Frohe Weihnachten bei Seglers

„Der Tannenbaum ist schief.“
„Er ist gerade.“ Mein mich hoffentlich liebender Ehemann legte den Kopf erst auf die rechte, dann auf die linke Seite.
„Von hier sieht er schräg aus.“ Ich stand an der Wohnzimmertür. „Wenn man hereinkommt kommt, fällt das sofort auf. Was sollen Meiers denn sagen, wenn sie uns besuchen.“
„Was gehen mich Meiers an. Der Weihnachtsbaum ist gerade.“ Er setzte sich in seinen Lieblingssessel. „Wenn ich von hier aus gucke, und hier bin ich ja nun mal die meiste Zeit, ist er gerade. Es ist schon schlimm genug, dass die Zweige in den Fernseher hineinragen.“
„Dann schiebe den Baum doch ein Stück nach rechts“, schlug ich vor.
„Dann ragen die Zweige in die Segel des Bootes und zerreißen sie womöglich.“
„Sag bloß, du willst über Weihnachten dieses Monster hier stehen lassen. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Das wird abgebaut.“
„Es wird nicht abgebaut. Wenn ich hier schon im Wald sitzen muss, dann möchte ich zumindest einen angenehmen Anblick habe. Ich habe es gerade erst fertiggebaut.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust.

Ich stand gerade in der Küche, als ich Sägegeräusche vernahm. Ich ahnte nichts Gutes und rannte ins Wohnzimmer. „Was machst du denn nun schon wieder?“
Mit einem befriedigten Gesichtsausdruck setzte sich mein mich hoffentlich liebender Ehemann in seinen Sessel. „So, jetzt kann ich gucken.“
„Aber du hast ja ein Loch in den Baum geschnitten.“
„Dafür hast du jetzt für die Bodenvase ein paar Zweige übrig. Die hattest du doch sowieso vergessen einzukaufen.“ Er drückte mir die herausgeschnittenen Äste in den Arm. „Und wenn du nachher den Baum schmückst, dann bitte nicht auf der rechten Seite. Womöglich fällt mir noch etwas von deinem Glitzerkram ins Boot.“
Und da Weihnachten das Fest des Friedens und der Ruhe ist, schwieg ich mit zusammengekniffenen Mund, übersah großzügig das viereckige Loch in unserem Weihnachtsbaum sowie die ungeschmückte rechte Seite und knabberte an der Weihnachtsgans. Mit Spannung wartete ich auf die Bescherung, die mich offensichtlich für alles entschädigen sollte, denn es lagen reichlich Päckchen neben dem neuen Segelboot.

„Du kannst schon mal den Tisch abräumen“, sagte mein mich hoffentlich liebender Ehemann gnädig, als wir fertig waren, „ich werde derweil schon mal die Getränke einschütten.“
„Welche Getränke? Ich habe doch noch meinen Wein.“ Ich schüttelte den Kopf.
„Eben. Ich will noch ein wenig nachschütten, damit wir auch anstoßen können. Und wenn du gespült hast und in der Küche fertig bist, darfst du in Ruhe auspacken.“
Eine halbe Stunde später erschien ich verschwitzt im Wohnzimmer. Meinem mich hoffentlich liebender Ehemann war es offensichtlich langweilig geworden, denn er schnarchte vor laufendem Fernseher in seinem Lieblingssessel. Ich schaltete den Apparat aus und legte dafür Weihnachtsmusik in den Player. „So, wir können anfangen.“ Gespannt setzte ich mich hin.
„Musst du so schreien?“ Mein mich hoffentlich liebender Ehemann rieb sich die Augen, dann stand er ächzend auf und überreichte mir ein Päckchen.
Ich wog es in der Hand. „Das ist aber schwer“, sagte ich ein wenig enttäuscht, denn eine Schmuckstück konnte es nicht sein. Vielleicht eine große Flasche Parfum?
„Pack doch mal aus.“ Er schaute mich erwartungsvoll an.
Behutsam öffnete ich die Schleife und löste vorsichtig den Tesafilm vom Geschenkpapier ab. „Was ist das?“ Ich drehte die Schachtel hin und her.
„Akkus natürlich. Für deine Funkmaus. Letztens konntest du deine Story nicht schreiben, weil die Batterie leer war.“
„Aber dafür benötige ich doch nicht gleich ein ganzes Sortiment aller Arten und Größen. In der Funkmaus ist nur eine ganz kleine Batterie und die hält mindestens ein halbes Jahr.“
„Freust du dich denn gar nicht?“
„Doch, doch!“ Ich lächelte gequält.
„Und wenn du die anderen Akkus nicht brauchst, dann kannst du sie mir ruhig geben. Ich finde bestimmt eine Verwendung dafür.“ Er drückte mir erneut ein Paket in die Hand.
„Das ist aber groß“, sagte ich und wickelte gespannt aus. Wieder erschien eine Schachtel. „Was ist das?“ Ich öffnete den Karton.
„Ein Akkuladegerät natürlich.“ Mein mich hoffentlich liebender Ehemann strahlte mich an. „Wenn der Akku für die Funkmaus leer ist, muss er doch wieder geladen werden.“
„Und dafür brauch ich so ein großes Gerät? Da passen ja mindestens zwanzig Akkus rein. Meinst du, dass sich der Aufwand dafür überhaupt lohnt?“
„Aber sicher“, erwiderte er überzeugt. „Und denk mal an die Umwelt. Akkus kann man immer aufladen, wobei du deine Batterien in den Müll geworfen hast.“
„Eine einzige kleine Batterie in einem Jahr. Außerdem kann ich die auch noch abgeben, wenn ich mir nebenan im Laden eine neue kaufe.“ Enttäuscht legte ich den Karton auf den Tisch.
„Du scheinst dich aber gar nicht zu freuen.“ Mein mich hoffentlich liebender Ehemann nahm die Beschreibung aus dem Schachtel und vertiefte sich darin. „Aber wenn du es nicht haben willst, so kann ich es auch nehmen. Du darfst dann auch deinen Akku darin laden.“ Er legte die Beschreibung beiseite, holte ein riesiges Paket hervor und strahlte.
„Für mich?“
„Klar. Ich habe dir doch gesagt, dass du dieses Jahr ganz viel bekommst. Aber packe es vorsichtig aus.“
„Das ist ja ganz leicht?“ Nun kam bestimmt die große Überraschung. Wie ich meinen mich hoffentlich liebenden Ehemann kannte, hatte er bestimmt das kleine Schmuckstück ganz groß eingepackt, damit ich es nicht erraten konnte. Ich riss das Papier auf.
„Vorsichtig!“, schrie mein mich hoffentlich liebender Ehemann, „sonst machst du es kaputt.“
Wie kann man einen Ring oder eine Kette kaputtmachen. Ich lächelte ihn mitleidig an. „Du hättest es aber nicht so groß einpacken müssen.“ Ich rappelte an den Karton.
„Bist du verrückt?“ Er nahm mir den Karton aus der Hand. „Da können Teile rausfallen?“
„Wieso Teile rausfallen?“
Er öffnete andächtig die Verpackung und ich sah erwartungsvoll zu. „Aber das ist ja ...“ mir blieb der Mund offen stehen.
„... eine neue Micro Magic. Freust du dich?“
„Aber ... aber“, ich schluckte. „Ich kann doch gar nicht bauen.“
„Das erledige ich schon für dich“, meinte mein mich hoffentlich liebender Ehemann. „Oder hast du etwa gedacht, dass du das alleine machen musst. Wo denkst du hin.“ Vorsichtig nahm er den Rumpf aus der Schachtel.
„Aber ich kann doch gar nicht mit so einem Ding umgehen.“ Mir traten Tränen in die Augen.
„Nun wein’ doch nicht gleich.“ Mein mich hoffentlich liebender Ehemann blickte kurz auf. „Natürlich werde ich dir helfen. Und wenn du nicht damit segeln willst, dann mache ich das natürlich auch noch für dich. Ist doch Ehrensache.“
Ich schluckte erst meine Tränen und anschließend den gesamten Inhalt des Glases Rotwein hinunter. Mein mich hoffentlich liebender Ehemann packte derweil den Karton aus und schien mich gar nicht mehr zu bemerken.
„Da ist noch ein ganz kleines Päckchen“, sagte ich hoffnungsvoll und schielte unter den Weihnachtsbaum.
„Ach ja. Habe ich fast vergessen. Das ist auch noch für dich. Würde es dir etwas ausmachen, wenn du es dir selbst holst?“ Inzwischen lag der gesamte Inhalt des Kartons auf dem Tisch und um ihn herum verstreut.
Vorsichtig wog ich das kleine Päckchen in der Hand. Also doch.
„Ich weiß aber nicht, was darin ist“, sagte mein mich hoffentlich liebender Ehemann. „Das habe ich auf der Tombola beim Segler-Treff gewonnen. ‚Alles für die Frau’, stand dabei.“
Ich packte aus. „Seife“, sagte ich enttäuscht. „Ich benutze doch gar keine Seife. Ich nehme doch nur meine Waschlotionen.“
Mein mich hoffentlich liebender Ehemann wickelte inzwischen die Segel aus. „Aber das wissen die vom Segler-Treff doch nicht. Du bist aber auch mit gar nichts zufrieden. Es ist wirklich schwierig, für dich das passende Geschenk zu finden. Jedes Jahr das gleiche.“

© Monique Lhoir

[ 23. Dezember 2004, 16:13: Beitrag editiert von: Eric ]
 

Stephan Ludwig

Moderator
Teammitglied
Boah Eric bist Du gemein... oder malt Moni nur schwarz , frauliche Übertreibung eben ?
 
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