Albatros 4 - ein Motorsegler von Schneider-Modell

Ein Postbus bleibt ein Postbus

von Jürgen Rosenberger.​

Schon seit Jahren schaue ich im Internet neidvoll auf Video-Clips von Superorchideen, die, impellergetrieben, atemberaubend großflächige Kunstflugfiguren in den Himmel zaubern. Nun bin ich als Modellbauer alter Prägung darauf programmiert, das Kosten-Leistungsverhältnis in einem überschaubaren Rahmen zu halten und von daher entspricht PNP keinesfalls meinen Vorstellungen.

Daher meine Überlegung: Warum nicht den Versuch wagen, ein auf Funktionalität getrimmtes, selbst gebautes Segelflugzeug mit dieser Aufgabe zu betrauen? Meine Wahl fällt auf den Albatros 4 von Schneider Modell/Kufstein, eine im Grunde hässliche Krähe, betrachtet man die viereckig platte Nase mit aufgesetztem Dreiblattpropeller und den unschön in die Umgebung ragenden dreieckigen Fahrwerksbeinen. Hierauf angesprochen, entgegnete Günther Schneider schwärmerisch: "Ist der Segler erst einmal in der Luft, will er gar nicht mehr landen."

Während Knut Zink in einem früheren Artikel über den propellergetriebenen Albatros berichtete, wende ich mich nun einer Impellerversion zu.

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Der Bau

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„Let´s get physical“ dröhnt aus dem Werkstattradio. Vor mir liegt, angenehmen Holzduft verströmend, ein schwergewichtiger Karton mit gefrästen Spanten, Rippen und Seitenwänden, meist aus Pappel-, vereinzelt aus Buchensperrholz. Auf das Putzen, will sagen, Entgraten und Entfernen der Holzspäne, hat der gute Günther mal wieder verzichtet. Nun gut, das Teil kommt aus Ösiland. Zusätzlich zur stets mitgelieferten Schemazeichnungen mit Nummerierung der Frästeile befinden sich 1:1-Baupläne für Rumpf und Flügelhälften im Karton.

Eines lässt sich schon sagen: 7 kg Lebendgewicht, vom Konstrukteur für den 4,17 m-Segler angegeben, werden kaum unterschritten. Abgesehen von der Beplankung für Flügel und Leitwerke ist Balsaholz für weitere Teile, zum Beispiel für die Rippen der äußeren Flügel, nicht vorgesehen.

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Ich beginne mit dem Aufbau des Rumpfes. In der Seitenansicht – man glaubt es kaum – ein Ansatz von Ästhetik: Eine grazil geschwungene Unterseite am Übergang von der Pilotenkanzel zum Mittelteil, nach hinten dann ein gerade verlaufender Körper, alles aus 3 mm Pappelsperrholz. Zu Beginn einzuleimende Kiefernleisten dienen den deckelartig einzuschiebenden Brettern der Ober- und Unterseite als Auflage. Recht zügig entsteht so ein Rumpf mit Rechteckquerschnitt. Auf ein Problem möchte ich hinweisen: Beim Zusammenbau des 2,17 m langen Rumpfs ist auf einen gradlinigen Verlauf der Längsachse zu achten. Ich darf bildlich auf eine von mir früher beschriebene Überprüfungsmethode mittels Laser verweisen. Man markiert die Mittelinie am Anfang, in der Mitte und am Ende des Rumpfes mit Nadeln und richtet dann die Zelle im Laserverlauf aus. Des Weiteren bietet der rechtwinklig aufgebaute Rumpf die Chance, die Seitenteile ebenfalls über seitlich angestellte 90°-Winkel exakt auszurichten. Am Ende eines Nachmittages steht ein weitestgehend fertiger Rumpf auf dem Arbeitstisch. Das bei der Propellerversion vorgesehene starre Fahrwerk ersetze ich bei meinem Impeller-Albatros durch ein Klappfahrwerk in Fema-Modifikation.


V-Leitwerk

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Die Basis besteht in der Mitte aus einem 3 mm Pappelsperrholzbrett, das oben und unten mit 2,5 mm Balsa zu beplanken ist. Beide Dämpfungsflächen werden in einem Winkel von 108,35° zusammengefügt, ein winkelig passend geschliffener Holzblock (71,65°) wird zur Stabilisierung an der Oberseite aufgeleimt. Zusätzlich verstärke ich das recht große und damit im Flug stark auf Zug belastete Leitwerk an der Unterseite im Auflagenbereich mit 160 g GfK-Matte. Am Rumpfheck wird das Leitwerk auf einem Birkensperrholzbrett verschraubt, dem außen winkelige Leisten (180°-108,35 = 71,65:2 = 35,83°) beigefügt werden. Über der Außenwand erfolgt eine weitere Vergrößerung der Auflagefläche durch überlappend aufgebrachtes Flugzeugsperrholz.


Flügelbau

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Die Flügel haben eine Doppeltrapez-Form mit zusätzlich angedeuteten Ohren. Die Rippen steckt man auf einen Pappelsperrholzkamm, der unten und oben im Flügelknick durch geschäftete Kiefernleisten stabilisiert werden soll. Nachdem ich einmal den Bruch einer Schäftung im Flügelknick erlebt habe, verstärke ich die der Trapezform geschuldeten Übergänge mit Alulaschen. Es folgen die Beplankung mit 2,5 mm Balsaholz, sowie die Aufbringung der Aufleimer.

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Insgesamt halten sich die Schleifarbeiten für Rumpf, Flügel und Leitwerke in Grenzen.


Zubehör

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Zunächst die Frage: Wie lenkt man ein V-Leitwerk an?
Günther Schneider offeriert zwei Varianten der Servomontage: Die Platzierung in Rumpfmitte mit Schubstangenanlenkung der Ruder, alternativ eine Anordnung in den Dämpfungsflächen der V-Leitwerke. Ich weiß es mal wieder besser. Schubstangen in einem 220 mm langen Rumpf – nein danke! Servos in ein 8 mm dickes Leitwerk einzufügen passt mir aber auch nicht, ich bin schließlich Ästhet. Ich wähle Bowdenzüge aus dem Fahrradgeschäft! Im Bastelkeller verlaufen Montage und Funktionsprüfung problemlos. Das V-Leitwerk folgt willig allen Steuerbefehlen. Hätte ich weiter nachgedacht, wäre mir die Überraschung beim Erstflug erspart geblieben:

Die Steuerdrähte müssen nach Austritt aus dem Bowdenzugrohr bis zum Ruderhorn eine Strecke von ~2 cm überbrücken. Die Stabilität des Drahtseiles reichte nicht, unter Flugbedingungen das Ruderblatt nach oben zu drücken. Die Konsequenz: Beim Erstflug 300 m nach Abheben Einschlag, Rumpf zerbrochen, Neubau. Später folge ich Schneiders Empfehlung und baue KST-Servos 215MG in die Dämpfungsflächen ein.

Der Impeller mit Alu-Gehäuse wird auf zwei Massivholzstelzen mit 0° zur Längsachse und mit -3,5° Neigung in Querachse über dem vorderen Drittel der Flügelaufnahme positioniert. Die Rumpfspitze ziert nun ein Balsanäschen. Als besonderen Gag erlaubte ich mir, die Kabinenhaube mit einer dünnen Alufolie zu überziehen. Den Starthaken fertigte ich aus einer unter der Gasflamme zurechtgebogenen M5-Schraube. Das Gegenlager wurde so im Rumpfboden gesichert, dass es den beim Abschuss auftretenden Kräften eines auf 10 kg vorgespannten Gummiseiles standhält.

Auf Lackarbeiten verzichte ich dieses Mal komplett: Erstens mag ich Lackieren nicht, weil die einzige Fliege in Elses sauber geputztem Haus stets auf meinem frisch lackierten Schätzchen Platz nimmt. Zweitens haben Lackierer immer wenn ich ihre Dienste in Anspruch nehme, Zeit und sooooviel Aufträge, dass Wochen und manchmal Monate ins Land ziehen, bis die Arbeit fertig ist! Mein Favorit ist Oracover oder Oratexfolie aus der Lanitz Folienfactory. Das Bügeleisen angeheizt, den Föhn geschwungen, das Messer gezückt und so vergeht bei Chris Barbers Hachepetzermusik der Nachmittag wie im Flug: Kein Schleifstaub, kein Farbengestank, das Maulen der Frau Gemahlin hält sich in Grenzen!

Die Platzierung der beiden 6S 5000er Lipo-Akkus vor dem EZF ist mit dem Vorteil verbunden, dass der Schwerpunkt des Albatros ohne weitere Bleizugaben exakt an der erforderlichen Stelle liegt.

Empfänger, der 120 A YEP-Regler sowie der Empfängerakku finden ihren Platz im Rumpf unter dem vorderen Flügeldrittel.

Alles ist montiert, Fahrwerk und Ruder gehorchen den Funkbefehlen und der Impeller bläst mächtig Staub durch den Bastelkeller. Warum verzichtete ich nur auf die Strommessung?!


Flugerprobung Tag 1 – die Ernüchterung

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Jürgen P. ist der Pilot, Andreas spannt das Gummiseil mit der Zugwaage auf 10 kg und ich verstecke mich hinter der Kamera. Jürgen, der alte Meckerbolzen, mosert gleich beim ersten Probelauf des Impellers: „Der hat ja gar kein Salz!“, was ich, der Erbauer, gar nicht hören will. Nach Prüfung aller Funktionen folgt das Einhängen ans Seil, Impeller halbe Kraft, Freigabe, Anrollen, nach 10 m airborne. Kurz nach dem Abheben zeigt sich, der hat Recht, der Jürgen, das Ding fliegt, aber die gewünschte Power fehlt. Mein Albatröschen schiebt kraftlos durch die Luft, fast wie mein erstes Modell aus den Fünfzigern – ein Gummimotor-Sternchen – um es mit Jürgens Worten zu sagen: „Ich kann ihn gerade oben halten!“ Meine Hoffnung, vielleicht liegt es ja an den beiden Akkus! Landung, Akkuwechsel 2 x 6s/5000 mAh – neuer Start, das selbe Bild! Wenigstens ein Positivum: Als Segler ohne Motorvortrieb erweist sich der Albatros seines Namens würdig, flacher Gleitwinkel, gute Reaktion auf die Ruder, Landeklappen beim Anflug mit super Wirkung – zumindest das stimmt. Frustriert packe ich meine „Klamotten“ ein.

Zuhause angekommen, messe ich nun endlich den Strom – unter 12S sind es nur 48 A statt der erwarteten 120 A wie in der Annonce für den YEP 120A HV (4~14S) Brushless Speed Controller (OPTO) bei Hobby King beschrieben. Andreas leiht mir seinen Hobbywing 130HV-Regler. Mit 12S zieht der Motor unter Volllast jetzt 110 A. Beim Probelauf im Garten bläst das Triebwerk die Wäsche von der Leine. Jetzt aber!

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Tag 2 – na ja! Wieder das gleiche Team. Gummiseil 10 kg Vorspannung, Abschuss, Trossilein fliegt nun mit deutlich mehr Power. Wo aber bleibt der Steigflug in die Stratosphäre, von dem ich in vielen Baustunden im Bastelkeller sitzend träumte?

Im Langsamflug alles bestens, kreisen in der Thermik sehr schön, gute Reaktion auf die Ruder. Gibt man aber „Vollstoff“ und nimmt das Modell Geschwindigkeit auf, dann lässt die Ruderreaktion deutlich nach, enge Kurven sind kaum fliegbar. Nichts von dem, womit sonst die Düsensegler des Internets begeistern. Nix Rolle, nix Kunstflug mit schneller, eleganter Raumausnutzung. Von Flug zu Flug nimmt auch bei mir die Enttäuschung zu.

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Fehleranalyse

Zähneknirschend muss ich mir eingestehen, was ich eigentlich wusste, das Grundkonzept ist falsch. Ein für Thermik ausgelegter Segler ist kein Kunstflug-Power-Hammer, ein Postbus kein Formel-1-Renner. Es rächt sich nun, dass ich mich nie ernsthaft um Flügelprofile gekümmert habe. Zuhause angekommen, kontaktiere ich Günther Schneider in Kufstein mit der Frage, ob er mir nicht einen Flügel mit passendem Profil konzipieren kann. Der bekundet Interesse! Nun wäre es doch gelacht, wenn es nicht gelingen sollte, den teuren CFK-Orchideen mit einer Holz-Leim-Folienkonstruktion in einem überschaubaren Preis-Leistungsverhältnis Paroli zu bieten.
Fortsetzung folgt!
Freunde, wir lösen das Problem!

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Fazit: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Einen solide konzipierten Thermiksegler mit guten Langsamflugeigenschaften mittels einem 12S-Impeller zum Kunstflugrenner zu pressen, ist eine falsche Denke. Im nächsten Schritt plane ich einen Flügel mit verändertem Profil, probieren geht über studieren, Modellsport macht erfinderisch. Den YEP-Regler habe ich an Hobby King zurück geschickt mit der Bitte um Abklärung.



Technische Daten: Albatros 4 von Schneider-Modell
Einheit
Maß - Bemerkung
Spannweite
mm​
4170
Länge
mm​
2170
Fluggewicht
kg​
6,977
Flügelfläche
dm²​
138
Flächenbelastung
g/dm²​
47
EWD
°​
1,5
V-Form
°​
1,5
Weitere Angaben
Schwerpunkt
cm​
2 (hinter Hauptholm)
Servos
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Querruder und Landeklappen: 4 Stück Turnigy ™ 620DMG High Torque - DS / MG 10,6 kg/0,13 s/52 g
Servos
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Höhenruder: 2 Stück KST-Servos 215MG
Impeller
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Ø 90 mm/12S Noname
Regler
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YEP 120A HV (4~14S) Brushless Speed Controller (OPTO) - Hobbywing 130HV
Akku
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12S/5000 mAh
 
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