Vorgehen bei der Hangsuche

Temperaturgradient vs. Thermik/Hangwind - oder: der Märzwahnsinn in Davos

Temperaturgradient vs. Thermik/Hangwind - oder: der Märzwahnsinn in Davos

Ich erlaube mir noch einmal eine kurze Theoriestunde. Sie betrifft mehr die grossen Hänge; bei 200m-Hängen kommt sie wohl nicht so sehr zum Tragen ;). Zufällig konnte ich heute ein paar sehr gut erklärende Fotos schiessen. Vielleicht ist es ja interessant für alle, die überlegen ob es sich lohnt bei einem bestimmten Wetter doch etwas weiter weg in ein bestimmtes Gebiet zu fahren, z.B. zu uns.

Ganz konkret geht es darum, warum es inzwischen doch etwa 40 Angefixte gibt, die ab November täglich ihre Segler polieren bis sie endlich im März auf unseren (zugefrorenen) See dürfen. Ganz ehrlich, wer es nicht erlebt hat kann es sich kaum vorstellen, dass das so high macht. Tut es aber, alle Beteiligten empfinden es als erheblich schöner als alles andere und als den Höhepunkt in ihrem jährlichen Fliegerleben.
Andererseits ist es ein lehrbuchmässiges Beispiel für den grossen Krieg der Lüfte.

Ich schrieb schon einmal, dass eines der wichtigsten Entscheidungskritereien für das Hang- (und auch Thermik-)Fliegen der Temperaturgradient ist.
Bei stabiler Luftschichtung (unter 1°/100m) bläst der Wind in Schichten, lieber mäandert er den Hang entlang als dass er auch nur einen Meter in die Höhe geht. Es ist als ob tausende Glasplatten mit Millionen Stahlkugeln getrennt aufeinander gleiten, ganz leicht, die obersten ganz schnell, und die die an die Wand stossen, stehen.
Bei labiler Luftschichtung muss man im Prinzip nur einmal unten gegen den Hang husten und das bisschen Atemluft gewinnt dynamisch an Fahrt und wird umso wilder und grösser je höher es kommt. 1°/100m habe ich nicht aus einem Lehrbuch abgeschrieben (es wäre ja der trockenadiabatische Koeffizient), sondern in den letzten 15 Jahren hier tatsächlich erflogen (also nach jedem Flugtag bei meteoschweiz.ch den Temperaturverlauf von Davos und Weissfluhjoch angeguckt und versucht Schlüsse daraus zu ziehen).

Dann gibt es aber die Kräfte, die dagegen ankämpfen (und wenn man es einmal begriffen hat und in Natura erlebt, staunt man über die gewaltigen Energien durch die Sonne, es müssen Giga- bis Terawatt sein...). Konkret gibt es - sagen wir mal - "Gebiete", die sich dermassen erhitzen, dass die darüber erwärmte Luft es schafft, sich gegen stabile Luftschichtung zu stemmen und in die Höhe zu steigen. Ohne dies wäre es nicht möglich, bei uns im schönsten indian summer (aka "Goldener Oktober") bei allerstabilster Luftschichtung mit leichten Floatern (F3J) in einer ca. 200m dicken Luftschicht zu gleiten, die sich sanft den Hang entlang nach oben bewegt.

Winter ist ja im allgemeinen "stabil" und Sommer "labil". Die Übergangszeiten sind die spannenden!
Herbst: habe ich gerade erwähnt: Südost- bis Südhänge, trocken (heisst: die letzten Tage kein Regen, über der Waldgrenze, oder z.B. Karstgegenden ohne Waldbewuchs).

Und jetzt das Spezialthema: März in den Skigebieten...
Generell sind die Bergtäler am Boden gerodet, für die Viehweiden. Daran schliesst sich die Waldzone an, an Südhängen reicht sie bis 1900-2000m. Anschliessend kommt die montane Zone ohne Wald, die bis etwa 2200-2300m für den alpinen Hangflug geeignet ist (darüber wird es zunehmend immer steiniger).
Im Winter liegt überall natürlich viel Schnee = es ist kalt. Die Kaltluft der höheren Regionen fliesst (den ganzen Winter) nachts ins Tal. -> Temperaturausgleich, stabile Luftschichtung = :cry:
Die Wälder, also die Fichten, sind voll Schnee, das Sonnenlicht wird reflektiert. Tote (thermische) Hose.

Im März schwindet der Schnee in den Talböden, und die immer höher stehende Sonne entwickelt so viel Kraft, dass sie tagsüber den Talboden immer stärker erwärmen kann. Aber noch fehlt der zündende Funke...
Und dieser wird ausgerechnet von den Wäldern geliefert! Sie sind von der Farbe her tatsächlich fast schwarz - keine Spur vom "grünen Tann" der Volkslieder. Und sie liegen wie ein breites Band die Bergzüge entlang zwischen den blendend weissen und kalten Skihängen oben und den langsam immer grüner werdenden, aber doch noch ziemlich weissen Talböden.
Genau diese Wälder fackeln dann ab (im übertragenen Sinne): über ihnen entstehen grossflächige Aufwinde, die bis in grösste Höhen reichen (bis 3360m sind wir schon gekommen). Normalerweise ist das Anfang März Blauthermik, Wolkenbildung kommt erst später im März. Heute war ein klassischer solcher Tag und ich habe beim Skifahren (ja, ich gönne mir den Luxus, an solchen Tagen nicht zu fliegen :rolleyes: - morgen aber...) klassische Fotos aufgenommen, hier jedoch im Vorderrheintal, also im Skigebiet Flims:

wolken0.jpg
10°° morgens: eine Inversion in ca. 2500m Höhe. Stabile Luftschichtung wie oft im Herbst. Bemerkenswerterweise sieht man bereits ein oder zwei Cumulini!
Temperaturgradient (zwischen Chur 556m und Crap Masegn 2480m): 0,73°/100m

wolken1.jpg
(180°-Panorama)
12°°: über der Waldzone hat sich ein Wolkenband gebildet.
Temperaturgradient 0,95°/100m

wolken2.jpg
14°°: Wolken über dem (hinteren) Waldgürtel. Man könnte annehmen, dass das Felsband trägt, tut es aber nicht: Es dürfte vom Schmelzwasser gut durchfeuchtet (= kalt) sein, und bei uns in Davos ist es im Prinzip genauso, aber ohne Felsband.
Temperaturgradient 1,05°/100m
Die Wolken zerfallen, das passt zu unserer Erfahrung dass man nur zwischen 12°° und 14°° gutes Steigen findet.



Hier sieht man wie die dunklen Wälder an den Südhängen der Berge im März (und April) wie Brandfackeln wirken. Vom Beginn der Vegetationsphase bis in den Oktober kühlen die Wälder eher - da sind es dann baumfreie trockene (Karst-)Hänge die wunderbar tragen.
Nach der Identifikation solcher Spots (eher: Gebiete) kommt das nächste Problem: wie komme ich über die Wälder? Die sind nämlich weiter weg als uns lieb ist... Vom See aus kommt man mit Seglern ab 4m (ab 5m: bequem) per Schlepp dahin, allerdings geht es nur mit den fliegenden Teppichen mit 1,5m2 und mehr so wirklich völlig entspannt.
In Davos kommt man von oben her von der Parsenn aus (Höhenweg) NICHT so weit, jedoch vom Gotschnagrat kann man die Wälder der Schwarzseealp erreichen!

Allerdings kommt jetzt ein witziges Problem der stabilen Luftschichtungen zum tragen: sie lassen die Täler in Ruhe (es gibt hier manchmal massive Föhnstürme, von denen wir in Davos rein gar nichts merken - wir sehen nur die gewaltigen Schneefahnen an den Gipfeln. Bei Föhn ist i.d.R. stabile Luftschichtung). Wir können also vom Talboden aus seelenruhig wie oben beschrieben steigen - bis es nicht mehr geht und wir die völlig andere Windrichtung da oben bemerken, häufig mit turbulentem Zwischenbereich.
Wenn man jedoch mit der Bergbahn hoch fährt, steht man voll im (Höhen-)Wind der stabilen Luftschichtung (wie geschrieben: Glasplatten auf Stahlkugeln).



Verallgemeinert: Bei labiler Luftschichtung kann ja jeder Hangfliegen. Also eigentlich das Teil rauswerfen und solange geradeaus fliegen bis es vom Bart nach oben gesogen wird.
Bei völlig stabiler Luftschichtung ohne gewaltige Sonne (z.B. diesiges Wetter oder Novembernebel, was es hier gar nicht gibt) geht nix.
Die herausfordernde Frage ist: Finde ich bei gerade noch stabiler Luftschichtung (und das heisst ja meistens superschönes Wetter) den Zünder, der alles zum Brennen bringt? Bei uns sind es im März/April die schwarzen (und trockenen!!) Wälder inmitten der mehr oder weniger weissen Schneegebiete, die unerwartetes und intensives Thermikvergnügen bereiten.

Wenn man einen neuen Hang sucht, wäre etwa folgende Fragestellung nicht schlecht:
Wo würde ich als Sonne hinscheinen, um möglichst viel abzufackeln: dunkle Felswände, vegetationsarme Trockenhänge usw. Je grösser diese Gebiete sind um so besser. Aber wenn man diese Fragestellung verinnerlicht, schafft man - äh, also ich habe es als ImmerNochLaie geschafft - nach ein paar Runden "gucken wir mal" sich zu sagen, ok, wir müssen andere Saiten aufziehen. Bei der Herfahrt war doch dieser grosse Parkplatz? Oder: wieso heizt die Felswand nicht, aber da vorne ist doch dieser eine grosse Schuttkegel?

Das war ein ergoogelter Hangplatz, und ich nahm an, dass die gesamte riesige Felswand saugen müsste wie die Hölle wenn sie von der Sonne aufgeheizt wurde. Tat sie aber nicht. Es trug ausschliesslich über dem trockenen Schuttkegel...:

wolken4.jpg

Und wieder unser hiesiges Problem: die Reichweite der Modelle. 800m ist schon ziemlich anstrengend.



Natürlich ist es toll, wenn man per Zufall oder durch Infos von Kollegen einen Hangflugspot erfährt, der meist gut trägt. Aber beim alpinen Hangflug ist das Verstehen warum genauso spannend. Am Deich bei Westwind ist eine andere Sache; ist auch schön. Ich persönlich finde es aber besonders schön, ein komplexes Wettergeschehen einzuschätzen, die ein bis zwei mitzunehmenden Segler auszuwählen, und bei Erfolg einen perfekten Flugtag zu haben.

Das "Motorproblem" am Hang ist übrigens sehr einfach zu lösen: Jeder, der den Motor einsetzt (ausser einem einsekündigen Probelauf VOR dem Start), zahlt allen anderen Piloten beim Entspannen nach dem Fliegen ein Bier (nicht pro Einsatz. Ein Bier für ein bis drei Motoreinsätze reicht. Wer vier Mal Motor braucht sollte vielleicht nicht hangfliegen). Eine Regel, der ich mich selber gerne unterwerfe.

Also Hänge ergoogeln lohnt sich - es fördert das Thermikhangfliegen genauso wie man mit einem Vario nicht Thermik- sondern Kurvenflug lernt...

Bertram
 
..und mit kleinen Modellen?

..und mit kleinen Modellen?

Hallo.
Als relativer Neuling mal dumm gefragt: Wie finde ich einen Hang für "kleine Modelle" z.B. RES und kleiner? Z.B. mein Calimero mit 90 cm Spannweite? Und ja, ich weiss. dies ist noch kein Modellflug.
Die Theorie passt m.M. nach auf kleine Hänge, nur das ich dann kein Wald"gebiet" anfliege, sondern über dem Stadel, der Strasse suchen muss?
Wie geht Ihr bei kleinen Hängen/Modellen vor? Dieses Problem habe ich.

Gruss

Andi
 

otaku42

User
Versuch macht kluch..wird schon.
Das ist die richtige Einstellung :) Und ich schliesse mich dem Plädoyer für einen F3Kler zum Antesten an:

Die sind mit 1.5m Spannweite ausreichend kompakt, um sie auch beim Anwandern einer abgelegenen Stelle gut mittransportieren zu können. Man braucht keine Flitsche, um Startüberhöhung zu bekommen, und auch nicht viel Platz - ein Drehwurf, und der Vogel ist oben. Sie sind leicht, und selbst, wenn nicht viel geht, kann man mit ihnen zwei, drei Runden drehen. Richtig gebaut wirkt die Bremse wie das auswerfen eines Ankers, so dass der Platzbedarf zum landen klein ist. Mit etwas Übung fängt man sie gar mit der Hand, so dass die Bodenbeschaffenheit nur eine untergeordnete Rolle spielt. Und je nach Modell kann man auch aufballastieren, um bei mehr Wind noch Spass zu haben.

Mein persönlicher Favorit: der Whirli 6. Voll-CFK (abgesehen von Schnauze und ggf. Leitwerk), entsprechend robust, verträgt Ballast gut, ist recht leistungsfähig, macht auch am Hang Spaß, und das mit einem Klasse Preis-Leistungs-Verhältnis. Man hat etwas Arbeit beim bauen, aber ich kann aus Erfahrung sagen, dass es gut zu bewältigen ist :)

Bis zur Wasserkuppe sind straffe 120km, ist leider nicht gerade um die Ecke.
Soll aber dort sehr gut gehen
Kann ich nur empfehlen. Neben der Wasserkuppe gibt es beispielsweise auch noch Weihersberg und Himmeldunk. Ich wohne auch etwas über 100km entfernt, und fahre gerne hin - mein Ziel sind 3 Mal im Jahr. Ich mag die Atmosphäre insgesamt auf der Kuppe, und wenn das Wetter mal nicht mitspielt, ist das Museum empfehlenswert.
 
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