich habe ich schon überall nach Erfahrungswerten zum Schwerpunkt gesucht, bin aber nicht wirklich fündig geworden. In den ersten Bauanweisungen von Robert scheint der Schwerpunkt sogar noch weiter vorne angegeben gewesen zu sein. Daher dachte ich mir, das die neuen Angaben ja zumindest näherungsweise passen müssten.
Naja, meine Versuche habe ich dann vorläufig beendet, als ich den Akku bereits 20mm weiter nach hinten geschoben hatte. Eine echte Besserung habe ich nicht feststellen können. Das alles hat sich im letzten Herbst abgespielt und ich war schon soweit, den Sommerwind als missglücktes Experiment abzuschreiben. Am Boden schön anzuschauen, aber in der Luft keine Freude.
Wie geschrieben hatte ich mir auch gleich die Pumaflächen mit dazubestellt und diese im Herbst dann ebenfalls ausprobiert. Das war dann eine echte Überraschung, denn mit den anderen Flächen war der Flieger mit dem dort angegebenen Schwerpunkt (42mm hinter der Nasenleiste) sofort in seinem Element, sehr gutmütig und wendig. Natürlich etwas zügiger unterwegs, aber er ist ja so auch für den Hangflug gedacht. Das funktioniert mit den Pumaflächen tatsächlich bestens.
In der aufgezwungenen zusätzlichen Freizeit der vergangenen Wochen und Monate kam mir der Sommerwind wieder ins Gedächtnis und ich bin der Sache noch einmal nachgegangen. Diesmal etwas systematischer und resoluter. Was ich im letzten Herbst unterlassen hatte, war den Schwerpunkt mit zurückgeschobenem Akku zu bestimmen. Das habe ich nun nachgeholt und es hat sich gezeigt, dass die 20mm beim Akku gerade mal 2mm beim Schwerpunkt ausgemacht haben.
So bin ich dann deutlich mutiger an das Verschieben des Schwerpunktes herangegangen, immer aber mit der Angst im Hinterkopf, irgendwann einen schwanzlastigen, kaum oder gar nicht kontrollierbaren Flieger zu bekommen. Was soll ich sagen, die Angst war (bisher) völlig ungeründet. Ich habe in diversen Flügen nun den für mich optimalen Schwerpunkt bei 72mm (!!!) hinter der Nasenleiste am Rumpf ermittelt. Was das beim Flugakku bedeutet, zeigen die Bilder im Anhang. Ich habe den Akku um sage und schreibe 10cm nach hinten schieben müssen. Mit diesem Setup gleitet der Sommerwind endlich, wie man es von einem Flieger mit 2,5m Spannweite und 1290g Abfluggewicht erwarten würde. Schon auf die leichteste Thermik spricht er nun an und ist um Welten wendiger als am Anfang. Und siehe da, die Höhenruder stehen tatsächlich perfekt im Strak, nicht ein Millimeter angestellt. Und mit der Anstechmethode zeigt sich trotzdem noch ein sanftes Abfangen. Also alle im grünen Bereich.
Ich bin so froh, dass ich dem Sommerwind eine zweite Chance gegeben habe. Ich war echt ganz kurz davor, den Vogel wieder herzugeben.
Dass der Sommerwind derart unkritisch auf Schwerpunktänderungen reagiert, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich bin mir sicher, dass noch immer etwas Reserve vorhanden ist, um auch noch das letzte Quäntchen Thermik ausnutzen zu können, aber da fehlt mir der Ehrgeiz das auszuloten. So wie er jetzt fliegt ist er für mich perfekt.
Oh mann, das ist ja jetzt ein echter Roman geworden. Ich hoffe es langweilt sich niemand zu Tode. Aber viellecht hilft es ja dem einen oder anderen.
Gruß Mike
P.S.: Die Schwerpunktwaage zeigt zwar 74mm, aber das ist durch die Vorwärtspfeilung am Innenflügel begründet. Der Anschlag der Schwerpunktwaage kann nicht so weit nach innen geschoben werden, dass er direkt am Rumpf liegt. Dadurch muss man 2mm vom eingestellten Wert abziehen.