Wenn ich weiß, dass etwa alle X Minuten eine Ablösung kommt, dann will ich so lange mit möglichst geringem Höhenverlust herumlungern. Zeitaufgaben im Wettbewerb könnten vielleicht damit auch sinnvoll geflogen werden, oder?
Hallo Allerhopp,
heute hatte ich einen interessanten Flugtag am Hang und habe mir über Deine revolutionären theoretischen Ansätze immer mit maximaler Flugleistung des Modells zu fliegen ein paar praktische Gedanken gemacht. Zunächst habe ich versucht meinen Mini-F3B Energic Glider, der wegen des Windes und der von Franz Perseke für maximale Höchstgeschwindigkeit empfohlenen Zuladung mit halben Ballast ausgestattet war, immer im geringsten Sinken zu fliegen um die maximale Flugzeit zu erreichen. Das war leider gar nicht erfolgreich, die schneller fliegenden Piloten konnten sich in den wechselnden Auf- und Abwinden halten, während ich mit der (ungefähren) Maximalleistung für maximale Flugzeit ständig landen musste.
Das beste Gleiten hatte ich nicht vermessen und konnte deshalb keine Flugphase dafür einstellen, deshalb bin ich einfach mit der maximalen Geschwindigkeit geflogen die das Tragen ermöglicht hat ohne abzusaufen und seltsamerweise konnte ich damit wieder ungefähr so lange fliegen wie die anderen Piloten.
Anschließend beim Hangwirt haben wir uns ein paar Gedanken gemacht warum das von Dir empfohlene anstreben der besten Flugleistung des Modells im praktischen Flugbetrieb nicht die beste Flugzeit erbrachte. Es gab Stimmen die behauptet haben ich könne halt nicht so gut fliegen wie Du, aber andere sagten der Sinn der aufwändigen Messerei und des Einstellens des Modells auf die besten Leistungswerte sei es Wettbewerbe zu gewinnen obwohl man gar nicht fliegen kann, es genüge wenn man das Modell steuern und die gemessenen besten Flugleistungen wiederholbar abrufen kann.
Das entsprach aber nicht meiner heutigen Flugerfahrung mit den höheren Geschwindigkeiten, denn selbst einige heftige Abwindfelder mit geschätzt 3-5 m/s Saufen haben mich bei höherer Fluggeschwindigkeit und damit weit außerhalb des Leistungsmaximums nicht zur Landung gezwungen.
Dafür haben mir die teilweise ebenso starken Aufwinde viel Flugspass und noch höhere Fluggeschwindigkeiten geschenkt, obwohl das Modell dabei noch weiter vom Leistungsoptimum weg war. Was war da los, warum funktionierten Deine genialen Empfehlungen nicht?
Hier habe ich mich an einen Spruch eines früheren Lehrers erinnert, der sagte immer wenn man in der Technik etwas nicht genau weiß, dann kann man auch rechnen....das habe ich dann auch mal gemacht und ein einfaches Rechenmodell in verschiedenen Flugsituationen durch gespielt, das auf den Daten des von Franz weiter vorne geposteten Allegro von Prof. Mark Drela beruht. Leider sind in der Liste mit den Flugzeugdaten nicht die Fluggeschwindigkeiten für die markanten Leistungspunkte angegeben, ich habe da Simulationswerte eingesetzt wie sie für vergleichbare Modelle typisch sind.
Allegro-Lite
Modelldaten gerundet:
Spannweite 200 cm; Flügelfläche 33,87 dm2; Abflugmasse 510 g; Abflugmasse mit max. Ballast 1020 g
Auftriebsbeiwerte: ca 0,9 max.; ca 0,7 geringstes Sinken; ca 0,5 bestes Gleiten; ca 0,1 min.
geringstes Sinken: 0,265 m/s bei 510 g; 0,365 m/s bei 1020g
bestes Gleiten: 20,0 bei 510 g; 24,5 bei 1020 g
Schwerpunkt: siehe post # 346
Die Unterlagen für das Modell wurden im Aug. 2000 veröffentlicht, und die Daten, in den paar Jahren die seither vergangen sind, praktisch ausreichend oft bestätigt.
Hier noch die von mir angenommenen Fluggeschwindigkeiten und die typischen Werte für einen zusätzlicher Flugzustand, der gerne als Auslegungspunkt für Allround-Segelflugmodelle angenommen wird, das wäre CA 0,4. Als Fluggewicht habe ich nur die unballastierte Variante angenommen, also 510 g.
Fluggeschwindigkeit beim geringsten Sinken CA 0,7: 5 m/s
Fluggeschwindigkeit beim besten Gleiten CA 0,5: 8 m/s
Fluggeschwindigkeit im Auslegungspunkt CA 0,4: 8,7 m/s
Angenommenes Sinken bei CA 0,4: 0,48 m/s
Angenommenes Gleiten bei CA 0,4: 18
Wie oben bereits erwähnt gab es heute am Hang Bereiche und Zeiten in denen Aufwinde herrschten und es gab mehr oder weniger starke Abwinde die das Modell möglichst verlustarm überstehen musste.
Da das Modell in den Aufwinden steigt und dies positiv zur Flugzeit beiträgt sage ich hier mal zur Vereinfachung das ist geschenkte Energie und einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, das war deshalb nicht Bestandteil meiner Rechnungen.
Nach Deinen hier veröffentlichten Behauptungen bleibt ein Modell ohne Aufwinde immer dann am längsten in der Luft wenn es mit der besten Sinkleistung fliegt und kommt immer dann am weitesten wenn es mit dem besten Gleiten fliegt.
Ich möchte hier aufzeigen dass dies nur ein Spezialfall ist der dann gilt wenn man das eigentlich gar nicht so dringend braucht, nämlich in ruhender und aufsteigender Luft.
Ich denke wir können uns darauf einigen, dass ein Segelflugmodell das durch Luft mit vertikalen Bewegungen fliegt, also durch Auf- und Abwinde, möglichst in den Aufwinden fliegen sollte um lange Flugzeiten zu erreichen.
Gerät man in Abwinde, dann kann man darin weiter fliegen und auf den nächsten Aufwind warten, wie Du es in dem ganz oben zitierten Post vorgeschlagen hast, oder man kann versuchen aktiv den nächsten Aufwind anzusteuern, der prinzipiell irgendwann irgendwo außerhalb des Abwindfelds kommen muss.
Für die Rechnungen habe ich angenommen dass in dem Beispiel eine Flughöhe von 30 m zur Verfügung steht bevor das Flugmodell den Boden berührt.
Für diese Flughöhe habe ich die Flugzeiten und Flugstrecken ermittelt, die sich bei unterschiedlichen Abwindgeschwindigkeiten und Flugzuständen aus dem abfliegen dieser 30 Höhenmeter ergeben.
1, ruhende Luft, Auf- und Abwindgeschwindigkeit ist Null.
1a, Flugzustand CA 0,4: Flugzeit 30 m / 0,48 m/s = 62,5 Sekunden
Flugstrecke 62,5 s * 8,7 m/s = 543,75 m
1b, Flugzustand bestes Gleiten CA 0,5: Flugzeit 30 m/ 0,4 m/s = 75 Sekunden
Flugstrecke 75 s * 8 m/s = 600 m
1c, Flugzustand geringstes Sinken CA 0,7: Flugzeit 30 m/ 0,265 m/s = 113 Sekunden
Flugstrecke 113 s * 5 m/s = 566 m
In ruhender Luft sieht man das was man beim Messen ermitteln kann, das Flugzeug fliegt beim geringsten Sinken mit 113 Sekunden am längsten und beim besten Gleiten mit 600 m am weitesten. Fliegt man schneller, dann macht sich bei Strecke und Zeit ein deutlicher Leistungsverlust bemerkbar.
Wie sieht es nun aus wenn das Flugzeug in ein Abwindfeld gerät?
Ich fange zunächst mit einem leichten Saufen von 0,5 m/s an, das ungefähr eine Verdopplung des Eigensinkes bedeutet. Die Abwindgeschwindigkeit kommt zum Eigensinken dazu.
2, fallende Luft, Abwindgeschwindigkeit 0,5 m/s.
2a, Flugzustand CA 0,4: Flugzeit 30 m / 0,98 m/s = 30,6 Sekunden
Flugstrecke 30,6 s * 8,7 m/s = 266 m
2b, Flugzustand bestes Gleiten CA 0,5: Flugzeit 30 m/ 0,9 m/s = 33,3 Sekunden
Flugstrecke 27 s * 8 m/s = 216 m
2c, Flugzustand geringstes Sinken CA 0,7: Flugzeit 30 m/ 0,765 m/s = 39 Sekunden
Flugstrecke 39 s * 5 m/s = 196 m
Was ist den jetzt los, das Flugzeug fliegt im geringsten Sinken immer noch am längsten, legt aber die größte Strecke nicht mehr beim besten Gleiten zurück, sondern trotz der schlechteren Flugleistung bei einer höheren Fluggeschwindigkeit?
Damit kommt das Modell mit der höheren Fluggeschwindigkeit nicht nur schneller aus einem Saufgebiet raus als mit geringstem Sinken, es legt dabei auch noch mehr Strecke für die Thermiksuche zurück.
Nächster Fall, stärkeres Saufen von 1 m/s das ist im Vergleich zu einigen der heutigen Abwindfelder noch sehr moderat.
3, fallende Luft, Abwindgeschwindigkeit 1,0 m/s.
3a, Flugzustand CA 0,4: Flugzeit 30 m / 1,48 m/s = 20,3 Sekunden
Flugstrecke 20,3 s * 8,7 m/s = 176 m
3b, Flugzustand bestes Gleiten CA 0,5: Flugzeit 30 m/ 1,4 m/s = 21,4 Sekunden
Flugstrecke 21,4 s * 8 m/s = 171 m
3c, Flugzustand geringstes Sinken CA 0,7: Flugzeit 30 m/ 1,265 m/s = 23,7 Sekunden
Flugstrecke 23,7 s * 5 m/s = 118 m
Der Trend dass es im Saufen günstig ist schneller als mit der besten gemessenen Flugleistung des Modells zu fliegen weil man damit schneller aus dem Saufgebiet raus kommt und dabei mehr Strecke bei der Thermiksuche zurück legen kann setzt sich fort.
Deshalb ist die oben zitierte Allerhopp-Flugtaktik für das Abwarten bis zur nächsten Ablösung nicht besonders günstig, es ist effektiver zu versuchen Abwindfelder mit deutlich höherer Geschwindigkeit als der des besten Gleitens zu verlassen.
Ob man dann die hoffentlich neu gefundene Thermik eher für lange Flugzeit oder für den schnelleren Flugspaß nutzen möchte bleibt ebenso dem eigenen Geschmack überlassen wie die dabei bevorzugte Schwerpunktlage und auf welche Flugzustände man sein Modell einstellen möchte.
So, jetzt ist Feierabend.
Gruß,
Uwe.