Der Werdegang und die technische Einrichtung des Dresdner ferngesteuerten Segelflugmodells

Zeitschrift MODELLFLUG nr. 3 1936 1



Der Werdegang und die technische Einrichtung des Dresdner

ferngesteuerten Segelflugmodells



Von Alfred L i p p i t s c h und Egon S y k o r a , Dresden



Während im Ausland schon seit längerer Zeit Benzinmotore zum Antrieb von Flugzeugmodellen Verwendung finden, wurde in Deutschland erstmalig beim vorjährigen Wettbewerb in den Borkenbergen ein Benzinmotor-Flugmodell vorgeführt. Trotzdem das Modell damals keine lange Flugdauer erzielte, war nach den ausländischen Leistungsmeldungen für derartige Modelle doch zu erwarten, dass sich auch die Leistungen der deutschen Benzinmotor-Flugmodelle bald heben würde.

Wenn sich die Dresdner Modellbaugruppe vor den Wettbewerben in den Borkenbergen mit dem Bau von Benzinmotor-Flugmodellen noch nicht befasst hatte, so lag das einmal daran, dass das Dresdner Modellfluggelände zur Dresdner Heide gehört, also für Benzinmotor-Flugmodelle wegen Brandgefahr ungeeignet ist, und zum anderen, dass sich auf diesem Übungsgelände häufig viele Zuschauer befinden, und es sich deshalb nicht verantworten lässt, Benzinmotor-Flugmodelle mit einer Antriebsleistung von mehr als 1/6 PS ohne besondere Vorsichtsmassnahmen zu starten. Wenn ich an all die Unglücksmöglichkeiten dachte, die ein ungesteuertes, irgendwo später landendes Benzinmotor-Flugmodell anrichten kann, stand es für mich fest, dass derartige Modelle nur auf völlig einsamen Geländen gestartet werden dürfen. Oder sollte es als bessere Lösung nicht möglich sein, Flugmodelle drahtlos zu

steuern, damit der Landeort bestimmt werden kann. - Dass die Entwicklung einer solchen Fernsteuerung auch über rein sportliche Ziele hinaus grosse Bedeutung haben

kann, braucht nicht näher erörtert zu werden. -

Als Flugmodellbauer war mir bekannt, dass den elektrischen Anlagen in bemannten Flugzeugen nur wenig Raum und Gewicht zugebilligt werden können, so dass eine Steuerung des Flugmodells nach dem Muster des Zielschiffes „ Zähringen“ nicht in Frage kam. Meine seit Jahren verstaubten Kenntnisse als ehemaliger Funkbastler wieder auffrischend, kam ich zu der Überlegung, dass es vielleicht möglich sei, das Flugmodell über Kurzwellenempfangsapparate zu steuern. Wochenlang beschäftigte ich mich mit diesem Plan und versuchte, einen Weg zu finden, auf dem die durch den Empfänger des Modells aufgefangenen Rufzeichen in Steuerausschläge verwandelt werden konnten.

Meine Überlegungen führten zu folgendem Ergebnis : Es ist sinnlos, ohne fachmännische Beratung Geld in eine Sache zu stecken, deren Erfolg nur von der Verwertung gründlicher Fachkenntnisse und langjähriger Erfahrung abhängt. Da ich jedoch das Problem der Fernsteuerung von Flugmodellen nicht aufgeben wollte, so suchte ich nach einem Fachmann, der mich beraten und mir gegebenenfalls helfen sollte. Diesen Fachmann fand ich in dem mir bis dahin nur flüchtig bekannten Dresdner Studenten Egon Sykora.

Schon bei unserer ersten Unterredung wurde mir bestätigt, dass meine Idee wohl durchführbar sei. Gleichzeitig bedeutete mir Sykora die Schwierigkeit, eine Anlage

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zu entwickeln, die bei geringstem Gewicht dauernd einwandfrei arbeiten soll. Sykora erläuterte mir Verbesserungsmöglichkeiten und stellte soviel Daten für die Herstellung kleinster Einzelteile zusammen, dass ich mir sagen musste, dass ich das gesteckte Ziel nur mit seiner Mitarbeit schnell und sicher erreichen konnte. Bei der Anteilnahme, die er für die Schaffung einer drahtlosen Flugmodellsteuerung zeigte, war es mir nicht schwer, ihn für die Bestrebungen des Deutschen Luftsportverbandes zu gewinnen. Wir trafen uns an diesem Abend als Bekannte und schieden als Kameraden.

Da ich die Absicht hatte, die drahtlose Steuerung an einem Benzinmotor-Flugmodell zu erproben, das im Reichswettbewerb für Motorflugmodelle im Herbst 1936 gestartet werden sollte, so setzten wir als Termin für die Beendigung aller Arbeiten August 1936 fest.

Zuerst galt es, eine Sendeerlaubnis zu erhalten. Am 5. November 1935 wurde sie beantragt und am 1. Februar 1936 erteilt. Erst von diesem Tage ab wurden die praktischen Entwicklungsarbeiten in Angriff genommen.

Als unsere Versuche im besten Gange waren, erhielten wir im Frühjahr 1936 die Ausschreibung des Reichsluftsportführers für den Pfingstwettbewerb für Segelflugmodelle in der Rhön, die für den einwandfreien Flug eines ferngesteuerten Segelflugmodells den Preis von 1500 RM aussetzte. Diese Mitteilung brachte uns einigermassen in Aufregung. Das war eine Summe, von der wir einen Teil für unsere weiteren Arbeiten notwendig brauchen konnten, um nicht immer wieder das ausserordentliche Entgegenkommen der Luftsport-Landesgruppe 7 in Anspruch nehmen zu müssen. Bis zum Rhönwettbewerb standen noch fünf Arbeitswochen zur Verfügung. Eine sorgenvolle Rücksprache mit meinem Kameraden Sykora folgte, und erst als er erklärte : „ wir werden fertig und wenn jede Nacht gearbeitet werden muss“ ,atmete ich auf.

Fieberhaft wurde nun weitergearbeitet. War doch auch noch das Segelflugmodell zu entwerfen und zu bauen. Treue Kameradschaft der Dresdner Modellbauer half auch über diese Schwierigkeiten hinweg. Das Modell war zu Pfingsten auf der Wasserkuppe – und flog !

Über die Entwicklung der Empfangsanlage und über die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, berichtet mein Kamerad Sykora selbst :

Die Arbeiten gestalteten sich von Anfang an schwierig, weil die zu verwendeten Empfänger ausserordentlich klein und leicht sein, dabei aber trotzdem eine hohe Stabilität und Empfindlichkeit besitzen mussten. Die erste Ausführung, die laboratoriumsmässig ohne Rücksicht auf Kleinheit und Gewicht aufgebaut war, zeigte mit vier Röhren die Richtigkeit des elektrischen Prinzips. Ihr Aufbau ist aus der Abb. 2 ersichtlich.

Durch die Anwendung besonderer Schaltungen und Teile gelang es mir bald, die im Siebkreis verwendete Röhre eizusparen und ausserdem die Wirkung der NF. Stufe mit der der HF. Stufe in Reflexschaltung(?) zu vereinen. Dadurch wurde zwar der Aufbau und das Einstellen stark erschwert, aber der Forderung nach Kleinheit und geringem Gewicht Genüge geleistet. Mit diesem Empfänger, der auf Abb. 3 zu sehen ist, gelang erstmalig am 1. Mai die einwandfreie Vorführung der gewünschten Steuerausschläge.

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Es sei kurz der Arbeitsgang im Empfänger geschildert :

Er besteht aus einer HF.Stufe, die mit der NF.Stufe vereint ist, und ausserdem aus einer Schwingstufe, die es ermöglicht, das Modell anzupeilen. Dazu werden in einem NF.Schwingkreis, der mit der Endröhre gekoppelt ist, die für den Siebvorgang nötigen Bedingungen erfüllt. Die von der Antenne aufgenommene HF. wird also zuerst der Endröhre ( Kl.1) zugeführt, um in ihr verstärkt zu werden. Das muss geschehen, da die von der k l e i n e n Antenne aufgenommenen Energien sonst zu schwach wären.

Die so verstärkte HF. wird dem Oszillatorkreis zugeführt und die entstandene Zwischenfrequenz der Endröhre zur weiteren Verstärkung zugeleitet. Die NF. wird nunmehr den Siebkreisen zugeführt, entsprechend getrennt und als Steuerspannung zum dritten Male der Kl.1 zugeleitet. Jetzt erst genügt die Verstärkung, um einwandfrei die Relais zu schalten, die ihrerseits den Arbeitsstrom der Steuerorgane schliessen.

Am Boden stand uns auf der Wasserkuppe ein quarzgesteuerter Sender von maximal 2 Watt Leistung zur Verfügung. Da aber Versuche ergeben hatten, dass die Frequenzkonstanz bei geringer Belastung der nur einen Senderöhre besser war, so arbeiteten wir mit maximal 0,6 Watt. Nun befürchteten wir – wie es sich später als grundlos erwies – dass bei derartig geringen Leistungen die Reichweite zu klein sein könnte. So entschloss ich mich, einen weiteren Empfänger zu bauen,. Dieser besitzt drei Röhren, die Schaltung ist noch komplizierter, aber sein Gewicht kaum grösser als das des Zweiröhrengerätes.

Neben diesen Versuchen, den Empfänger klein und leicht zu halten, liefen die Arbeiten um die notwendige Stromversorgung. Für ihre Grössen und Gewichte trafen dieselben Forderungen wie beim Empfänger zu. Daneben musste aber noch hohe Konstanz der Spannungen und möglichst lange Betriebsdauer verlangt werden. Das verwendete Gerät benötigte gegen 100 Volt Anodenspannung und 2 Volt Heizspannung. Zwei kleine Taschenlampenakkus können reichlich 1 ½ Stunden lang

den Energiebedarf des Gerätes decken. Um die nötige Spannung zu erzeugen, wurde ein kleines Umformergerät mit Spannungsteilern gebaut. Es gelang mir, das Gewicht dieser Anlage bis auf 280 Gramm zu drücken. Die gesamte Apparatur ist trotz der unumgänglichen Verluste mit einer Ladung länger als eine Stunde betriebsbereit, ihr Gewicht einschliesslich Steuerorgane beträgt 1240 Gramm. Sind die Batterien erschöpft, so tritt kein Materialverlust ein, sie werden frisch geladen, um wieder ihren Zweck zu erfüllen.

Bei den Vorversuchen in der Rhön gelang bei etwa 0,4 Watt Senderleistung eine vollkommen zuverlässige Überbrückung von 1550 Metern. Bei dieser Entfernung

wurden die Vorversuche abgebrochen, da wir sonst mit dem getragenen Modell ausser Sicht des Senders gekommen wären und mit unbekannten Absorbtionserscheinungen der Berge hätten rechnen müssen.

Die Sende-, Empfangs- und Steueranlagen waren somit auf einwandfreies Arbeiten geprüft, wie wir auch das Modell unter Zuladung des Empfängergewichts eingeflogen hatten. Einen Start des Modells mit der Fernsteueranlage wagten wir jedoch vor dem Wettbewerb nicht, weil wir bei einer unglücklichen Landung mit

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einem Röhrenbruch rechnen mussten und keine Mittel besassen, den Röhrensatz, der 19 RM kostete, neu anzuschaffen. In der festen Überzeugung, dass die Steueranlage auch in der Luft unseren Erwartungen entsprechen würde, sahen wir dem Augenblick der Startfreigabe entgegen.

Endlich am zweiten Pfingstfeiertag gegen Mittag war es soweit. Durch das etwas feuchte Wetter hatten wir keine günstigen Bedingungen für die elektrische Anlage. Die Windverhältnisse für den ersten Start einer so empfindlichen Apparatur hätten auch besser sein können. Aber was half es. Wir mussten zeigen, dass unser Segelflugmodell nicht nur theoretisch fernsteuerbar war. Der erste Startversuch misslang. Das Modell hatte nicht genügend Fahrt erhalten. Ebenso misslang der zweite Versuch, bei dem das Modell keinen Aufwind erreichte. Beim dritten Versuch flog sich das Modell im Geradeausflug vom Hang frei und führte auf Befehl eine Links- und anschliessend eine Rechtskurve aus. - Niemand der damals anwesenden Fliegerkameraden , die uns beglückwünschten, haben wohl empfunden, was diese beiden auf Befehl geflogenen Kurven für uns bedeuteten. -

Bei diesem ersten Flug konnte beobachtet werden, dass das Modell wahrscheinlich infolge eines Tragflügelverzuges die Neigung hatte, nach rechts zu hängen. Wir leiteten deshalb die Landung ein und brachten nach einer Flugdauer von 45 Sekunden

das Modell etwa 30 Meter seitwärts vom Sender auf den Boden. Nach Ausrichtung des Tragflügels meldeten wir sofort einen neuen Start an. Der vierte Versuch war abermals ein Fehlstart. Nach dem fünften gelang ein Flug von 104 Sekunden Dauer, wodurch der nochmalige einwandfreie Beweis für die sichere Steuerbarkeit unserer Anlage erbracht wurde. Das Modell flog nach dem Start gesteuert ein Stück geradeaus , beschrieb auf Befehl eine Links- und anschliessend eine Rechtskurve, worauf es zwei geschlossene Rechtskreise mit eingelegten ganz kleinen Linksbewegungen ausführte. Die für die kurzen Linksbewegungen erfolgten Steuerausschläge machten sich für die Feststellung notwendig, ob sich das Modell noch im Sendebereich befand. Bei diesem Flug hatte sich unser Modell etwa 700 Meter vom Sender entfernt. Als es sich durch die geflogenen Kurven und die damit verbundene Abtrifft einem Abwindfelde näherte, entschlossen wir uns, die Landung herbeizuführen. Wir steuerten das Modell in genauer gerader Linie auf den Sender zu. Es setzte diesmal etwa 20 Meter unterhalb desselben auf den Boden auf. Trotzdem das Modell fünfmal zum Teil hart gelandet war, wurde dank der festen Bauart und Aufhängung kein einziges Teil der Empfangs- und Steuergeräte beschädigt. Der Empfänger brauchte für neue Starts nicht einmal nachgestimmt zu werden. Es wurde lediglich der abgesprungene Tragflügel und das Höhenruder neu befestigt und eingestellt. Wir haben wertvolle Erfahrungen bei diesen ersten erfolgreichen Flügen in der Rhön sammeln können, so dass wir uns der berechtigten Hoffnung hingeben, schon in absehbarer Zeit hinsichtlich der Vielseitigkeit der Steuerausschläge und der Flugdauer bedeutend höhere Leistungen zeigen zu können.
 
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