Hallo Vogelgemeinde,
hier neue Bilder vom Baufortschritt des Urmodells. Habe um den Schubkanal später fester Ausschleifen zu können, den von innen komplett mit Gf- eingedicktem Harz eingegossen. Auch für die Abformung der Negativhälften sollte das Urmodell sich nicht deformieren. Habe da etwas Sorge, weil sich so steile Flächen schwer entformen lassen.
zur Aerodynamik:
Luft hat zwei für das Fliegen wichtige Eigenschaften: Das Medium Luft hat wie alle Gase und Flüssigkeiten eine gewisse Zähigkeit. Nun ich meine die Bewegungszähigkeit wie wir sie vom Honig kennen. Bei der Luft denken wir nicht an Zähigkeit, doch spielt die Reibung der N² und O² Moleküle schon, wie wir sehen werden, eine wichtige Rolle.
Die zweite Eigenschaft ist die Masse der Luft von knapp 1,3 kg pro m³. Ein Flugmodell von 5 kg Masse muss also fast 4 m³ Luft pro Sekunde mit einem G (Erdbeschleuigung) nach unten "schieben".
Für eine Stubenfliege ist die Zähigkeit und nicht die Masse der Luft zum Fliegen entscheidend. Bei einer Concorde sieht die Sache dagegen völlig anders aus. Der macht die Zähigkeit der Luft nichts aus, aber die Tonnen von Luft gegen welche sie anschiebt.
Die Frage ist nun: Wo ist der Bereich, wo beide Eigenschaften der Luft eine annähernd gleiche Bedeutung haben und deshalb auch beide beachtet werden müssen?
Die kurze Antwort:
Genau bei uns... Modellfliegern, wir haben da die A.K. gezogen.
Wir sind die leidgeprüften Kreaturen, weil unsere fliegenden Kisten zwischen zwei Zuständen manchmal hin und her taumeln.
Lange hat man überhaupt nicht verstanden, warum Fliegen und Schmetterlinge fliegen können. Ich habe als Kind mal einer solchen Kreatur helfen wollen und ihr das raue Puder von den Flügeln entfernt und mich dann gewundert, dass sie gar nicht mehr fliegen konnte.
Ein Herr Reynolds hat sich dieser Frage angenommen und eine Gleichung entwickelt, welche ich hier nicht vorstellen möchte. Sie beschreibt den Einfluss beider Faktoren und stellt eine Kenngröße da.
Diese Kenngröße ist wichtig für uns. Sie ist nach ihrem Schöpfer genannt und heißt darum Re - Zahl.
Um nicht zu weit ins Detail zu gehen...
hier ganz einfach: Ist die Zahl klein, überwiegen die Zähigkeitskräfte, ist sie groß, sind es die Beschleunigungskräfte.
Die Gleichung von Herrn Reynolds hat eine für uns sehr gute Seite. Man kann in ihr so ziemlich alles wegkürzen. (auf und unter dem Bruchstrich gleiche Zahlen und Einheiten)
Das Ergebnis ist eine dimensionslose Zahl.
Das ist geradezu genial
, es bleiben nur 3 Größen übrig und die können wir an unserem Modell leicht ermitteln.
1. die Profiltiefe in Millimeter 2. die gewünschte Fluggeschwindigkeit in Metern. und 3. ganz einfach merken: die Zahl 70
Also Re = t (in mm) mal v (in m pro s) mal 70 Das kann jeder...
Jetzt müssen wir nur noch wissen, wo es für uns kritisch wird. Grob gesagt: Unterhalb von manchmal Re = 120 000 bis spätestens unterhalb 50 000
Unsere Tragfläche ist 200mm tief und wir fliegen mit 10m/s (=36km/h).... Jetzt kurz die Re-Zahl berechnen: 200 x 10 x 70 = 140 000
alles OK, wir sind oberhalb
Da kann doch nichts mehr schiefgehen oder ?
Der Auftrieb an den Tragflächen entsteht zu 2/3 auf der Oberseite (Sogseite) und zu 1/3 auf der Unterseite (Druckseite)
Für uns wichtig ist die Oberseite. Etwas vereinfacht: oberhalb der kritischen Re-Zahl liegt dort eine laminare Strömung vor, weil die Massenträgheit überwiegt; unterhalb der kritischen Re-Zahl kann die Luft nur dann der Flächenkontur folgen, wenn eine turbolente Strömung vorliegt.
Wie können wie uns das vorstellen? Die Luftmoleküle reiben über der Profiloberfläche, werden langsamer und kommen schließlich zum stehen! Das darf nicht passieren, denn dann heben die nachfolgenden Moleküle über diese stehenden ab. Die Strömung reißt ab, so sagen wir.
Es gibt aber die Möglichkeit, dass große Gruppen von Molekülen sich zu einem Ball formen. Viele solcher kleinen Bälle wirken wie ein Kugellager. Die unteren Moleküle von so einem Ball haften eine Weile an der Oberfläche, bevor sie wieder abheben und im Kreis wieder zur Oberfläche zurückkehren. Darüber kann die übrige Luft wieder leicht der Kontur des Flügels folgen. Eben, wie bei einem Kugellager.
Das ist die turbulente Strömung mit der ein Schmetterling gut fliegen kann. Auf seiner rauen Flügeloberfläche bilden sich diese "Luftkugellager" in den "Kerben zwischen dem Puder". Bei einer Stubenfliege sind es die dicken Adern, vor und hinter denen sich diese Wirbel bilden.
Was hat das mit unseren Modellflugzeugen zu tun?
Okey, jetzt gehen wir in die Flugpraxis!
Fall 1. Wir gehören der hart gesottenen Fraktion an und planen ein 200km/h schnelles Düsenflugzeug.
So vom Typ her eine Mirage 3 oder 5 oder 2000. Vielleicht ist es auch eine F-106.
Ihr merkt schon, worauf ich hinaus will. Es soll halt ein reinrassiges Delta werden.
Okey, eben mal die Re-Zahl bestimmen.
Innen 1000mm Flügeltiefe x 15m/s Landegeschwindigkeit x 70 = Re = 1 050 000 super!!!
Re-Zahl am Aussenflügel.... ups
0 x 15 x 70 = null mal Null bleft Null sagt der Kölner in mir
Und da ist unser Problem, nein eigentlich nicht genau da, denn an dieser Tragflächenspitze wirbelt die Luft von der Unterseite (Druckseite) einfach um die Kante herum auf die Oberseite (Sogseite).
Doch 3 bis 5 cm weiter innen gelingt das der Strömung nicht mehr und da haben wir Re = 42 000 und somit ein Riesenproblem!
Wir kommen zur Landung herein, werden langsamer und plötzlich überwiegt die Zähigkeit (rechts eine halbe Sekunde eher als links) unser Vogel macht eine Rolle und landet auf dem Rücken.
Was ist passiert? Bevor sich im unterkritischen Breich eine anliegende turbulente Strömung aufbauen konnte, riss die Strömung im kritischen Re-Bereich ab. Folge: kurzzeitig fallen 2/3 des Auftriebs am Außenflügel aus. Das ist wie ein heftiger Querruderausschlag!
Fall 2. Wir mögen es eher zahm und fliegen einen hübschen Motorsegler mit über 4m Spannweite.
Da wir stolzer Besitzer eines naturgetreuen Nachbaus sind, hat dank der super Streckung der Außenflügel nur noch eine Profiltiefe von 130mm.
Das Profil ist eher unkritisch und normalerweise gibt es auch bei Re = 82 000 keine Probleme (130 x 9 x 70)
Wir schweben zur Landung ein.... eine letzte Kurve und ups
unsere schöne Maschine schmiert ab!
Was ist passiert: Beim Ausleiten der letzten 90° Verfahrenskurve, wurde kurz Querruder in Gegenrichtung gegeben.
Doch jetzt kommen mehere Sachen zusammen. 1. Der hängende Flügel wird langsamer angeströmt, um den dreht sich ja die Maschine. Und dann wird zum Ausleiten der Kurve Gegenquerruder gegeben. Aus dem eher harmlosen Profil, dass mit Re = 70 000 noch gut zurechtkommt, wird mit abgesengtem Querruder ein Re-Zahl kritisches Profil, außerdem war der Aussenflügel noch in der Kurve um die Hochachse und damit langsamer als der Rumpf.
Die Re-Zahl war vielleicht noch so gerade ausreichend, aber der Querruderausschlag gab ihr den Rest! Eine Maschine mit Querruderausschlag nach rechts, stürzt über die linke Tragfläche ab.
Das kommt sogar bei Ultraleicht-Fliegern vor..... Also Achtung bei Nachbauten mit geringer Flügeltiefe außen. Gegenquerruder im Landeanflug besser NICHT.
Werner