Die Entstehung des Auftriebs...

Ulrich Horn

Moderator
Teammitglied
Hallo Helmut,

jein.. nicht das, was ich meine. Mit 'theoretischer Physik' liegst Du richtig.. hab' ich auch immer vermieden, bis ich beim letzten Ausweichversuch vor der Diplomarbeit die Kurve nicht gekriegt hab' ;)

Eine Feldtheorie besteht darin, jedem Raumpunkt einen (Kraft-) Vektor zuzuordnen. Das ist nur in erster Näherung einfach, z.B. im Fernfeld bei Zentralfeldern. Hat der Raumpunkt eigene Eigenschaften wie die Luft (Gewicht, Trägheit), ist die Raumeigenschaft ein Tensor.

Man nähert sich einer solchen Theorie, indem man einen 'Probekörper' (ein Luftmolekül) unter verschiedenen Bedingungen beobachtet. Für laminare Strömungen ist das sicher auch kein Problem; ich nehme an, dass viele Profilprogramme die Isobaren und damit die makroskopischen Kräfte geometrisch berechnen.

Bei Ablösungen wird jedoch Luft in Rotation versetzt, was Energie kostet und die nahen Isobaren verwirrt. Das sind dynamische Effekte, d.h. der Feldtensor muss ebenfalls mehrdimensionale dynamische Komponenten enthalten und ist somit keineswegs trivial.

Hätte man einen solchen Feldtensor aber einmal entwickelt, müsste eine Abbildung zwischen diesem Tensor und jeder Profilform möglich sein. Damit wiederum wäran alle Eigenschaften des Profils berehenbar (innerhalb der Gültigkeit der Tensorfunktionen).

Grüße, Ulrich Horn
 
Hi..

"Feldtheorien" hmm. Ist ne Frage der Namensgebung.
Zur Erklärung (die Profis mögen mir den off-topic und die unpräzisen Formulierungen verzeihen).

Die einfache Potentialtheorie ist eine klassische Feldtheorie, die mathematisch ähnlich aufgebaut ist wie die Theorie der (stationären) Magnetfelder oder elektrischen Felder (also keine elektroDYNAMIK..).
Damit kann man schon ganz nett einiges anfangen, die gesamte Traglinientheorie basiert zum Beispiel darauf, und die ist bekanntlich ein sinnvolles Werkzeug. Die Potentialtheorie hat nur ein paar Probleme, denn sie kann folgende wichtige Strömungseffekte NICHT vorhersagen:

-Reibung
Mann kann aber als gute Näherung irgendwo einen Trennstrich zwischen Grenzschicht (direkt am Körper, Reibungsbehaftet, KEINE Potentialströmung) und potential-Aussenströmung ziehen.

-Kompressibilität
gut, wird die meisten Modellfieger nicht betreffen. Die vollständige Potentialgleichung (hässliches Teil) kann bedingt Transsonik vorhersagen.

Heutzutage stürzen sich viele Aerodynamiker auf die Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen, welche
all diese Effekte berücksichtigen. Die Rechenverfahren werden auch Feldverfahren genannt, da sie das gesamte Strömungsfeld ausrechnen (müssen), um z.B. Profilkräfte vorhersagen zu können. (im gegensatz zum Potentialverfahren, Panelverfahren etc, welches nur die Körperoberlfäche betrachten muss) Mit den "Feldern" aus der theoretischen Physik hat das aber weniger zu tun.
Diese Verfahren sind extrem Rechenzeitintensiv und schlagen sich mehr schlecht als recht mit dem Turbulenzproblem rum, so dass fuer Modellfuganwendungen gekoppelte Potential/Grenzschuchtverfahren a la Eppler, Xfoil etc. sehr viel effizienter (und wohl auch genauer) sind.

Das, was du mit dem "Probekörper Luftmolekül" angesprochen hast, gibt's in der Aerodynamik auch.
Während die Navier-Stokes-Geschiche ein Kontinuums-Ansatz ist, werden bei den sog. Lattice Gas verfahren "Partikelzustände" an verschiedenen Raumpunkten angenommen und deren gegenseitige Austauschmechanismen modelliert. Manche Leute sehen darin einen "neuen Weg" aus der Sackgasse, in der die Turbulenzmodellierung bei Navier-Stokes-Rechnungen steckengeblieben ist.

Geht grob gesagt in Richtung Monte Carlo Simulation.

Soweit mal ein kleiner off-topic exkurs.

mfg
FF

[ 16. September 2002, 08:23: Beitrag editiert von: FlugFisch ]
 
Guten Tag!
Ich habe diesen hochinteressanten Thread mit großem Interesse verfolgt und hätte dazu noch ein paar Rückfragen.

Gelten die genannten physikalischen Gesetzmäßigkeiten auch für zb. Propeller oder Rotorblätter, also sich kreisförmig bewegende Flächen?

Ein, mit einem bestimmten Winkel, angestelltes Flächenprofil erzeugt doch nicht nur Auftrieb, sondern durch die Anströmung entsteht doch auch -ähnlich Propeller oder Rotoren- ein "Luftstrom" der die Fläche nach oben drückt. Ist diese Komponente vernachlässigbar?

Um nun zu kreisförmig drehende/bewegende Flächen zu kommen. Welche Komponente ist hier hauptsächlich für Auf- oder Vortrieb zuständig? Der entstehende Luftstrom (Strahl nach hinten oder unten) oder der Auftrieb des Profils?

Eine Frage habe ich noch zum Schluß:
Die genannten Links -auch ander hier im Forum- zeigen immer nur auf Daten von reinen Flächenprofilen. Gibt es denn keine Infos für Propeller- oder Rotorprofile?
Ich auch schon von anderer Seite gehört das diese kaum vollständig zu berechnen sind. Stimmt das wirklich? In der heutigen hochtechnisierten Computerzeit kann ich mir das nur sehr schwer vorstellen.

Sollte ich mit meinen Fragen die Thematik gesprengt haben, bitte ich um Entschuldigung.
Bin noch "neu" hier und muß mich erst "einleben".

Vielen Dank im Voraus!
M. Hitachi
 
Hallo, M. Hitachi!

Also zunaechst mal zu dieser Geschichte mit dem "Auftrieb" und dem "Luftstrom"...
diese beiden Groessen sind jeweils FEST zueinander zugeordnet. Ohne den Auftrieb kein Luftstrom und umgekehrt. Die "Staerke" des "Luftstroms" ist ein direktes Mass fuer den Auftrieb selbst, d.h. der Abwaertsimpuls der Nachlaufstroemung ist genau gleich gross wie der Auftrieb. In manchen WIndkanaelen vermisst man deshalb lieber die Nachlaufstroemung und bestimmt daraus den Auftrieb, anstatt den Auftrieb direkt (als Kraft) zu messen.


So, und nun zu den Rotoren/Propellern.
Die Berechnung eines kompletten Propellers ist heutzutage durchaus mit recht brauchbarer Genauigkeit moeglich. Dazu gibt's verschiedene Verfahren, z.B. den recht bekannten Larrabee-Algorithmus, oder die klassische Blattelemententheorie.

Bei Hubschrauberrotoren wirds schon deutlich schwieriger, v.A. im Vorwaertsflug. Dann darf man die Aerodynamik nicht mehr von der Strukturdynamik trennen, da die Blatt-Eigenbewegung (schlagen, SChwenken usw..) eine sehr enge Wechselbeziehung mit den Luftkraeften hat.
Wir KOENNEN sowas heutzutage rechnen. Zum EInen gibts dazu die erweiterte Blattelemententheorie, bei der viele "Tuning-Parameter" aus ERfahrungswerten eingestellt werden. Sowas laesst sich schon auf nem PC loesen. Will man das Problem aber umfassend "erschlagen", sind andere Verfahren erforderlich, die ein vielfaches an Rechenzeit benoetigen.
Um einen Vierblattrotor genauer durchzurechnen, braucht man fuer die Simulation einer einzige Rotorumdrehung auf einem der schnellsten Rechner Deutschlands ganz schoen viel Resourcen:

gut 4GB Hauptspeicher, 8 Prozessoren, mehrere Stunden Rechenzeit. Also eine Materialschlacht, die fuer uns Modellflieger unnoetig und unerreichbar ist.

Es gibt einige brauchbare Theorien, mit denen man "zu Fuss" Rotoren und Propeller "berechnen" kann. Das sollte uns eigentlich genuegen.

mfg
FF
 
Aber wie ist das bei gleichmäßig geschwungenen Tragflächen wie bei den Kunstfliegern?

Ich dachte immer, der Auftrieb kommt vom Unterdruch auf der Tragfläche, weil die Luft dort schneller um die Oberfläche läuft als unten, wo sie gerade ist.

Die Kunstflieger haben aber doch beide Seiten gleichmäßig geschwungen. Wo soll jetzt da noch der Auftrieb herkommen?
 
Hallo FlugFisch,

danke für die umfassende Erklärung. Obwohl ehrlich gestanden, mir der direkte Zusammenhang von "Luftstrom" und "Auftrieb" bei Propeller und Rotoren (noch) nicht so ganz klar ist.
Wie ist das dann eigentlich mit einfachen Platten als Prop. od. Rotor? Hier wird doch auch ein Luftstrom erzeugt der (vielleicht?) ausreichen würde um ein Flugzeug zu "ziehen" oder einen Hubschrauber zu "heben". Oder bin ich da auch auf dem Holzweg?
Daher eine kurze Nachfrage:

Zitat von Dir: "... Es gibt einige brauchbare Theorien, mit denen man "zu Fuss" Rotoren und Propeller "berechnen" kann. ..."

Gibt es da im Internet irgendwo Infos zum Thema?
(Möglichst Deutsch, mit Englisch habe ich leider etwas Probleme)

Ich hoffe ich sprenge nun nicht das Thema. Wenn doch. Entschuldigung!

Viele Grüße.
M. Hitachi

[ 27. September 2002, 09:07: Beitrag editiert von: hitachi ]
 
Hi

@gopper0815:
Es gibt eben beim Profil zwei Arten, Auftrieb zu erzeugen:
Das, was viele irrefuehrenderweise fuer den wichtigsten Punkt halten ist die Woelbung des Profils (genau das, was das symmetrische Kunstfliegerprofil NICHT hat). Wenn aber nur die Woelbung fuer den Auftrieb verantwortlich waere, wuerde er ja bei derselben Geschwindigkeit immer denselben Auftrieb liefern, da die Woelbung (ausser bei Klappen) ja unveraenderlich ist. Dann koennt man aber z.B. keinen Looping fliegen. Also muss es noch eine andere Sache geben: den Anstellwinkel. Und das funktioniert dann auch beim symmetrischen Profil, welches, sobald es mit einem Anstellwinkel angestroemt wird, zwar symmetrisch bleibt, aber die umgebende Stroemung (Stromlinienbild..) ist nicht mehr symmetrisch und kann damit Auftrieb erzeugen. Ist zwar nicht sehr wissenschaftlich ausgedrueckt, trifft's aber.

@hitachi:
Du musst dich von dem Gedanken verabschieden, dass der Luftstrom durch seine reine Anwesenheit irgendeine Kraft erzeugt. In der (reibungsfreien) Aerodynamik wirken (Auftriebs)Kraefte IMMER als Druecke, die auf irgendeine Flaeche wirken. Die Flaeche ist das Profil, die Druecke eben die lokalen Druecke in der Stroemung.
Wenn (durch welchen Effekt auch immer, das spielt keine grosse Rolle) irgendwo an einem Profil oder in einem Medium eine Druckdifferenz vorliegt, wird eine Stroemung entstehen, die versucht, diese Druckdifferenz auszugleichen. Die Staerke dieser Stroemung haengt direkt mit den entstehenden Kraeften zusammen.

Man sollte sich einfach von dem Gedanken verabschieden, dass der Auftrieb dadurch erzeugt wird, dass

-eine Druckdifferenz auf Ober-und unterseite herrscht
-eine Abwaertsstroemung entsteht
-das Profil eine Zirkulation hat (Wirbeltheorie)

und so weiter. Keine dieser Aussagen ist FALSCH, sie beschreiben alle DASSELBE und koennen auch ohne viel Aufhebens mathematisch ineinander uebergefuehrt werden. Es ist lediglich ne Frage der Betrachtungsweise.

Also:
Bekannte Nachlaufstroemung (z.B. Rotorabwind) --> bekannter Schub!

Bekannte Druckverteilung auf dem Profil --> bekannter Auftrieb (und bekannte Nachlaufstroemung) usw.

alles klar?

FF

p.s. deutschsprachige Seiten zum Thema Propellerschub usw. hab ich jetzt auf die Schnelle keine vorliegen.
 
Hallo FlugFisch !
DANKE !
Langsam dämmerts. :) Und. Wenn es nur englischsprachiges gibt, naja probiere ich es halt mal. Könntest Du mir da etwas empfehlen?
Flächen- Profilinformationen gibt es anscheinend wie Sand am Meer. Über Propeller oder Rotoren habe ich jedoch noch nichts gefunden.

Nochmal Danke!
Viele Grüße.
M. Hitachi
 
Hi..
es gibt halt einen Haufen Zeuch im Netz, aber was "Laienverstaendliches" ist nicht immer so easy zu finden.
Teste mal folgendes:

http://www.helis.com/howflies/bet.htm
http://www.eng.upm.edu.my/~aao/week3/week3.htm
http://www.aeromech.usyd.edu.au/aero/propeller/prop1.html
(da gibt's auch ne Code zum Download).

http://www.grc.nasa.gov/WWW/K-12/airplane/propth.html

Leider ist die Hepperle-Seite noch immer nicht wieder da... dort gab's auch einiges.

und Bemueh' Google mit den Begriffen

Blade element theory

Momentum theory propeller

mfg
FF
 

haschenk

User †
Hallo zusammen,
zum zuletzt angesprochenen Punkt -Propeller- kann ich auch noch Einiges sagen. Genauer gesagt, zur Literatur dazu.

Für diejenigen, die englisch können, ist folgendes eine hervorragende Adresse und einmalige Fundgrube:
http://naca.larc.nasa.gov/
Das ist der NASA-Server, auf dem Berichte des ehemaligen NACA aus den Jahren 1918-1958 abgelegt sind. Zu Thema Propeller gibt es dort jede Menge zum kostenlosen download, vom einführenden Beitrag bis zu Theorie nach Theodorsen. Dort Suchmachine bemühen, Suchbegriffe "airscrew" oder "propeller".

Generell noch ein Tip zur Suche im angelsächsischen Raum (ausgenommen der o.e. Server): Unter "propeller" versteht man dort meistens Schiffspropeller, deshalb besser "airscrew" als Suchbegriff verwenden.

Deutschsprachige Literatur zum Propeller:
Da wird es echt eng, fast alle Bücher etc. sind vergriffen und/oder nicht mehr neu aufgelegt. Bei Uni-Bibliotheken o.ä. kann man die Sachen evtl. noch finden.

1.
F. Weinig, Aerodynamik der Luftschraube, Verlag Springer 1940.
"Klassiker" der deutchen Luftschrauben-Literatur, stark Theorie-lastig. Gelegentlich noch antiquarisch zu bekommen, sonst in Bibliotheken.

2.
F. Dubs, Aerodynamik der reinen Unterschallströmung, Birkhäuser-Verlag.
Vergriffen, wurde seit Jahren nicht mehr neu aufgelegt. Entgegen dem Titel, der "hochgestochene" Theorie erwarten läßt, ein gut lesbares und Praxis-orientiertes Buch. Darin gibt es ein brauchbares Kapitel zum Propeller.

3.
H. Schulze, Luftschrauben für Modellantriebe, VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin
Aus der ehemaligen DDR, nur noch antiquarisch oder in Bibliotheken erhältlich. Beschränkt sich auf die halbempirische "Beiwert-Theorie", aber dafür auch Anleitung zur Propellerherstellung in der Praxis. Zumindest als Einführung in das Thema gut geeignet.

4.
Lnenicka/Janovec, Aerodynamik der Motorflugmodelle, Verlag für Technik und Handwerk (vth), Baden-Baden
In diesem Buch gibt es ein zumindest zur Einführung ganz gut geeignetes Kapitel zum Propeller. Dieses Buch sollte noch erhältlich sein.

5.
Von mir gab es 4 Beiträge zum Propeller für Modellflieger im ehemaligen "FMT-Kolleg";

H. Schenk, Grundlagen zu Modellpropellern, FMT-Kolleg Nr. 10/1991

H. Schenk, Propellerberechnung mit experimentellen Beiwerten, FMT-Kolleg Nr. 11/1991

H. Schenk, Entwurf von Optimalpropellern, FMT-Kolleg Nr. 14/1992

H. Schenk, Berechnung von Propellern mit gegebener Geometrie, FMT-Kolleg Nr. 21/1997

In diesen 4 Beiträgen ist eigentlich alles drin, von der Einführung bis zur Blattelement-Theorie, was für interessierte Modellflieger von Interesse und nachvollziehbar ist.

Wenn man es schaffen würde, den vth zum Nachdruck (als Sonderdruck) dieser 4 Beiträge zu bewegen, dann wäre das fast das Ideal. Zusammen sind es etwa 200 Seiten, eigentlich schon ein Buch.

Englischsprachige Bücher gibt es jede Menge, aber mehr oder weniger gut (auch auf Preis achten, die wirklich guten sind teuer). Suchmaschine bemühen, auch z.B. bei Amazon oder BOL.

Speziell für Heli-Rotoren gibt es auch noch Literatur, hauptsächlich in englisch, die lasse ich hier mal weg.

Gruß an alle,
Helmut

[ 28. September 2002, 01:27: Beitrag editiert von: haschenk ]
 
Ansicht hell / dunkel umschalten
Oben Unten