Caramba, Caracho ein Delta!
Text und Bild: Jürgen Rosenberger, Redaktion: Stephan zu Hohenlohe
Text und Bild: Jürgen Rosenberger, Redaktion: Stephan zu Hohenlohe
Die Retrowelle boomt. Verspottete man den blonden Heino mit seinem Lied „Caramba, Caracho ein Whisky - Caramba, Caracho ein Gin“ noch in den Achtzigern als Freund aller Omis, ist er heute bejubelter Frontmann im "friesischen" Wacken. Oldie Käfer erzielen beim Verkauf Traumsummen und Gustav Sämanns "Caravelle" und Prettners "Curare" feiern Auferstehung. Irgendwie passt es jetzt ins Bild, dass Siggi Schuster nun ein 80er-Jahre-Delta als Bausatz präsentiert.
Was macht alte Modelle so attraktiv, was hat sich gegenüber früher geändert? Vergessen ist das mühsame Laubsägengewusel alter Tage, stattdessen arbeitet moderne CNC-Technik und liefert sauber gefräste, gewichtsoptimierte Rippen und Spanten, die ohne jede Nachbearbeitung zu verarbeiten sind. Das Motto: Zusammenstecken, mit ein wenig Weißleim, auch er bindet schnell, oder gar Sekundenkleber, schon steht der Rohbau, dessen Fertigung früher Wochen oder gar Monate gedauert hätte.
Nut und Feder
Wenden wir uns dem Bau eines Deltas, wie Siggi Schuster es nennt, im Stile der 80ziger Jahre zu. Die Bauanleitung enthält aussagekräftige Bilder, mit knappen Worten ergänzt, so dass auch der Modellbauanfänger zurechtkommt. Im Nut- und Federprinzip werden Motorspant, Kabinenboden und beidseitige Mittelrippen zur Flugzeugzelle zusammengefügt und verklebt. Anschließend werden die Seitenteile des Deltas mit Rippen aufgefüllt. Ein 1.000-mm-Kiefernholm wird mittig eingefügt. Unter Zuhilfenahme vorgeschnittener Abstandshalter steckt man Rippe für Rippe beidseitig auf. Die Unterlegung der Endleiste mit einer 6-mm-Leiste garantiert einen torsionsfreien Aufbau des Deltagerüstes.
Da sich die Flächen in Richtung Randbogen verjüngen, schiebt man außen jeweils 5-mm-Keile unter, um so den Kiefernholm leicht ansteigen zu lassen. Einfügen der oberen Kiefernleiste sowie die Verkastung mit Balsaholz - natürlich senkrechter Faserverlauf! - sind die nächsten Bauschritte. Ein wenig Aufwand erfordert der Einbau von zwei schräg verlaufenden Leisten im vorderen Fünftel des Deltas. Die gerade gefrästen Nuten in den Rippen müssen angeschrägt werden. Am besten legt man ein Lineal quer über die Rippen, zeichnet sich mit Bleistift die schräg verlaufenden Leisten an und greift anschließend zur Dremel, um nun Rippe für Rippe zu bearbeiten. Die Nutzung einer Feile ist weniger empfehlenswert, da das Pappelsperrholz der durch großzügige Aussparungen erleichterten Rippen zum Brechen neigt. Die Nasenleiste ist dreiteilig und muss so zurechtgeschliffen werden, dass die Beplankung stufenfrei aufziehbar ist.
Verstärkungen
Abweichend von Schusters Vorgaben fertigte ich den Kabinenboden in der vorderen Hälfte nicht aus Balsa- sondern aus Birkensperrholz, das ich innen zudem mit Gewebe verstärkt habe. Der Grund: Die darunter zu platzierende Landekufe erhält später einen Starthaken aus 6-mm-Stahl. Bedenkt bitte, wir bauen ein Impeller-Modell, das mit einem bis auf sechs bis acht Kilo Zug gespanntem Gummiseil abgeschossen wird. Den Abschluss bilden die 2 x 50-mm-Endleisten sowie die Aufleimer. Damit ist die Unterseite, abgesehen vom Verschleifen, fertig. Wir nehmen den Rohbau vom Baubrett und vollenden die Oberseite in gleicher Weise - same procedure as every year.
Da wir, wie bereits erwähnt, ein Impeller-Modell bauen, kann der sonst für den Motor vorgesehene Raum durch die Beplankung geschlossen werden. Er dient später als bitter benötigte Ballastkammer, doch dazu später mehr.
Ein Wort zur Leitwerksgestaltung. Siggi sieht hierfür ein Gerüst aus 5-mm-Balsastäbchen vor, das allein mit Dreikantleisten auf der Balsabeplankung zu befestigen wäre. Mir erscheint das zu "fimschig". Erst neulich beobachtete ich, wie das Delta eines Vereinskollegen zu Schaden kam, weil das Seitenleitwerk, vermutlich als Folge eines Transportschadens, im Einsatz abflog. Ich ziehe es deshalb vor, Schusters Mikado-Konstruktion beidseitig zu beplanken. Dabei die Beplankung nach unten soweit überstehen zu lassen, damit sie breitflächig mit der darunter liegenden Rippe verklebt werden kann. Allerdings muss man zuvor bei der Rippensteckung auf eine strikte Parallelausrichtung der Rippen zur Längsachse - in diesem Falle Rippe 5 beidseits - achten. Ich halte es insofern für erwähnenswert, weil ich dies zunächst unterlassen hatte und daher später nacharbeiten musste.
Problem mit Schwerpunkt
Die Montage des 450 g-90 mm-Alu-Impellers erfolgt am Querholm beginnend nach hinten. Zwei Stelzen aus vielfach verleimtem 10-mm-Buchensperrholz werden mit den Seitenteilen der Flugzeugkabine verschraubt und verklebt. Seitenzug 0°, Sturz 3°. Um einen möglichst geringen Abstand zwischen der Zugachse des Impellers und der Längsachse des Modells zu erreichen, lasse ich den Lufteinlaufring des Antriebs um 5 mm in den Flugzeugkörper eintreten.
Die Schleifarbeiten halten sich in Grenzen. An vier bis fünf Nachmittagen lässt sich Dank guter Vorfertigung das bisher Beschriebene bewerkstelligen. Es folgt die Bespannung mit Oracoverfolie - oben in Ferro-Rot, unten Schwarz-Weiß kariert.
Das eigentliche Problem, ich deutete es oben an, ist der Schwerpunkt. Das 440 g schwere 90er Triebwerk mit Alugehäuse liegt hinter dem Hauptholm, kurz davor ein 130 A-Jeti-Regler, sowie zwei Servos plus Empfänger. Insgesamt bringt das hinter dem Schwerpunkt 750 g auf die Waage. Nach dem Hebelgesetz der Physik kann keiner erwarten, dass der vorn liegende 6S-5.000 mAh-Akku mit 836 g hinreichend Ausgleich schafft. An der Kufe aufgehängt, bei 350 mm, also im Soll-Schwerpunkt, muss Küglein für Küglein, vermischt mit Harz in der Frontkammer versenkt werden, um die vorgeschriebene Schwerpunktlage zu erreicht. Soviel zum Thema Leichtbau.
Erfahrung mit der Propellerversion
Siggi Schuster empfiehlt, die Ruderausschläge zunächst auf +/- 5 mm zu begrenzen und mindestens 50 % Expo zu wählen. Bei einem früheren Flug mit meinem baugleichen Delta mit konventionellem Propellerantrieb überlas ich diese Empfehlung und startete mit 10 mm Ausschlägen ohne Expo. Das Ergebnis: Eine rollengierende Giftnudel von hoher Nervosität. Mit zitternden Knien brachte ich das Modell seinerzeit wieder heil auf den Boden. Vor dem nächsten Start erfolgte eine Verringerung der Ruderwege um die Hälfte und ein Anteil von 50 % Expo. Nun präsentierte sich das Schätzchen als liebliches, aber eben auch langweiliges und behäbiges Lämmlein. Zugegeben, für den Start, bei dem das Delta ohne viel Kraftaufwand aus der Hand frei kam, war das angenehm, nicht aber beim Herumheizen am Vereinshimmel mit anderen Deltas. Der Einsatz der Dualrate-Taste am Sender brachte die Lösung. Die Konsequenz: Start im Oma-Modus mit +/- 5 mm Ausschlägen, anschließend dann, je nach Temperament, Umschalten auf volle Kanne mit Ruderwegen >10 mm.
Start am Gummi
In Sachen Rudereinstellung war ich also gewarnt, dennoch bereitete mir der Erstflug der Impellerversion insofern Unbehagen, als ich keine Erfahrung mit diesem Antriebskonzept hatte. Stimmt der Sturz von 3° ohne Seitenzug, hat der 6S-Antrieb genug Schub? Als Starthilfe fungierte ein Gummiseil, das Düsen-Andy mit der Kofferwaage auf sechs Kilo vorgespannt hatte. Er hängte es im vor dem Schwerpunkt platzierten Starthaken des Modells ein. Eine zusätzliche Seilverlängerung nach hinten verband mit der über den Fuß zu betätigenden Ausklinkvorrichtung.
Anlaufen des Impellers, Niederdrücken des Fußhebels und schon schoss Siggis Delta von dannen, hob nach vier bis fünf Metern ab und nach weiteren zehn Metern fiel das Seil ab. Ein tiefer Seufzer der Erleichterung, die Maschine fliegt, der Schwerpunkt stimmt. Meine Sorge, eventuell divergierende Doppelleitwerke könnten den Geradeausflug beeinträchtigen, bestätigten sich nicht.
Das Delta geht brav durch Rolle, Looping oder Abschwung und zeichnet sich durch ein auffallend harmonisches Flugbild aus. Bei späteren Einsätzen macht es eine besondere Freude, aus dem Rückenflug mit Karacho in die Tiefe zu stürzen, in gefühlter Bierflaschenhöhe über die Bahn zu fegen und das Ganze mit einer "Siegesrolle" abzuschließen.
Da ist es wieder, jenes Top-Gun-Feeling! Wisst ihr noch, wie Tom Cruise im Film den Tower im Tiefflug anbläst? Jawolll!!! Es ist eine Freude, Modellflug zu betreiben!
Im Vergleich
Die Impellermaschine wiegt 3,5 kg, mein Propeller-Delta 2 kg. Beim Impeller-Delta schlägt der hinter dem Schwerpunkt liegende Antrieb mit 750 g zu Buche, die nur durch Bleischrot in der Nase zu kompensieren sind. Misst man den Stromverbrauch des Impellertriebwerks am Boden, dann ergibt dies 88 A. Theoretisch würde das bei "Vollgas“ für 3,4 Minuten Betriebszeit ausreichen. Bei einer Flugzeit von rund sechs Minuten mit wechselnder Drehzahl habe ich eine Stromentnahmen von 3.200 mAh ermittelt, was erheblich über dem Stromverbrauch des Propellerantriebes liegt. Über weitere Vergleiche zur Propellervariante berichte ich demnächst in der Zeitschrift FlugModell. Festzuhalten bleibt, dass der Wirkungsgrad des Impellerantriebes geringerer ist als der Wirkungsgrad des Propellerantriebs. Die Effizienz des Gesamtkonzeptes (Impellerantrieb + Zuladung) wird, hier greift das Hebelgesetz, zusätzlich durch ein Mehrgewicht von 1,5 kg, verschlechtert.
Verglichen mit dem Propellerdelta fliegt die impellergetriebene Maschine harmonischer, bietet Dank zweier Seitenleitwerke einen perfekteren Geradeauslauf, was sich interessanterweise auch im langsamen Kurvenflug bemerkbar macht. Meine Propellermaschine hat hier die Tendenz zu unterschneiden, während die Impellerversion wie an der Schnur gezogen gleichförmig dahin gleitet. Nicht zu vergessen das säuselnde, zumindest mich verzaubernde "Pseudo-Düsengeräusch" des 12 Blatt-Turbinenrades. Das vermittelt dem weniger versierten Piloten zumindest ansatzweise jenes faszinierende Jetfeeling, das der "echte" Turbinenflug nur mit hohen Anforderungen an Talent, Erfahrung und Finanzen vermittelt.
Fazit
Die Wiedergeburt des 80er-Jahre Deltas, gefertigt in CNC-Technik, ausgestattet mit moderner Steuer- und Antriebstechnik schenkt auch dem weniger Erfahrenen die Freude am Fliegen eines Impellermodells mit Jet-Habituden, zu erschwinglichen Preisen. Aber Vorsicht, Suchtgefahr!