„Schäl söße misch…?"

"Pilot siehst Du schlecht?...“

von Jürgen Rosenberger und Martin Bedersdorfer​


…kreischt der Hotti, bevor er krachend in die sorgfältig restaurierte Hütte des MSC Modellhinüber einschlägt.

Der Irrtum

Ein Lieblingsspruch meiner Mutter aus Kindertagen, wenn ich mal wieder das Gemüse verschmähte: "Iss Möhrchen oder hast Du schon einmal einen Hasen mit Brille gesehen?" Mutters Sentenz - halb witzig, halb ernst gemeint - hinterließ unterschwellig in mir die Überzeugung, ich sehe gut, esse ich doch Möhrchen!

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Das Problem

Klaus, ein alter Fliegerkollege, wir kennen uns seit vielen Jahrzehnten - wirft meinen Hotliner in die Luft. Ich steuere den Pro Limit im 70°-Winkel himmelwärts, nehme nach 70 m, nicht etwa wie früher nach 250 m - 300 m das Gas raus und beginne zu kreisen. Nach einiger Zeit, Klaus steht rechts hinter mir, raunt er: „Sag mal, was steuerst du da, siehst du nicht richtig?“ Ich bin wie vom Donner gerührt, begreife aber sofort, dass mein Co-Pilot ins Schwarze getroffen hat. Noch während der Hotty seine Bahnen zieht, wenden sich meine Gedanken Vergangenem zu: Erfüllte es mich nicht stets mit Stolz, meine Modelle - oft gegen den Rat der Fliegerkollegen - weit weg, in großer Höhe mit hoher visueller Sicherheit steuern zu können? Warum ließ ich in den vergangenen zwei Jahren meine große Pitts unter fadenscheinigen Begründungen - zu windig, zu kalt – zu Hause? Hatte nicht Else, Ehefrau und nervensägender Gesundheitscoach mit ihrem Gespür für Reales ähnliche Vermutungen geäußert, als wir nächtens Auto fahrend aus dem Urlaub kamen? Damals wischte ich Vermutungen bezüglich einer Sehkraftminderung vehement zur Seite. Jetzt aber dämmert in mir die Erkenntnis, da ist was dran.

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Die Problemlösung

Zu Hause angekommen, mache ich Else zarte Andeutungen über den Vorfall, als diese schon los poltert: „ Sage ich dir nicht schon seit Wochen, du musst zum Augenarzt!“

Am kommenden Morgen greift mein Goldstück zum Telefon, vereinbart einen Termin bei Frau Dr. K., einer befreundeten Augenärztin. Die Dinge nehmen ihren Lauf. Natürlich übertrifft die Untersuchung meine Befürchtungen, die Linsen meiner Augen sind getrübt, zusätzlich bestehen unliebsame Auflagerungen auf der Netzhaut. Frau Doktors Empfehlung:

„Operation!.“ Die anstehenden Eingriffe sind diffizil, ärztliche Qualifikation gefordert. Wochen später finde ich mich in der hoch renommierten Augenklinik Sulzbach/Saar ein. Die bisherigen Untersuchungen werden vollumfänglich bestätigt, beide Augen sind im Versatz von sechs Wochen nacheinander zu operieren.

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Das Ergebnis

Inzwischen habe ich alles über mich ergehen lassen und bin von einer Mischung aus Demut und Begeisterung erfüllt. Beim morgendlichen Frühstück stellt Else triumphierend fest, dass ich keine Deckenbeleuchtung mehr benötige. Die Lesebrille ist in ihrer Stärke halbiert. Autofahren, seit Jahrzehnten nur mit Brille möglich, gelingt ohne Sehhilfe. Nun aber zum Wichtigsten: Die Prüfung meines Sehvermögens anlässlich ausgiebiger Testflüge auf dem Vereinsplatz übertrifft meine höchsten Erwartungen. Ich benötige zwar eine Sonnen-, es besteht eine deutliche Lichtempfindlichkeit, aber keine Fernbrille, mit anderen Worten: Mit Adlerblick lenke ich stressfrei meine Modelle – fast wie ein Junger!

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Die Botschaft

Warum wende ich mich mit einem vermeintlich so persönlichen Problem an ein modellflugbegeistertes Publikum? Die Antwort: Liebe Freunde und Freundinnen, viele von Euch dürfte es betreffen, Ihr wisst es nur nicht oder verdrängt es! Lasse ich die letzten drei Jahrzehnte meines Fliegerlebens Revue passieren, fallen mir zahlreiche Vereinskollegen ein, die irgendwann unter Absingen wenig überzeugender Erklärungen aus der Fluggemeinschaft entschwanden. Aus heutiger Sicht hege ich den Verdacht, nicht selten wurde der eigentliche Grund, eine nachlassende Sehkraft, verkannt, nicht eingestanden. Vielleicht fehlte auch in Ermangelung einer wachsamen und zupackenden Ehefrau die Entscheidungshilfe. Versteht diesen Artikel als Weckruf, lasset Eure Augen lieber einmal zu viel überprüfen, Möhrchen essen ist keine Option!

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Aus der Sicht des Fachmannes Martin Bedersdorfer,
Assistenzarzt Augenklinik Sulzbach, Knappschaftsklinikum Saar.

Sehkraftverschlechterungen fallen oftmals erst verspätet auf. Sehr häufig handelt es sich hierbei um die altersbedingte Trübung der Linse, den grauen Star. Symptome sind vor allem ein unscharfes Sehen, aber auch reduzierte Kontrastwahrnehmung und Blendempfindlichkeit, zum Beispiel beim nächtlichen Autofahren.​

Der Altersgipfel der Kataraktoperation in Deutschland liegt etwa beim 70. Lebensjahr. Im Prinzip bekommt jeder Mensch den grauen Star, er muss nur alt genug werden. In den allermeisten Fällen verläuft die Operation sehr unkompliziert, ein klares Sehen ist danach wieder möglich. Nun ist aber nicht nur eine klare Linse für ein gutes Sehen maßgeblich, sondern auch eine gesunde Netzhaut. Die oben beschriebenen Ablagerungen auf der Netzhaut werden in der Fachsprach als "epiretinale Gliose" bezeichnet und führen zur Verziehung der Netzhaut. Dadurch tritt ebenfalls eine Minderung der Sehschärfe auf, außerdem wird die Umwelt verzerrt wahrgenommen. Der Augenarzt bezeichnet dieses verzerrte Sehen als Metamorphopsien, letztere können mit dem Amsler-Gitter-Test geprüft werden.​

Hierbei handelt es sich um ein kariertes Gitter-Muster, ähnlich wie der karierte Schreibblock aus Schulzeiten, mit einem Punkt in der Mitte. Zur Testung wird vom Patienten der Punkt in der Mitte fixiert, er sagt dann, ob ihm die Linien gerade oder wellig erscheinen. Der Test eignet sich zur Diagnostik von Erkrankungen der Makula, der Bereich, mit dem wir am schärfsten sehen und der Sehgrube in seiner Mitte.​

Den Test kann man sich aus dem Internet herunterladen und durchführen. Nun gibt es zahlreiche Erkrankungen, die die Makula beeinträchtigen können. Wenn die epiretinale Gliose ein bestimmtes Stadium erreicht hat, kann diese über eine minimalinvasive Operation, genannt Vitrektomie, entfernt werden. Wenn parallel dazu der graue Star vorliegt, kann die Operation häufig kombiniert vorgenommen werden.​

Die häufigste Erkrankung der Makula ist die altersabhänige Makuladegeneration (AMD). Zur Früherkennung ist hier der Amsler-Gitter-Test hervorragend geeignet. Die Selbstuntersuchung ersetzt nicht die regelmäßige Untersuchung beim Augenarzt. Wurde eine Erkrankung der Makula bereits diagnostiziert, sollten regelmäßige Selbstkontrollen mit dem Amlser-Gitter-Test durchgeführt und dokumentiert werden.​

Generell wird Ihr behandelnder Augenarzt je nach Ausprägung des Krankheitsbildes die Kontrollintervalle festlegen. Auch bei gesunden Augen empfehlen wir eine augenärztliche Kontrolle alle ein bis zwei Jahre.​


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Eine Anleitung zum Testablauf findet man im Internet. Bei welligen Linien sollte rasch ein Termin beim Augenarzt vereinbart werden.​


Legende zu den Photos: Sie fliegen wieder mit “ Adler-Augen“ fest im Blick dank augenärztlicher Kunst.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das ist bei den Manntagenden strenger geregelt da musst !! du zu einer ausführlichen Augenuntersuchung und mit dessen fachlicher Bescheinigung dann beim Fliegerarzt antanzen. Sonst nix mehr fliegen.
 
Bist du dir da sicher, Claus?

Bei uns in Ö geht jedes mal ein Aufschrei durchs Land, wenn das zum Thema wird. (Meist durch spektakuläre Unfälle älterer Menschen Thema.)

Keiner hat den Mut das durchzusetzen. Und schließlich hören wir, die Augenärzte wären nicht in der Lage, die Menge an FS Gutachten zu stemmen.

Ich bin mittlerweile 23 Jahre Facharzt und höre das seit den 90er Jahren... und was geschah? Nix!
Und so bleibt nur der Rat, zur Vorsorge zu gehen.

Hermann
 

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