hi Jens
nur auf die Geografie bezogen (die rechtlichen Seiten mit LBA, LuftVO und Bauern lasse ich jetzt mal weg):
am Hang musst Du vier separate Winde unterscheiden:
- den grossräumigen Wind, z.B. Föhn oder gerade herrschende Westwindlage etc.
Wenn die Windschichtung stabil ist (in der Höhe eher warm, z.B. oft bei Föhn), kann es oben am Grat blasen wie wahnsinnig und Du säufst trotzdem ab. Die Luftebenen kannst Du Dir dann vorstellen wie viele Glasplatten mit vielen Stahlkugeln dazwischen - laufen oben wie verrückt, aber heben sich keinen Meter.
Wenn die Windschichtung labil ist (Du ziehst oben erst mal einen Pulli an), dann freue dich...
Die grossräumigen Winde betrachte ich als
Unterstützer für die folgenden Winde, denn diese können stärker sein als der oben genannte...
- der nicht existierende "Alpenwind"
generell saugen die Alpen als gesamtes Massiv an. Also im Süden der Alpen zieht es bei "allgemeiner Windstille" mächtig in die Täler hinein, d.h. es bläst Südwind. Manchmal hat er sogar einen eigenen Namen wie z.B. der "Malojawind" im hier benachbarten Engadin. Alle südlichen Seen (Gardasee, Lago d'Iseo) sind deswegen bei den Wind-/Kitesurfern beliebt, und auch Fluggebiete wie die Colli di San Fermo (nein, sie sind KEIN Hangfluggebiet!!) profitieren davon.
Ich habe mir sagen lassen, dass umgekehrt im Allgäu der Wind bei "Windstille" nach Süden bläst, kann es aber nicht bestätigen.
- der Talwind
In Eurem "Flachland"
ist er weniger wichtig, aber hier in den Alpen ist er leider der alles entscheidende (gut oder böse) Wind. Ich kann mir vorstellen, dass in Deutschland bei Hängen in Flusstälern o.ä. aber ähnliche Effekte auftreten. Vielleicht kann Uwe was sagen?
Generell bildet sich im Sommer ein Talwind am Vormittag. Unten (am Talende) zieht er hier z.B. in Landquart ab 9°°, bläst ab 12°° durch Davos und erreicht nach 13°° oben die Kante am Brämabüel - das dem Talwind glücklicherweise quer im Weg steht... Normalerweise sind die Hänge leider parallel zum Tal und Talwind -> der Talwind macht dann alles kaputt, weil er mit Macht von der Seite bläst, also quer zum Hang.
Jetzt fangen wir schon mal an zu addieren:
Unser Brämabüel ist nach Nordosten ausgerichtet, steht dem üblichen Talwind mit einem 800m-Hang im Weg, dann brauchen wir also wenigstens ein bisschen labile Luftschichtung damit der Talwind überhaupt in die Höhe kommt, und wenn dann noch lokale "Bisenlage" (hiesiger Nordostwind, entspricht dem kalten polnischen Ostwind in Deutschland) ist - dann wird es fein.
- der Hangwind
Hangwind bildet sich (sofern nicht von einem Talwind gestört) ab 10°° an sonnenbeschienenen trockenen Hängen. 12km westlich von hier liegt Schmitten an einem Südhang, aber hinter einem Bergriegel und wird nicht mehr vom hiesigen Talwind erreicht: Dort kann man im Sommer nur bis 10°° auf der Terrasse frühstücken, danach bläst es die Tischdecke samt allem darauf nach oben. Bei mir in Davos bläst es sie ab 12°° zur Seite (Talwind)...
Echte Hangwinde kann man hier in Davos nutzen im Frühling und im Herbst, bei stabiler (!) Luftschichtung. Im
indian summer ("goldener Oktober") gibt es hier z.B. an der Parsenn (nach Südost ausgerichtet) gigantisch weite (also je 1km links rechts und ca. 500 hoch und runter und vor) sanfte Aufwinde in alle Richtungen ab 9:30 kerzengerade den Hang hoch - bis er so ab 11:30 anfängt immer schräger zu blasen: der (quer blasende) Talwind setzt sich langsam durch.
Hangwinde folgen der Sonne: Südosthänge vormittags, Südwesthänge teils erst nachmittags (bei uns z.B. am Rinerhorn, Ausrichtung nach W)
Und wichtig: Hangwinde brauchen
trockene Hänge! Also ein bis drei Tage nach ergiebigem Regen braucht man das hier nicht zu versuchen.
Dass über 100m hohe dunkle nach Süden ausgerichtete Felsen bei Sonneneinstrahlung heizen wie ein Kamin braucht man wohl nicht zu erwähnen...
In Gegenden mit Schnee (
) ist Hangwind, der z.B. durch einen günstigen grossräumigen Wind unterstützt wird, eine feine Sache im Endwinter/Früh-Frühjahr: schneefreie dunkle Wälder erwärmen sich, die warme Luft steigt halb selber, halb wird sie oben geradezu weggesaugt.
(Wie das aussieht, kannst Du in 30min im Hangflugvideo-Forum angucken (ich muss die Links noch hochladen)...
)
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Natürlich ist in den Alpen alles extremer als in Mittelgebirgen, aber auch ohne dort geflogen zu sein möchte ich glauben, dass diese Komponenten auf alle Hänge übertragbar sind. Beim Kampf der Winde gibt es Situationen, wo sich alle gegenseitig vernichten und andere wo sie sich gegenseitig verstärken. Genau weiss man es nie vorher.
Folgende Faktoren haben sich für mich bei den
mir bekannten Hängen als die wichtigsten herausgestellt:
1.) Ist es oben kalt (also: ist die Schichtung labil)? Per Zufall kann ich über meteoschweiz.ch live den Temperaturverlauf oben (Weissfluhjoch) und unten (Davos) verfolgen. Finde einen Weg, Temperaturen "oben" und "unten" herauszufinden, z.B. per Segelflieger-Meteo (Temp).
2.) Ist es wenigstens den dritten Tag trocken?
Nach all dem Geschriebenen müsste es jetzt für Dich ein Leichtes sein, per Google Earth nach Hängen Ausschau zu halten und wenigstens zu erahnen, unter welchen Wetterverhältnissen sie zu welcher Tageszeit fliegbar sein müssten.
Und das Antesten:
Irgendwie scheinen die meisten zu denken, dass man braucht:
- am Anfang (Vormittag) ein robustes Opfergerät, z.B. einen EPP-Nuri
- später, wenn man den EPP-Nuri nur mit der Schrotflinte herunterbekommt, die berühmte Diva (ich habe übrigens auch eine), aber natürlich "sicherheitshalber" mit Nasenquirl.
Meine Hangerfahrung ist folgende (bitte steinigt mich nicht):
- EPP-Nuris sind Scheisse. Gerade wenn vormittags die allerersten zartesten Aufwinde entstehen gibt es doch nichts schöneres als mit einem F5J oder F3J-E zu kitzeln und zu suchen! (F5J ist hier hochalpin einfach zu zart - F3J-E steckt hartes Landegelände besser weg!) Gut, mit den Nuris kann man vor der Nase herumfliegen und dann feststellen: "geht nix". Aber mit F3K/F5J kann man auch mal ewig weit weg fliegen und - oha! - da geht es doch rauf?! (Extra für Uwe: Wenn ich am Hang tatsächlich mal Motor brauche habe ich den restlichen Tag schlechte Laune. Motorlaufzeit meiner E-Supra am Hang: etwa 3 Sek in 3 Jahren... Aber man fliegt entspannter mit der E-Sicherheit.)
Gerade wenn Du an sehr flachen Hängen unterwegs bist brauchst Du gute Gleiter und keine Vor-die-Füsse-werf-Modelle.
- Und wenn das Leichtfluggerät an der Sichtgrenze ankommt wird es Zeit den Ballermann herauszuholen. Aber jetzt bedenke bitte: der Luftwiderstand steigt mit dem QUADRAT der Geschwindigkeit. Bis 80km/h ist es ziemlich egal ob Du etwas Schweres mit oder ohne Moulinette vornedran fliegst - darüber aber nicht! Gibt es DS-Rekorde für E-Segler? Ein echter Segler (also die originalen 1:1) wie die ASW-28 hat den gleichen Luftwiderstand wie eine senkrecht gestellte Postkarte. Mehr nicht! Ein 1:8-Modell (2m SpW) mit gleicher Güte etwa eine halbe Briefmarke. Also ein "schweres Hanggerät" mit Prop ist wie eines ohne Prop aber mit halb gesetzten Störklappen. Kann man fliegen - aber Spass geht anders.
Wann immer ich Diva oder SRTL (ähnlich, etwas kleiner) ohne Prop bei guten Verhältnissen geflogen bin gingen diese dramatisch besser als ähnliche motorisierte Modelle der Kollegen, auch mit gekröpften Spinnern und Gummi-angezogenen Klapplatten.
Aber jeder hat so seine eigenen Vorstellungen. Das waren halt meine. Viel Spass bei der Hangsuche!
Bertram